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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (July 23, 1897)
s— - « -..·--·. Ereyloxizgsooda : · Roman von Islef Treus-men. ( Fortsehunay »Ich hoffe, dies wird genügen, Dich in die Schranken der guten Sitte und des Anstandes zurückzuweisen, Du ste cher Bube!« stieß er hervor und schritt zur Thür. Arthur wandte sich jetzt auf dem Teppich um und zischte dem sich Ent fernenden, indem ein teuflischez Grin sen seine Züge verzerrte, die Worte nach: »Sie sollen mir das mit dem Leben bezahlen!« Greylock lachte verächtlich und ent gegnete nur: »Ich werde noch lange mit Vergnü tgen an diese unsere Unterredung den ent« Mit diesen Worten verließ er erho benen Hauptes das Zimmer-. »Mit dem wäre ich nun auch sertigl« dachte Robert Grenlock halblaut. — »Was nun? Jetzt stehe ich wieder ein sam da — vereinfaniter als jc!« Dies war das Ende der Ehe, die dem jungen Manne so viel gekostet hatte! Seine Geschichte war indessen nicht ungewöhnlich Ein vielverspre chender Jüngling von 20 Jahren, der w einzige Erbe eines großen Vermögens, mit der Aussicht auf eine glänzende Laufbahn, hatte Robert sich in ein hübsches Gesichtchen verliebt; er hatte auf Erbe, Ehre und Luxus verzichtet, um ein Geschöpf zu heirathen, das jetzt seine Gefühle mit Füßen trat und ihm in’s Gesicht höhnte. »Mein Vater that wohl daran," sagte er mit Bitterkeit zu sich selbst, «einen Sohn zu verstoßen, der sich da zu erniedrigen konnte, ein solches Weib zu erwählen; ich muß wahnsinnig ge wesen sein, aus so muthwillige Weise mein Lebensglück zu zerstören. Jetzt sind mir die Augen geöffnet. Gott ist Zeuge meines Schwung, daß ich Iris fiir immer aus meinem Herzen verban nen will!« Ohne der bitteren Kälte zu achten, durchwanderte er ziel- und planlos die Straßen und versuchte vergebens, mit sich selbst iiber seine künftigen Schritte in’s Reine zu« kommen. Schiffe jeder Art lagen an den Wersten, Oceandam pfer und Handelsschifse· Warum sollte er sich nicht aus einem einschiffen, um nie wieder in sein Heimathland zu rückzukehren? Kaum hatte er diesen Gedanken erfaßt, als ihm das Colo rado - Project plöhlich wieder in den Sinn lam. Dort konnte er vielleicht den Frieden wieder finden, den er in seiner Heimath verloren hatte. Aber wie sollte er dorthin gelangen? Wo konnte er die zur Reise nothwendige Summe austreiben? Sollte er sich an seinen Vater wenden? Vielleicht gab ihm dieser das Geld, schon um ihn los zu werden! Z. CapiteL Die Straßenlaternen begannen zu schimmern, die Dunkelheit war herein gebrochen· Jn seine schmerzlichen Ge danken vertiest, war Robert hungrig und ohne bestimmtes Ziel meilenweit durch die Stadt gewandert. Jetzt zum ersten Mal fiel ihm sein Kind wieder ein; lebte es noch, das kleine, vernach liissigte Geschöpfchen, das seine Geburt zur Erbin eines großen Vermögens be rechtigte? Er gedachte die Stadt mit dem Abendzuge zu verlassen; erst aber wollte er sich über das Schicksal seines Kindes Gewißheit verschaffen. Er machte sich daher auf den Weg nach jenem Miethshausg das er heute mit dein Gedanken, es nie wieder zu betre ten, verlassen hatte, fest entschlossen, eine Begegnung mit Iris zu vermei den; er wollte abwarten, bis sie in das Theater gegangen war, in dem sie heute beschäftigt sein mußte. Trotz der Be mühungen, das herzlose Geschöpf aus seinen Gedanken zu verhannen, sah Robert im Geiste immer wieder ihre hübsche Gestalt. Noch wenige Monate zuvor hatte er sie bis zum Wahnsinn geliebt. Als der unglückliche Gotte in die wohlbekannte Straße einb.:a. rollte eine Kutsche an ihm vorbei; er erkannte die Mnfaffen; es waren Iris und Arthur enyon; sie in einen pelzbesetzten Man tel gebülli, übermäfzin mit Puder be laden, mit leucht nden f.!)tvarzm Augen und lächeiuden rothen Lippen; teine Spur von Reue oder Trauer war in ihrem liiibfchen Gesichte zu erkennen. »Fahre bin!