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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Oct. 28, 1898)
Rajhlrrn unttAijlla1711r11. Eine Geschichte ansslrlana Von Johanna Feilmann Entsetzuan James kann nicht""weiter sprechen, denn plötzlich werden an der Eingang3 pforte Stimmen laut; rauhe, drohende Worte tönen herauf, während dieGlocle hesti gezogen wird, so heftig, als müsse der Draht zerspringen. Sir arold steht an der Brüstnng und lau cht. »Wer ist das?« ruft er mit donnern der Stimme. Erschrocken eilt Miriam hinaus. »Um Gottes willen. was gibt es?« »Macht auf, macht aufl« schreit nmn unten· Vor der den partartiaen Gar ien um benden Mauer hat sich eine große enschenmenge zusammngerot tet, die immer eindringlicher Einlaß begehrt. Mit Entsegen sieht Miriam viele Gesichter sich an das Gitter der Pforte drängen. Jn dem täuschenden Mondlicht verdoppelt sich die Zahl. Schwarze, große Schatten haschen - hin mild per ays dem meißenKieskeF " Aue-E- Øesltllucq wunueu nai, set-u cui- « beerbufch, jeder Arbutus wächst zu ei ner Menschengeftalt. ; Sir Harold hat keine Zeit, sich zu « bedenken· Die sich ängstlich an ihn schmiegende Miriarn unsanft von sizh T drängend, stürzt er in das Gemach nnd T reißt eine geladene Pistole oori der ; Wand. So bewaffnet tritt er wieders schnell hinaus. ; »Zurück, zurück,« ruft der von den ; Dienern umringte Pförtner, »oder ich I lasse die Hunde los!« ? »Wir wollen Sir Harold Norton;" fchreit die Menge. « »Es war der Obergäriner! Heraus « mit ihm, heraus!'· « »Er ist nicht da, er ist längst heim: - gegangen.« · »Verdaninite Lüge, Hund! Bei E Sankt Patricl, Dir schneide ich noch die Lügenzunge aus-öff:ie—oder——" ; »Was gihtes?« ruft Sir Harold, s im Begriff, die Stufen hinabzueilen I, Da nähert sich der alte graueJ:.:1:-:5, S am ganzen Leibe zitternd. ; »Herr, unten ift ein ganzer Trupp J wiithender Menschen-es ist ein Streit ausgebrochen zwischen den Organisten ! und denr Gefindel——ein junger Ma- ; trose ist tödtlich von einem Stein ge- ! troffen worden —- ach, Herr, nun hat ; ihn als Leiche in das Haus seiner jun- . gen Frau getragen, nachdem er ron ! einer zweijährigen Fahrt heiingetehrt - . « « s.. »Wer ist es?« schreit MiriaIn, zu » Tode erblaßt. s »Der Matrose Larrv O’Brien.« » Larrh O’Brien, der schöne Knabe, der sie einst aus der Hirschjagd errettet —wvt! 4 Schnell gewinnt Sir Hat-old die Fassung wieder, obgleich auch ihn txie Nachricht erschreckt hat« denn er kennt seine Jrländer und weiß. daß rnan ihrn die Schuld dieses Unaliicts beimessen wird: er weiß aber auch, daß nur die größte Unbefangenheit und Geistes gegenwart eine drohende Gefahr ab wenden können. Er muß selbst mit den Leuten Irre chen und sie zu beruhigen suchen. »Gebe, nicht,« fleht Miriam, «!aß das Thor nicht öffnen!« Ohne auf ihre Worte zu ahtem eilt er die marmornen Stufen hinab, der Eingangspforte zu. »Was gibt es, meine Freundes-« fragt er, dicht an das Gitter tretend; dann sich an den Pförtner wendend: »So öffnet doch gleicht« Die schreienden Stimmen dämpfen sich, und nur noch ein drohendes Ge murrnel eht durch den-Haufen. Sie harold « ht so vornehm ans, wie er, von feiner Dienerschait umringt, dasteht im schwarzen Anzug. mit der weißen Binde und dein stolzen Aus druck im Gesi . Kein Zug verräth Zorn oder Zur-« Kalt und überlegen Vullell ole ums-stauen. ruciucu ·2.«H-.