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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Jan. 1, 1909)
Nebraska Staats- Anzeiger und J set-old - Jahrgang 29. Grund Island Nebr» i. Januar 1909 (Zweiter Theil) Nummer. 19. Mne dochzrit tm Jerusalem Es ist schon ganz still in unserm Hotelz die modernen Kreuzfahrer, die sich tagsiiber an den Sehenswürdigkeis ten müde gelaufen haben, gehn zeitig zur Ruhe. Da wird es lebendig im Hause. Ein Bote mit der Laterne in der Hand, in sliegender Eile, klopft auch an meine Tür. Es ist der Bru der der Braut, der den Auftrag hat, zur Hochzeit zu laden und die Gäste in das Haus des Vaters der Braut zu geleiten. Wir haben kaum Zeit, uns notdürftig für das Fest zu rüsten. Jn Laufschritt geht es durch die engen, steiien Straßen der Stadt in sinsterer Nacht. Sie sind zu einem roszen Teil ülserwälbt, der matte S der La terne huscht über die Sbisem die den steilen Abstieg und Anstieg mildern. Mo die Straße frei ist oder ein Licht schacht das Gewälbedunlel unterbricht, leuchten vom Himmel die Sterne her ab. Das Haus der Braut liegt in ei ner enaen Gasse des Araberviertels. Von außen gesehn ist es wie fast alle Häuser an der Straße ein düsterer, elender sltohsteinbau, das Rohrverk der Mauer nur an wenigen Stellen von Fenstern durchbrochen. Ein finsterer, schmuhiger Torweg führt in den Hos. hier ist Leben. Alle vier Seiten des Hofes sind von einstäctigen Gebäuden eingeschlossen. An den Ecken führen hölzerne Wendeltreppen zum ersten Stockwert, worin sich die Wohnräume befinden. lsin hölzerner Altan geht um das ganze Häusergeviert nach dem Hof zu. llnbehindert kann man wie auf einem Rundaang das ganze Häu srrgeviert im ersten Stockwert um schreiten und hat von da aus Zugang zu allen Wohnungen. Denn die Tü ren und die Fenster gehn alle nach dem Hof. Selbstverständlich nehmen die hausgenossen an der Freude der seiernden Familie teil. Wir werden ins lkhrenzimmer ge leitet und vom Vausherrn empfangen. Zwei Stunden hatten wir Zeit) unsre durch die Eile der Ladung aufs höchste gespannten Erwartungen in Geduld zu fassen. Nicht weit von unsern Zim mern war das Zimmer der Frauen, die um die Braut versammelt waren. Dieses Zimmer zu betreten. wäre ein grober Verstosz gewesen. aber vom Al tan konnten wir durch die offne Tür dineinschauen. Ein betäubender Lärm schallte uns schon beim Betreten des Hofes entgegen. Er tani von den Freudenliederm die die Brautjung stauen ohne Aufhören ansiimmten. Jede Strophe des Liedes schließt mit iem Jubelruf hast-a, wobei das i mit einem treisrbenden Kehllaut nach Kräften geschieen wird, wie es sonst nur von einem lebenslustigen Eselein zu hören ist. Ließen die ermatteten Stimmen eine kleine Meile nach. so setzten sie dann um so höher und träf iiger ein, denn das laute Schreien isi der Maßstab der Freude. Die Braut wird in den Liedern gepriesen, ihrer Schönheit kommt nichts gleich auf Er den· Und der Bräutigam ist ein Held an Stätte und steht an hoher Gesin rtung unter den Edelsten seines Volks. Was gibt es Schäneres als eine Hoch zeit, fie ist der Inbegriff aller Freude. »Wir wollen nicht bittern Kassee«. sin gen die Frauen, «sondern wir wollen Arrat aus großen Krügen trinken — ba-i-a.