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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (March 8, 1917)
Aus Ringen morden Zeiten« Roman von steten copies-sch. (5. Ioeienungx Beennett wies mit einer Handbetop z ung auf den Staatsanwalt, und on F fein einer Stelle gnb dieser te Antwort: « »Er soll eintretenk Sol-end sich die Tiik wieder ge schlossen hatte, sahen die beiden ein ander mit bedenknngsvollem Blick in die Augen, und Lüdemnnn sagte: ,Der Regierungsrat kommt hierher -—«« in das Hans- vek Ermordeten — das ist auf alle Filtr- benchtenstvert — so oder fo«. »Seht benchtesxcwert«, wiederholte der Polizeitommisior. Es dauerte nur einen Augenblick, bis die Tiir sich wieder von außen öffnete und in ihrem Rahmen Dürins geis traftvalle Gestalt erschien. Die gelbliche Hautfarbe seines Gesiclxtes war aufsallend blaß, und er mußte für die Dauer einer Selunde tief auiatmend unt Fassung ringen, bevor er sprechen konnte. Dann ging er ’niit leichter Verbeugung auf Brennert zu und sagte: »Herr Kommissar, ich suchte sie auf Jhrem Burenu, dort wurde mir aber gesagt, ich wiirde Sie hier finden«. Brennert wies auf Liidemann. «Das trifft sich gut, Herr Regie rungsrat. Sie tönnen Jhre Mittei lungen sogleich dem Herrn Staatsan walt selber machen«. Es gab Diiringer einen leisen R1:cl, als et sich so dem Staatsanwalt ge genübergestelli sah, doch er wandte sich dann schnell gefaßt ihm zu, stellte sich vor und sagte: »Der Herr Kommis sar machte mir gestern abend noch die Mitteilung« daß niich die Jungfer der — des Fräulein Runewta hier im Hause gesehen haben will. Jch stelle das nach wie vor ganz entschieden in Abredez ich war gestern abend nicht hier im Hause. Aber der unerwartete Besuch des herrn Nommissars hatte mich so verwirrt gemacht, vasz ich aus eine mir heute selbst unbegreifliche Weise versäumt habe, gleich zu sagen, was ohne weite-etc die Behauptung von meiner Anwesenheit hier wider legt hötte«. .Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Regierungsrat, und lassen Sie uns die Sache einmal in aller Gemüts ruhe bereden. Sie haben also gestern vergessen· einen wichtigen Punkt anzu führenlt« »Allerdingsi« «llnd was ist edi« «Datf ich zunächst noch eine Frage tuni Ich wiiszte gern die genaue Zeit, ann mich die Jungfer hier gesehen den tvill«. --' «llm halb neun llhr ungrsahr. Ein paar Minuten vorher oder nachher«. «Gut. Jch tann demgegenüber ei nen Zeugen anführen, der von ein Viertel nach acht Uhr bis etwa zehn Minuten vor neun mit mir zusam mengewesen isl«. . «Wirllich? Das würde ja die An gaben der Jungfer gründlich wieder legen'«. Der Staatsanwalt warf Brennert einen Blick zu, der einen f lleinen Triumle betundete, und stag te gleichzeitig: »Wer war denn dieser Zeuge2ff »Ein alter Freund von mir, Ju lius v. kiiittiter tnit Namen, ein ver D mögender Junggeselle, aer draußen i in der Vorstadt Yxenz jetzt ein paar I Monate in der Pension Herbart ge wohnt hat'«. , »Ich glaube, daß ich ihn von An s sehen kenne. Und wo waren Sie mit ilnn zusammen-« »Ich machte gestern abend einen Spaziergang, wobei ich Mittner in der Nähe des Justisztiastes trat. Ich begleitete ihn dann ein Stück wtii nach seiner Wohnung hin. Er hatte eigentlich fahren wollen, ttttr zut« e ging er aber zu kkksz Während wir beisammen waret-. schlug es halb neun Uhr. Jch soeiß es bestimmt, weil Rittner seine Uhr herauszog und sie stellte«. »Ein Aiibi, wie matt sich's nur wünschen lann. Haben Sie sit, i:k«.t· Ihrem Freunde bereits ins Einver nehmen gesest wegen seiner Aussage,« s die autt formellen Gründen ja notig it?