Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (June 28, 1901)
fBei-Meter Leben-glitt im Mathe. Erzähit don Hermann Ro bolsty. Es trar im Frühling des dentwürdi gen Jahres- ISCEL Deutschland lag in tiefem Frieden. Wer konnte es auch ahnen, daß schon nach einigen Mona ten der Kriegsliirm iiber die gesegneten Auen dahinziehen würdet —- Eine Reise in’s Hannoverland hatte mich in die Nähe des Städtchens Dannenberg gebracht, und obwohl der friedlich freundliche Ort am Ende teine großen Sehenswiirdigteiten aufweist, wollte ich ihm ein paar Stunden widmen. Wußte ich doch, daß auf dem dortigen St.Annen-Kirchhofe die in derSchlacht an der Göhrde am 16. September 1813 gefallene Heldenjungfrau Eleonora Prohasta begraben liegt. Jm Herbst 1865 hatte man diesem weiblichen Liisowsägen dessen Geschlecht erst bei seiner schweren Berwundung bekannt geworden war, auf jenem Friedhofe ein Denkmal gefest. Es dauerte also etwas lange, ehe man der Tapferen wenigstens diesen Dank zollte. Fried tich Wilhelm Ill. erklärte freilich, als ihm damals Bericht über jenen bluti gen Kampf erstattet wurde, »es werde von ihm auf die Erhaltung des ruhm wiirdigen Angedenkens der fiir König nnd Vaterland in den Tod gegangenen Leonora Prohasla Bedacht genommen werden« Aber wie das so geht in drangsalbewegter Zeit: andere große Ereignisse ließen das »kleine Treffen an der Göhrde« bald in den Hinter grund treten. Dannenberg bat fast alljährlich viel von Ueberschwemmungen der Jeetze und Elbe zu leiden. Jm vergangenen grühjahre ging die Aufsehen erregende otiz durch mehrere Zeitungen: es würde von zuständiger Seite ernstlich in Erwägung gezogen, den Ort zu ver legen! Darob waren die Einwohner sehr alterirt, denn die Nachricht erwies sich als schlechter Witz eines Spaßvo geis. —- Als wenn es auch nur so leicht wäre, eine ganze Stadt anderswohin zu verlegen. — Der St. Armen-Fried hof liegt draußen im Freien. ·—- Schon hei meinem Eintritt in denselben fiel mir die etwa elf Fuß hohe Pyramide von Stein mit den passenden Inschrif ten in die Augen. Ringsum herrschte tiefe Ruhe; aber das neu erwachte Le ben in der Natur ließ die Stätte der Verhängnis nicht so düster-ernst er scheinen, wie man dies . B. in Grab gewdlbesä empfindet Bier im lichten Sonnenschein, inmitten grünenden Strauch- und Blumenschmuckes, trug der Tod das Gepräge des Friedens, welchen er uns als unausbleiblicher Bote Gottes bringt. —- Leute sah ich auf den Wegen nicht. Doch dort zur Rechten, in der Nähe einer tief herab hängenden Traueresche, machte sich ein Mann an einem Grabe zu schaffen. Er hatte mir den Rücken zugewandt. Jch schritt langsam auf den Riihri gen zu. Mit einem Freundlichen »Gu ten Tag!« blieb ich tehen. Jetzt sah sich der Mann verwundert um. Er hatte mich allem Anscheine nach nicht kommen gehört. »Schönen Dankt« erwiderte er meinen Gruß, ohne sich indesz in seiner Thiitigteit stö ren zu lassen. ( »Der schneereiche Winter hat Man ches von dem Schmuck vernickxetk« sprach ich den Alten an. »Das ist fast alle Jahre sol« nickte er feundlicher. »Der Herr wohnt nicht hier?« musterte mich der Einsame. »Ich kornrne aus der Altmart!« gab ich Bescheid, »und wollte mir geleaent lich das Denkmal de: Eleonora Pre hatkka ansehen!« »Da-E- thaten schen Vieles« versicherte der Weißt-art. »Ich hab das wunder bare Mädchen persönlich gekannt, denn ich bin auch ein alter Lützower!« sprach er nicht ohne einen gewissen Stolz. »Als-) ein FreiheitslriegerZ Das interessirt mich. Wollen Sie mir nicht ein paar Minuten gönnen?