«. Alles drängt sich im wirren Drin-h einander auf den von hohen Bäumen beschatteten Fahrwea. Dann tritt ein alter, weißhaariger Mann in zerlump-s tein Warnms aus-« ihrer Mitte, verneigt sich tief vor Sir Harold. und die Hand auf die Brust legend, träqt er mir erru ßem Pathos das Eteiqniß vor, indem er die Wahrheit seiner Aussage mit stetem Anrufen der- Santt Patrick be träftigt und den Dberqärtner als den Missethöter angibt. »Wartet Jhr selbst Jena-» habt Jhr es gesehen, Jim Sullivans« Der Alte steht betroffen: der Herr kennt feinen Namen. Dann sagt er: »Gesehen hab’ ichs nicht, aber die Erde soll mich verschlingen, Herr, wenn es nicht wahr ist!« Sir harold kennt seine Leute. »Allo- J r waret nicht zuaegen, Inn Sullivan, ann hütet Euch, eine An klage zu erheben.'· «Biele können es bezeuaen, daß er den tödtlichen Wurf gethan!« »Ist einer unter Euch, der es auf das Kruzifix beschwören würde, der trete vort« Sie schauen einander an und schüt teln die We. » »Es war der Oberaiirtnee — er hat den Larry OBrien schon lange gehaßt; der Liebsten reisen-heraus mit ihm, Verm-IF schreien Einiae. »Um- dus Gericht ihn fordert, soll er sich dem Arm der Gerechtigkeit nicht entziehen können; ich hafte fir: ihn — arrner Larrh OWrien —ich gehe sofort selbst hinab in’s Dorf — Ihr sagt, er hinterlasse eine Wittwe —— arme Frau — ich werde sür sie Some traqen —« »Ja, und ein Kind ist Oa. da: schön ste Engelsiind, kein schöneres gibt’s aus der ganzen grünen Insel!« tust ein großes-, statktnochiqes Weib, das sich dem Zuge angeschlossen hatte, die th nerne Pfeife in der Hand. · »Er geht selbst hinab in’s Dorf — er ist nicht stol ———et hat ein Herz sung Volt!« rufen ie durcheinander Toch plötzlich verstummen sie. Miriam hat sich in einen weißen Burnus gehüllt und die Kapuze uber den Kopf gezogen; in dichten Locken quillt das rothblonde Haar hervor und umrahmt das liebliche Antlitz. So tritt sie heran. Ein erstauntes »Ah!« aekt vonMund zu Mund. Viele haben iie ais Kind . gekannt und wissen, :velch’ wobltyati- » ger Sinn ihr innewolmt. ; «Miriam, bist Du wahnsinniq?" iliii ; siert er ihr zu. »Dies- ist kein Platz iiir 1 Dich-" I »Mein Platz ist an Deiner Seitek ( Daraus wendet sie sich an den Lilien. l »Ach, Jim Stellt-»san« eLJ ist enisetz lich was geschehen ist! Da, gebt kas- s der armen Wittwe.· · Der Alte beugt die cknie: ihm wallt i das Herz über vor Dankbarkeit unds Rührung. Sie erinnert sich seiner und s vertraut ihm Gold an, Gold, das seine s Hand seit vielen Jahren nicht mehr bei I rührt hat! J »Gesundheit und langes Leben der ; edlen Gemahlin des Sir Harold Nor- j tonl« ruft er begeistert. 1 »Vorh, hoch, hoch!« stimmen Alle j ein, die Hüte schwenkend Horcht dieselben Felsen, welche den · Namen Kathleen widerhallten, sie i senden das Hoch Miriams in weite · Fernen, Und geheimnißvoll tragen eg l die Lüfte zurück über den See nachl Castle Glenal »Jetzt begebt Euch ruhig heim; ich ! haste Euch dafür, daß eine Untersu chung eingeleitet wird —- doch Jhr sollt ! den weiten Weg nicht ohne Bewirthung ! gemacht halten« « Und auf seinen Wink bringt James auf einer großen silbernen Platte einen mit Whisly gefüllten Kristalltrug und Gläser. Sie nicken einander zu nnd stellen » sich aus dem schimmernden Rasen unter einer Rothbuche im Halbkreis aus. s »Erlaubt, daß ich Euch den Trunk » mische und lredenze!« sagt Miriam, « die Gläser mit Whisty und Wasser - süllend. Jn jedes Glas wirst sie ein neues, großes Silberstiick, das sie der von James gebrachten Geldrolle entnimmt. Wie sich die trotzigem wilden Ge sichter immer mehr siinstigenx ja, so ; viel Güte unt-Freundlichkeit muß selbst das börteste Herz erweichen! »Ich tüsse den Saum Eures Ge wandes, Mylady!