«« l f i«Ii)iiringer stockte mornentan, suchte( noch Worte, blickte unsicher umher. «Jch hätte das bereits getan, —- es «re ja das Natürliche und Gebo e e, —- aber die Sache, —- leider ist eine Schwierigkeit bei der Sache. Mein Freund ist nämlich gestern abend um els Uhr abgereisl nach dein Süden, —- er ist sehr viel aus Reisen, —- besonders im Winter, den er in Deutschland nicht liebt, — nnd ich innn leider nicht angeben, wo er sich kurzeit besindet«. Liidernann mußte, wider Willen vielleicht, Brennert abermals an schauen, der dem Staatsanwalt sei nen triumphierenden Blick von vor hin Urteil-gab « »Ja, das bedingt eine für miæ seh- unangenehme Ver ögerung. J werde selbstverständli versu en, Rittner lelegravhtsch zu errel en, L aber es tvird seine Schwierigkeiten I« ben. Denn er sagt nie vorher, wo in er ·siihit, kann es auch nicht« mit er sich niemals einen bestimm —--—..——-..---—,--—- - —. -- —— .-. Ahn ten Reiseplnn macht, sondern sich auf vermögender Mann, der jede Laune zu befriedigen vermag, vorn Augen blick treiben läßt« Sicher ist nur« daß er stets nach dem Süden geht« Jni übrigen hat er Inir auch gesagt, daß er selbst nicht wisse, wohin der Wind ihn treibe. Bis Basel ist ihm der Weg wohl vorgezeichnet, iiber Basel. musz er jetzt aber schon hinaus sein,« und ob er weiter über den Gotthard, über den Genser See oder über den: Simplon sährt, ist eine Sache des .Zusalls, der Reisegesellschnst, irgend-, seines äußeren Umstandes. Trotzdem werde ich gleich an ein paar Stand-! »nen der genannten Routen telegrai sphieren und versuchen, ob durch Ra Tmentsnufrus mein Freund in eineml »der durchpassierenden Schneslziiges dech vielleicht zu ermitteln ist« Aber! zleider ist es eine ziemlich unsichere. sAussichy und mit Schreiben gibt »Nittner sich nuch nicht gern ab. Sol Jtann —- ich vemerie das von vornher ’ein — einige Zeit vergeben, bis es iinir gelingt, mich iiiit ihm in Ver Ibindiing zu schein« ’ Nach dem ersten, augenblicklichen iStocken hatte Düringer schnell, in einein sogar immer mehr steigenden Tempo gesprochen. ZDoppelt start wirkte nun die Stille, die seinen Worten folgte. Denn der Staatsan walt antwortete nicht gleich, sondern zeichnete mit einer Fingerspitze aller lei Figuren auf die grüne Pliischdecle des Tisches, an dem er faß, wobei er den Iiopf zugleich nachdenklich hin fund her bewegte. Nach einem Schwei gen, das länger schien, als es war, isprach er dann in einem leicht ver sändertem tiihleren Tone: »Das ist junaiigeiiehnh —- sehr unangenehin ffiir Sie, herr Regierungsrat, und siir die Behörde« Machen Sie aber iiminerhin den Versuch, Jhisn so un lzeitig abgereisien herrn v. Rittner izu erreichen. wenn mir aii ein Ersi sfolg wenig wahrscheinlich it.« i s »Mit-er auch mir,'« sagte Diiriiiger I fund stand anf. Jedenfalls will iih i eilen, —- wenn Sie mich nichts mehr szu fragen haben, herr Staatsan iroalt." i »Mir ein paar Worte noch. Sie shaben eine Bekanntschaft mit der» JVerstorbenen gestern abend schon dem l lHerrn Kommissar gegenüber zuges ’sianden, nicht wahr?" · . Eine merkwürdige Veränderungi zeigte sich bei Düringer, als die Ku newia erwähnt wurde. Seine Lip ’peii zuckten, als wenn er mit Wei Jnen tiimpfte, seine Hände bewegten( :sich nervbs, und mühsam, heiser tass imen seine Worte hervor: Allerdings i— gewiß. —- der Wahrheit gemäß.