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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 6, 1907)
Nebraska Staats-Inzeiger und 71'cerold. Jahrgang W. Gram- Jstaud, Repr» is. September Ism. Gut-euer Theils Nummer 2. Sommerzeit Und wieder stelsn im Aehtenfeld Kornblumen und Feuekmohn, Und ihren Einzug in die Welt Hielt stolz die Rose schon. Ein wogendet Duft, ein blendender Glanz, Eine große Sonntagszeitl Die Er e mit vollem Blumenstanz Steht fkolz im Feier-kleid. Da denle du nicht an Verbliih’n und Vergeh’n Und genieße das Sommergliick, Dann bleibt dir, auch wenn die Blät ter verweh’n, Sein Goldglanz im Herzen zurück! Die Bedeutung der Genuß- und Wurzstoffr. r Port DI. Ied. L. Lminslt Betanntlich bedarf der Mensch zur Ernährung des Körpers und Erhal tung des Organismus bestimmter Nährstoffe, die in einer gewissen, durch zahlreiche Untersuchungen festgestellten Menge in der täglichen Nahrung ent halten sein müssen. Man wiirde sich jedoch täuschen, wollte man glauben, daß diese Nährstofse allein zur Erhal tung des Körpers ausreichen. Ein Nahrungsmittel, das lediglich die er iiiihrenden Elemente enthielte, wiirde uns wegen des mangelnden Geschmacks auch nur tur e Zeit lang behagen. Die Speisen miissöem damit sie mit Genuß aufgenommen werden, einen bestimm ten Geschinack besitzen, der aus den Ap petit anreizend einwirtt. Dieser Ge chmact wird nun den Speisen durch e Anwesenheit von Würzstoffen ge geben, die zwar mit der Ernährung an und siir sich nichts zu thun haben und doch in sedemNahrungSmittel enthalten lein müssen. Erst durch derartige gut schmeckende und riechende Stoffe erhält die Nahrung jenen pitanten Reiz, der sie aus die Dauer genießbar macht. Welches sind nun dieWiirzstofse, die unserer Rohen jenen angenehmen Geschmaq und Versuch verleihen? Zum Theil sind sie bereits in den meisten na türlichen Nahrungsmitteln enthalten, zum größten Theil werden sie aber erst tei der Zubereitung in der Küche den Speisen zugeseßt Am meisten ver breitet ist wohl das Kochsalz, das be tanntlicki den meisten Speisen beige mengt wird und ihnen jenen pitanten, iiberall gleichmäßig beliebten Ge schmack verleiht. Das beste, noch so iichrhafte Stück Fleisch wird siir uns völlig ungenießbar und werthlos· wenn es zu wenig Salz enthält. Der Ges schniack ist dann derartig fade, daß selbst der einfach lebende, teineswegs verwöhnte Mensch aus den Genuß ver zichtei. Dein Salz gegenüber stehen die süß schnieckenden,Zucker enthaltenden Stof fe, die freilich nicht zu den Gewürzen gerechnet werden tiinnen, da sie auch ei nen bestimmten Nährwerth besitzen Sehr verbreitet sind ferner wegen ihres pitant säuerlichen Geschmacks und Geruch-Z die verschiedenen organi schen Säuren wie Essig-, Zitronen-, Wein-, Aepfelsäure. Diese Stoffe spielen ja bekanntlich bei der uberei tung der verschiedensten Speien eine große Rolle und machen uns nament lich settreiche Nahrungsmittel, die troß ihres hoben Nährwertheä sonst nicht vertilgt werden tännteii, genießbar. Andere Würzstofse wieder vermit teln uns einen angenehm bitteren Ge schmack und Geruch und werden des halb vielfach den an und fiir sich süßen Speisen beigemengt. Zu diesen Stof fen gehören Pfeffer, Sens, Zimmt, Mi:stat, Vanille, Nelteii. Die Wir tung aller dieser Getviirze beruht aus der Anwesenheit ätherischer Dele. Arn meisten verbreitet dürfte wohl derPsef ser sein, der uns so manche SpeiseL würzt. Natürlich spielt bei dem Gebrauch aller dieser Würzstosse der individuelle Geschmack und vie Gewohnheit eine große