« Es sind die halbmannshohen Krüge gemeint, die zu jedem haushalt gehören, noch ebenso heute. wie wir sie bei der hocherit zu Kann im Gebrauch sehn. Bei all diesem Festlärm sitzt die Braut unter der Weiberschar in ihrem Festschmuck so teilnahmslos wie nur möglich, die Augen meist geschlossen. So will es die gute Sitte. Sie trägt ein weistseidnes Kleid. wulstig am Leibe versteckt, über dem Kopf das weit berabwallende weiße Kopftuch der Frauen und das Gesicht noch beson-» ders durch einen dünnen Schleier aus weisser Seide verhüllt, im haae Oran- : sent-litten z Die Wartezeit wird den Gästen mit ’ wahrhast orientalischer Gastlichkeit verttirzt Zuerst werden Zigaretten angeboten. Dazu reicht der Hausherr das Festgebäck, das im hause gebacken wird unter hilfreichem Beistand eur Hochzeit geladner Frauen. Es spielt auch in den Liedern eine große Rolle, und es ist Ehrensache der hat-strau, daß es gut geraten ist. Bot allem muss es süß sein, denn Süßiateit liebt der Orientale til-er die Maßen. Diese lleinen, runden hochzeitiluchen sind eine Mischnng von Vlätterteig und Frucht- oder Nußsiillung und siir untern Geschmack unerträglich süß. Wie gut, daß ei Kognal und Arrat dazu gibt! Aber trint vorsichtig. Denn der hautherr wacht wie ein Ar aus, um sogleich mit der Flasche her beizustllezen und das gleerte Glas neu zu stillen. Kränkenderei aber lann es nicht gehen. als abzulehnen, was die Gastsretlsett bietet. Wird es noch lange währen, bis der Bräutigam , -«-—.— --, , -«.-..-.--—. -. ...-«- -.-, ,...«... —..-. tomrntt Wir meinten schon, nun müsse es des Wartens genug sein. Da bringt der haushrrr die Wagerpfeifn das ge liebte Rargileh, und ellt es vor jeden Gast· Man raucht gut eine Stunde daran. Der Orientale hat teine Lan geweile, wenn er nur den kostbaren Dampf aus dem gurgelnd-en Wasser ziehn kann, et ist imstande, den ganzen Tag, am Straßenrain sihend, bei sei ner Wasserpfeife zu träumen. Um ständlich wird der mit Wasser ge träntte feine Persertabal mit der Faust ausgedriickt und auf den Pfei enlopf gelegt, und dann vier glühende Stücken Holztohle sorgfältig darüber geschichtet. Nicht lange dauert’ä, so bringen die Diener einen neuen Genuß. Auf einem Tablett stehn Gläser mit Marmelade aus Quitten, Feigen und Litronem ein leeres Glas dabei und Löffel nach der Zahl der Gäste. Es gilt gut aufzumerten, denn wer aus desn Marmeladenglas mit dem Löffel geschöpft und davon genossen hat, steckt den gebrauchten ins leere Glas. Der Uneinweihte greift dann wohl leicht in falschem Gefühl von Sitte und An stand nach den gebrauchten Löffeln. Noch ist das- Hochzeitsmahl nicht er schöpft, sondern zuletzt gibt’5 als er aniaenden Schluß herrliche Apfelfmen aus der Ebene Saron und starken, aromatifchen Kasse-e. Wiederholt wurde die Ruhe —- an die Trillerlieder der Frauen hatten wir uns gewöhnt wie der Müller an das Felappern der Mühle -— unterbrochen und unsre Hoffnung auf den Beginn der eigentlichen Feier neu belebt. Um 9 Uhr hatte uns der Hochzeitsbitter ge holt. Um 10 Uhr tarn ein Bote, aus dem Haufe des Bräutigams gesandt, mit der seierlichen Ansraae, ob die Braut bereit sei. und zugleich die Zu riiftung des Bräutigams weidend Zu den wichtigsten und unter umständ lichern Zeremoniell vollzognen Vorbe reitungen gehört außer dem Bad das Nasieren des Bräutigams, das unter Assistenz des ihm am nächsten stehen den Freundes vollzoaen wird. Eine weitere Stunde veraina. Da kommt um ll Uhr der Bote ein iweites mal, eiliaer als zuvor, mit der Botschaft