« ; »Jhre Bekanntschaft war nicht von "älterein Datum, wurde hier erst an geiniipft2« Einen Moment schien Düringer zu zögern, zu überlegen, um dann in derselben heiseren Weise zu sagen «Jch habe sie hier erst leniien gelernt. Ich bewunderte sie als Künstlerim das tat fast ein jeder in der Stadt, —- und ich habe sie besucht.'« »Wurden Sie hier in diesem Bon doir von ihr empfangen?« »Ja, hier. Dort, —- dort auf dein Diwan hat sie mir gegenüber geses sen.'« Wieder klang eine tiefe Bewe giing aus Düringers Worten. Auch der Staatsanwalt erhob sich. »Für heute will ich Sie nicht aus halten, wir werden jedenfalls noch öfters miteinander zu ionferieren haben-« »Ja, ich werde zum Telegraphem amt gehen,« sagte Diiringer, bewegte sich aber dabei nicht vom Fleck. Er starrte zur Tür hinüber, die nach dein Speisezimmer führte, und seine Hand hob sich langsam, dorthin wei send, wie von fremder Macht wider Willen regiert. »Ist-sie, — ist sie sehr eiitftellt?« »Ortss ,,Liegt sie dort —- dort im Zim mer?« »Nein. Der Herr Kreisphnsilus wollte den Körper ins Schlafzimmer schaffen lassen, um alles für die Sel tion vorzubereiten.« »Ob« es ist furchtbar —- furcht bar!'« Ein lonvulsivifches Weinen er tchiitierte Düringers Körper fiir einen Augenblick, doch ging es rasch vorüber. »hätten Sie den Wunsch, sie noch einmal zu sehen?'« »Nein, nein —- oh nein! Jch bitte Sie, verschonen Sie mich damit und lassen Sie mich gehenl'· »Ich halte Sie nicht.« Der Regierungsrat öffnete die Lippen, als wenn er noch etwas fa gen wollte« machte dann aber nur eine stumme Verbeugung und ging hinaus. Staatsanwalt und Kommissar schauten einander stumm in die Augen. »Seltsam ist sein Betragen, das ift nicht zu leugnen,·« sagte Liidemann. «Selfr seltsam.« »Und seine so merltvtirdig spät vorgetragene Geschichte von diesem Herrn Rittner klingt start na dem roßen Unbelannten, den wir o gut ennen, und der niemals aufzufin den ift.« Mir ifi es am auffallendften, daß er hierher ins caus gekommen ist-« «Warumi« « Werk Staatsanwalt lennen doch den merkwürdigen Reiz, den der Plai des Mardes auf den Mörder tlbt. Und außerdem —- tpenn er in, die Tat vermittelt wäre —, so hötteY fein Kommen auch den Zweck haben tönnen, zu sehen, ob nicht irgendwel che Spur von feinem Hiersein geblie ben wäres« »Dasitr hätte doch nnr der Anblick» des Zimmers nützen können, wo der Mord geschah. Nein, nein —- ich will · auf diesem Wege nicht weitergehen. Tatsachen zwingen bisher dazu nicht wenn ich auch gestehe, daß mir dies vergessene Alibi recht verdächtig er scheint. Aber wir hoben ja die viel handgreiflichere Spur der beiden ver dächtigen Burschen, und auch die Glnubwiirdigteit der Jungfer haben wir noch nicht tontroltiert. Vielleicht hätten Sie die Freundlichteit, jetzt einmal wieder an die Gendarmeries stotion in Hegendorf zu telephonieren’ und nach dem Erfolg der Recherchen tu froaen. Der Herr Höcker oben diirfte wohl ein Telephon haben.« »Ich werde gleich nachsehen." »Und hinterher wollen wir die Stubenföhr vernehmen. Ader nicht eher, als bis Sie zurück sind.