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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Dec. 18, 1896)
Sie Schrift deg Todten. mit-at - Geschichte em- dem deutsch-französischen Kriege. Von Jul. Mag. (Fortsehung.) —- »Gewiß, Herr Georg.« erwiderte sie, s «- «es soll nicht lange dauern.« «- — Es war ein schöner, sonniger Tag, , ureb als die beiden Schwestern über den sz J hos gingen, um sich in den Garten zu begeben. saßen dort mehrere von den , Soldaten im Freien, damit beschäftigt, s sihre Gewehre zu putzen oder Sachen auszubesserm Auch Franz Schöller » befand sich unter ihnen und folgte Lu ? »,zie mit den Augen, so lange er sie sehen konnte. Als Klaudine und Luzie von Nie Its xnand mehr gehört werden konnten, fra te die Erstere: »Du hast mir etwas Je zu fagenW H »Ich muß Dich vor einer Gefahr if warnen, Du darfst nicht mehr so oft lft senach der Fabrik kommen, so schmerzlich zi« ich Dich auch entbehren werde.« »Aber weshalb denn nicht?« »Hast Du noch nie bemerkt, wie Georg Dich anschaut, wie betrübt er mit-sieht, wenn Du fortgehst, und wie ; «-.-Gesicht bei Deinem Wiederkommen sstrahlti Er ist seit einiger Zeit ein ganz anderer Mensch geworden,1:r.d der Beginn dieser Wandlung fällt ge nau mit Deinem ersten Besuche m der Fabrik zusammen.« » Klaudine war über und über roth geworden. Sie fragte verlegen: »Du meinst also —« »Ich bin ganz fest davon überzeugt, T - daß er Dich liebe-« z »Der Arme! Er ist so trank nnd L ed schwach, daß er Einem unwillkürlich leid thun muß. Dabei ist er offenbar s gutherzig und weichmüthig und hat zweifellos mit dem Verbrechen sei-sie s Bruders nichts zu thun gehabt. « »Nein, der Meinung bin ich auch. Aber eben weil ich Mitleid mit ihm habe, mußt Du Deine Besuche seltener ; s werden lassen und dann schließlich , ganz einstellen.« I se »t» E di » ? i i « J Cz »Ja, ja —-- wenn Du meinst," ant wortete Klaudine mit einem leichten Seufzer. An den folgenden Tagen blieb sie aus, worüber Georg sich sichtlich bean t tuhigte, trotzdem ihm Luzie sagte, daß Schwester fernhalte. Dann sah er sie wieder, aber nur in langen Zwischen räumen, worüber er sich bitter beklagte. Er fiel wieder in seinen früheren lei ,denden Zustand zurück und mußte sich endlich in’s Bett legen. »Es geht ihm schlecht,« sagte feine Mutter zu Luzie. »Er fiebert stark und ruft immer den Namen Jhrer Schwester.« Luzie ließ daraus Klaudine sagen, sie moge sofort kommen, Und diese er schien auch alsbald »Komm nur immerhin jeden Tag wieder,« meinte Luzie, »e: erträgt Dein Fernbleiben nicht mehr, und er hat ja keine Schuld auf seinem Gewis · sen, also wollen wir ihn schonen.« Wirklich fühlte sich Georg fchon am nächsten Tage erheblich wohler, so daß er wieder aufstehen konnte und zwischen den Schwestern im Wohnzimmer sitzen konnte. Mit einer wahren Wonne hörte er zu und lächelte, wenn Klaudine sprach, aber auch diese vermochte einer so rührenden Liebe gegenüber nicht theilnahmlos zu bleiben· Das Mit leid, das sie für diesen bedauernäwsp then Kranken empfand, wandelte sich mehr und mehr in ein wärmereg Ge fühl, so daß Luzie sie warnte: »Nimm Dich in Acht, Schwester, nimm Dich in i nur ein ganz leichtes uuwohncin die , , Achts« Klaudine jedoch entgegnete da ; « J ( ran sehr ernst: »Du bist in dieses-Haus gekommen, um Johann von Monmo heur zu verderben und seinem verdien ten Loose zu überliefern. Vielleicht hat · immst, kann ich ihr vielleicht den an einen Bruder zu retten. Wenn Du dieser alten Mutter einen ihrer Söhne nimmst, lann ich ihr vielleicht den an deren zurückgean Luzie zog die Schwester in ihre Arme, indem sie leise fragte: »Du liebst ihn-also bereits-W »Wenn ich sehe, wie er so beglückt wird durch mein Kommnen, und wenn seine Augen mich so dankbar an schauen, dann muß ich ihn gern haben.« Ihre Schwester erhob keinen Ein wansd mehr unid da sie alles darauf bin priifte, wie es sich mit ihrem Racheplan vertriige, so dachte sie bei sich: »Wer weiß, wozu mir »diese Liebe noch dienen iann.« ——-——————--— Wenn Georg mit Luzie allein war, dann hatte ed .hr schon wiederholt den Eindruck gemacht, als ob er ihr etwas anvertrauen wolle, mit dem er schlies — lich doch nicht herauszuriiclens wagte. Er sah sie dann jedesmal an, als oh ihr eine Gefahr drohe, welche sie nicht ahne und vor der er sie warnen müsse. Als sie eines Abends allein vor dem Kaminfeuer saßen, begann er schüch tern: »Ich möchte Sie gern um etwas fragen, Fräulein Luzie.« s »So sprechen Sie doch nur, Herr ? Georg,« antwortete sie nicht ohne Neu gierde und Spannung, denn« dieStim »me des Kranken zitterte mehr als ge wöhnlich. · » »Bersprechen Sie mir, daß Sie nicht böse sein wollen«-« « »Gewiß, denn ich bin überzeugt, daß TSie mir nichts sagen werden, was ich ;n-icht hören darf.« » Er senkte den Kon und überlegte et was, dann meinte er: ,,Wollen Sie mir nicht sagen, weshalb Sie das Doriat zsche Haus verlassen haben, in dem Sie Hdoch ausgewachsen sind und wie ein rechtes Kind derFamilie gehalten wur sden?« »Frau Doriat hat mich aus iern fHause gewiesen." s «,,Weshalb?« ; »Weil sie erfahren hat, daß ich öfter smit Ihrem Bruder zusammentam.« »Hassen die Leute meinen Bruders denn so?« ; I »Das wohl nicht, aber sie liebenWal- ? ster Bourreille, mit dem ich vorher ver-; ; sprachen gewesen war.« - « ,,Steht der junge Mann denn auch rjetzt noch so gut mit ihnen?« « « »Gewiß, denn Walter ist überzeugt« daß Doriat unschuldig is.« « »Sie lieben also meinen Bruder, Luzie?« I ,,Könn·en Sie daran zweistan gab ; sie zurück, eine direkte Beantwortung Evermeidend »Wollen Sie mir erlauben, Jhnen s einen Rath zu geben?« » I »Ich werde wohl beachten, was Sie z sagen, Herr Georg.« »Vielleicht haben Sie ihr Herz doch l noch nicht genau genug geprüft. Wenn « Sie Jhrem Gefühle für meinen Bruder Inoch Einhalt gebieten können, Luzie, I dann thunSie es, denn ich glaube nim 1mkkmehy daß Sie mit ihm glücklich werden.« s »Meinen Sie, daß er mich nicht aern EVEN-! « s uns- .« -- No »U, IDUD DUO clllsclclssl, cc UcUl VII sogar mit Leidenschaft, die ich ihm nie mals zugetraut hätte. Aber hören Sie mich weiter an, Luzie, und erstaunen Sie nicht darüber, daß ich so spreche, denn jedes meiner Worte ist ein Aus slusz meiner aufrichtigen Hochachtung vor Ihnen und meiner innigen Liebe zu Jhrer Schwester. Nein, Johann kann Sie nicht glücklich machen. Sein Empfinden ist roh, er ist selbstsiichtig und wird Sie nach kurzer Zeit vernach lässigen. Seitdem Sie hier bei Uns sind, müssen Sie seinen Charakter doch schon etwas näher kennengelernt haben, der so verschieden von dem Ihrigen ist. Bald scheint er ausgelassen lustig, bald ist er diister und nieder-geschlagen Er liebt weder seineMutter noch mich, und auch seine Liebe zu Ihnen wird nicht von Dauer sein, wenn einmal die Lei denschaft verraucht ist, denn im Grunde liebt er nur sich selber. Jch beschwöre Sie, Luzie, verschließen Sie ihr Herz gegen ihn, lassen Sie ab von ihm!