an die Braut: Bereite dich, der Bräuti gam kommt. Eine gesteigerte Bewe gung macht iich bei der Jugend bemerk lich. während die Aeltern in ihrer Ruhe verharren. Um z12 Uhr kommt der Bote zum drittenmal in höchster Eilet der Bräutigam ist auf dem Wen. Jetzt wird es lebendia. Die Gäste tränaen sich auf dem Altan zusammen und sodann nach dem finstern Hoftor. Und dann war es wirklich toie im Gleichnis von den zur Hochzeit mind nen zehn Junafrauen Um Mitter nacht erhob fich ein Geschrei: der Bräutiaam kommt. Es war ein be zuubernder Anblick. Voran vier aries chifch: Priester in ihrem goldftrotzeu den Feftornat, dann Knaben mit hohen Stuben, die mit Limonenlaub um wunden waren. Jn der Mitte seiner Freunde der Bröutiqarn, von zwei Kawassen sKonsulatsdienern) in bun ter Tracht aeleitet. die mit den-rohen Psörtnerstiiben bei jedem Schri t wör deooll aufs Pflaster stießen, und hinter dem Bräutigam feine Freunde. Jeder rer Festteilnehmer trug eine brennende Wachsterze in der Hand. So zoaen sie in Broiefsion durch den Hof und die steile Treppe hinauf und fiillten das aanze Haus mit einem festlichen Glanz. Das Jauchzen der Brautjunafrauen erreichte feinen Höhepunkt Aber noch war unsreGeduldsprobe nicht zu Ende. iDer Bräutigam wurde mit seinen Freunden in ein Gemach aeleitet, dem der Braut über den Hof weg entge gengesetzt, und die Neuanaekommnen wurden mit der ganzen Reihe der Ge ’niifse bewirtet, die wir durchaekostet hatten. Unterdefsen verteilte der ·Brautvater an seine Gäste die Kerzen zum Feftzua, je nach Würde klein und dijnn oder ttarl, groß und nur nnnren, aoldnen Flittern aeiiert Endlich seht sich der Zug in Beweguna Die Brautjnnasranen führen dem Bräuti aam die Braut entaegen Aber noch dürfen sich beide nicht ansehn, sondern in beangstigender Gleichaiiltiqteit schreiten tie nebeneinander mit toderns stem Ausdruck im Gesicht· Um so sriidlicber ist das Geleit· Es war wie ein Märchen, rückwärts den Zug zu sehn, wie er die steile Straße abwärts goa, eine Flut von Licht um sich und iiber sich. Zwischen dein Freudenlörm ertlana die eintbntge Litanei der vier Priester. Ganz langsam bewegt sich die Prozession zu dein hause des Va ters des Bräutigams. Die Braut dars die Schritte nicht arösier machen, als ihre Füße sind, wenn sie auch nicht mit Schrittlettcken aebunden waren. wie bei den eiteln Weibern Jerusa lems zur Zeit des Provbeten Jelaia mapitel Z. 16 ss.). Der Weg von etwa sebn Minuten wurde so in drei Biertelstunden zurückgelegt Die Trauung sand in einem mäßig -—·—.— »O ,- ... L --- großen Zimmer statt, Schar der Gäste, iiber hundert waren es. zusammendrängtr. Man hat lauen die Möglichkeit zu atmen. Aus dein Tisch in der Mitte stehn die heiligen Bücher und die Geräte, davor die Kna ben mit den Limonenftäben, an der andern Seite die Priester. Die Zere monie ist endlos. Von einem langen blauen Band, das der Bräutigam da nach als Schärpe umhängt, nimmt der Priester die Ringe, hält sie wechselnd Braut und Bräutigam an die Stirn nnd ftectt sie ihnen dann an die Finger. Dann stellt er das Paar Angesicht ge gen Angesicht, neigt ihre Häupter, daß sie sich mit der Stirn berühren, und legt auf sie das Evangelienbuch, das beide darauf küssen. Der Liturg ver liest die Geschichte von der Hochzeit zu Kana. Ein Knabe und ein Mädchen nahen sich mit Kronen, Braut und Bräutigam heben die Kinder auf den