« i l »Ich time den Boden, den Uuer Fuß betritt, Myladh!« »Die gebenedeite Muttergottes segne Eure Ehe, Mylath« Helleå Licht bricht durch das dunkle Laubwerk der Rothbuche, unter welcher sie sich geschaatt, und Sir harold be » merkt, mit welcher Bewunderung ein . jedes Auge an seiner Gemahlin hängt. - Er hört, was man flüstert; es gibt l leine heldin der irischen Sage, der nIan sie nicht an Schönheit und Tu gend vergleicht. Auch fein Blick folgt jetzt jeder Be wegung der lieblichen Frau, wie sie den rauhen Gesellen mit Anmuth den Trunk reicht. Ein eigenthümliches, ihm ganz fremdes Gefühl beschleicht ihn; wie Schuppen fällt es ihm von den Augen. War er denn bisher blind? Die Gläser sind geleert. Noch ein mal rufen sie «Heil, Heil!« und wäh rend der Schall noch in den Lüften schwebt, ziehen sie gebändigt und zu frieden ab, kaum sich erinnernd, wes halb sie gekommen sind. »Das war heute Arbeit, Miriam, aber für den Augenblick sind sie beru · higt — ein abscheuliches Gesindel!« »Du haft ihre Herzen gewonnen, - morgen wird das ganze Dorf voll Dei nes Lobes sein.« »Wie Du Dich auf sie verstehst. — Aber seht will ich hinabgehen, mein « Besuch bei der Wittwe wird eine noch stärkere Wirkung auf ihre Gemüther üben, als der ihnen gereichte Whisky.'· i i- se ! Wenin Auges-buck- spiitkk ist Mi ! riam allein. Wie entsetzlich war ihre » Freude zerstört worden! Noch lange wandelt sie im Garten umher, mit dem Gedanken an den tod ; ten Larry beschäftigt. Wen er wohl ge s heirathet? Ob ej ein Mädchen aus « dem Dorfe war? O, wie unglücklich mußte die junge Wittwe sein. Und ein Knäblein war da; so früh ver waist. Armes Kind! Für die Waise mußte ibr Gemahl sorgen. Larry hatte jhö ja selbst einmal das Leben geret e . Sie ersteigt einen kleinen HiigeL Da breitet sich der im Mondlicht schim mernde See. Dort im unteren See war es, dicht bei der Arbutisinsel. wo Larry sie bei-einer Hirschjagd (der Hirsch wird in das Wasser getrieben unt- pcn d-:«.. Vor-ten aus jagt man ihn zurück) dem Wasser entrissen als sie sich übermüthig iiber den Rand des Nachens gebeugt hatte. »Armer,— armer Larryl'· Eine abergläubische Furcht beginnt sie zu quälen. Kathleen O’Donnell taucht in ihrer Erinnerung aus. Was wohl aus der munteren Spielgesöhrtin geworden? Einmal ist sie ihr vor ei nigen Jahren in Dublin begegnet s-— da bat Kathleen so schnell und scheu weggeblickt und ist dann plötzlich in der Menge verschwunden Welch’ wunder « volle blaue Augen das Mädchen hatte! Ja, das waren dieselben Augen, die Thomas Moore besangl Jetzt weiß Miriam, warum Kathleen ihr var schwebt. Fröstelnd ziele sie den Burnus enger um die Schulte n und tritt zuriicl in ihr Gemach. Warum sich fürchten? — es ist so lindisch. Sie nimmt den »Standard« und versucht zu lesen; es steht ein Artikel über Jrland darin —- die englische Re: gierung wird ihrer Nachsicht und Lang muth wegen getadelt· Miriam liest; dann schiebt sie die Zeitung schaudernd bei Seite. Armes, unglückliches Land, was ist aus Dir geworden! 