Rolle. Es werden ja bekannt lich in manchen Familien die Speisen derart scharf und pikant zubereitet,daß sie von anderen, die daran nicht ge wöhnt sind, keineswegs vertragen wer ven. Schließlich beruht auch die anregen de Wirkung der Fleis briihe nicht auf der Anwesenheit von ährstossen, wie vielfach geglaubt wird, sondern von or ganischen Würzstolsen, die im Fleisch enthalten sind. Diese sogenannten Ex traktivltosse verleihen der Bouillon je nen vitanten Geschmack und Geruch nnd liben den mächtigen Reiz aus Herz nnd Nerven aus. Wie kommt nun die Wirkung aller dieser Würzstosse zustande-L Zunächst wirken sie naturgemäß aus dieGeruch5 und Geschmacksorgane und dann aus dem Wege der Nervenbahnen aus die Verdauungsorgane ein. So ist es ja seine allseitig verarmte Thais-sche, daß Ischon durch denGeruch eines pikani zu ’bereiieten Gerichtes die Speichelsekres tion, die für das Verdauungsgeschäsi .r«ngemein wichtig ist, wird noch erheb lich gesteigert, wenn eine gut gewürzie Speise in den Mund gelangt. Außerdem haben experimentelle Un iersuchun en gezeigt, daß durch die Würzsiosee auch die Bildung des Ma gensastes gefördert und die Magen mnskulatur zu lebhafterThäiigieii an geregt wird, Vorgänge, die aus dieVer danung einen wesentlichen Einfluß ausüben. Jn ähnlicher Weise werden woh! auch die Absonderung des Darm scstes und der Galle in günstiger Wei se durch die Anwesenheii von Würz srcsfen beeinflußt. Ebenso wie diese den Nahrungsmit teln zugesetzten Gewürze regen auch die Stoffe, die sich innerhalb der Speisen beim Kuchen oder Braten unter dem Einfluß der hohen Temperatur bilden, den Appetit und die Verdauung erheb lich an. Diese Substanzen entstehen namentlich an den der Hitze am meisten zugänglichen Stellen des Fleisches, der sogenannten Kruste des Bratens, die ja auch für die meisten Menschen den größten Wohlgeschmack besitzt. Diesen Würzstoffen,die Appetit und Verdauung fördern, stehen die Genuß mittel gegenüber, die mehr das Zen tralnervenshstem anregen. Daher sind auch die Wirkungen, die-diese Stoffe hervorbringen, mehr allgemeiner Na tur« Zu den Genußmitteln rechnet manAltohol, Kaffee, Thee, Tabak. Sie alle haben mit der Ernährung an und stir sich nichts zu thun und sind doch fiir den menschlichen Organismus von großem Werth. Von den alloholischen Getränken, Wein. Bier und Branntwein,besiht nur das Bier einigen Nährwerth, der aber im Berhiiltniß zu anderen Nahrungs mitteln gar nicht in Betracht kommt. Der Altohol wirtt in mäßiger Menge genossen auf die Nerven belebend und erfrischend ein. Wer hätte nicht schon am eigenen Körper die belebende Wir - lung verspürt, die ein Glas guten Wei nes oder Bieres auf die erschlafften Lebensgeifter ausübt. Wenn der Or ganismus nach schwerer körperlicher oder geistiger Arbeit ermattet,wenn die Gemüthsstimmung durchWiderwiirtig teiten allerart, wie sie ja im Kampfe dis Lebens niemandem erspart bleiben, gesunten ist, so ist der Altohol im stande, die Lebensenergie und die Lust zur Arbeit wieder anzuregen. Außerdem ist es ja bekannt, daß der Altohol einen bestimmten Reiz auf die Geistesthätigteit ausübt. Die Phanta sie wird in mächtiger Weise angeregt, und manch fruchtbare und glückliche Jdee ist beim Glase Wein entstanden, die wohl sonst in völlig niichternemZu stande niemals durchgedrungen wäre. Wenn der Altohol nur diese anregen den Wirkungen ausübt und sonst auch gar keinen reellen Nährwerth besitzt, so ist er fiir die Menschen, namentlich aber fiir diejenigen, die im Leben gerade nicht auf Rosen gebettet