« »Setzen Sie sich nur Her zu wirk« willigte der Alte ein und nakrn auf ei ner nahen Bank Platz. Jch folgte der Aufforderung. Ver her sah ich mir aber meinen neuen Be kannten noch mal genau an. Der Mann war bestimmt so gegen siebzig Jahre alt. Krps- und Barthaar er glänzten silberne-iß; das Antlitz wies zahllose Falten auf; indeß die Augen bückten noch klar in die Welt. Dazu trug der Greis einen verschossenen Förskerrock und eine alte grüne Mütze »Ich war zugegen, als Elecnora stell« hul- der Alte von Neuem an. »Die LK wer sollten eine französische Bat e nehmen. Unser Tarni-our fiel Ieise Sturm. Da ergriff August Renz is-— so nannte sich die anerkannte Jung . im Bataillon — das Schlögelin eut nnd schritt uns Allen voran. Kanonen wurden erobert: aber der etende Tanebour blieb, zum WILL ans halber höhe des WI Wes-P m Laie-roth zu Dannenberg ist selbi- sestorben?« verseste ich im O b site l;r.iegssmfemn nickäch »Es -- — . r.' en te er,« km — . Itzt-te ich m der traurigen ·· — W « « epi- jeee am Weic «M I bringen Sie denn da it W site-ungene- mich ein-ach « « " —W zweit« antworten ni« s »so- -—---- --- »s- ——-..——. l Sie derblich schen früh?« IBor ziemlich vierzig Jahren ist s e s gestorben, —- nnd zwar keines natür ! lichen Todess« i Diese unerwartete Antwort über Z rafchte mich derart, daß ich nicht gleich T wußte, was ich entgegnen sollte. »Ein I Unglück, nicht nicht«-« I »Ja, ein Unglück war äl« sagte der Alte mit der flachen Hand iiber die Augen fahrend »Ich will Ihnen die Begebenheit kurz erzählen: Jch bin gelernter Förstcr und trat wie Alles zu den Wafan gegen den Erbfeind griff, in daLLiitzow sche Frei torps ein! Nach dem Friedensfchluß bekleidete ich verschiedene Stellen als Forstschutz beamter und erhielt endlich einen ems mäßigen Försterpoften im Göhrde walde. Während meiner Militätzeit hatte ich in Bremen ein junges Mädchen len nen gelernt —- die Tochter einer Beam tenwittwe Wir waren einander gut und gelobten uns Liebe und Treue. Marie Tennis wartete auch geduldig, bis ich im Stande wur, eine Frau zu Dann heirathete ich meine Braut. Unsere Ehe konnte gar keine glücklichere sein. Stellen Sie sich nur mitten im grünen Wald so ein idyllisches Forst eiablissernent vor. An das einstiickige Häuschen mit dem Hirschgeweih am Gebiet stieß ein Schmuck- und Gewisse gärtchen. Etwas abseits stand ein klei nes Wirthschastsgebiiude mit Stallung, und an stillen Sommerabenden. noch mehr aber im schneereichen Winter, la men die Hirsche oft bis an die Einsrie - digung der Försterei. Eine Baumschule vollendete das Gewese. » Groß war ja mein Gehalt nicht, aber wir konnten damit austommem und was will man denn weiter, wenn dazu häusliches Glück unterm Dache wohnt! Meine Frau, die von den Schönhei- . ten eines Waldes nicht viel kannte, hät- ; te schon nach dem Verlauf des ersten v Jahres die allerliebste Försterwohnung mit dem schönsten geräumigen Stadt- " logis nicht vertauscht. Abends zur E - Sommerzeit, wenn ich vom Dienst be i freit war. saßen wir oft Hand in Hand ; in der Wildweinlaube des GärtchensI « und plauderten miteinander-. Ost — brachte auch der alte Wildwart, der als ; Jun Ieselle ein Dachtiimmerchen unse- i « rer Försterei bewohnte, ein Päclchenz , Nummern des »Hamburger Korrespon- ; denten«, der damals sast einzigen Zei- ? ; tung der großen Handelsstadt, aus dem l nahen Oertchen mit, woraus mir dann k J meine Frau bei-n Scheine der Astralsi « lampe etwas vorlas. ! Zwei Jahre nach unserer Verheira ; thung kehrte der Storch in der Fürste . rei ein. Er gab einen drallen Jungen ? ab, der gleich ein ganz anderes Leben ; in die stille Einsamkeit brachte, wenn I er auch sein Dasein nur durch lautes ; Schreien von der Wiege aus iundgab. s Der Knabe gedieh vortrefflich, und i als er noch nicht zwei Jahre alt war, I i -«...