« rief Robert der davon rollenden Kutsche nach. »Ich würde, wenn Du jetzt vor mir lägst, ieine band rühren, um Dich aufzuheben!« Trotz der scheinbaren Ruhe befand Robert sich in einer gewaltigen Aufre gung. Wie ein Mann, der über ein großes Problem nachsinnt, schritt er geraume Zeit auf dem Trottoir vor dem Haufe auf und nieder. Die kalte Nachtluft dämpfte allmälig das Feuer feines Blutes; er wurde ruhiger und dachte wieder an sein Kind. Rasch öffnete er die Haus-thue und ftieg die Treppen zu der Wohnung hinauf, in der er während des größeren Theiles feiner unglückliche-! Ehe gelebt hatte. Das Licht einer Lampe beleuchtete die Unordnung, welche die herzlose Mutter zurückgelassen hatte. Das irante Kind lag in der Wiege und ne ben dieser faß die Hauömagd, die fitr die junge Frau die gröbere Arbeit ver richtete. cis war Iris-' Gewohnheit, das feind mit Opiaten zu betäuben und es dann der Obhut dieser Person zu überlassen, während sie selbst tanzte und bei den lebhaften kleinen Soupers glanzte, zu denen sie häufig nach Schluß der Vorstellung eingeladen wurde. Greylock ließ seine Augen flüchtig im Zimmer umher wandern, dann näherte er sich leise der Wiege. Das Kind lag mit eingesunlenen Augen und blauen Lippen unter seiner Decke. Athmete es noch? Er war nicht im Stande, diese Frage zu beantworten. Die Magd war eingeschlafen; ihr Kopf hing über dieRiicklehne des Stuh les und dem offenen Munde entström ten tiefe, schnarchende Töne. Greylocl hob geräuschlos das Kind aus der Wiege, setzte ein warmesHäub chen auf das Köpfchen der Kleinen, die noch immer lein Lebenszeichen von sich gab, und wickelte ihre abgemagerte Ge stalt in einen Shaivl; dann stieß er den Flitterlram der Mutter verächtlich mit den Füßen aus dem Wege, öffnete die Stubenthür und stieg, von Niemandein bemerkt, mit seinem unglücklichen, fast leblosen Kinde die Treppe hinab. Kein menschliches Wesen ließ sich in der Straße blicken· Mit feinem Bün del auf den Armen schritt Robert rüstig seines Weges weiter. Er war indessen noch nicht weit gekommen, als er einzu sehen begann, daß er· übereilt gehan delt; zahlreiche Schwierigkeiten traten ihm in den Weg. Konnte er rnit einem sterbenden Kinde vor seinem Vater er scheinen? Unbedingt nicht! Was sollte «- «b-r mis from klein-n hilflos-n MO sen anfangen, das so still und regungs los in dem Shawl lag? Er befand sich in einer peinlichen Lage; er mußte ein Obdach für die Kleine finden. Plötzlich fühlte der ungliickliche Mann eine leise Regung in seinen Ar men. Das Kind lebte noch, — es riihrte sich und stieß einen schwachen Schrei aus! Er hatte eine Straßenecke erreicht, an der sich eine kleine Apotheke befand; die hellen farbigen Lichter im Schaufenster blinkten ihm gar traulich und einladend entgegen. Rasch ent schlossen öffnete er die Thtir und trat ein. Ein kleiner Mann in fadenscheini gem, schwarzem Anzug, mit einer Glatze, die wie gelbes Elfenbein er glänzte, stand hinter dem Ladentisch. Ohne sich lange zu besinnen, näherte sich Greylock dem Pharmaceuten und schlug den Shawl zurück. »Können Sie etwas fiir dieses arme Geschöpf thun?