sind, von nicht zu unterschätzender Bedeutung Eine ähnlich anregende Wirkung besitzen auch die anderen Genußmittel, namentlich Kaffee und Ther. Wie an genehm wirlt schon auf unsere Ge ruchsorgane das Aroma des Kasfees, das sich erst beim Rösten desselben ent wickelt. Beide Genußrnittel erhöhen die Herzthätigleit und verleihen dem störper ein angenehmes Wärmegeiiihl. Jhre Hauptwirlung richtet sich jedoch auf das Nervensystem. Sie steigern Widerstandsfiihigteit des Körpers, bannen das Müdigteitsgefiihl und re gen zu neuer Thätigteit an. Aus die sem Grunde wird ja auch den Solda ten auf großen, anstrengenden Mär schen jetzt Kaffee als Genuß-—- und Neizmittel gegeben. Kassee undTbee haben aber noch die eine werthvolle Eigenschaft, daß sie den Durst besser als die meisten anderen Getränke löschen. Darum werden ja auch beide Mittel gerade während der heißen Jahreszeit von der arbeitenden Bevölkerung gern genommen. Was endlich den Tabak betrifft, so ist seine Wirkung auf den Organismus nicht so aufsallend wie bei den anderen Genußmitteln. Dies mag wohl seinen Grund darin haben, daß die Menschen im allgemeinen an den Tabak mehr an die anderen Genußmittel gewöhnt sind, so daß seine Wirtung einiger maßen abgeschwächt ist. Gleichwohl libt der Tabak auch beim gewohnheits mäßigen Naucher eine beruhigende und besänfttgende Wirkung aus. Es wird wohl schon mancher an sich selbst oft genug erfahren haben, wie nach ei ner hestigenGemiithserregung oder ei nem starken Wortwechsel das Rauchen einer guten Zigarre geradezu als Be ruhigungsmittel wirkt. Ebenso er zeugt die Figarre nach dem Essen eine gewisse be agliche Stimmung und be fördert so auch die Verdauung.« i Wegen dieser in mannigfacher Be ziehung werthvollen Eigenschaften isi die Bedeutung der Genußmittel keines- s wcgs zu unterschätzein Sie geben na- ? mentlich allen, die im Kampf ums Da i ssein manche Widerwärtigkeiten zu be ( stehen haben, neue Anregung und fri- l schen Lebensmuth. Darum sind sie auch »für uns fast nicht mehr zu entbehren, auch nicht in der gegenwärtigen Zeit.« wo bei der allgemeinen Theuerung der nothwendigen Lebensmittel die Be schaffung sogenannter Genußmittel ei gentlich überflüssig erscheinen könnte. Wie aber schon in der Ernährung jede Einseitigkeit vermieden werden muß, da nur eine geinischte Kost dem Organismus dienlich ist, so muß auch mit den Würz- und Genußstoffen ös ters abgewechselt werden. Jedes dies . ser Mittel erregt auf die Dauer Wi derwillen und stumpft die Nerven ab· Außerdem tritt nach län erem Ge brauch eines Mittels Gewii nung ein, so daß seine Wirkung schließlich ver-l sagt. Ja zuweilen kann sogar eine mit einem bestimmten Gewürz ver sehene Speise auf die Dauer derarti gen Widerwillen erregen, daß sie nicht mehr zu genießen ist. Wenn wir aber mit den Würz- und Genußstosfen in zweckmäßiger Weise abwechseln, so werden auch schon ver-s hältnißmäßig tline Mengen imstande sein, aus unseren Organismus den ge wünschten Reiz auszuüben. Dann be darf es nicht erst der großen Gaben, die ein gewohnheitsmäßiger Gebrauch eines Genußmittels schließlich erfor-( dert. Werden jedoch derartige Würz- oder Genußitoffe in größeren Quantitäten verbraucht, so tritt nach bestimmter Zeit anstatt der erhofften Anregung das Gegentheil, Erschlaffung und ge sundheitliche Schädigung des Orga nismus ein. Verhältniszmäßig gerin ge Gefahren bringen noch die Würz stosfe mit sich; doch gibt es auch einige scharfe Gewürze, die bei übermäßigem Gebrauch auf die Dauer beschleunigte kherzaltiom