« Mit stummer Zustimmung ent fernte sich Brennert, während sich der Staatsanwalt ins Schlafzimmer be gab, wo der Kreisphhfilus bei feiner traurigen Arbeit war. Es dauerte jedoch nicht lange, bis der Kommissar seine Rucltunft mel dete; fein Gesicht schien Besonderes anznzeigem Liidemann erkannte das auf den ersten Blick und ging mit ihm wieder in das Boudoir. »Nun, haben Sie oben ein Tele phon gefunden?« »Allerdings«. Und es hat niir ge sagt, daß ich ein Dummtopf gewesen bin.«« »Wieso?" »Weil ich dieser Person, dieser Stubenfiihr, zu viel geglaubt hat«-e Sie liigt.« »Wirtlich'i Sehen Sie wohl, jetzt werden wir zu den Tatsachen kom men.« »Hofsentlich. Jn Hegendors ist je denfalls festgestellt worden, daß die alte Frau Stubensöhr lerngesund ist. Unsere Zeugin aber hat ihrer Mut ter gesagt, sie miifse mit dem-Zuge um dreiviertel acht Uhr hierher zu rücksahren, weil sie nicht länger Ur laub habe. Das genaue Gegenteil also von dem hier Ausgesagten.« »Sehen Sie wohl, daß diese Kon trolle doch nötig und moglich war Nun wollen wir aber die Person selbst einmal vernehmen.« »Sie läuft bereits aus dem Kor ridor umher und wartet, scheinbar in großer Aufregungk f »Seien Sie so gut, sie hereinzurus en.« Erennert ging an die Tiir und rief Marie Stubenföhr ins Baudoir. Es war eine tleine, zierliche, hubsche Person, die mit einem halb toletten, halb nerviisen Lächeln vor den Staatsanwalt hintrat. Er stellte zuerst it ruhiger Freundlichkeit ein paar leichgiiltige Fragen über Namen und hertunft und fuhr dann sort: »Seit wann waren Sie bei der Verstorbenen in Dienst2« »Erst seit Oltober, als das Thea ter anfing und sie hierherlam. Aber wenn es auch nur ein paar Monate waren, ich habe sie doch in der tur zen Zeit so lieb gewonnen, so lieb! Sie war immer gut und heiter und freundlich « »Wenn das wahr ist, was Sie da eben über ihre Zuneigung und Er gebenheit fiir die Tote gesagt haben, dann sollten Sie doch auch alles tun, um zur Bestrafung des Mörders bei sinnigem »Aber ich habe doch dein Herrn Kommissar gestern bereits alles ge sagt, was ich weiß.« »Nein, das haben Sie nicht getan. Sie haben gelogen-« Die Stimme Lüdemanns nahm auch jetzt keinen Ausdruck von Horn und Hesiigteit an, sondern blieb ruhig und freund lich wie zuvor, so daß auf dem Ge sicht der Jungser zuerst mehr ein un gläubiges Erstaunen als Erschreaen zu sehen war. Dann aber flammte ein heißes Rot darin aus« und sie sagte mit bebender, unsicherer Stim me: »Wieso soll ich denn gelogen ha ben, Herr Staatsanwalt?« »Sie haben gesagt, Sie seien schon um dreiviertel acht Uhr von hegen dors abgesahren, weit Jhre Mutter unwohl gewesen sei. Das ist nicht wahr; Jhre Mutter ist terngesund. Sie haben ferner dort gesagt, Sie müßten um die angegebene Zeit fort sahren, weil Sie nicht länger Urlaub hätten. Das ist auch nicht wahr. Sie hatten, wie Sie dein herrn Kommis sar gegenüber aussagten, Erlaubnis, bis um els Uhr sortzubleiben, und ich habe Grund anzunehmen, daß dieser Teil Jhrer Angaben richtig war. Al les iibrige aber war salsch und erlo gen.« Marie Stubensöhr brach plötzlich in Weinen aus, hob die hände bit tend empor und ries .,Oh, Herr Staatsanwalt, machen Sie mich nicht unglückilcht« »Es ist nicht mein Zweck, Sie un glücklich zu machen. Mein Zweck ist es, die Wahrheit herauszubringen Und ich rate Ihnen, mir ietzt in al lem und jedem die Wahrheit zu sa gen.