-.-.. . mußten wir unaemein Obacht auf ihn ' geben« denn der lleine Knirps huldigte : der sonderbaren Gewohnheit, in unbe . wachten Augenblicken cuszuriicken ! Schon mehrere Male hatten wir ihn ; Abends noch aus dem Walde holen i» müssen. Passiren konnte dem Jungen ; s da draußen Nichts; wenn er sich aberi s mal arg verlies, so daß er hätte die z Nacht im Freien bleiben müssen —- das wiirc am Ende schrecklich sür uns ge- « k--k «.«- .....--« .. ...—..»... . lUZHLIIa »Ich will m:l sei-en, daß ich drin ; Kleinen ein junges Reh mitbringe!'· ; meinte der treue Forstwart »Wenn er solch ein munteres Geschöpfchen zur Gesellschaft bekommt, läuft er nicht mehr davonl« »Ach ja, Heinrich! Thus-. Sie das.'« bat die Mutter, -—— und auch ich hatte nichts gegen den Vorschlag einzuwen den. Schon nach Verlauf einer Woche brachte der Wildlyiiter ein lleineLHirsch tälbchen mit, von dein die Alte einge gangen war. Das Thierchen gewöhnte sich sehr bald ern das Haus und ließ sich rn dem dar Freude jaxichzenden Kna ben alle Zudringlichkeiten gefallen. Doch der Hirsch —- ein männliches Thier — wuchs schneller heran, als sein Spielgenesse. Als sich die ersten Spu- « ren des Geweikes bei ihm zeigten, wur de »Peter« wechenlang in einen um zäurnten Platz gesprrrt. Später ließ man ihn wieder hinaus. Er betrug sich ja auch nicht unartig. So verging abermals ein Jahr. Es nahte die Zeit der Erregun des Wil des. »Herr Förster«, sagte eines Tages der Wildwart zu mir: »Es wird doch besser sein« dein Peter die Freiheit zu geben. Neulich hat er sich rnir gegen über zur Wehr gesetzt, und die Hunde aWirt er ohne allen Anlaß!« .,Sperr ihn nieder einl« gab ich zu rück. »Das Tbier ist ja sonst gutmü tlzisu stecken läßt es sich natürlich nicht me e.«· Der Alte schüttelte den Kopf. »Die Tkiir zu dem Abschlag ist gar nicht ein mal is Orkan-Isl« brummte er vor sich hin. »Ich will den Gabler nur einst weilen anbinden!« - »Auch gut!« stimmte ich bei. »Sorg aber dann nur bald dafür, daß er ein gesperrt tkerden kanni« Ein Hirsch-der nngesiiirten Wildniß pflegt dein Menschen, wenn er irgend Laun. selbst zur Vrnnsiseit aus dem We zu gehen. Nicht so der zahme. Die er fiir tet den Menschen nicht mehr end i hu, wenn er saisch wird, ohne ists-de au. Im nächster nnd auch an den folgen ten Tagen war anderweitige Arbeit zu . verrichten, und die Tuiir wurde ni repariri. Peter behielt alfo nach we L bar seine Freiheit, denn von dem Strick ; befreite er sich jedesmal selber wieder. » Oft wurde er auch gar nicht einmal an s gebunden. » An einem Sonnabend - Nachmittag » ; waren wir Männer bis zur Dämme ; rung irn Walde beschäftigt. ch begab mich etwas früher in die För ierej zu- « rück. Der Abend war wunderschön. Die weicheren Laubarten hatten schon hier und da herbstlich-: Färbung ange nommen. Eine unendliche Rube lag über den Winseln Alles neigte zur Rüste. Rotb und gelb leuchtete es in den hoben Laubgängen auf, als blicke farbendämmernd das Licht durch bunte Kirchenfenfterscheiben In hoher Tanne girrte eine Ringeltaube nach der ent swgenen Gefährtin, und einRabe strebte lautlos dem fernen Neste zu. —- Der Wechsel der Jahreszeiten gehört un streitbar zu den poetisch - ergreifend sten Erscheinungen der gemäßigten Zone; der ernsttiihrenden Symbolil des Herbstes entziebt sich so leicht kein M--.’:Af Wust-um . Ab und zu blieb ich stehen und schaute auf dies langsame Hinsterben der Na tur. Jch hatte dies Alles schon so oit gesehen. und immer war’s mir wieder neu. Heute stimmte mich das Herbstbild —- ich wußte selber