allgemeine Unruhe und Appetitlosigleit herbeirufen Anders steht es mit den Genußmit teln, beispielsweise dem Allohol, der Foeremnuich schwere körperliche Schädi ,gungen hervorbringen kann. Die ge Hwaltigen Schaden, die der Mißbrauch idiese-H Genußmittelg dem Organis mus zufügt, stempeln den Allohol mit iRecht zum schlimmsten Feinde der Menschheit. Der Erfrischung und Be lebung, die der«Lllloholgenusz anfangs hervorruft, folgt recht schnell eine all gemeine Ermiidung und Mattigkeit, die Arbeitsireudigleit nnd Schaffen-z ilust des Menschen ganz erheblich hemmt. Besonders schädlich wirtt der Allo bolmißbrauch aus die Verdauung-J organe und das Nervensystem ein. So ist ja bekanntlich lediglich der Aliohol in vielen Fällen die Ursache schwerer Nerven- und Geistesstörungen Wie manch blühendes Menschenleben, das zu den schönsten Hoffnungen berech tigte, fiel dem Alcohol zum Opfer. Ebenso muß auch die Verwendung vonKaffee und Thee eine gewisse Ein schränlung erfahren. Die anregende Wirkung nämlich, die der Hauptbe standtheil beider Genußmittel, das KoffiTim ausübt, kann sich bis zur paihologischen Erregung steigern. Es tritt starkes Herzllopfem nervöse Ueberrciztheit, Zittern der Hände und Schlafloscgteit auf. Daher eignen sich diese Genußmittel ganz und gar nicht fiir herztrante oder nerböse Menschen; ausserdem sind sie des Abends auch von gesunden Menschen nur mit Vor sicht zu gebrauchen. Wird das Tabalrauchen im Ueber nraß betrieben, so werden zunächst un sre Verdauungsorgane in Mitleiden schastaezogem Es tritt Appetitlosigs reit, Gefühl von Völle und Diarrhöe ein, die zuweilen auch mit hartnäckiger Verstopfung abwechseln kann· Von Nervenstörungen sind Schlasloiigleit, allgemeine Unruhe, Ausreaungszu stände und Ohnmachten zu nennen. Derartige Erscheinungen treten na mentlich nach übermäßigem Nauchen der starken, echten Zigarren aus. ,---—, Leheusfprüche. Frisch und fröhlich zu seiner Zeit, Fromm und treu in Ewigkeit. It i d Das nenn« ich Mannesprobe: Feststehen im Mißgeschicke, Mißttauifch bleiben Dem Lobe Demüthig wer-den im Glücke. « L L Beim Tadel erst, nicht bei dem Lobe Besteht Bescheid-»den vie Pkohk Il· V I Oft wohl haben Muth und Wogen, Kluget Sinn und lühne Hand, Aber Fürchtem Bangen, Zagen »Nie ein Unglück abgewandt. l ? -- f---1:T:T Der Götze aus China. Erzählung von K a rl B u s s e. Jn einer meist von ärmeren Leuten bewohnten Straße Berlins hatte Frau Marie Seeger mit ihren beiden Kin dern, der sechzehnjährigen Martha und dem siebenjährigen Walter, eine kleine Wohnung bezogen. Sie lag vier Trep pen hoch, in einem Seitenflügel des großen Miethshauses. Die Arbeiter- und Handwerker-Fa milien, die daneben und darunter wohnten, sahen von den neuen Mie thern nicht viel. Nur der Schuster Binz, der gen ganzen Tag am Fenster saß und hämmerte, pflegte zu sagen: »Die Gräsin sieht blaß aus — die Noth liebt keine rothe Backen!« Frau Marie Seeger schien es nicht zu merken, daß man über sie sprach. Sie wußte nicht, daß man sie »die Gräsin« nannte. Still ging sie ihren Weg, dankte böslich und freundlich, wenn Meister Binz eine Verbeugung machte, und kümmerte sich sonst um niemanden. Sie war groß, aber als hätte ihr das Leben zu viel aus die Schultern gelegt, schritt sie dichtge bückt dahin. Jn ihr schmales, bleiches Gesicht hatte die Zeit schon Furche gezogen und ihr Haar war grau ge worden. Jhre Tochter Martha wußte auch, seit wann. Jn Hamburg war sie geboren als Tochter eines leidlich begüterten Man -nes, der mit nautischen Instrumenten handelte. Hei, wie