« »Ja, ja, das will ich tun, Herr Staatsanwalt! Jch sehe ja doch, daß alles herauskommt Aber unsereins hat auch ein Deri in der Brust und l Fischte gern was haben siie sein Ge übt« »Aha ·- eine Liebesgeschichte Läust es daraus hinan-W »Ja, wenn der here Staatsanwalt es so nennen wollen. Aber nichts Leichtsinnigeö —- ganz in allen Eh ren, Heer Staatsanwalt Jch habe einen Bräutigam, einen richtigen Bräutigam, der mich heiraten will, tvenn er nur erst eine Frau ernähren kann. Franz heißt er nnd ist Schlos ser, und ich hatte für gestern abend mit ihm verabredet, wie wollten uns um halb neun Uhr, weit ich da ge wöhnlich mit meiner Arbeit fertig war, hier vor dem Hause siir eine Viertelstunde treffen. Fräulein Ku newta gab mir aber gestern oen Ur laub erst nachmittags und so uner wartet, baß ich meinem Bräutigam teine Nachricht mehr schicken konnte. Darum habe ich zu Hause gesagt, ich müßte schon um dreiviertel acht Uhr wieder sort, und weil ich dachte, Fräulein Kunetvta hätte vielleicht tr gend jemand im Haus erzählt, ich brauchte nicht vor els Uhr wiederzu toinmen, da habe ich mir das aus gedacht mit der Kranihcit von meiner Mutter-. So ist es gewesen, lHerr Staatsanwalt, wahr und wahrhaf tig!« »Die Geschichte rungr einigerma ßen glaubhaft. Wie heißt Jhr Ver tobter und wo steht er in Arbeit?« »Franz Riedegger heißt er und er arbeitet schon seit vier Jahren in der großen Kunstschlosserei von Heinrich Mathiag in der Hochstraße«. »Gut· Und wie war es gestern abend? Haben Sie Franz Nisegger hier um halb neun Uhr vor dem Hause getroffen?« »Ja, Herr Staatsanwalt, schon etwas eher. Denn er stand bereits va, wie ich von der Bahn kam, was un gefähr fünf Minuten vor halb neun war. Er hatte nämlich nur einen Augenblick Zeit, was er vorher nicht gewußt hatte, weil eine Versamm lung unerwartet aus dieselbe Zeit einberufen war." »Was fiir eine Versammlung?" ,,Eine Arbeiterversammlung, wei ter weiß ich nichts. Nur daß er dort eine Rede halten sollte.« »Eine sozialistische Versamm lung’t" »Es ist wohl möglich, Herr Staatsanwalt, aber genau weiß ich es nicht« »Wie lange sind Sie gestern mit Ihrem Verlobten zusammen gewe seni"' fuhr der Staatsanwalt fort. »Ach, nur ganz kurz. Wir hörten es halb neun schlagen auf der Niko laitirche, und da hat er gleich gesagt, er. müßte nun fort, er käme so schon zu lpät«. »Ist er denn lvirllich sofort gegan geni« »Ja —- das heißt, ein Paar kurze Minuten ist er noch geblieben und hat mir einen Kuß gegeben im Haus gang. Ach, er kann so wunderschön iiissenl« »Das interessiert mich weiter nicht, ob Herr Niedegger schön tiissen kann. Aber wann, um welche Zeit genau, ist er gegangen?« »Es lann drei, höchstens fünf Mi nuten nach halb neun gewesen sein«. »Und Sie sind gleich darauf ins Haus und nach oben auf Jhr Zim mer gegangen?« »Jawohl, Herr Staatsanwalt, und eben bei dieser Gelegenheit bin ich dem Herrn Regierungsrat von Düringer begegnel«. »Sie halten also die Behauptung aufrecht, ihm gestern hier begegnet zu seini« »Ganz gewin. Was yane ich na bei, mir so etwas augzudeiiten?« »Es war aus der Treppe nach Ih rer Angabe, nicht wohn-" «Jawohl, aus der Treppe«. »Und aus der Treppe zu welchem Stoawert?'« »Doch zu diesem hier, Herr Staats anwalt! Jch setzte gerade meinen Fuß aus die unterste Stufe, da tain der Herr Regierungsrat eben um die Ecke der Treppe und gerade auf mich sit-" »Sie tannten den Herrn Regie rungsrati« »Ja, gewiß —- weil er doch zwei oder dreimal bei meinem Fräulein gewesen war und weil er mir bei sei nem ersten Besuch seine Visitentarte gab, die ich natürlich las«. »Natürlich! War es hell im Trep penhaus?