nicht, wie es kam-— tast webmiitbig. Schon erblickte ich das Dach meines Heims, das aus bunten - Laubmassen bervorluatr. Jn fünf Mi nuten war ich bei meiner Marie und « meinem Sohne. Doch was fiir Laute werden da mit einem Male hörbar? Ich blieb stehen und horchte. —- Es schrie da ein Kind —- wobl gar das meine? —- Jn schnellen Sätzen sprang ich vorwärts-. Als ich um den Zaun der Baumschule bog. tam mir wirklich unser Fränzchen mit offenen Armen « nnd laut lamentirend entgegen. »Junae, was ist denn mit Dir?w sagte ich und nahm das Kind auf den Arm. »Hm Dir Jemand was zu Leide - gethan?« Jekt fing der Knabe erst recht an zu weinen. Endlich, nachdem ich ibn mit Mühe beruhigt, stammelte er die Worte: I »Peter wollte mich stoßen. Da hat : ihn die Mutter geschlagen. Und nun lkat der böse Peter die Mutter umgeris ten. Sie liegt an der Erde und blutet schon!« Und noch viel heftiger weinte jetzt das Kind. Jn mir aber stieg eine fürchter liche Ahnung auf. lene weiter auf das — Gellage des Knaben zu hören, setzte ich ihn Im Ztnn in das Gras und stürzte nach Hause. · Vor dem Eingang zur Försterei bot sich mir ein Anblick dar, der mir satt das Blut in der-Adern erstarren machte. Mein armes Weib lag blutiiberströrnt an- Boden; ihre beiden Hände aber bat ten das Geweib des Hirsches stampf baft umpacki. Vergeblich machte das Thier tiefgebeugten Hauptes allerlei Bewegungen, den fest hängenden Kör ter abzuschiitteln; indeß die Finger lie ßen nicht los. und so schleppte das wü trende Thier meine unglückliche Frau am Boden mit sich fert. Meiner Sinne kaum noch mächtig, riß ich den Hirschfänger aus«-z der Schei de nnd stieß ihn dem Geschöpfe bis ans Heft in die Brust. Aechzend brach das Thier zusammen und verendete. Mit Miike und Noth löste ich nun die Hände der Armen von dem Geweih. Ich wusch ibk Antlitz mit frischem Wasser und rief in unsäglichemSchmerz il-ren Namen. Sie schlug aber die Au gen nicht wieder auf. An zwei Stellen ihres Halse-Z quoll dunkles Blut bervor Wabescheinlich hatte der Hirsch die Be tlagensweribe dort mit seinen Angen sprossen tödtlich verwundet Jch trug tie Tit-eure in das Zimmer und legte sie, wie ein Kind weinend, auf das Bett — ich küßte ihren bleichen Mund. All meine Mühe, sie zu erwecken, erwies sich als vergeblich. Wie glücklich und zu frieden war ich am Mittag in den Wald gegangen — als Wittwer kehrte ich traurig zurück. m-L -— t-ss«--- Uc--h I-:-l- LI- scsssn -l-«v«; ihn Ists-hu can-sus- sssss su, -«--« Waan aus« der mich und mein unver geßliches Weib nach der Stadt fuhr. Der Arzt tonstatirte, daß der Tod schon rot einigen Stunden in Folge Verblie tung eingetreten sei. — Hier liegt meine Marie begraben!« schloß der alte Mann seine Erzählung und seine feuchten Au gen schauten nach dem Hügel hinüber. »Alle Jabre mache ich das Grab selber wieder zurecht. bis man mich zur lan gen Rube bettet.'« ,.Gaben Sie Jbre Stelle nach dem Tode Jhrer Frau aus?« sragte ich er schüttert. »Nein! An jenem entsetzlichen Tag : dritte ich den Hirschen den Tod geschwo ; ren. Jch habe viele über den vorschrifts Tmiißigen Etat weggeschossen. Das Geld für das Wildpret vertechnete ich gewissenbast zu Gunsten der im Win ter abgebaltenenHolzauttionen.Schließ lich wurde ich aber doch wegen des vie ler: Abschießens denuniitt und tam in Disziplinen - Untersuchung. Die Sache ging bis Dann-weh und ich wurde dort-« hin zitirt. Ossen und srei erzählte ich den hoben Vorgesetzten mein tragisches Geschick. Man ließ mich ruhi wiede- ; meines Weges ziehen. Vierze n Tage später empfing ich indeß meine Pensio nirung — mit vollem Gehaltes —- Wie ich erfuhr, war das lesteee aus besonde ren Beseht des Königs Ernst August geschehen-« -·-— — Eine Weile haben wir unt noch Bie lerlei über Wild und Wald erzählt Dann schieden wir von einander wie longjiihtige Freunde. W Schon das Jahr darauf bin ich wie der nach Dannenber getommen; aber den alten Fbrsier tra ich nicht mehr an. Er ruhte neben seiner unvergeßlichen Marie. Was aus dem Sohn geworden ist, hab’ ich nicht erfahren. .