Arm, die ihnen die goldnen Kronen aussetzen und sie mit der einen Hand berühren müssen: während der langen Zeremonie werden sie nnausgefetzt auf den Armen des Brantpaares getragen. Aus einem Glas empfangen dann beide mit einem Löffel geweihten Wein und Brot. Dann kommt der Schluß der priesterlichen Handlung Der Priester leat die Rechte der Braut in die Rechte deg ihr gegenüber stehenden Bräutigams, sieht den linken ieien Arm des Bräutigams zwischen dein an den Händen verbundnen Paar hindurch und führt daran wie am halfterband die Neuvermählten drei mal um den Tisch. Nun kommt Le ben in die Zuschauer. Stürmischer Jubel umbraust das junge Paar. Die Gäste holen aus ihren Taschen kleine Münzen, Konfetti und Gerstenkärner und werfen sie iiber das Paar hin un ter dem Zuruf: Seid fruchtbar und mehret euch! Jm Winkel des im mers stand ein großes Himme bett. Aus dem erhebt sich vlötilich zu unserm Erstaunen eine Gestalt halb empor. um den letzten Ausbruch der Freude mit anzuschauen Es ist der Schwie aervater, der Hausherr, hochbetagt, der sich auf seine Weise die Strapazen des Festes verkürzt hat. Das Fest neigt sich nun seinem Ende zu, aber nicht ohne daf; die Gäste noch einmal bewirtet werden. Alle männlichen Teilnehmer beaeben sich mit dem unsagbar stumvfsinnig drein schauenden Bräutigam in ein Zimmer deg Hauses, die Frauen mit der Braut in ein entgegengesetzt gelegnes. Je der bringt dein Bräutigam die Glück nsiinsche dar. Zum titliick ist die Be tiirtung eiliaer als zum Anfang im Hause der Braut: Arrak, Laffen Zi irr-retten, Marmelade, Zuckerwerk und lefeliinen — die Gänge des Menus— folgen in rascher Weise aufeinander. Zuletzt wird noch einmal Kaffee ne reicht, bei jedem offiziellen Besuch im Orient zualeich das Zeichen zum Auf bruch. Die Braut ist unterdessen um aetleidet worden und darf nun auch die Gliidwijniche der männlichen Gäste entgegennehmen Nachts um Ist Uhr wantten Ioir fast betäubt an die frische Luft, durch die uralte Straße zum Damaslugtor vor die Mauern der Stadt. lieber un-; der Sternenhimmel in berückendem Glanz. Durch die fein durchbrochnen Zinnen der Stadtmauer am Tempelvlatz im Westen leuchtete in den scharfen Um iifsen der bleiche Glanz des eben iiber dem Oelberg aufgehenden Mondes. Die Stadt lag in geheimnisvollem tdalbduntel mit ihren großen und hei liaen Erinnerungen. Jn matten Um risan erhoben sich die runden Luni-ein der Kirchen und Shnagoaen und die schlanten Minarets und Moscheen. Jn unsern Sinnen vermischten sich die Erlebnisse dieser Nacht mit den Bil tern aus den biblischen Gleichnifsen von der töniglichen Hochzeit und den zehn Junifrauem wie die Boten durch die Straßen der Stadt eilen iu den aeladnen Vornehmen beim Einbruch der Nacht, wie in feierlichem Zug die Jungfrauen sich aufmachen mit bren nenden Lampen, dem Bräutigam ent Jeaenz müde vom Warten schlafen sie alle ein, bis zur Mitternacht ein Ge schrei anhebt: Der Bräutigam kommt. Dann ziehn die, die bereit sind, mit dein Bräutigam ein zum Hochzeits fest, und die Türen werden verschlos sen. So retcht sich im Orient Ver ganaenheit und Gegenwart die hand. Was unter dem Schutt der Jahrtau sende vergraben und verborgen liegt ven geschichtlicher Erinnerung, steigt an das Licht des Tages in den zähe festeehaltnen Sitten und Besuchen des Volks. das noch heutiaentags Freude und Schmerz. Liebe und Haß, Leben