« fragte er. Der kleine Alte setzte seine Brille auf; er beugte sich mit einer Miene des Staunens, wenn nicht des Argwohns, über den Ladentisch, blickte das Kind an und schüttelte seinen kahlen Kopf. »Wohl kaum,« antwortete er; »dies isi ein Fall für einen regulären Arzt; Sie werden wohl thun, das Kind so fort nach Hause zu bringen und einen Doktor holen zu lassen.« »Die arme Kleine hat keine Hei matb!'· rief Greylock in Verzweiflung »O Gott! Was soll ich thun? Können Sie mir kein Obdach empfehlen, wohin ich das Kind, wenn auch nur fiir einige Tage, bringen kann? Jch bin genöthigt, sofort die Stadt zu verlassen — will gern jeden billigen Preis bezahlen, um Per Kleinen ein Obdach zu verschaf en.« - Der Apotheker warf einen verstohle nen Blick auf den hübschen und an scheinend gebildeten jungen Mann, der in einer solchen lalten Nacht mit einem tranken Kinde durch die Straßen wan derte. ) »Ist dies Jhr Kind?« fragte er. ,,Ja,« antwortete Greylock. »Wo ist die Mut-ter?« »Das ist meine Sache.« »Oh, natürlich —- ich bitte um Ent schuldigung; nun, es gibt gewisse Jn stitute ———« »Ich suche teine Anstalt —- nur ein Obdach fiir etliche Tage, wie ich Ihnen bereits zu sagen mir erlaubte.« Der Alte nahm jetzt seine Brille ab und entgegnete, sich abwendend: »Nun, so bedauere ich, lenen nicht dienen zu tönnen." Jn diesem Augenblicke ging die Thiir auf und eine Frau trat ein. Es war eine junge, frische und btiihende Person; sie trug ein einfaches Kleid, ei nen schwarzen Shawl und Hut; sie schritt zum Ladentisch, legte eine Münze darauf und sagte: »Bitte, geben Sie mir ein wenig Anissamen." Grenlock trat einen Schritt zurück. Die Frau wars ihm und dem Kinde aus seinem Arme einen prüfenden Blick zu, nahm dann ihr Pastetchen vom La dentisch und entfernte sich rasch. Greylock war im Begriff, ebenfalls die Apotheke zu verlassen, als der kleine Alte, wie von einem plötzlichen Gedan ken ergriffen, ihm nachrief: »Da kommt mir eben etwas in den Sinn ——- die junge Frau könnte Jhnen von Nutzen sein; sie wohnt in einem benachbarten Gäßchen.« »Was treibt sie?« fragte Robert. »Ich weiß es wirklich nicht,« ant wortete der vorsichtige Apotheker. »Das Haus wird von zwei Frauen gehalten, dieser jungen und ihrer Schwieger mutter; sie taufen ihre Arzneien hier und scheinen ganz respertabel zu sein. Ich kann mit nur denten, daß sie kleine Kinder in Kost und Verpslegung neh men; das Uebrige müssen Sie selbst ausfindig machen.« »Wo ist das Haus?« »Das zweite Häuschen in dem Gäß chen gleich um die Ecke; Sie tönnern s nicht irre gehen.« . ! »Tausend Dankt« ries Robert und verließ eilig die Apotheke. - s An ex in vie Straße hinsank-set — war die junge Frau bereits verschwun den; er fand indessen ohne Schwierig leit das Gäßchen und das ihm bezeich nete Häuschen; er ilingelte heftig. Bald darauf erschien dieselbe Frau, die Robert in der Apotheke gesehen hat te; sie erkannte ihren Besucher auf der Stelle wieder. »Treten Sie eini« sagte sie. Grehlock folgte ihr in ein dürftig möblirtes, aber warmes und sauberes Zimmer. An einem Piättbrett stand eine bereits ältliche Frau, die mit dem Bügeln von Kinderwäfche beschäftigt war. Auf einem Gesimfe an der Wand befand sich eine Reihe Saugflaschen, und durch eine halboffene Thür er blickte Grehlock ein anderes Zimmer mit einer Anzahl Wiegen, in denen kleine Kinder schliefen. Er wandte sich zu der jungen Frau, die ihn eingelassen hatte, und reichte ihr feine Bürde hin. »Der Apotheter an der Ecke hat mich hierher geiviesen,« sagte er. ,,Seien Sie menschlich — nehmen Sie dieses Kind und thun Sie etwas dafür; es ist sehr trank, und ich muß heute Nacht noch eine Reise antreten; ich kann das Würmchen nicht mitnehmen!