- --..—-...--- - «.— Such nu sinnt-. —·—-....-..——- « Novellette von Siguard. Nach dem Schwedischen von E. V i l m a r. «. ,.. .— « Es waren zwei schöne, junge Men schentinder, denen die Lenzsonne des Lebens wolkenlos gelacht. Es gab nnr noch eine Sorge für sie in der Welt, die Frage, ob sie einander immer ange hören würden. Doch seit jenem unbergeßlichen Ball Abende, als sie, noch warm vom Co tillon, in ihren Pelzmantel gehüllt, im Vestibule gestanden. und er. stolz und strahlend, übermitthige Lebensluft in den dunklen Augen, die Boa um ihren schönen Hals gelegt mit den Worten: »Noch einmal gute Nacht, Fräulein Ame-lie!«. als er sie zum Wagen gelei tet und sich dann lange und tief iiber ihre Hand geneigt. seit jenem Abend war dieses Erdendasein fiir Beide ei- . ne ununterbrochene Kette von Glück und Freude gewesen. Und warum auch nicht? Sie, so jung, taum neunzehn, so schön und lebensfrisch, der verwöhnte Liebling des Elternhauses, wo man-; zwar nicht gerade reich war, doch dant des Bürgermeistergehalts ihres-Vaters ein angenehmes, sorgenloses Dasein fristete. Friede, Sonnenschein und ge genseitige Liebe und Anhänglichkeit ver- « lieben dem häuslichen Kreise den Stem pel wohligen Behagens. Und er, ein kluger, stattlicher Mann, in der Blüthe des Lebens, ein tüchtiger ; Kaufmann und Kompagnon seines ; Vaters. Alles in Allem ein Mann,s den jede Mutter mit Stolz ihren Sohn ; nennen tcnnte und an dessen Brust Hunderte don jungen Mädchen gerns das Köpfchen geschmiegt und geflüstert ; hätten: »Mein Herzallerliebster!« Der eigentliche Heirath-E- - Antrag « erfolgte erst eine Woche später, in Bitt germeisters »gute: Stube«, woselbst Gustav von dem Vater seiner Liebsten dahin bedeutet wurde, daß Amälie ein unbemitteltes Mädchen sei und bon»l Hause aus nichts zu erwarten habe und ? natürlich erwiderte, daß er sich dessen « ungeachtet in ihrem Besitz als der reich- « ste Mann der Welt fühlen würde. Tie Sache wickelte sich also dolltom men glatt ab. Doch mit der Hochzeit mußte man bis nach Amöliens zwan zigstem Geburtstag warten. Früher wollte die Frau Bürgermeisterin ihre einzigeTochter nicht aus dem elterlichen Hause lassen; auch tonnte die Aus-stat tung nicht eher fertig werden, und eben so das neue Haus, das Herr Hallberg sen. seinem Sohne bauen ließ. Doch während dieser Monde lebten die jungen Leute im Geiste bereits in der Zukunft. in ihrem schönen, neuen Heim. Natürlich würde Gustav dann wie bisher auf dem Komptor thiitig fein, doch nicht unausgesetzt und über trieben wie ein Sllave des Mammon-L Man mußte sein junges Leben doch ge nießen. Und was tam es im Grunde darauf an, ob die ersten «hunderttau send« ein paar Jahre früher oder erst ein paar Jahre später zusammen wa ren ! Und sie —- sie würde der Sonnen strahl des Hauses sein und dafür Sorge tragen, das-. ihr Restchen stets schön und behaglich war, wenn ihr Täuber von Zeit zu Zeit heimgeflogen iam. um un ter ihren Liebtosungen die Aergernisse des Komvtorlehens, seine Unannehm lichteiten mit Lieferanten und Kunden zu vergessen. Sie würde auch stets Acht darauf geben, daß seine Lieblinasweiw sorte auf dem Tische stand, daß seine Pantoffeln bereit standen und die Ein ladunaen für seine verschiedenen