« ,,Dazu ist es zu spät.« . »Weshalb?-» Es ist ja gar nicht mög lich, dast·Sie" ihn wirklich lieben! WollenSie sich denn durchaus unglück lich machen?«j « « »Was befürchten Sie denn aber ei gentlich siir mich?" forschte sie weiter, .um hinter die verborgenen Gedanken Georg’s zu kommen, die dieser sich aus zusprechen scheute-. »Und weshalb sc gen Sie dasselbe nicht Jhrem Bruder?« »Das habe-Miit gethan. Jch habe ihm gesagt:" "« Es ist ein Unrecht, daß Du dies jungeMädchen der Umgebung, in der sie ausgewachsen ist,entziehst nnd hierher bringst. Deine Liebe wird ihr nur Ungliick bringen« »Und was hat er daraus mindert-« »Er hat mir ertläri, daß sein Fuß mich zertreten würde, wenn ich ihm ie mals hindernd in den Weg zu treten wage. Und er ist der Mann dazu, Wort zu halten. Was vermag ich kran ker, schwach-er Mensch gegen ihn? Ach, Sie kennen meinen Bruder eben nichi!« »O ja,« dachte Luzie bei sich, ,,er ist derjenige, der Bourreille ermordet hat!« Mit Thriinen in den Augen fuhr Georg dann fort: ,,Glauben Sie mir. Luzie, es könnte Sie gar kein schlim meres Unheil treffen, als wenn Sie meinen Bruder heiratheten. Achten Sie aus die Worte eines Mannes, der dem Grabe schon zu nahe steht, um zu lügen, und fliehen Sie von hier, so lange es noch Zeit ist. Es ruht ein Fluch aus unserem Hause. aus unserer Familie. Es wird eines Tages ein Blitz aus uns niederzueken, der aber nicht Sie, die Unschuldi ,mittressen soll. Darum fliehen S e un3.« Einschiittelfrostergristeotg, set-ne 1 - A« Zähne schlugen fiebernd gegeneinander unid vergebens suchte er seine Hände an dem im Karnini lodernden Feuer zu erwärmen. Sie hatte ihn ruhig aus sprechen lassen und dachte nun: »Er ist kein Mitschukdsiger seines Bruders, aber er kennt dessen Verbrechen,« und dann fragte sie leise: »Hat denn Jhr Bru der irgensd etwas begangen, was ihn meiner unwiirdig macht und was eines Tages an's Licht kommen kön-nte?« »Nein, nein-habe ich das gesagt?« entgegnete er, ganz entseszt zusammen fahrend, indem er wie von Sinnen mit den Händen an die Stirn fuhr, als könnte er seine Gedanken nicht mehr recht zusammenhalten. Dann zwang er sich zu einem krampfhaften Lachen und sagte: »Achten Sie nur nicht auf das, Luzie, was ich Jhnen mitunter vorschwätze. Es sind das Phantasien eines Kranken, der Alles durch eine schwarze Brille sieht.« »Weshalb sagten Sie denn aber, daß auf Jhrem Hause ein Fluch ru.he?« »Das sind ja eben die Fieberphanta sien. Weshalb sollte das denn der Fall sein? Wer kann einem Mont mayeur irgend etwas nachsagen? Wir find arm, aber das ist keine Schande. Wer darf also behaupten, daß ein Fluch auf uns ruht?