4. K a p i t e l. Begleitet von seinem Diener und wohlbewassnei. nähert sieh Sir Harold demDsorse. Kein Mensch weit und breit, rings umher lautlose Stille — nur der Fluß murmelt leise. Wie gebannt stehen die Berge, die Bäume; tein Blatt, kein Halm regt sich. Gedan tenschwer und schweigend geht Sie Ha rold neben dem treu bewährten Dienen - Ta strauchelt sein Fuß iiber einen Stein«-ha, hier muß der Kampf statt gefunden haben, hier ist das Ungluck geschehen! Ueberall liegen Steine und Fetzen nnd gelbe Bänder und Rosetten irn Staub. Die große Dogge, Sir Ha rold’H stete Begleiterin, bleibt sieben, tescbniisselt das Gras am Rain und ir-inselt. Da liegt ein blutgetränttes Tuch —- sie hebt es- mit der Schnauze aus und bringt es ihrem Herrn. Der schleudert das Tuch in den Fluß — es schwimmt gleich einer dunklen Rose weiter, dann zieht der Strudel unter rer Holzbriicle es schnell hinab. Und nun springt die Dogge den Abhang hinunter, hinweg über niederaetreteneg Ginstergestriivp und Geriill —- jetzt kommt sie zurück. im Maul trägt sie einen zerrissenen Rosenkranz; nur noch nsenige Perlen und das Kreuz haften an der Schnur-. Schaudernd will er ion dem Tuche nachsenden s— da sieht e: vor seinen Augen ein verzweifelndes Weib, das, den Rosentranz zerreißend, sich in den Fluß stürzen will — voll Grauen giebt er die Schnur dem Diener ,.Verwahrt dies. Tom!« Wie gespensterhaft der Mond über dem Fluß steht! Und drüben da krie chen schon weisse Nebel, und dort wallt es aus und nieder wie sich bewegende Leichentiieheri Schnell hastet Sir harold vorüber Sonderbar ——— er kann sich des Gedan kens an Katbleen von Dublin nicht er wehren. Wie ein Lied so ties in die Seele greifen kann! Wenn sie sich da mals doch das Leben genommen — bah — ist es seine Schuld ——— warum nur daran denken? In der Nähe der kleinen katholischen Kirche, die ain Wege liegt, werden Stimmen laut. I «Blut will wieder Blut, Mutter Brigitte.« · »Sie werden ihn lau en lassen; es ist« ein Protest-Inn ein ngländer; ja, wartet umgekehrt gewesen, bei Sonst Patria, man hätte schon längst das ganze Dorf unterst zu oben gekehrt, aber was lie t daran, ein Jrländer mehr in der lt oder weni er —« nhabt Jhr gehört, was . Donei Jal gestern in der Versammlnn ge sagt , ha, ha, ein wahrer-es ort hat n Xiemand gesprochen —" me »Zerschnitten und zerstückelt haben sie uns schon seit Jahrhunderten: anr besten tbäten sie ietzt daran, eine große Pastete aus uns zu backen und uns ganz zu verschlingen — aber dann würden sie erst fühlen, wie zähe wir sind!« . »Ha, ba, ba!« lachte Mutter Bri gitte; »sie würden sich schon den Magen an uns verderben —- ich bade das auch schon gehört; aber es rührt nicht von Mr. Doneaal ber, das bat einer gesan —- wie beißt er doch gleich —- der Bü cher geschrieben und von dem nran sich allerlei Lustiges erzählt.« Die Alte tlopst die Thonpseife an dcrn Wegstein aus und birgt si: unter dem rothen Mantel. » »Wie wüthend sich die Katbleen ge lserdet hat — alle Heiligen! mir stehen die Haare noch zu Berge, und wie si-. die gebenedeite Muttergottes aelästerti Wenn es auf die antiirne, dann ständen noch heute alle englischen Schlösser in lichterlohen Flammen.« »Mir wäre es auch schon recht,« ent gegnete Mutter Brigitte, »du gäbe es. Feuer-. unsere Kartoffeln zu rösten!'« Und sie schwingt ihre noch brennende Pfeife, daß die rothen Funken sie nmslieaen. « Gleich daraus verschwinden Beide in der Capelle Also Mr. Donegal wieqelt auch hier dte Leute anfi« denkt Sit horold bSingend ziehen einige Burschen dor ii er »Wo wohnt Mrs. Larky O’Brien?« fragt er. Man zeigt ihm ein mit Schindeln gedecktes Häuschen, das vereinzelt etwas vom Dorfe entfernt, am Wege liegt. Jst das nicht dicht daneben dir Schmiede, wo er sich oft als Knabe hat sein Reitpferd beschlagen lassen? Im Vordergarten stehen einige Leute, wehtlagend und weinend. Schei weichen sie zur Seite, flüstetnd: »Si: Harold Norton, was will der hier?