« «Oh sa, so ziemlich. Das elek trische Licht brennt ja nicht übermä ßig hell, aber es war doch eine Flam me hier im Flur und eine vor un serer Korridortiiy und ich konnte ganz gut sehen". »Wie war der Herr, dem Sie be gegneten, gekleideti« »Er trug einen Pelz, in den er dicht eingewickelt war, weil wir doch ge stern abend recht unsreundliches Wet ter hatten und einen braunen Hut. Jch glaub-, daß es ein Paischhut war«. - »Sie können sich nicht geirrt, kön nen den herrn Regierungsrat nicht mit einem anderen Herrn verwechselt habeni" »O nein, Herr Staats-i valt. Jch kann es jeden Augenblick eschwören bei Gott dem Allmächtigen, daß er es war«. Der Staatsanwalt hatte seine Fra gen slehend getan; jetzt ging er ein. paarmal mit gesenktem Kon aus und ab, wobei er Zeigesinger und Daumen W -—.—— feiner linken Hand aneinander riebÅ was bei ihm als ein Zeichen tiefen und unbefriedigten Grübean galt Sich dann aber aus der nachdenkenden Stellung aufeaffend, trat er wieder vor vie Jungfer hin. »Sie haben gestern abend angege ben, baß In der Wohnung nichts fehle, daß also nichts geraubt worden sei?«' »Ja, soweit es in der Eile mög lich war. Der Herr Kommissar mem tea« — »Ich weiß, es ist vorläufig nur eberflächlich nachgesehen worden. Wir wollen das jetzt grünblieher besorgen. Wo pflegte Ihre Herrin Geld und Schmuclsachen aufzubewahren?« »Geld hatte fie überhaupt immer nur wenig un Hause. Sie sagte, das müsse man als einzelne Dame so ma chen. Sie trug es zur Deutschen Bank und holte sich, was sie ge branchte«. »und Ihren svchmuar Versamme leriniien pflegen wertvolle Sachen zu haben«. »Das hatte sie auch. Eine herrliche— Perlentette namentlich. Damit war sie"sehr sorgfältig. Jn ihrem Tonn tezimmer im Kleiderschrant ist eine ei serne Fiassette aiigeschraubt, und in ihr wurden die kostbarsten Sachen aufbewahrt. Mit anderen Dingen war sie weniger genau. So lagen immer verschiedene Ringe und Bro schen auf ihrem Toilettetisch in einer Metallschate, die wie eine Muschel aussieht. Jch sagte ihr ein paarinal, das wäre doch unvorsichtig, aber sie antwortete mir, es wäre so bequemer, und wenn von diesen Sachen einmal was gestohlen iviirde, dann wäre das tlngtnct nicht allzu groß«. »Wo bewahrte sie den Schlüssel zu der eisernen Kassette aus?« »Ja einer Handtasche, von der sie sich niemals tren-ite«. »Sie tomite die Tasche doch nicht mit auf die Bühne nehnien«. »Das nicht. Wenn sie spielte, blieb die Tasche in der Garderobe, und ich mußte daraus achten. Das band sie mir jedesmal aus die Seele«. «Jst in der Kassette gestern bereits nachgesehen morden?« Jetzt antwortete Brennert an Steue des Mädchens. »Ja, Herr Staatsanwalt; nichtig ist es gesche hen. Jch habe verschiedene Schlussel an mich genommen, —- hier stsd sie«.; »Auch von den Schmucksachen fehlt nichts, die gestern von der Schauspie lerin getragen tvurden?