und Tod in das Gewand einer mehr taufendiährigen Vergangenheit kleidet. Caftko sucht Frieden mit der Welt. Gut daß et das sagt aus seinen Taten ließ es sich nicht schließen. In ver Hauptstadt Cihirkenö. Bock Tr, N P nq net . dort gewesen: aber man weiß, daß L » DiesmaL nach fiins Jahren, iomme ich von einer anderen Seite nach Ir tntsk, der Hauptstadt Sibiriens. Nicht wie damals nach einer Eisenbahnsahrt von zehn Tagen fast unmittelbar aus dem brausenden Getriebe westeuropäi Feder Großstiidte, mit denen verglichen dieser Regierungssitz eines General gonvetnements von der Flächenausdeh nung des ganzen Europa, diese be ruchtigte Verbrecheransiedlung von ehe mais mit ihren niederen, grauen Holz-: lieiuserm ihren grasunterrvachsenem holzernenFußsteigen, ihren varSchmutz kaum vassirbaren Straßen, Verwun oerung und Unbehagen hervorruft. Dies-mal ist Jrlutsk für mich das Ende eines monatelangen Aufenthalts in den einsamen nnd großartigenHochtbälern der westlichen und nördlichen Mongos lei. Ein junger chinesischer Beamter, den ten in Kode traf- und der früher eine Zeitlang in Jrlutsl die russlsche Sprache studirt hat, schilderte mir diese Stadt als den Inbegriff alles Großkrrtigein das Europäer überhaupt schaffen tönnen. Zuweilen hörte ich auch am Herdfener der Mongvleuiurten von Angars-Chvt, der Stadt an der Llnaara, erzählen. Nur wenige Mon folen aus dem Innern smd einmal grcsze Heerden theuren Viehs Jahr für Jahr ans der Mongolei dorthin getrie ben werden, um die Menschen zu er nähren. Diesen Hirten ist thutsk eine unendlich ferne, mächtige Stadt im Norden. Nun waren es von der chinesischen Grenze nur noch vier Reise mae bis Jrlntesk — eine Entfernung, vie man beanem in zehn Stunden zu rücklegen ist«-unte, wenn es hier schon russiiche tiisenbahnziige gäbe. Und welch ein Wechsel in diesen letzten vier Tagen! Tie letzte Nacht aus mongo lischern Gebiet noch unter den Zedern Und Fichten am See KassogoL im klei— nen Leinenzelt mit meinem rnssischen Burschen u. unserm alten, gutmüthis gen Lgma der in seinem blutrothen Mantel und mit seinem branngegerb ten, runzligen Gesicht mehr einem schrecklichen Götzen als einem Menschen ähnlich sah. Die folgende Nacht schon aus russischem Boden, in der von Un gezieser wimmelnden Hütte des Fähr suanneg a:n thut der hier nach als ein reißend-er Wildbach die waldigen Schluchten der Tunlinslischen Alpen durchbricht. Dann in dem gastfreien, behaglichen, civilisirten Hause eines wohlhabenden Händlers in Schmiki, sein ersten arijßeren sibirischen Dorfe-, »so mir endlich den Sattel mit einem iederlosen Bauernwaaen vertauschen Hier nxacbe ich die Bekanntschaft eines jungen Kaufmanns-z der sich ans einer Vadereise nach den warmen Quellen von Llrschan-»-;it befindet, einem recht berühmten Orte. lvv sich alljährlich viele Leute, die im Reiselvaaen von Its-Zither kommen und womöglich Zelt nnd Lebensmittel auf ein paar Wochen selber mitbringen, von Rhenmatismusz nnd ähnlichen sibirischen Leiden kuri rer:. Und ate- wir Abends Leim Za mowar und der Ciaarrette gemiitblich veisammensitzen und die Töchter des Hause-I zur Balalaila Yoliglieder an- l stuninen, sunli aum er um genunqu Zur Unterhaltung beizutragen, und nrar durch ein Loblied aus »sein Jr ·ut—:«t«. »Wir-Z saaen Sie dam: Drei Theater! Zwei ersttlassiae Varieteszk Konzerte- soviel und ant. wie Sie wol len! lslettrische Straßenbeleuchtunaf lind Restaurantz in denen man Teluniihliai Viel Neld lonerden lann!