« Die-junge Frau nahm das Kind auf ihren Arm; ohne ein Wort zu sagen, nahm sie ihm das Häubchen und den Shawl ab, setzte sich auf den nächsten Stuhl und begann das Kind mit der Miene eines erfahrenen Arztes zu un tersuchen. Greylock bemerkte mit Freude, daß ihr Gesicht einen wohlwollenden und liebevollen Ausdruck hatte und daß sie überaus zart und sanft mit dem Kinde umging. »Ja,« sagte sie endlich, indem sie auf blickte, ,,trant ist das Kleine, sehr krank!" Die ältere Frau verließ nun ihr Plättbrett und näherte sich dein Ande, das sie ebenfalls prüfend ansah. »Die Kleine wird den Morgen nicht mehr erleben,« sagte ste. »Wenn Sie diese afchgraue Farbe in dem Gesichte eines Kindes sehen, fo können Sie ver sichert sein, daß es dem Tode verfallen ift." Sie warf Grehlock einen argwöhni schen Seitenblict zu und fuhr fort: »Jn der Regel sind es arme Frauen, welche Kinder zum Aufbewahren hier her bringen, nicht feine junge Herren wie Sie: mir kommt das sehr sonder bar vor.« Grenlock erröthete, faßte sich aber schnell und sagte mit fester Stimme: »Das Kind ift meine Tochter, ihr Name ift Ethel Greyloct, wie Sie aus den Zeichen an ihren Kleidern erfehen können. Mein Besuch mag Jhnen zwar fehr sonderbar erscheinen, allein ich halte es nicht für nöthig, Jhnen Erklärungen zu geben, auch habe ich keine Zeit dazu. Jch wünsche einfach zu wissen, ob Sie mein Kind behalten und Alles dafür thun wollen, was in Jhrer Macht steht, bis ich übermorgen zurückkehre2« »Das wollen wir, Herrl« antwortete die junge Frau rasch. »Wir sind zwar arme Leute, aber anständig und ehr lich. Judith Black ist mein Name und dies ift meine Schwiegermutter. Wir nehmen die Kleine auf und werden Altes für sie thun, was wir können.« Roberts Zweifel wurden durch Ju diths einnehmendes Wesen beschwich tigt; er zog ein Geldstüet aus der Ta sche und übergab es ihr mit den Wor ten: »Die-»- zum Zeichen, daß auch Robert Grenlock ein ehrlicher Mann ist. Im Laufe weniger Tage werde ich wieder kehren; wir besprechen alsdann das Nähere·« Die ältere Frau ergriff nun das Wort und sagte mit unangenehmer Stimme: »Ist das alles Geld, was Sie uns lassen können?« »Es ift Alles, was ich heute Nacht entbehren kann,« erwiderte Greylock mit unterdrücktetn Unwillen. »Sie haben da einen Werthgegen stand am Finger,« fuhr die Alte fort. Der Ring, auf den dieAlte anspielte, war ein Geschenk von seinem Vater; er schätzte ihn sehr hoch, dennoch zog er ihn ohne Zögern vom Finger und sprach: »Nehmen Sie ihn!« Die Alte griff gierig danach; Judith aber tin-ach ablehnend »Mutter-, wir brauchen dem Herrn durch Annahme dieses Ringes kein Mißtrauen zu zeigen-« »Lasz mich getväbren!« entgegnete die Alte. »Komm der Herr wieder. fo erhält er feinen Ring zuriielx er kann uns dies nicht übel nehmen; wir neh men die Kinder nicht etwa blos zum Vergnügen auf.« Grenloek fagte nichts weiter; er I mußte fort und hatte leine Zeit zu ver lieren, wollte er den Zug noch erreichen. Er beugte sich über das Kind und drückte noch einen Kuß auf Wange und Stirn. »Wald sehen Sie mich wieder,« flü sterte erJuditb zu, »Sie follen mit mir zufrieden fein.