« . »Nein, nach den Aussagen der? Jungfer hier fehlt nichts«. " »Nun, wir wollen alles noch einmal nachsehen«. Sie gingen über den Koreidor und betraten, ohne das Schlasgeinach zu berühren, das durch Brennert aufge schlossene, daneben gelegene Toiletten ziinmer. Auch hier brannte bereits Licht und beleuchtete den Raum, wo die Tote sich gestern siir den unbe kannten Gast geschmückt hatte. Aus dem Toilettetisch lagen allerlei Ap parate siir Schonheitspflege; Puder und Schminte deuteten auf ihren Be rus. Zuerst öffnete der Kommissar den Kleiderschraiit, dann auch, indem er darüber hängende Kleider beiseite schob, die fest an den Boden ge schraubte Kassettr. Ein mit rotem Samt iiberzogener Lasten wurde oariii sichtbar, der sich an einem ver goldeten Grisse herausheben ließ. Als Brenners seinen Deckel zuriictschlug, drang ein Blitzen und Leuchten von edlen Steinen und Perlen daraus hervor. Die schimmernde, dreireihige hterleiitette vor allein war an ihrem Platz, auch sonst lagen die Schwiel stücte wohlgeordnet uiid scheinbar un berührt. »Haben Sie diese Sachen öfters ge seheni ttöiinen Sie mit Bestimmtheit sagen, ob nichts fehlt?« »Gewiß, Herr Staatsanivalt«, er widerte Marie Stubeiisöhr. »Uiisereinö hat doch auch seiite Freude an so scho nen Sachen, freilich immer nur von weitem. Aber ich lenne das alles ugenau und weiß, daß nichts fehlt". »Nun wohl, dann schließen Sie Kasten und tiafseite wieder ab, Herr Kommissar. Wo befindet sich denn die Muschelschale, von der Sie sagten, Fräulein Stubciifiihr?« »Die steht hier aus dein Toilette tisch unter dein Tuche, das ich immer darüber gebreitet habe, damit tein Staub an die Sachen toinmen sollte". Sie wies auf ein Tafchentuch aus weißem Batist; es lag etwas unor dentlich über die darunter befindliche Schale gebreitet. Sobald Lüdemann es aufhob, entzündete sich auch hier am Licht ein Glanz von verschieden farbigem Schmuck, doch sah man gleich, daß die Schale nicht solche Kostbarleiten barg wie der Kasten im Schrank. »Sehen Sie sorgfältig nach, ob auch hier alles am Platze ifi«. » »Gewiß, Herr Staatsanwalt. Aber ich glaube schon so zu sehen, daß-» nicht-s fehlt. Hier bie Agraffe mit Türlifen hat das Fräulein viel getra gen; hier ist auch der Smaragdring, hier die altmodische Granatbrosche, die sie siir gewisse Stücke brauchte, und hier — mein Gott!« »Was ist? Warum erfchreclen Sie?« »Hier fehlt ein Ring! Darf ich noch einmal sehen? Dies ist er nicht und dies auch nicht —- wahrhaftig, er fehlt. Wenn sie nicht gestern abend vielleicht ihn getragen hat. Aber so viel ich mich erinnere« —- - »Wie fah ver Ring aus?" » »Er war von ganz besonderes-« Form und sah so aus« als wenn zwei kleine goldene Schlangen sich inein-. ander verwickelt hätten. Sehr withan war er wohl nicht, aber ganz be on dets, wie ich eben schon sagte. as Fraulein hin ihn zu Anfang auch Mk immer getragen, sinf einmal aber trug fie ihn nicht mehr. Und als ich mir erlaubst-, deswegen zu fragen, da ing te sie: »Ich mag den Hing nicht mehr· — weiter nicht-XI «an eg vielleicht noch irgendein besonderes Kennzeichen daran-« »Jii, Herr Stjatgmnoaln Ich hdlse die Suchen ja mehrfach puyen müssen und habe sie mir dabei genau betrach tet. Hm diesem Ringe win- eine Jn schrift«. M; »Ah! Und welche-" ,,Zl:erst tainen zwei Buchstaben.» Welche das waren, weiß ich aber nicht mehr. Und dahinter das Datum: l. Januar 1893 —- dessen erinnere ich mich ganz genan«. »Deinen Sie nach, die Buchstaben wären uns von großer Wichtigleit. Können Sie sich baran nicht befin-. nen?