« Ists war das erstemal, das; ich einen Zidiriaten seine Stadt von dieser Zeite loben hörte. Beneidengwertt), binnen lzweimal vierundzwanzig Stunden dort zu sein! Und wirtlich, am zweitsolgenden Tanz nachdem wir noch einmal bei ikröinendein Regen in einem ärmlichen Bauernhause Nachtquartier gesunden, waren wir am Baitalsee, von wo aus die Bahn uns in fünf Stunden an unser Ziel bringen sollte. Die letzten zwanzig Werst fuhren wir mit Post pserden; der Kutscher war ein Bur jiite, der bereits ein wenig angesiiuselt war und noch obendrein, durch ein Trinkgeld verlockt, mit seinem Drei aespann über die bergab führende. aus aeweichte Landstraße in einem Tempo fuhr, mit dem man selbst aus Asphalt hätte zufrieden sein können. Er hielt an dem kleinen Stationshaus des Dorfes Kultut, am grünen Abhang der Berge, die den ganzen Baikal wie eine schrosse Riesemnauer unt-sieben Und während ich mich aus der kleinen Anhöhe umsali, von der man die ein zelnen, ver-streut liegenden Landhäuser der Bahningenieure und das Dorf in einer Mulde am User des Sees über blickt, über dessen Spiegel jetzt lanasam ein Schtoall weißer Wolken deraniioa und pliihlich alles in Nebel billlte, ho ben meine Leute das über und über mit Schmutz bespritzte Gepäck vom Wagen und trugen es ans Ufer hinun ter, um es in dem klaren Wasser zu waschen. Mein Bursche hatte noch nie einen Eisenbahnzug gesehen. Daß der Zug nur vier Minuten Aufenthast ha ben werde und daß in dieser Zeit all unser Gepäck im Waggon verstaut werden müsse, war ihm vorderhand unsafziich, zumal et es sich nicht aus reden ließ, daß das Gepäck doch auch hier, wie hinten auf dem Postwagen, sestgebunden werden müsse. Pünitlich kam der Postzug, vollgestopft mit Sol daten, tatarischen Händlern, ganzen Familien, die meisten schon aus der Mandschurei. Wir waren in zwei Mi nuten untergebracht, aber der Zug stand, wegen des Nebels, zwei volle Stunden. Endlich hellte sich das Wetter auf, und wir fuhren jene be rühmte, wundervolle Strecke hart am abschüssigen Gestade des Sees entlang, durch ein paar Dutzend, von Militär bewachte, von Fackeln düster erleuchtete cLunnels. Erst gegen Abend biegen wir vom Baital ab, dem waldigen, lin len Ufer der Angara entlang. Und in der letzten Dämmerung strahlen uns von fern die weißen, elektrischen Lichter von Jrlutsk entgegen. Breite Fassaden schimmern von drüben vom jenseitigen Ufer, Kirchentuppeln und ein paar eiserne gabrilschlote ragen über die niedern ächer, und rings auf den Anhöhen stehen die röthlichen Gebäude mächtiger Kasernen und ein paar kleinere von Brauereien und Fa lsritetk Schon hält der Zug in dem von Menschen wimmelnden Bahnhof, unter freiem Himmel. Dies weiße Empfehlungsgebäude hier ist minde stens doppelt so hoch und breit als das, das ich an dieser Stelle vor fünf Jah ren gesehen habe. Ein paar tolossale Wartesäle innen, draußen ein Ge dänge von Hoteldienern und Brosch ten, wie in einer Großstadtt Nun fahren wir auf der Pontonbriicke über die schnellfließende Anaara. Es ist recht lühl über dem Flusse. Jn seinem ltaren, dunkelgrünen Wasser spiegeln sich schon die Sterne und ein Band von Laternen. Wie? Jst heute ein Fest tag? Ueber die ganze Brücke hin sind nseifkblaurothe Fahnen herausgestecli. Flaum allerdings sind wir von