« Er tritt durch die offene Hausthiir in die Küche. Jn dem non eine flackernden Talqterze matt erleuchteten Raum sitzt Norah O’Reiuy und mur melt Gebete, den Noseniranz in den Händen. Ueberrascht blickt sie auf, ais er si-: anredet i i i i »Alle Heiligen,« schreit sie dann, ihn erkennend, »Sir Harold Norton, was bringt Sie her in das Haus des Elen s des und des Todes?« » »Das Mitleid,« entgegnet er. : Sie erhebt sich. Eine reckenhaste Gestalt steht sie dor ihm; ibre Augen brennen diister unter den grauen borstigen Brauen, und die weiße Spitze ter Haube bewegt sich wie der Flügel eines unruhigen Vogels, denn ihr Kopf zittert vor Erregung. «Sie tennen mich nicht, sonst würders Sie mir wohl die Hand reichen, Sii szarold — ich habe Sie aus dein Arn. getragen und manche Nacht bei Jhneii tierwacht, als Sie ein tleiner, blond leckiaer Knabe waren, gerade wie der da in der Wiege. Ja, ja. die Heiligen wissen es, wie ich Sie später Tag und Nacht im Scharlachsieber und im Ty phus gepflegt — aber —" »Wi) ist die junge Frau? Jch lam il)retwegen," unterbricht er sie unge tuldig. Aus ihren Augen bricht ein Strahl des Hasses. Weiß er nicht« welch’ bedeu tende Persönlichteit er in ihr beleidigt? les Hasses-. Weiß er nicht, welch be deutende Persönlichkeit er in ibr be li.idigt? Weiß der Gutsherr von Eaitle Glena denn noch nicht, daß sie die allgemein beliebte Klagefrau des Torfes ist? Nein, man behandelt Norab O’Reilly nicht umsonst mit Ge rinafchätzung. Sie öffnet die lleine Kammerthiir. »Sehen Sie, was einer von Jhren Nuten gethan bat!« Da liegt aus deni schmalen Bette der junge Larrts, gerade als wäre er eben entschlumniert. Der Thüre ge genüber stelit auf dem mit einzin schwarzen Tuch derhanaenen Tisch ein aus Holz geschniiztes Kruzifix. Still brennende Kerzen werfen rus higes Licht aus das männlich schöne Antlitz. Auf dem nackten Lebmboden, die Leiche umschlingend. tniet eine Frau und birgt das Gesicht an der Brust des Todten. Nichts regt sich ——— lein Atbemzug iit hörbar. Leise zieht sich Sir barold zurück, « denn eine jede Störung scheint selbst ihm Entweihung. Er bat laute, lei denschaftliche Klagen erwartet, dagegen war er vorbereitet, nicht gegen diesen · stummen Schmerz· . Da tritt aus der dunlieii ijirnmereise - Vater Mulligan, der Beichtdarer statts- i leens. Sein gelblich hageres Gesicht - mit den lebhaften schwarien Augen drückt Verachtung aus« als er, den Finger auf die Lippen legend« mit der hand hinausdeutei. Wie darf dieser Mann so aller Sitte Dahn sprechen und zu dieler Stunde erscheinen? » Vater Mulligan kennt ia die ganz-. tragi che Geschichte feine-Z Beichttindes, ihre « de, ihre Verzweiflung und ihre Reue. Sachte schließt er die Thitr und folgt Sie harold in die Küche, sprachlos dor Entriistung. »Ich hätte Mis. O'Brien gern ge spro ,« sagt Sie Herold. den but vorn ische nehmend. Rochiniiner hat er teine Ahnung davon. in ioessenhaus er sich befindet. Da regt sich der tleine Tini in der Wiege. «Ab, inein Goldtind, inein««’;iiwel! Die Muttergottes beschütze Di , ak ute-, vateeloses Würmchen. Schauen Sie, herr, daf- ist Katbleens Erstge s borener!« Nnrah O’Reilln tritt dicht on oce Kerze, und her Kleine areiit jauchzend mit den Hündchen nack- einekn großen Nachtfalter, der durch das offene Fens ster hereinaeichwirrt iit und die Flam me umkreist. »Armes kleines Ding, es weiß n.:ch nichts von feinem Ungl;ict.« seufzt Nr rah; »ja, Herr, jedesmal wenn mich der kleine Tim anlächelt. da iit snir’5, als schauten mich Ihre blauen Kinders csugien an. Die Aehnlichkeit ist er ftaunlich.