« , Er schloß die Augen und sank halb ohnmächtig in seinen Sessel zurück. Jn diesem Augenblick trat sein Bruden in das Zimmer und sahLuzie mißtrauisch an. Er schien draußen die erregte Stimme seines Bruders vernommen zu haben und sehr besorgt zu sein wegen der Eröffnungen, die dieser ihr möglicherweise gemacht hatte. Allein« er fühlte sich sofort beruhigt, als Luzie ihm lächelnd die Hand bot und leise zu ihm sagte: »Ihr Bruder war etwas aufgeregt, aber jetzt scheint er zu schla fen, das wird ihm wohl thun.« »Was hat er denn?« »Ach. er sprach vom Kriege und jammerte über unsere Niederlagen.« »Ich glaubte das Wort ,,Jluch« zu k-«L—-«- « LJULIJL »Ja, er verfluchte seine Krankheitl und Schwäche, die es ihm unmöglich mache, das Vaterland vertheidigen zu helfen. Der arme Mensch!« Damit nahm sie sanftGeorg’s auf beiden Sei ten schlaff herunterhängende Händeund legte sie auf seine Kniee; in derselben zarten und vorsichtigen Weise stützte sie seinen Kopf durch die Seitenlehne dess Sessels. Sie legte hierauf frisches Holz i auf das Kaminfeuer, meinte aber, auf: Georg deutend: Jn seinem Bette wäre er am besten versorgt·« »Gehen Sie nur schlafen, Luzie,« entgegnete Johann. »Sobald er sich etwas erholt hat, werde ich ihn auf sein Zimmer bringen-« »Dann bin ich beruhigt, will aber zuvor auch noch einmal nach Jhrer Mutter sehen.» Jch vermuthe nämlich, daß sie hin und wieder noch das Haus verläßt, wenn wir sie schon im Bette glauben. Vor einiger Zeit —- ich weiß nicht mehr-genau, wann es war — fand ich am Morgen ihre Kleider be schmutzt und ihre Schuhe mit Erde bedeckt. Es klebten sogar einige dürre Blätter an den Sohlen. Sie war denn auch sehr schwach und stand erst gegen Mittag auf.« »Ja, ja, mitunter ist ihr Geist offen bar völlig gestört. Eine um so größere Beruhigung ist es für Gevrg und mich, daß Sie sich jetzt so liebevoll ihrer an nehmen. Wie dankbar müssen wir Jhnen fein, daf; Sie meiner Bitte ge folgt und zu uns gekommen sind! O Luzie, mein geliebtes Mädchen --——« Er machte Miene, auf sie zu zugehen und Sie zu umarmen. Sie aber hatte das kommen sehen, entschlüpfte ihm gewandt und war im nächsten Augen blick verschwunden. Er blickte ihr mit gerunzelter Stirn nach und murmelte: »Manchmal möchte ich darauf schwö ren, daß sie mich gar nicht liebt!« Das erschien ihm dann aber doch wieder ihrem ganzen Verhalten nach so undentbar, daß er sich selbst einen thö richten Schwarzseher schalt. Am folgenden Tage erfuhr Filaudine den Jnshalt der zwischen ihrer Schwe ster und Georg stattgefundenen Unter redung. Sie benutzte einen Augenblick des Alleinseing mit Letzterem und fragte: ,,Weshalb wollen Sie denn nicht, daß meine Schwester Ihren Bruder heirathet? Weshalb suchen Sie Luzie von ihrer Liebe zu ihm abzubringen?« Er zitterte. Wenn et auch Luzienö Drängen gegenüber standhaft geblieben war-, so fühlte er sich doch vor Klaudine machtlos. Wie gern hätte er ihr sein ganzes Herz ausgeschüttet und nur die Furcht vor s einem gewaltthätigen Bru der hielt ihn davon- ab. So versetzte er denn ausweichensd: ,,Jhre Charakiete passen durchaus nicht zu einander.« » si das der einzige Grundi« » awohl,« erwiderte er, indem er ihrem Blick zu begegnen vermied »und der gmiigt doch.« »Und Sie sind überzeugt, daß sie in c A der Ehe mit Ihrem Bruder nicht gliick lich werden kann?" Er schwieg, denn er fürchtete, zu viel zu sagen. Er ahnte, daß Klaudine schon irgend einen Argwohn hege. ,,Lassen Sie mich,« murmelte er. »Sie schicken mich fort?