der hell erleuchteten Briiete herunter, so biegen wir in eine Straße, die so un heimlich duntel ist, daß man den Schmutz nicht siebt, in dem die Räder beinahe stecken bleiben. Nun überques ren wir einen großen Platz. Hier ist ein großes Bactsteingebäude mit Rei hen von Gasflämmchen illumiuirt; auch aus andern Straßen leuchtet der Feuericlsein illusninirterGebäude her iiber. Seltsam, daß dakei kaum ein Mensch auf den Straßen zu sehen ist« sich frage den Kutscher er hat teine Ahnung, warum heute mehr Lichter da sind als sonst. Schließlich wird meine Neugier im Hotel befriedigt. Ein Glrosifürst ist gestern durchaereist. Er ist schon längst tveiteraefahren, aber Fahnen und Lichter hat man doch her ausaestcckt, ioenn auch nachträglich we nigstens die Regierungsgebiiude und das Stadthaug. ---— Rings das uner meßliche Asien hier in Jrlittgt aber ist man also mit einem Schritt wieder mitten im linropiierthum mit all sei nen Schrullen ..... Rächst den- tsisenbahnrerkehn her aber viel Zu langsam aiiwiichst, uni eine so rasche Veränderung zu erklären, bat sicherlich die Rolle, die Jrkutisk iviih rend des Krieges als erste große Etap oe an dem schier endlosen Heerlveae nain dem fernen Osten gespielt hat. in dem aesstnmten Leben dieser Stadt Wunder gewirkt. Als icb am nächst-en Morgen ausging, war ich erstaunt, wie sich das äussere Bild in ein paar Jah ren europiiisirt hat. Die Bahnhost vorftadt Glastomskaja. damals nur ein paar Reihen schlecht gehauter Ba raden, die an einem lehmigen Abhang klebten, scheint völlig neu erstanden. Ein riesiger Güterbahnhoi ist angelegt work-en, der sich rnit seinen Waaren schuvven und Petroleumkesseln fast eine Meile, bis zur Mündung des Flusses Jrkut, erstreckt, von hohen Palisaden umgeben und mit bewaffneten Wäch tern an denThoren. So weitläufig die Stadt erscheint, wenn man sie von ei ner der grünen Anhöhen überschaut, vor denen sie mit ihren zwanzig Kir- ’ ehen und Kapellen malerisch ausgebrei tet liegt, so bald freilich kennt man sie auswendig. Schade, der helle Sand stein und die schöne, wie ein Schach brett schwarzweiße Kuvpel der neuen Kathedrale sind vom Ruft einer nahen Fabrik grau und häßlich geworden. Die schnurgerade »Große Straße«, die . die Stadt wie die Sehne eines von der Anaara und ihrem Nebenfliißchen llschalowla aebildeten Bogens durch schneidet und damals mit ihren Bart fteinhiiusern, alten Hütten, Bauplätzen und Veetteriäunen stellenweise einer Doristr. glich, ist heute mit ihren kost spieligen Neubanten, eleganten Laden, hochgelegenen Trottoirs ein Straßen zug, dem sich feine Seitensiraßen groß städtisch in regelmäßigen Abständen analiedern. Jht füdliches Ende stößt an die breite Ufer-Allee, wo besonders der Holzhandel sich bemerkbar macht; das andere Ende allerdings verläuft noch jetzt in einer dürftigen, hölzernen Brücke; Lastwagen und Vieh waten da neben durch die Furt. Und auch drä ben, zu Füßen einer Anhöhe, auf der» weithin sichtbar mit seinen weißen Mauern und Kreuzen der Friedhof liegt, ist das Bild das alte geblieben: ein Komplex ärmlicher Hütten, flun kirt von einer Windmühle und ein-er Schnapsbrennerei . . . . .——-.