« »Schon gut, schon es:it,« .::;etbriclft der Priester ihren Womit-tunc Sir hnrold aber neigt fch Fu dem Kinde-das ist ja der lleine Robert Norton, wie Ihn Sir Its-sinnl- Reynolrs so vortrefflich gemalt-»in es doch, als wäre das Bild lebenoia neu-orden. »Nicht wahr, die Aelinliiysit mit hrer Ymilte muß jedem Auge auf allen, ir Horn-IM« iaal Jtoran Ein spötti chesLiicheln uinilient ihren sahn losen und. Nehmen Sie doch einen Tropfen Whisty, Sie Damit-, Sie sind ja ganz bleich. Nicht ts:-:lie, das Elend der armen Leute nein einein zu rzen, wenn man es sioo ’:nal an chaut.« Er verlteht ihre Anspielunq ni:«.t, denn noch immer abnt er nichts. «Mama, Mama. lornm!« ruft der Kleine. Da erwacht Kathleen aus dem stum pfen Brüten, welches dem wilden Sturm der entfesselten Leidens-mit gefolgt ist. hr Kind ruft sie, der Keine Tim. chnell rafft sie sich empor, und da erscheint sie in dem Rahmen der Tbüt gespensterhaft bleich, mit aroks,e11, näch tigen Schatten unter den umflntten Angen. Jesus und Maria« Sir Damit-W kreischtjih sich an das Herz greifend und bricht ohnmachtiq zufammen. Wie versteinert fiel-E Sie Hakold. »Geber! Sie,« flüstert der Priester mit emern vielfaqenden Blick auf No rah, die sich um Kirchlein bemüht, »ne Pen Sie, Jhr Anblick könnte ihr std em." s Als wäre das Erlebte ein böser Traum gewesen« so atbinet Sir Harold hoch auf, als er das Häuschen verlas en, aber der böse Traum hält ihn noch immer gefangen; er ist verwirrt, ver stört; er tann den Zusammenhang nicht klar erkennen· Jst die Frau, welche ihm gleich cincni Schatten er schien. wirklich Fleisitts und Blut!—--; It sie ein Gespenst, ein Truabild, hervor gezaubert aus der Nacht der Schrecken durch den Gesang Miriamsi Weit liegt schon das Dorf hinter ihm, als seine Gedanken anfangen sich zu regeln. Ja, es is: Kathleen O’Doti nell. Aber wie —- ivenn der Kleine nein -— das ist nicht indgtikh —- so stolz ist ja kein Mädchen aus die-n Volle, das; es nicht die geringsten Ansprüche an den Vater zur Erhaktunq des Kindes erhoben hätte —- diese Aehnlichkeit ist Zufall —- Spiel seiner Phantasie. Hin und her wälzt Sir Harold den Gedan ten, bis er schwerer nnd schtvrrer wird und sich ihm wie eine bleierne Lust auf das Herz legt. Ja, es ist sein Kind fatal, warum gerade jetzt diese Ent hiillung? Wie unheilbrinrend kann sie werden, wenn Miriarn die Aehnlicheit entdeckt. Riesengroß tritt wieder das Jch in den Vordergrund seiner Empfindunasi welt. statt-been und das Kindsie mits sen fort von hier« bald. es wird sich leicht ausführen lassen. Nicht einen Augenblick denlt Sir Harold daran, wie viel das arme Men schenherz gelitten haben mag: nicht einen Augenblick macht er sich einen Vorwurf darüber, daß er nie nachge forscht, was aus ihr geworden. als sie Dublin so plötzlich verlassen hat« War es nicht besser für feine Seelenriilie, Kaihleen aus seinen Gedanlen zu ban nen? Wenn te ihre Drohum ausge siihrt, so hätte er si-. ja doch nicht wic der in? Leben zurückrusen können. Wie phantastisch es sich doch manch mal in dein Gehirn selbst des vernünf tig dentenden Mannes gestaltet! Kaum ist eine Stunde vergangen, dosi er sie aus den Geträssern des Sees gleich einer Erscheinung tat auftauchen sehen, und hier lebt sie in seiner näch sten Nähe. —- Wie schnell sie sich trotz ihrer Verzweiflung geträstet hatt. Er nähert sich Castle Glena. Auf der Veranda, vom Mondlicht umflos sen, steht irn li ten Gewande Miriam und barrt sehn-uchtåvoll der Rückkehr des Gemahlg. Bei ihrem Anblick ver sintt Alles, wag- ihn beunruhigt. Be fliigelten Schrittes eilt er den Hügel hinan; heiß wallt ihr sein herzt entge gen. da kommt sie die Marmorstufen heut-geschritten »Harold!" Mit lautern Freudenschrei stürzt sie ihm in die atisgebreiteten Arme. Wie ftürrnisch er sie an die Brust schließt! Einige Augenblicke später tomrnt James. »Den, der Oberaärtner——« «Runt« »Er ist derschwunden.