« »O nein, ich lebe ja nur, wenn Sie in meiner Nähe sind. Aber fragen Sie mich nicht weiter, suchen Sie nur Jhre Schwester von dieser-Heirath abzubrin gen, wenn Sie sie lieb haben. Und plötzlich erhob er sich, streckte die Arme empor unsd rief wie verzweifelnsd: »Ein Fluch ruht aus dem Hause und seinen Bewohnern!« Dann sank er wieder auf den Sessel zurück unsd weinte. Klaudine trat ganz dicht an ihn heran, nahm eine seiner Hände zwischen die ihren und streichelte sie zärtlich ,,Fiihlen Sie sich so unglücklich?« »Ach ja- ich habe sogar schon meh als einmal daran gedacht, meinem Da sein ein Ende zu machen.« »Wenn Sie geheimen Kummer ha ben, weshalb vertrauen Sie ihii mir nicht anim »Ich habe keine Geheimnisse.« »Was wollten Sie dann damit sa gen, daß ein Fluch aus diesem Hause und seinen Bewohnern ruhe?« Aber er ließ sich jetzt tein Wort mehr entlocken, und sie drang auch nicht wei ter in ihn. Nachher flüsterte sie ihrer Schwester zu: »Ich bin ebenfalls Deiner Ansicht. Georg weiß um das Verbrechen seines Bruders, aber die Angst vor diesem schließt ihm den Mund.«. . .. Als Luzie im Laufe des Nachmit tags etwas aus ihrem Zimmer geholt hatt-e und wieder in das Erdgeschoß hinuntersteigen wollte, kam sie an Jo hanns Arbeitszimmer vorüber, dessen Thiir halb offen stand. Sie blieb da vor stehen und sah sich den Theil des Zimmers an, den sie durch die Oeff nung überblicken konnte. Jn diesem Raume war ja der Mord Bourreille’s geplant und vorbereitet worden. Von hier hatte sich der Thäter auf den Weg gemacht, hierher war er nach vollbrach tem Verbrechen zurückgekehrt Ach, wenn diese Mauern sprechen könnten, um ihn anzuklagen, um ihn zu verder ben! Schon wollt-e sie sich nach der Treppe zuwenden, als sie plötzlich aus dem Jnnern des Zimmers ihren Namen zu hören glaubte. Nein, es war keine Täuschung, noch einmal hörte sie mit dumpfer Stimme ,,Luzie« rufen. Sie trat behutsam näher, steckte den Kopf vorsichtig durch die Thürösfnung und sah nun Johann b. Montmaheur am Tische sitzen, wo er eingeschlafen war. Osfenbar hatte er im Traume ihren Namen gerufen. Schon seit einiger Zeit konnte der Chemiker Nachts überhaupt nicht mehr schlafen, da die Dunkelheit ihn in lranihafte Aufregung versetzte. Des wegen kam es öfters vor, daß ihn die Erschöpfung im Laufe des Tages übermannte, so daß er einschlief, wo er sich gerade befand. So war es ihm auch jetzt ergangen, noch bevor er sich hatte aufraffen können, um vorher die offen stehende Thür zu schließen. Unsd doch war es gefährlich für ihn, bei ossener Thür zu schlafen, denn auch am Tage suchten ihn die Triaumgesichte heim, die ihn vorher während der Nacht quälten. Zuerst freilich war ihm Luziens Bild erschienen, und er hatt-e mehrmals hintereinander ihren Namen gerufen. Dann aber sah er, wie man Doriat zum Tode führte. Die Guil lotine wartete auf das Opfer; er ge wahrte sich selbst unter den Zuschauern und ließ den schrecklichen Justizmord geschehen, ohne den Unschuldigen zu Fretteir Als der Kopf in den mit Kleie gefüllten Korb rollte, machte er »ein-e Bewegung der Genugthuung und » sagte ganz laut, so daß Luzie es hören Ykonntet »Nun ist’s geschehen, und ich ’ kann wieder ruhig sein!