---——— qtun-me um« Gerichte are Gier-m Merku. Ein Giftmordprozeß, der durch sei ne begleitenden, näheren Umstände leb haft an Zolas Roman ,,La Terre« er innert, wurde dieser Tage vor dem Schwurgericht in Amiens verhandelt. Die ganze Familie Gense hatte sich we gen Giftmordes zu verantworten. Jn einem kleinen Dorfe, in der Nähe von Montdidici lebte die Familie Gense. Alle Familienmitglieder wohnten in einem Hause und besorgten gemein schaftlich die Landwirtschaft Das Haupt der Familie mit dem eigenarti gen Namen Lucretius Urgidus Theo critos Virgile Gense hatte nach dem Tode feines Bruders Diogenes, der in Tonting gefallen war, seine Schweige rin Catharina Coquelle zu sich genom men, die wenige Jahre nach ihrer Ber heiratung Witwe geworden war und ein Kind besaß, die jetzt sünfundzwan zigjährige Anita. Zwischen Virgile Gense und seiner Schwiigerin ent spann sich bald ein Liebesverhiiltnis, aus dein zwei Töchter, Helene und Or phea hervorgingen. Außerdem lebte im Hause noch die alte Mutter von Virgile Genie. Anita hatte einen Lieb haber, Detoisien, der als Bauer bei Virgile Gense arbeitete und seine Ge liebte später einmal heiraten wollte. Das Familienoberhaupt, man nannte ihn immer nur den Alten, obwohl er erst achtunddreiszig Jahre zählte, war bei den iibrigen Fainilienmitgliedern sehr wenig beliebt. Virgile Gense hielt auf strengste Disziplin in seinem Hause. Außerdem trank er Und schlug in der Trunkenheit die Frauen. Diese beschlossen daher endlich in ihrem Haß, Virgile Gense gewaltsam aus dern Wege Zu schaffen. Man hielt einen Familienrat ab, an dem auch der Bräutigam Anitas, Detoisien teil nahm, der infolgedessen ebenfalls auf der Anklagebauk Platz nehmen mußte. Das Resultat der Konferenz war: Virgile Genie muß vergiftet werden! Die eigene Tochter Helene aing zur nächsten Stadt, kaufte beim Apotheker Llrsenik und schüttelte dem Vater des Abends das Gift in die Sappe. Dann » gingen alle schlafen, als ob nichts pas I siert wäre. Nur die alte Mutter von JVirgile hatte vor dem Drama das Esaus verlassen und brachte die Nacht ) bei einer Freundin zu. Das Gift tat I seine Wirkung, und Virgile starb nach sacht Tagen unter den furchtbarsten -Schmerzen. Die Täter verrieten sich » indessen bald nach dem gemeinsam be « gangenen Mord. Sie wurden verhaf t tet, gestanden anfangs das Verbrechen rin, versuchten dann aber in der Ber handlung jede Schuld zu leugnen. Der (5)’erichtol)of sprach Anita und ihren Bräutigam Detoisien frei. Die· Mut ter des Ermordeten und sekne Geliebte lfaherine wurden zu sechks Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Hekem wur de zwar ebenfalls fiir schuldig befun den. da sie aber erft achtzehn Jahre zählte, nur zur Zwangserziehung bis zur Vallfährigteit verurteilt. Nachdem die Aufregung über oen Baseballtamps sich gelegt hat und über Europa wieder der Friedens lzimmel lacht, sollte der brave Bürger sich mit der einheimischen Politik näher befassen und die Männer ang s1:chen, denen er am Wahltage mit gutem Gewissen seine Stimme geben kann. si- e- sie Wenn Castro wirklich sechzig Mil lionen Dollars zurückgelegt hat, so ist er in der Tat seines Landes teurer Präsident. si- - « Carnegie sagt, er habe seine ersten 81000 erspart, Rockeseller, er habe die seinen geborgt. Beides hat siir einen einfachen Menschen seine Schwierigkeit s ! So große Füße liat schließlich auch Mutter Europa nicht, daß sie alle von IEUgland angelegten Kriegsseuer aus lteeten kann. , Il- s( is Liebesschwiire gleichen Briessiegelnx heis- werden beide ausgedrückt um dann —- talt gebrochen zu werden.