« Noch einen letzten Blick auf fein Kind werfend, verließ er rafch das Hauf-; er eilte durch die beinahe men fchenleeren Straßen und warf sich in einen Pferdebahnwagen, der ihn an die Eisenbahn brachte. Hier fand er den Zug, der eben abzugeben im Begriffe war, löste rasch ein Billet und sprang in den letzten Wagen, als er schon in Bewegung war. Fort brauste das Dampfroß, zuerst noch im Weichbilde der Weltftadt, dann jedoch durch das offene Land. »Wald bin ich daheim,'« dachte Ro bert. der aus dem Waggon in's Leere hinaus starrte, unter tiefem Aussens zen. »Dal)eim? —- Habe ich denn noch ein Heim, habe ich noch ein Recht, in das Vaterhaus zu treten? Die Heimath im Osten ist für mich ein leerer-Schall —- und wie wird sich der ferne Westen fiir mich gestalten?!« 4. C a p i t e l. »Blaclport!« rief der Conducteur, und der Zug hielt an. Robert Greylock war der einzige Passagier, der ausstieg. Ein alter Stationsmeister, der einst Seemann gewesen war, stand, mit einer Laterne in der Hand, auf dem Bahnfteig; er warf dem Angelommenen einen for schenden Blick zu. »Wie geht’s, Jared?« fragte der junge Mann nachlässig. Der Alte hielt seine Laterne hoch empor, fo daß das rothe Licht voll auf das Gesicht des Jiinglings fiel. »Was Tausend!« rief er. »Sind Sie es wirklich, Herr Robert? Hol’ mich der Henker, wenn Jhre Gestalt mir nicht gleich bekannt vorkam, als Sie nur den Zug verließen; Sie find wohl auf dem Wege nach Monds-, um den Herrn Papa zu befuchen?« »Jawohl, Jared!« antwortete Ro bert kurz; er eilte die Stufen, die vom Perron zur Landstraße führten, hinab und schritt rüstig auf die Stadt zu. Der Quai war ganz in der Nähe und das dumpfe Gemurmel der Wel len, die sich an den Felsen der Küste Hur-»Ac- h--m-k-Zst- RÄ m- « L-— mai-Ist »Das-su, ·- H u-» Its-, tust »wu- Is u« sen des davoneilenden Zuges. Eine Strecke weiter draußen auf der See flackerte ein großes rothes Licht auf und erstarb, um nach wenigen Augen blicken aufs Neue emporzulodern. »Der Leuchtthurm auf Bird Js land,« murmelte Robert mit tiefem Seufzer vor sich hin; »vor achtzehn Monaten sah ich ihn zurn letzten Male! Vor achtzehn Monaten! Beim Him niel, es ist nur eine kurze Spanne Zeit, und dennoch kommt sie mir wie ein Jahrhundert vorl« Die Stadt Blackport liegt etwa eine halbe Meile von der Eisenbahnstation entfernt. Es ist ein ruhiger Platz, der einst bessere Tage gesehen hatte, im letzten halben Jahrhundert aber seine einstige Bedeutung gänzlich einbüßte. Es war für New York noch nicht spät; hier aber waren keine Menschen mehr in den engen Straßen. Robert schritt an den verwitterten Giebelhäusern und kleinen Läden vor bei und erreichte endlich eine windige Erle, wo, einer alten, verfallenenWerste gegenüber, ein Gasthof stand — »Poole’s Jnn«, wie er von den Bewoh nern Blackports und der Umgegend ge nannt wurde. Es war ein niedriges, viereckiges Gebäude mit einem alten Schilde, das itber der Thür hing und sich iichzenk und stöhnend im Winde hin und hei bewegte· Viele Jahre lang der Sonnt und den Stürmen ausgesetzt, hatte es seine ursprüngliche rothe Farbe fast gänzlich verloren. Rechts von dei Thiir blinlte das Fenster des Gast,;in:-s mers. Keine neidische Gardine ver wehrte den Blick in das Innere. Grehlock trat an das Fenster heran und blickte hinein. Das Gemach war niedrig, reinlich Und comfortabel, aber zur Zeit von Tabalsranch angefüllt, aus dem ein großer eiserner Ofen, mit glühenden Kohlen vollgepfropft, her vorleuchiete. Um dieses heiße Centrum herum saß ein halbes Dutzend Män ner, aus deren Thonpfeisen mächtige Wollen emporwirbelten und die sich mit lauter Stimme unterhielten. Jke Poole, der Gastwirth, ein Mann mit kurzen Beinen, dickem Bauch und einem Gesicht, das infolge langer, inti mer Bekanntschaft mit seinem eigenen Rum wie ein Leuchtfeuer erglühte, saß dem Ofen zunächst und schien zuweilen geneigt, ihn zu umarmen. Ein ande rer Mann in einer erbsengtiinen Jacke hatte sieh auf den Schänktisch gesetzt und ließ seine in riesigen Seemanns stiefeln steckenden Beine beständig hin und her schwingen, wobei sie wieder holt mit des Wirthes breitem Rücken in Berührung kamen. »Paß doch aus, Caleb Brown,« sagte der Gastwirth laut, indem er sieh nach seinem Peiniger umwandte, »und sei so gut und halte Deine Beine etwas ruhig; ich habe keine Lust, mir von Dir auf dem Rücken herumtrommeln zu lassen.