da die jungen Schisssossiziere gekommen waren! Die alten Kapitäne scherzten mit ihr und brachten ihr bunten Tand aus fernen iLändern mit. s » Einer der jungen Ossiziere liebtes :sie. Er war auf einem Chinasahrer, i kund als er eines Tages zurückkehrte,; ’brachte er ihr einen »Götzen« mit ——! ein merkwürdige-s Ding aus einer weißen Masse. Den Kopf tief zwi schen die Schultern gezogen, in wei ten, bauschigen Gewändern, vor sich hinstarrend, die Hände ausgebreitet aus den Knieen, hockte das wunder liche Bild einer fremden Kultur nun aus dem Osensims in ihrem Mädchen- ; stübchen. Sie hatte es lieb, weil es von »ihni« kam, sie küßte diese scheuß liche Fratze sogar und dachte dabei an einen schlanten Burschen mit brau nem, osfenem Gesicht. Sie hatte gar nicht viel hingehört, als er erzählte, iwie er diesen ,,Götzen« erworben habe. Jhr war so, als sagte er: mit Lebens gesahr sei er aus einem Heiligthum entwenden Viel besser paßte sie schon auf, als er einen Tag vor dem Antritt einer neuen Reise zu ihr sprach, wie schön sie sei, und das; es sein höchster Wunsch wäre, sie bei seiner Rückkehr als sein Weib heimzuführen Da küß ten sie sich. Das erste und das letzte mal. Eines Tages kam ihr Vater in ihr Zimmer und bemerkte den Götzen. Er stutzte. »Woher hast Du das Marie?« Sie wurde roth. »Von Herrn Hönig,« stammelte sie. »So so·« Er sah sie merkwürdig an· »Weißt Du, was das ist?« »Nein!« Kopfschiittelnd wog er das Ding in cder Hand. ,,Jedensalls nichts sür grüne Mä dels. Jch werde das mal an mich neh men.« «Vater!« schrie sie aus. Aber ein Blick, und sie war still. Kurz darauf sah sie, wie ihr Vater den Götzen einem Herrn zeigte. Sie kannte den Herrn wohl. Es war Herr Seeger, der Millionärssohn. Er war tagtäglich im Laden. Sie wußte, wes halb. »Minde, Herr Paulsen,« sprach er, »aber so etwas sah ich noch nicht. Viel leicht haben Sie damit ein Vermögen. Man sollte das Ding dem ethnogra phischen Museum vorlegen.« Und bald darauf sagte ein anderer: »Unter Brüdern kann die Fratze »zwanziqtausend Mark werth sein. »Wer will das wissen? Hamburg ist snoch nicht der rechte Platz da ür. Pa tris und London, da musz man es an birten.« Der Vater rieb sich die Hände. »Ich will ihn verschließen,« mur melte er. »Es ist was für Zeiten der Noth.« Marie weinte bitterlich. Ohne sie zu fragen, nahm man ihr das Anden ken, das sie von dem jungen Schiffs ossizier erhalten. Und bald nahm» man ihr den Gelinbten selbst. Der Vater des Herrn Seeger starb. Der iunae Herr erbte das große Ge schäft. Auf jede mögliche Art und Weise hatte er versucht, sich ihr zu »Mir kommt doch viel unter die l fniihem Alle Kunst- Iieß ek spielen. iAber Marie Paulsen zuckte nur die jAchseln i Da kam der furchtbare Tag, an dem er, ärgerlich über seine Mißerfolge und dadurch verliebter als je, kurzen Prozeß machte und um ihre Hand an hielt. Jhr Vater war sprachlos, er begriff eg· erst nicht. Dann gab er be wegt feinen Segen. Die ganze Stadt war voll Aufregung, was die schöne Marie für ein Glück machte. Herr Seeger, der Millionär. Niemand wußte, wie sie sich aufge lehnt hatte gegen diese Verlobung, wie ihr Vater sie dazu zwingen mußte. Sie war todtmiide und innerlich ge brochen, als sie schließlich »Ja« sagte. Mit großem Pomp wurde die Hoch zeit gefeiert. Die Braut war sehr blaß. Jhr Vater küßte sie, und sie zit terte. Als er sie fragte, was sie mit nehmen wolle, bat sie nur um eins: um den Götzen. Sie bekam ihn. Es folgten lange Jahre, in denen sie als gefeierte Herrin in dem reichen Patrizierhause