« Sir Harold erbleicht. - »Das ist fatal!" III Heil und glänzend liegt der Son nenschein über Caftle Glenm Es find Gäste aus London eingezo gen. Elegante junge beeren nnd Da men beleben die paradiesisch schönen Gründe. Man reitet und iährt, man rudert und segelt! gibt its doch keinen angenehmeren Landaufentliali als Kil larney mit seinen bewaldeten Bergen, grotesken Fellen und malerisch einge rahmten Seen. Miriam ift die gefeiette Königin, um die sich Alles schaart und der ein Jeder huldigt. Und ein jedes Wort der Be wunderung, das man feiner rei enden Gemahlin zollt, es entflammt immer mehr die fo jäh erwachte Liebe Sir Harolds· Jnimer wieder iraat er sich, wie es nur möglich war, daf: er bisher so unempfindlich gegen iliren Zauber . -1ewefen. Nie hätte er sich selbst einee fo . mächtigen Gefühles fähig aeglaulin i , wei Tage vergehen. an denen man la t und scherzt, spielt und singt. Des rauenvollen Ereignisses wird nur Eüchrig gedacht; felhlt vor Mirianis sage hängt ein farbenreicher, glänzen der Vorhang, der nach dens. tragischen Art gefallen ist. Jm Dorfe aber da gibt es nur einen Gegenstand der Unterhaltung: Lang-; Tod und die ihn begleitendenUmstände. Der Obergiirtner ist nirgends .u fin den ——— natürlich, Sir harold sat ihn entfliehen lassen, ihn sogar iur Flucht mit Geld verforth die Steckbrief-,»init denen man ihn verfolgt, find Eosnodie wie Alles. Ein Engländer verrath« den Anderen nicht« wenn man sich an einein gehaßten Jrländer vergangen nat. Wie viel Theilnahme man deni allen Mike O’Donnell erweiftl Das Trösten hat tein Ende. Ein Jeder will thn un terstützen und ihm hellen mit demPfen-— ntg seiner Armuth. Scheu stiehlt sich « Jung, Alle wollen sie Katblcen bewei ! sen, wie nahe sie sich von dem Tode Ez» - Larttfs berührt fühlen. Wo nur ein «« . morderische Hand nach Larkn gestreckt ««· der Wilddieb am Abend durch Tuns-stat- « tofselgärtckzen welch’ ein Otlch di . Fensterchen steht offen: schnell unk- un, bemerkt fliegt der hast dinetn. Witz gilt es dem Wilderer, daf; die Jagd geschlossen ist? Auch der Whisteylrua auf dem Ti sche füllt sich aufs Neue: es nat Zeit mit der Zahlung; Katbleen lann jetzt doch nicht an solche Anaelcgcnheitei i denken. Und Mike -O’Donnell fiiblt sich ok dentlich stolz, ob all’ der Ehre. die man ihm und seiner Tochter erweist. Ja, er wächst in seinen Augen zur-scheiden und schwört bei jeder Geleacniieit, er werde I» den Tod seines Schtviieaersolxsneg rä- " chclL sk. Aatbleens Lippen bleiben qesclslkssen , « Nur der Priester weiß, wie die Leiden-PS schaft in ihrem Busen todt und ittr - Herz zernmrtert. Aeufzerliiti aefuszt un · « ruhig, qährt eg fürchterlich iu ihr. Heute wird Laien einfach-Jer A ;.«.« Dorfbewohner sind geschsjftiqx mai HJI schmückt sich zu dem Fest; man !