« Dann führte ihn der Traum die bei den blutigen Leichen vor Augen, und er rief höhnend: »Fort mit euch! Jch fürchte mich nicht vor euch, ihr seid ja alle Beide todt!« Hieran schien er eine Weile ruhiger zu schlafen, doch schon störten ihn neue Traumgesichte. Plöhlich fuhr er empor, wurde durch die heftige Be wegung wach und sah nun zu seiner Ueberraschung Luzie ganz dicht sit-or sich stehen. Eine kurze Weile starrte er sie mit weit aufgerissenen Augen an, in dem er noch zu träumen wähnte; gleich darauf aber gewann er die volle Besinnung wieder und fragte sich voll Entsetzen, ob er nicht etwa im Schlafe geredet und sich verrathen habe. sZu sprechen vermochte er noch nicht, des wegen stanld er schweigend auf, aber sie lächelte, und das gab ihn wieder Muth. »Wir-, Sie sind hier, Luzie?« stam melte er endlich. Sie nickte bejahmd und noch immer lächelnd Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und murmelte: »Es ist selt sam, ich bin- beirn Lesen eingeschlan I— was mir sonst nie begegnet. Seit eini ger Zeit habe ichkeineordentliche Nacht ruhe mehr, ich weiß nicht weshalb, und wer-de von quälen-den Träumen ge stort « Trotz seiner Klugheit gab er seinen geheimen Befürchtungen Aus druck, indem er zaghaft fragte: »Habe ich vielleicht im Schlafe geredet?« ,,Jawohl, « antwortete Luzie »ich kam zufällig an der offenen Thür vor bei, hörte meinen Namen rufen und fand Sie dann hier schlafend.« Er suchte sich durch eine Galanterie zu retten, indem er sagte: »Ich denke eben immer an Sie und bin auch im Traume bei Ihnen. — Und war das Alles?« »Nein.« »Was sagte ich denn noch weiter?« »Ich konnte nichts mehr deutlich ver stehen, aber es schienen furchtbare Bil der zu fein, die Sie heimfuchten. Wenn ich nicht irre, sprachen Sie vom Tode unsd Aehnlichem.« »Ach, ja,« versetzte Montmayeur heuchlerisch, ,,seit dem Beginn der Be lagerung geht so viel Entsetzliches um uns herum vor, daß es tein Wunder ist, wenn dies-e peinliche Eindrücke auch noch während des Schlafes unsere Phantasie beeinflussen.« Als er wieder allein war, ballte er wüthend die Fäuste und murmelte: »Ich Thor hielt mich für stärker als andere Menschen, ich hätte es für ganz unmöglich gehalten, daß jemals eine Erinnerung an die mit voller Kalt blijtigkeit ausgeführte That meinen Schlummer stören könnte. Und nun dringen die tollen Gespenster von allen Seiten aus mich ein. Wenn ich wach bin, spotte ich ihrer, aber man kann nicht immer wachen, unsd sobald ich eingeschlafen bin, werde ich ihr Spiel ball, ihr Sklave! Es ist zum Verriiekt werden!« Er bereitete sich jetztOpiumlösungen, die ihn des Abends gleich, sobald er sich niedergelegt hatte, in ein-en tiefen Schlaf bersenkten. Nach dem Erwachen war ihm der Kopf schwer und dumpf, und er wußte nicht, ob er geträumt hatte. - Seitdem er von Luzie überrascht worden war, gebrach-te er aber die Vor sicht, selbst bei hellem Tage sein Ar beitszimmer stets hinter sich abzu schließen. Dann konnte er wenigstens nicht belauscht werden, wenn er im TSchlafe seine GeheiZmnisse preisgab So sehr der Qberkommandirende in Paris, General Trochu, sich anstrengte, durch immerwährendes Schießen aus den Forts und durch wiederholte Aus fälle den Belagerungsgiirtel zu durch brechen, so scheiterten doch alle der artigen Bersuche an der Wachfamkeit nnd zähen Ausdauer der deutschen Truppen. Besonders in Mitleidenschaft gezo gen wurde die Garnison ivon Garches bei dem Ausfall gegen Clamart am 13. Oktober, während dessen die Granaten des Mont Valerien das schöne, alte und geschichtlich denkwijrdige Schloß Samt-Mond in Brand schossen, wie später —-- im Januar 1871 ——— den größten Theil des gleichnamigen Städtchens nssk - ,,«»-« «.I·-«LI!