fchaltete. Jhr Gatte überhäufte sie .mit allem, was ein Frauenherz begehren mochte. Ihre Brillanten waren berühmt. Aber wenn sie die blitzenden Steine ver schlossen hatte, ging sie oft allein in den fernsten Winkel und küßte den Götzen. Eifersüchtig behütete sie ihn. Jhr Mann sah ihn nie und hatte ihn längst vergessen. Die Kinder wurden geboren, das Mädchen wuchs langsam heran, ein zweites starb; ihr Vater starb bald danach. e»Dann kam Walter, der Spät »ling. An seiner Wiege ward auch ihm ;’nicht gesungen, daß er wenige Jahre später in einer Dachwohnung Berlins trockenes Brot essen sollte. Es war das alte Lied. Herr Seeger tümmerte sich wenig um sein Geschäft, es ging langsam zurück, er wollte durch einen großen Schlag alles wie der einbringen, die Spekulation miß gliickte. Noch immer war er ein wohl habender Mann. Er sagte seiner Frau nichts von seinen Verlusten, und so gab es keine Einschränkung. Weitere Schläge folgten; das Eholerajahr ruinirte ihn ganz. Um den ossenen Krach zu vermeiden, ließ er sich von »seiner Frau ihr väterliches Erbtheil geben. Es genügte nicht, um das Loch zu stopfen. Alle ihre Brillanten gab sie dazu —- ohne ein Wort der Klage und des Vorwurss. Dem ungeliebten Mann opferte sie alles, was sie besaß. Er küßte ihr die Hand, der Ruf war gerettet, die Gläubiger konnten ziem lich befriedigt werden. Aber die See gers waren arme, blutarme Leute ge worden. Zu alledem wurde er krank und immer kränken als könne er die Armuth nicht ertragen. Ein Jahr noch und sie trugen ihn hinaus zur letzten Ruhe. Frau Marie Seeger zog mit ihren Kindern und den geretteten Habseligkeiten nach Berlin. Jn Holzi burg konnte sie, die einstige Millio närsfrau, nicht hungern —- in Berlin konnte sie es. Sie suchte Arbeit. Sie nähte und stickte für Geschäfte. Der Hungerlohn langte nicht. Ein Möbelstiick nach dem andern ward verkauft. Einzelne Ver wandte, die wohlhabend waren, ga ben ihr nichts — denn sie waren em pört über den Etlat. —-— So lebten sie Jetzt hin. Martha, die nun herange wachsene Tochter, suchte nach einer Stellung, Walter, der Sohn, besuchte »die Gemeindeschule. ; Vielleicht wäre Frau Marie Seeger jlängst verzweifelt, wenn sie nicht au sser ihren Kindern noch etwas gehabt hätte, was sie hielt, den Götzen. Oft, wenn sie alle drei halbhungrig zu Bett gingen. sage sie lächelnd: »Wir werden nie verhungern können, meine Kinder — wenn ich den Götzen ins Museum trage, krieg ich meine zwanzigtausend Mart. Und wenn es nur zehntausend sind, so ist es gutes Geld!« »Thu’s doch, Mania,« hatte die Tochter einmal gebeten, »dann geht es uns doch nicht gar fo schlecht.« Aber Frau Marie Seeger hatte den Kopf geschiittelt. . »Erft, wenn es zum Aeußersten kommt, liebes Kind! Sieh mal, wir können jetzt bei aller Noth noch ruhig sein. Wir haben die Gewißheit: wenn es sein muß, ist Geld genug da. Sie sagte nicht, doß noch ein an-« derer Grund vorlag, dafz dieses wun derliche Gebilde die einzige Erinne rung an den war, den sie im Leben ge liebt hatte. Und oft übertam es sie, wie seltsam· das Geschick spielte: daß der arme Schiffsoffizier sie, die ein fiige Millionätin, durch fein Geschenk vor Hunger und Verzweiflung reitet-. Wieder gingen zwei Jahre hin. Die Noth war nicht geringer geworden, eher noch großer Oester als sonst schliesi die Drei mit hungrigem Magen eink Da beschloß Marie Seeger, dä Opfer zu bringen. Eine ganze NMIff dachte und weinte sie vor sich hin. S dachte an ihre Jugend an Hans nig. Sie dachte an ihr graues Hat und an ihre Kinder. Sie segnete dk