·ürst « · und nickt sich die alten-kleidet Un ask-ki Bliimchen in den armselian Gärtchen auszutreiben ist, da fällt es deute unter der Scheere. Sonst, da holte man Lorbedoll der prächtiqsten Blumen, v Geranien und Rosen. Kann-lieu nnd Fuchsien aus den Treibdäusern der bei- ., den Schlösser, denn die Verm-Tier Im ren bei solcher Gelegenheit stets steige big, aber wer konnte Blumen erdixten auf Castle Glena, von wo aus sich die ·’ hat. i i ; ihm steht erhöht ein Kruzifix. Es ist« » als ob der Heiland seine Arme iiber den Hoch ausgethuiint lieaen die Hinei ,en Leiiientiicher, und daraus ruht « tarry mit Blumen und Kränzen be deckt. Ningsuin an den Wänden l-ren nen Kerzen und sein Haupt ist uni strahlt von Lichteralanz. Dicht isinter Tsxdten breite. Ruhia und still sitzt Ratdlccm den Kopf gesenkt. die Händeif L im Schcoß gesaltet. Steine Ihriine rinnt. S««« Alle Nachbarn und Freunde lein ineii, betreuziaen und verneigen sich s7« vor der Leiche -— der Eine legt noch ein Blümchen nieder. der Andere steckt eine Kerze an. die er siir seinen letzten Heller ertaust hat. Und so ciele Besu- « »,: cher die kleinen Raume fassen, so viele drängen sich hinein, denn gleich be ginnt die Todtentlaar. Feierliche Stille herrscht —- feierlich brennen die Kerzen « feierlich ge stimmt lauscht ein Jeder-. Jetzt erhebt sich Rorah O’i)ieilly. Sie weiß, was ein jedes Wort zu des . deuten hat, und wie sie es betonen ini«s3. Morgen wird die Klaae sveiter getra- » gen von Mund zu Mund. Ja, sie wird-« anschivellen ivie der Bach nach einein Zeivittet Den rothen Mantel zurück schlaaend, streckt sie die Arme aus und deutet auf Latin: L »Larrn O’Brien, Du Schmuck rer - irischen Jugend, der Du iii Deiner Blüthe hinivegqerasst bist, wie die Eiche actiirssen vorn Blitz, möan sich die-Dei lixien Deiner Seele erbarmen. daß Du nicht lange lechzest und dlirstest nach den ewigen Freuden des- Himmel-, denn teine Zeit ließ Dir der unt-atm herzige Feind, Dich mit dem Herrn i«nd seinem gebenedeiten Sohne zu ver söhnent »Ihr Alle habt den Laien O«Brien - etannt. Wer gliche ihm an Muth und « rast, an Schönheit des Anrlitzes nnd der Glieder-? Sein Gana ivar stolz ivie der eines Königsohnes und feine Miene edel und trei. Kein Adlethorst war to hoch, daßLarrh ihn nicht erklettert, tein Meer so stürmisch, daß er se nicht des fahren, und da liegt er, erschlagen von der grimmen and des Feindes-. Seht das blutige tal an der Schläft aus der das junge Leben entttröintet Weh dem Mörder, dessen ruchlose hand ihn hin estreckt ——- weh —- weh!« »Im-, weh, weht« schluchzte man s trug-arm »Aus seinem Grabe werdet Ihr und Eure Kindestinder trauern, denn mit Larry O’Brien siel einer der Getreuen, die ihr armes Vaterland lieben! »Pslanzet den Shamroct an der Stätte, wo sein Blut vom Grase rie selte und die Wasser des Flusses röth lich färbte! Ja, dort psianzt den Shamroct, dort wird er ewig riinen und Euch erinnern an Larrn O Brien, der um Euch den stertod gelitten! »Hört seine Stimme im Rauschen VCE Flusses, im Söuseln der Blätter und des Grases; seht nicht die Sonne Untergeben, ohne zu beten, daß die Heiligen Mitleid fühlen und Euch die Hand störten mögen, damit Jhr weh) ret den Bedriiaern und Feinden unse res armen Vaterlande-Hi »Weint um Laut-, weint um ihn — i.eszt den Boden mit Euren Thriinen!« Immer heftiger schluchzt man; tein Auge bleibt trocken; nur Kathleen sitzt nech immer unbewegt, als wäre sie aus Stein gehauen. »Und seht die Wittwe, beladen mit Kummer. Umsonst wird sie den Gat ten rufen, nur das Echo wird ihr kla gend . antworten: »Larry, Larri)!« wird es über die ganze griine Jnsel ts nen; von Malin head bis Cape Eorn wird sein Name um Rache schreien!« Und Norahs Augen stammen; die Adern an ihrem langen, hageren Halse schwellen, wie sie mit immer lauterer Stimme bald Larry preist, bald die Hinterbliebenen an ihre Pflicht-U mahnt, bald die Englander als die Ursache alles Uebelö, alles Unheil-Z anllagt. Gortsesiung solgt·)