-k.« nic...---I UID IIUUJ Tuch Ucuyllusycll UsukllllI rung die Soldaten wieder einmal aus Garches abgeriickt waren, benützte Georg v. Montmayeur die Gelegenheit, einen angefangenen Brief Franz Schöller’s, den dieser offen auf feinem Schreibtische liegen gelassen, zu lesen. Aber nicht Angaben über die kriegeri schen Absichten der Deutschen siir dii nächste Zeit waren in dem Brief ent halten, wohl eine Mittheilung die den unberusenen Leser im höchsten Grads betroffen machte Schöller schrieb näm lich an die Schwester, welche durch s eint Briese gewissermaßen, ein fortlaufen des Tagebuch über alle seine Erlebniss· bekam: »Ich ha abe Orr schon mehrfach vor Fräulein Luzie, jenem schönen Mäd chen, das jetzt bei uns auf der Fabril wohnt erzählt. Sie wird häufig vor ihrer Schwester besucht, die ihr sehr ähnlich sieht, jedoch nicht so hübsch ist Gestern Nachmittag stand ich im Gar ten hinter ein-er dichten Taxuåhecke, als die beiden Schwestern aus der anderer Seite vorbeigingen, ohne meine An wesenheit dort zu ahnen. Da sagt· Fräulein Luzie zu ihrer Schwester mit gedämpfter Stimme und doch mir ganz deutlich vernehmbar: »Der Elende wir-I schon jetzt von Gewissenbissen gequält Er soll auch der vollen Vergeltung nicht entgehen!« Wen und was mag sie wohl mit dieser befremdlicher Aeußserunsg gemeint haben? Jch mus immer wieder darüber nachdenken« Georg v. Montmaheur erblaßte, als er diese Zeilen überflog. Er nahm das Blatt und ging damit zu seinem Bru der. »Hier, lies einmal,« sagte er, aus die betreffende Stelle deutend »Du verstehst ja genug Deutsch, so daß· ick es Dir nicht zu übersetzen brauche Lies und sage mir, was Du darüber denkst. « Johann kam seiner Aufforderung nach und wurde ebenfalls bleich, meinte dann aber doch: »Wenn der Soldat überhaupt recht gehört hat, so glaube ich doch nicht, daß Luziens Worte sich aus mich bezogen haben. Du siehst wieder einmal Gespenster!« Als sein Bruder gegangen war, um den Brief wieder fortzutragen, tauch ten aber doch auiilende Zweifel in sei nem Geiste aus« Er schloß sich in sei nem Zimmer ein und überwachte alle Vorkommnisse der letzten Wochen, um dahinter zu kommen, ob Luzie mit dem von Gewissensbissen gequälten ,,Elen den« nicht doch am Ende ihn gemeint haben könne. Wie, wenns sie ihm gegenüber nur eine wohleinstudirte Rolle spielt? Wenn sie ihn gar nicht liebte, sondern ihn nur der Gerechtig keit überliefern wollte? Frühere Zwei fel und Befürchtungen wurde-n wieder wach in ihm, und seine Stirn glühte dermaßen-, daß er den Kon in eine Schüssel mit kaltem Wasser steckte, um wieder zu ruhigem Ueberlegen fähig zu werden. ,,Besvor Bourreille todt war, erwi derte sie offenbar meine Liebe nicht,« dachte er ,,Wodurch isti sie so pldtzlich anderen Sinnes geworden, was kann sie auf einmal mir geneigt gemacht haben? —- Wüßte ich nur, was in je nem dunklen Raume vorgegangen ist, in dem Bourreille die Anklage gegen mich an die Wand geschrieben hatte! Konnte ich nur dahinter kommen, ob die beiden Mädchen jene Worte entdeckt und gelesen haben; was Moraines in« Les Bernndettes gethan und gewollt hat. als er zum zweiten Male dorthin kam, nnd worauf der Aufschub von Doriat’s Hinrichtung zurückzuführen ist!