Freunde nicht mit einander tollidirten. Auch vorspielen würde sie ihm. Sie tcnnte vier Walzer und zwei Volks und eine ganze Sonate. O, sie würde riesia viel zu thun ha ben, seine arme, kleine Frau ! Viel mehr war von einer feinerzoge-« nen jungen Dame doch auch nicht zu verlangen ? Wie amüsirten sie sich rft über die lächerlichen Emanzipationk Jdeen verschiedener ihrer weiblichen Be iannten, über die Unabhängigkeit-TAN strehungen der modernen z· rauen und die immer wieder betonte Nothwendig teit eines Berufes für die Unvermählte. Wie belustigten fee sich oft über Cousine Ellen, die seit dem Tode ihrer Eltern irn Hause des Bürgermeisters lebte Wie unweit-lich schluckte sie ihr Früh stück hinunter, die letzte Butterschnitte stehend, während des Anlegens ihres Mantels. verzehrend, um doch nur ja nicht zu spät in ihren »Kursuö für Buchführung« zu kommen, der ihr vie Mittel zum Brodertverb gewähren uno sie der Nothwendigteit entheben sollte, ihrem Oheim stetig zur Last zu fallen. ! Ja, dort standen sie wieder wie ges s wöhnlich, Gustav, den Arm um Amt-«- « liens Taille gelegt, und schauten ihr la- » chend nach. Einmal sah sie sogar deut lich, wie Amålie mit dem Finger nach ihr wies. Da glitt ein tleiner verschaf sener handschuh schnell über die brau . nen Au en, die Füße hefchleuniaten th : ren ritt und aufmerksamer denn je s lauschte Ellen dem Vortrage des alten I Buchhalters. I Ostrnals wenn Ellen in Amslieni « ---- ——»-—M—- -....-.— . ahgedanlten Stieseln und ihrem drei Moden alten Mantel durch die Straße sturmte, geschah es wohl, dasz sie den kleinen Kopf mit dem lurzgeschore nen, braunen Gelock der Wippnase und dem häßlichen grauen Baretthiitchen noch einmal zurückwandte und die leb hasten braunen Augen ein bestimmtes Fenster des Wohnzimmers suchten. O, wenn sie doch nur nicht mehr lan ge das Gnadenhrod zu essen brauchte! Aber war es denn im Grunde so arg, daß sie über Cousine Ellen lachten? Sie war wirtlich spaßig mit ihren Schul mädel-Manieren, obwohl sie bereits zweiundzwanzig Jahre zählte, mit dem lurzgeschorenen dunklen Haar und ih- H rer absonderlichen Toilette. J Arme Ellen! Jhr Vater war Ge- « richts-Selretär mit einem Gehalt von zweitausend Kronen gewesen und so wohl die »Jnngcn« als Ellen hatten im mer gesunde Magen gehabt, so daß der « Garderoben-Etat stets sehr schmal he messen gewesen. « Langsam wandte Hallherg den Blick j von der Straße ab und mit einem T Ausdruck inniger Liebe und Bewunde- I rung aus die schöne Gestalt an seiner H Seite, das seingesormte griechische - Antlitz mit den sanften Blauaugen und j dem prächtigen lichthlonden Haar. Z »Ihr beiden Cousinen gleicht Euch « doch nicht im mindesten, AmölieP l »Das will ich hoffe-w usug es stöh- « lich und übermüthig von den Lippen der glücklichen Amölie zurück. ; Dann tam der Sturm. z Drei Monate vor der hochzeit ward « die Firma hallberg F- Sohn durch das , Fallissernent eines eng liirten Handels- s hauses derart in Mitleidenschast gezo gen, daß auch sie sich zur Einstellung ih rer Zahlungen gezwungen sah. Welch herber Schlag siir Gustav! Bei wem sollte er wohl nun Trost su chen, wenn nicht bei seiner Braut? Und sie verließ ihn auch nicht in die sen Stunden schwerer Sorge. Er war nun arm. Gui, so würden sie die Armuth mit einander theilen. Sie wollte Alles muthig tragen, selbst das Achselzurlen ihrer Freunde und die vielleicht noch schwerer zu ertragenden mitleidigen Bemerkungen der Bekann ten. Sie war trotz Allem überzeugt, daß ihr Gustav ein anständiger, ehren hafter Mensch war. Das galt ihr mehr als Alles. Und sollte sie auch lange, sehr lange warten müssen, bis