armen Schiffsoffizier, von dem » nicht wußte, ob er noch lebte V Jugendliebe, diese stille, heilige Liek die ihr selbst zerschlagen worden, its ihrn Kindern nun zugute Eine E heime Segensirast wohnte ihr in:«-" die sich jetzt noch, fast ein Menschen« ter später, offenbarte So machte-; sich stiller und bleicher als je, eirk Vormittags nach der Königgrätz straße auf um dort im Museum s« Völkerkunde vor-zusprechen. Aber als sie vor dem großen C bäude stand, erfaßte sie eine wi Angst. Sie umklammerte das klex Packet, das den Götzen enthielt, V beiden Händen, als müßte sie Ha Honig noch einmal verlieren, - müßte der letzte Schimmer und ik — letzte Glück der Jugend schwindean s brächen alte Wunden auf und blrtk ten, —- so war ihr zu Muthe Sie konnte es nicht Milde schlesiI sie sich zurück »Vergebt mir Kindee sprach sie mit zuckenden Lippen. »O will die Nächte arbeiten und ask thun, aber ich — ich — ich bringe? nicht übers Herz!« « An diesem Tage ließ sie den GöP dessen Fratze in den langen Jahs nicht hübscher geworden war, nichtat sich— Und es kam eine Stunde, wo sig segnete, daß sie umgekehrt war. Tochter fand eine gutbezahlteSe lung, und als müsse nun gleich as doppelt kommen, starben die Haintk ger Verwandten und hinterließenk anständiges Vermögen, das ihr z den Kindern zugute kam. Sie j. keine reiche Frau, aber sie war sarzk ihren Kindern von nun an versa ,,Die Gräsin kriegt rothe Back-; sagte Meister Binz, der Schuster. r »Ich hab’s gewußt, « sagte er nH ter, als ein Möbelwagen vorfuhr « die Wirthschaft in eine größere i schönere Wohnung überführte. · Als Marie Seeger längst in neuen Wohnung wohnte, in der Götze wieder den Ehre nplatz einnazs gab es eines Abends eine Keine L, regung Es- war eine liebenswür» und heitere Gesellschaft versammelt denn schon um der Tochter willen sie Verkehr gesucht und gesundeny als ein junger Arzt plötzlich »T Götzen in die Hand nahm f« Sehen Sie an, gnädige Fran das haben Sie auch! China scks modern zu werden« — 4 »Es ist ein altes Stück, « sagte » und so viel ich weiß, sehr werthil ." Verwundert sah er sie an.1 »Pardon, gnädige Frau —- da ich widersprechen. Vor einigens zehnten glaubte man allerdings ran, und einige Stücke sind auß1 dentlich hoch bezahlt worden, we hieß, nur mit Lebensgefahr seien Dinger zu erlangen, es seien chine Heiligthümer, die käuflich gar nic: erwerben seien. Heut’ wissenc längst, daß die geriebenen Zopstj uns Weiße gräßlich beschwindelis ben, um selbst höhere Preise zu « len Diese Figuren sind ein eintL JndustrieartikeL der Markt wurd gar nicht langer Zeit förmlich schwemmt damit. Und ür eins Mark können Sie das ing ke. Es thut mir leid, wenn ich- Jhnels Jhnen damit eine Illusion zel habe . . .« Frau Marie Seeger war ersti· dann roth geworden. »Nein, Herr Doktor, das habeh nicht. Jch glaubte allerdings E der Götze lofte —- lachen Sie s aus —— an die zwanzigtausend v Nun weiß ich’g besser, aber er i auch jetzt nicht einen Deut w werth.« Jhre Tochter hatte mit halbe dem Gespräch gelauscht. Al Gäste gegangen waren, sagte siek »Das ist eine Enttäufchung, Wenn wir damals nun wirkli Götzen hätten verkaufen wollen s ! ,,Still, Rind! Laß mir den Unfrieden Wir haben für II Mark gehofft, die Hoffnung he sdie böseften Zeiten erträglich ge dag ist ebensoviel wie das Geld von seinem Ehrenplatz lommtek fort. Er soll auch weiter dastelz1 ein auter HausgeifU Und als sie mit wachen Aus sBette lag, erfüllte ihr Herz ei lfonderliches Danssgefiihb a wag bisher natürlich gewesen, döht worden zu einem Wund; Osd