« Robert verstand jedes Wort. Der alte Seebiir starrte Jke mit großen Augen an und sagte kurz: »Ich will ein Glas Rum.« »Bezahlt erst, trag Ihr schon ge trunken habt!« ließ sich eine scharfe Stimme auf der anderen Seite des rothglühenden Ofens vernehmen. »Ich will,« wiederholte Brown mit Nachdrucl, »Nam, der nicht mit Vi triol, Terpentin oder anderem Teufels zeug gemischt ist; ich werde ihn aber wohl schwerlich bei Euch finden.« »Wenn Mercy hereinläme und Dich mit Deinen schmutziaen Jackenschößen aus dem Schänltische hier sitzen sähe, IT würde es lebhaft hergehen,« sagte « te· Calebs Stiefel schlugen aufs Neue auf den Rücken des Wirthes, wie der Hammer auf den Amboß. ,,Glaubst Du, ich fürchte mich vor der Here mit der langen Zunge?« rief er höhnisch; »mit einer solchen Creatur würde ich bald fertig. Wenn sie mir gehörte, so ließe ich sie Krebse fangen oder am Strande von Blackport nach Capitän Kidds verscharrtem Schatze graben.« Jte, der ein sriedliebender Mann war. rückte sei en Stuhl weg, um Ca tevg Beinen treten Spielraum zu ge währen, und antwortete: ,,Meinst Du? Als Junggeselle ver stehst Du Dich nicht auf die Weiber.« Broton lachte hell auf. »Du stehst unter dem Pantoffel, Mann!« sagte er; ,,lomm, willst Du mir den Rum geben oder nicht?« »Du hast schon mehr als genug,« er widerte der Wirth mit großer Ruhe; »Du thätest besser daran, so lange Deine schlotterigen Beine Dich noch tragen, nach Hause zu gehen.« Mit einem Fluche ergriff Brown ein Glas und schleuderte es mitten unter die Raucher. »Fort mit Euch, Jhr Landratten!« brüllte er, indem er dem Glas eine Flasche und dann einen Krug nach sandte. Kurzum, Caleb Vrown ,,machte reine Arbeit« mit den aus dem Scheint tische stehenden Gegenständen, zur Be stiirzung des Wirthes und der Gäste, von denen nicht Einer geneigt schien, ihm in den Arm zu fallen. Plötzlich flog die Thiir auf, und ein junges Mädchen erschien in der Mitte der Tabakswolle. Es verlor kein Wort, sondern ergriff Caleb am Kra gen seiner Jacke und riß ihn vom Schänktische herunter. Umsonst war sein Widerstand, mit Merch Poole ver mochte er sich nicht zu messen. Es zog ihn über den Boden in den Hausflur hinaus, öffnete die Hausthiir und· schleudetie ihn mit gewaltigem Stoße aus die Straße. ,,Gute Nacht, Mr. Brown!« rief es ihm spöttisch nach-; ,,graben Sie nun selbst nach Capitän Kidds Schatz am Strande von Blackport!« Der Mann war vor Roberts Füße niedergesallen; lachend half ihm dieser wieder aus die Beine. ,,Halloh, Caleb!« sagte er, ,,Merct) hat eine kräftige Hand; das war ein hübsches Stückchen von der Hexe mit der langen Zunge, nicht wahr?« Caleb sah sich verblüfft um und sagte: »Der Teufel hole sie!« Mit die sem frommen Wunsche setzte er sich in Bewegung und wankte die Straße hin ab. Robert trat nun in den Gasthof. »Halt!« rief er dem Mädchen zu, das eben im Begriffe war, die Thür; zu schließen; ,,sperre mich nicht aus« Mercy!« ; Beim Klange dieser wohlbekannten Stimme wankte Mercy einen Schritt zurück und wurde bleich wie der Tod. »Robert!·« teuchte sie. »Du bist eZ?