es ihm möglich sein würde, aus den Ruinen seines früheren Vermögens ein Nest chen für sie beide zu erbauen, so wollte ; sie doch geduldig dieses Tages harren. I Jnnige Umarmung. Großes häus liches Tal-learn — Einen Monat später sandte sie ihm seinen Ring zurück. Es geschah, so schried sie, mit zerrissenem herzen und unter strömenden Thränem aber ihre Eltern hatten sie gebeten und beschwo ren, ihnen die Sorge um ihre Zukunft durch ihre hartnäckigteit nicht zu er schweren. Sie wisse nur allzu gut, daß es ohne ihn teine Zukunft, tein Glück, keinen Frieden auf Erden siir sie gäbe; allein ihr bliebe teine Wahl. Jm ersten Moment vermochte Hall berg es nicht zu fassen. War es denn möglich? War es nicht mehr, als ein Mensch zu ertragen vermochte? Nichts« nichts war ihm geblieben, seit der Sturm über ihn hereingebrochen. Al les zugleich hatte er ihm geraubt: Geld, Zukunft Glück —- seine Braut. Rast- und ruaelos irrte er bis zur s sintenden Nacht in stillen entlegenen Vorstädten umher, angstvoll ein Vergeg nen mit Freunden und Bekannten mei dend, was ihm Seitens der Letzteren allerdings sehr erleichtert wurde. Eines Abends saß er auf einer ein fachen Bank im Stadt-Part, als der Klang seines Naman ihn aus seinem düsteren Sinnen emporschrecktr. »Wie —- cch, Ellen —- Pardon, Fräulein Holit —--« »Pfui, Gustav, seien Sie doch nicht fo garstig! Es bat mir so schrecklich leid gethan um Sie und Amölie —— ich habe fo bitterlich geweint deswegen.« »Und —-— —- hat Amölie — — hat sie wohl auch ein paar Thränen um mich vergossen?«' »Viele — sehr viele, Gustav. Aber so schwer es ihr fiel, was sollte sie ma chen, die Arme? Ontel und Tante ha ben ihr keine Ruhe gelassen, bis sie ihnen den Willen gethan hat.« Und wieder rollten Thriinen iiber Ellens Wangen, die sie hastig trocknete. »Nun Adieu, Gustav. Halten Sie sich tapfer! Nun werden wir uns wohl sobald nicht wiedersehen, da ich aus wärts eine Stelle als Buchhalterin an genommen habe. Aber ich werde im mer gern an Sie zurückdenten und bin auch durchaus nicht böse darüber, daß Sie und Amölie mich immer ausge lacht haben. — Meine besten Wünsche für Ihre Zukunft. Guitavl« Und aufs Neue entftiirzten Thriinen ihren Augen. »Sage-n Sie. Ellen. was hätten Sie wohl gethan, falls Sie in Amöliens Stelle gewesen wären?« » chi« « a — Sie." · »Ach Gott« ich glaube, ich wäre eher T gestorben, als daß ich mich hätte zwin gen lassen. Aber Sie dürfen Arnalie i dieserhalb nicht grollen. Sie ist noch fo jung und so weichen Gemllthes. Ich bin beinahe dreiundzwanzig; und se hen Sie, alte Leute —- —« »Sie sind eine liebe. kleine Advotas tin, Ellen. haben Sie Dank filr Jhre cx IMM. —=«—SI l freundlichen Worte. Leben Sie wohl." « .Adieu. Gustav. Wie schrecklich schade, daß es so gekommen ist!« — Dariiber herrschte nur eine Stimme : «es war ein anständiger Lukan-' gewe sen. Das heißt : es war volltounnen tlar, daß hallberg tein Vorwurf traf und daß er nur von dem anscheinend gutsituirten Geschäftsfreunde. für wel chen er in hohem Betrage Biiraschaft ge leistet, mit in’s Verderben gerissen wor den. Nun war er einen Allord einge gangen, durch welchen die Gläubiger nahezu vollan befriedigt worden, ihm selbst jedoch nichts ais sein ehrlicher Name geblieben war. Nun hieß es wieder von vorn begin nen. Jn einem Vorstadthause stand der früher so elegante Gustav vallberg nun selbst hinter dem Ladentische. Nach ein paar Jahren harter Arbeit war er soweit gelangt, daß er — sehr beschei den und anonym —- wegen eines Buch halters inseriren lonnte. Die »garstige Emanzipation« hatte während der leßten Jahre so tolossale Fortschritte gemacht, daß