« « »Nein, ich möchte nichts Falschez sagen. Jch glaube, der eine Buch stabe war ein D, doch tann ich es nicht beschlvoren«. Staatsanwalt und Kommissar wechselten einen raschen Blick; dani fragte Lildenianin ,,.Qaben Sie die-« sen Ring an der Talen gez terr. abend gesehen dserr tiociiitiissars" »Nein sicher nicht Er war nicht an ihrer Hand«. »Sonderbarl llnd weiter sollte wirtlich nichts fehlen als dieser ein« ziae Rings Sei wen Sie noch einniaJ ganz genau nach'. Marie Stubensöhr gehorchte denn Befeh: mit Eifer, doch erttörte sie be stimmt, alles- Uevrige sei vorhanden« Auch bei der weiteren Durchsuchnnsj der Wohnung stellte sich, nach drnlt Zeugnis der Jungfer —- heraus-, dass nichts fehlte als dieser einzige Ring« Es blieb nur iibrig, nach Erledi gung der- Protokollå die zeugin ztl entlassen. Lüdeinanns Gesicht hatt ganz den gewohnten hefteten Ausdruck verloren; er begann eine langdauerndo Wanderung durch das Boudoir und rieb Zeigesinger und Daumen mit er-« höhtem trifer ane: minder Zuletzt blieb er vor Brennert ste hen und ergriff einen Knopf an dein» sen Rocke, den er festhielt, während er sprach. »Das Fehlen dieses Ringes wirft ein ganz besonderes Licht aus die Tat. Ein Raubmörder nimmtf Geld und Geldeswert ohne Unter-s schied. Er beschränkt sich nicht aus einen einzigen Ring. Es muß mi. ihm eine besondere Bewandtnis haii ben, worauf auch die Abneigung des Ermordeten, ihn zu tragen, hindeuo tet. Erinnerungen bedeutsamer Ar müssen an diesem Ringe haften. J tommc beinahe dahin, Herr KommisJ far, Jhre Ansicht von einer Othellod Tragödie zu teilen. Ringe pflegt-w von Liebhabern geschenkt zu werden und vielleicht hat wirklich ein Lieb-i haber« — »Wir haben wenigstens das Da tum im Ringe. Das ist schon etwas Mbchte sich-Z nicht empfehlen, eine geq naue Beschreibung des Ringes an dis Zeitungen zu geben und um Verbrei tung der Notiz zu bitten?« »Gewiß, tun Sie das Die Presse hat uns ja schon oft geholfen. Abel wir diirfen auch die andere Spur; nicht aus den Augen lassen. Die bei den Bnrschen, die der Herr Jngr-. nieur gesehen hat« haben zweifellos hier in die Wohnung eindringen wol-. len, und sicher in ubler Absicht. Ma rie Stubenföhrs Glaudwurdigteitt aber ist immerhin ein wenig erschüt tert. Sehen Sie zu, der beiden Kerls habhaft zu werden —— und, mir lommt eben ein Gedanke —- prüfen Sie, ob nicht vielleicht eine Bezie-. hung besteht zwischen ihnen und die sem Herrn Franz Niedegger, der so schön küssen tann.«« Hedmig von Diicinger saß an deni tleineii Rotoloschreibtisch ihres Bon doirs. Jhre Hand glitt schreibend über einen Briesbogen dahin, zuersts gleichmäßig und sicher, dann merklich verlangsamt. Nun ein Absetzen, ein Ueberlegeii, ein Durchlesen des ist-. schriebenen. Einmal noch hob Hed ivig die Hand, uin ein paar Worte hinzuzufügen, dann brach sie wieder ab. Endlich legte sie dte Feder hin ergriss den Brief und riß ihn lang sam in kleine, ganz lleine Fetzen. Die wars sie hinab in den Papiertorb,» und gleichzeitig bewegten sich ihre Lippen sür ein paar taum vernehm liche Worte: ,,Dahinein soll niemand sehen — auch meine Mutter nicht« Sich im Stuhl zurücklehnend, bliebl sie lange Zeit in statuenhaster Unbe weglichkeit und starrte getadeaus vor sich hin. Die Augen brannten nnd fragten in tiefem, verschlossenenr Weh. Der Körper zeigte tauni eine Regung des Lebens, nur die Brust hob sich mitunter, von einem schweren Seufzer bewegt. Dann aber, als die Tür sich öff nete, ging es wie ein Erschrecken durch ihre Gestalt. Sie wandte den Kopf so jäh nach jener Seite liin. als erwartete sie jeden Augenblick »O Nahen von etwas Furchtbarem, di) draußen hinter den Türen la MED (Fortsetzung solgt.) . Bd .0.4 si;