-« ,,« a,« antwortete er mit erzwunge ner Heiterkeit: »ich bin’s, Dein alter Freund und Schatz — nach langer Zeit wieder einmal in Blaclport!« Das Mädchen öffnete eine Thiir auf der anderen Seite des Hausganges; die Hand, die Caleb überwältigt hatte, zitterte jetzt wie Sgpenlauh »Hierher,« sagte sie in bewegtem Tone. »Mein Vater sitzt mit seinen Kameraden im Schänkzimrner. Wie Du mich erschreckt hast; ich dachte nicht, das; ich Dich je wiedersehen würde.« Sie begaben sich in ein leeres Wohn ziininer, in dem ein helles Feuer brannte. Robert trat zu dem Mäd chen: »Willst Du mir nicht Deine Hand zum Willkommen geben, Mercy? So» bist Du also noch hier? Jch fürchtete,» daß ich Dich nicht mehr hier treffen würde; ich glaubte, daß irgend ein glücklicher Bursche das schönste Mäd chen von Blackport schon vor Monaten heimgeführt hätte.« Mercy war sehr groß; wenn sie mit hoch aufgerichtetem Kopfe dastand, machte sie einen imponirenden Ein druck; sie hatte ein schönes Gesicht mit regelmäßigen Zügen, sonnverbrannten Wangen und vollen, rothen Lippen. Starke Flechten von rabenschwarzem Haar wanden sich um ihren schön ge sormten Kopf, und ein Paar schwarze, feurige Augen blickten fest· und unver wandt in Roberts blaue. Sie wollte seine Hand nicht berühren und verbarg die ihrige auf dem Rücken. ,,Merlwiirdig! Grade heute weilten meine Gedanken bei Dir!« sagte sie. ,,Wirklich? Nun, es freut mich, daß sich Jemand die Mühe gibt, an mich zu denken,« antwortete er; »waren es Gedanlen angenehmer Art?« Wohn- oinusnp mnf tin Ist-ist« »vi wortete Mercy. »Bitte, führe mir heute Abend keine Tragödie auf,« bat Robert und warf sich erschöpft in einen Armstuhl; nach einer kleinen Weile fuhr er fort: »Ich bin todtmiide; ich habe seit heute Früh nichts gegessen; gestatte, daß ich mir ein Abendbrot bestelle.« Mercy warf ihm einen wüthenden Blick zu; ohne ein Wort zu erwidern, ging sie aus dem Zimmer, um sich nach der Küche zu begeben, und überließ Robert seinen Betrachtungen. Die Gedanken, denen der junge Mann sich hingab, waren nichts weni ger als angenehmer Art. Mehr als achtzehn Monate waren verflossen, seit er zuletzt hier gesessen und Mercy seine Liebe erklärt hatte. Er sah, daß sich in dem alten Zimmer nichts verändert hatte; Veränderungen gehörten über haupt in Blackport zu den seltensten Dingen. Da waren noch immer die Rohrstiihle mit den hohen, steifen Leh nen, der schneeweiße Fußboden, das mit Messing beschlagene Bufset — ganz wie er es gesehen hatte, als er nach Jke Pooles hochgewachsener, schwarziiugiger Tochter schniachtete. Selbst das getrockncte Gras in den Porzellanvasen schien noch dasselbe zu sein, dass Mercn eines Tckgejs in der er sten Zeit ihres kurzen Liels.:straumes auf einer Wanderung mit ihm durch W vie braunen Mal-schen getammelt hatte. Wie anders stand es heute mit ihm, nach dem Schiffbruch, den er in set nem kurzen Eheleben erlitten! Da mals hing ihm der Himmel noch voll Geigen; jetzt war er ein um alle seine Hoffnungen betrogener Mann. s Das Eintreten Merchs riß ihn aus seinem Hinbrüten Sie brachte» ein Tablett, auf dem mehrere Schüsseln mit einladend duftenden Gerichten dampften. Schweigend servirte sie das bestellte Abendbrot und schickte sich dann an, das Zimmer wieder zu ver lassen. Robert hielt sie zurück. »Ich habe Dir etwas zu sagen, Mercy,« begann er; »willst Du nicht einen Augenblick bleiben?« » »So fprich-!« sagte sie trocken und blieb stehen. Der Tisch trennte sie von dem Man ne, den sie haßte und zugleich liebte. Robert fiel mit Heißhunger über sein Abendbrot her. »Vor Allem,« sagte er, während et einen Bissen verschluckte, ,,ist mein Ba ter zu Greylock Woods?