dreiviertel der einlaufenden Offerten von Mäd chen stammten: Mädchen mit und ohne »Ponies«, mit Flechten und lurzge fchorenem Haar. elegante junge Damen und schlichte. fast dürftig gekleidete Mädchen, die sich mit dem dentbar be fcheidensten Gehalt begnügen wollten· sauern wufrav yauverg ichov ganzen Stapel Briefe nebst Photogra phien und Zeugnissen bei Seite, um sich beim Schein der Komptorlampe in ein Paar treuherzige, blaue Augen zu ver tiefen, die ihn so lieb und verständig anschauten. Lange blieb er mit dem Bilde in der Hand regungslos sitzen. Wie ost hat ten dieselben Augen ihn im hause des Bürgermeisters freundlich angelacht; wie traurig und voll sanften Borwurfs hatten sie geblictt, wenn er und Ame-site sich iiber Kousine Ellen lustig gemacht hatten! Wie warm und treu hatte diese tleine Hand an jenem Abend im Pakt die seine gedrückt! Für all' die beigefiigten schönen Zeugnisse hatte er teinen Blick. Jhnt genügte die Photographie, und im Banne derselben reiste er am nächsten Sonntag in das Nachbarstädtchen, wo selbst Ellen Holst in Merkurg Diensten thiitig war. — Ncch heutigen Tages hat die Firma Gustav Hallberg sich keinen Buchhalter angeschafft, obwohl das Geschäft lang sam aber stetig vorwärts geht. Einer derartigen Kraft bedarf es nicht mehr, seit Frau Ellen Hallberg dort als Stütze und Kompagnon ihres Gatten waltet. Mitunter kommt die noch immer sehr hübsche Routine Amfslie an dem hallberg’schen Geschäft vorüber, doch pflegt dann gewöhnlich irgend etwas sehr Jnteressantes auf dem jenseitigen Trottoir ihren Blick zu fesseln. Bei solcher Gelegenheit geschieht es wohl, daß Gustav freudigen Herzens, wie dereinst im Hause des Bürgermei sters, ausrust: »Ihr beiden Koufmen gleicht Euch doch nicht im Mindesten!" Und Ellen, die sehr wohl begreift, in welchem Sinne es gemeint ist, erwi dert freundlich: »Gewiß. Amölie sieht allerliebst au5." Da die Verhältnisse es noch nicht ge statten, mehr als ein Dienstmädchen zu halten, das durch den kleinen Junior der Firma Hallberg vollaus in An spruch genommen ist, sieht es in den Wohnriiumen im Oberstocl mitunter nicht sehr einladend aus, wenn Gustav und Ellen nach Schluß des Geschäftes nach oben kommen. Doch schnell weist Frau Ellen’s ge schickte Hand dem Zimmer einen behag lichen Anstrich zu verleihen. Und wenn die Lampe angezündet ist, das Feuer im Kamin fröhlich tnistert lind der Theetessel aus dem Tische lummt und brodelt. dann schmiegt sie wohl den tleinen Kopf an des Gatten Brust und flüstert: »Ach, mein Gustav, welch’ anderes Leben hast Du Dir sriiher erträumt! Dein armes Weib findet leider ieine Zeit, um Alles im Hause so nett und traulich zu gestalten, tvie sie es gern möchte und von Nechtstvegen müßte·« Dann aber legt sich ein fester Arm um ihre Taille und innig tönt es ihr zurück: »Dafiir habe ich ein Weib, so fest, so start und treu und jeder Prüfung gewachsen; ein Weib, aus das ich sel sensest bauen kann-auch im Sturm!« — — äs Die salsche Diagnose. Dr. A» praktischer Arzt, Junggeselle «und sehr kurzsichtig, bemerkt, als er Abends durch eine belebteStrasze schlen dert, eine junge, perschteieete Dame vor sich- die ihn sehr interessirt; er will sich ihr nähern und wagt eine artsiihlenoe Anrede. Aber. o Schre n! an der nächsten Laterne hebt die Dame den Schleier empor, der Doktor erkennt eine Patientin, die zu ihm mit reizendesn Lächeln sagt: »Lieber Heer Doktor, die-mal war die Diagnose salscht" N e u e b W o r t . A: »Was ist Jhnen heute Gutes pas slrti —- Sie sehen ja sso vergnügt aus.« B (der seine Schwiegermutter beer digt hat): »Dabe alle Ursache, bin heute entschwiegermuttert.«