« »Ja« »Und Tante Pamela?« »Sie ist auch dort.« »Wann hast Du meinen Vater su letzt gesehen?« ,,Gestern.« ,,Wie sieht er aus?« »So grau und streng wie immer.« »Kannst Du nicht ein wenig mit theilsamer sein? Jch kam heute Abend nach Blackport, um meinen Vater zu besuchen; kannst Du mir nicht sagen, ob Qeit nnd Trennung fein her-z etwas N . versöhnlicher gegen seinen Sohn ge stimmt haben?« Mercy heftete ihre dunklen Augen auf den Boden; ihr ganzes Wesen be lundete Trotz und Unzugänglichteit. »Ich weiß es nicht-« sagte sie ftvstkg7 ,,er war mehrere Monate lang abwe send und lehrte erst vor drei Tagen sue rück. Du kennst seine Natur und ver magst demnach am besten zu beurthei len, ob Zeit undTrennung, oder irgend etwas Anders auf, über oder untet der Erde im Stande ist, ihn milder zn stimmen.« Robert blickte wehmüthig in das» Feuer. »Ich gebe zu, daß meine Aussichten nicht ermuthigend sind,« sagte er; ,,mein Vater ist ein Mann von eiser nem, unbeugsamem Charakter; meine Heirath traf ihn in’s Herz.« Mercys braune Hände machten sich auf dem Tische zu schaffen; ein un heimliche-s Feuer leuchtete aus ihren schwarzen Augen. Wie sie so dastand, bot sie einen schönen, obgleich drohen-. den Anblick »Ja, leider,« antwortete sie; ,,er hält » sie für eine große Schande; er hätte nicht wüthender sein können, wenn Du; mich geheirathet hättest.« Robert fühlte sich getroffen, er ant wortete aber nicht. ; Mercy ließ ihm einige Augenblicke Zeit, sich seinem Abendbrote zu wid men, dann fuhr sie mit unterdrückte-: Leidenschaft fort: »Ich hoffe, Du hast so viel Glück in Deiner Ehe gefunden, um Dich für den Verlust Deines Vaters und all’ seines Geldes zu entschädigen.« »Die Ehe, meine Liebe,« antwortete er, »ist eine Lotterie, in der jeder Ehe mann das große Loos gezogen zu ha ben wähnt — eine kurze Zeit lang we nigstens. Der Zwiespalt mit meinem Vater ist mir um so empfindlicher, als ich gegenwärtig in finanzieller Verle genheit bin; gebe der Himmel, daß et sich ebenso sehr nach einer Versöhnung sehnen möge, wie ich.« Mercy kämpfte einige Augenblicke gewaltig mit sich selbst, ehe sie der Sprache wieder mächtig wurde. End lich sagte sie: »Du hast, wie ich höre, ein Mule »Ja — ein Töchterchen.« »Warum brachtest Du es nicht mits« fragte sie weiter. ,,Sein Anblick hätte Deinen Vater vielleicht erweicht.« ,,Kaum; denn wenn mein Gedächt niß mich nicht trügt, hatte mein Vater stets eine besondere Abneigung gegen ueine seinoer. »Gleicht sie — gleicht sie —- Dir — Deine Kleine?« brachte Mercy mit Mühe hervor, während ihr Gesicht eine eigenthümliche Blässe annahm. Robert zuckte die Achseln und erwi derie: »Ich weiß wirklich selbst nicht —- ich achtete nicht darauf.« « »Ist Dir Dein Kind gleichgiltigf Oder hängst Du so sehr an der Mut ter, daß das Kind von keiner Bedeu tung für Dich ist? Es muß wohl so sein; die Liebe zu Deinem Weibe ist sicher noch so glühend, wie vor achtzehn Monaten.« ,,Gewiß,« antwortete der junge Mann mit einer Bitterkeit, deren Be deutung Mercy entging. Entsetzung folgt.) — Jn der Frauenvers s a m m l u n g. Rednerin: »Ja, ich frage noch einmal, wo wären die Män ner, wenn das Weib nicht auf der Welt wäre?« Männerstimme: »Wahr scheinlich noch im Paradies.« —- Ertlärte Sympathie. »Denke Dir nur, Ellh hat sich mit einem Matrosen verlobt!« »Mutter-so war ja immer ihr Schwarm.« —- Kasernenhofbliithr. — ,,Ketls! Jhr müßt Vordermann neh men. Das Bataillon läuft da so zer streut in der Welt herum wie’n Pro sit-du«