« ..... Er hatte die Empfindung, als ob er in einen Abgrund stürze, und schloß unwillkürlich die Augen; je mehr er nsachdachte, desto mehr Ver stärkte sich sein Argwohn »Wie schnell ging die Wandlung zu meinen Gun sten in ihr vor sich! Wie rasch sagte sie zu, als ich sie bat, zu uns überzusie "deln! Wie streng weiß sie jede Ver traulichkeit, die sonst in dem Verkehr zwischen Verlobten üblich ist, ferner halten; wie zuckte sie zusammen, als ich sise küßte!« Sollte das Ungeheuerliche aber wahr sein, dann wehe ihr und ihrer Schwe ster! Dann konnte und wollt-e er keine Schonung üben-s, denn dann galt es den Kampf Usm’s Dasein im eigent lichsten Sinne und in seiner erbittert sten Form. Immer aber wieder strit ten in seiner Seele drei Gefühle wider einsander. Ihm, den sonst nichts nahe ging, war es ein ganz furchtbarer Ge danke, Luzie zur Feindin haben zu sol len. Er liebte sie —- das war eiwe Macht, über die sie gegen ihn verfügte, und er fühlte wirklich Angst vor ihr. Dann erfaßte ihn der Zorn, daß er sich von einem Mädchen soll-e überlisten lassen, durch das er vielleichtalleFrüchi-s te seines bisherigen Strebens, ja selbst das Leben einbüßen solle, weil er sich in ihre schönen Augen vergafft hatte! Auf einen Gipfel hatte er sich erhoben gefühlt, als er ihrer Gegen-liebe sicher zu sein glaubte, und nun sollte er so tief stürzen?« I I k,!«t.c«-st uusu clluuw tut-l uou cui sum-o Uc fiihl über ihn: der Schmerz. Er liebte Luzie mit aller Leidenschaft, er glaubte sich von ihr geliebt, nnd nun auf ein mal der gräßliche Verdacht, daß sie nur ein sverhängnißvolles Spiel mit ihm getrieben habet Er fah sie vor sich, in ihrer ihn ganz beherrschende Schönheit, unld dann klammerte er sich doch zuletzt wieder an die Hoffnung, der Soldat könne falsch gehört haben. »Aber ich muß Gewißheit darüber erlangen!« sagte er sich, und sein gan zes Sinnen und Trachten blieb fortan darauf gerichtet. Luzie bemerkte wohl, daß er oft besonders aufgeregt war, aber sie schrieb das den Mahnungen feines Gewissens Und den fchlaflosen Nächten zu. Auch wurden die im Eins fchließungsbezirk zurückgebliebene-n » Einheimischen oft genug durch die krie gerischen Ereignisse und Wechselfälle, deren fast jeder Tag neue brachte, in Unruhe versetzt und in banger Erre ’ gung gehalten. Sie wußten ja, daß Gambeita, der Mann, auf den sich jetzt Aller Blicke lenlten, inzwischen Paris » mittelst eines Luftballons, deren man « häufig einen hoch in der Luft, der » Windsirömung folg-end, duhinziehen ’ sah, verlassen und sich zu der Regie rung in Tours begeben habe. Man s rauntse es sich zu, daß bereits mächtige s neue Heere in der Bildung begriffen seien, um demnächst die Hauptstadt zu s befreien, und dann alle Feinde vom Boden Frankreichs zu verjagen. (Fortsetzung folgt.) Dame (in Gesellschaft): ,,. . . Unter « tun-s gesagt: das Pulver hat er auch nicht erfu«nden!« Tochter (Bacifsifch): »Das ist aber doch auffallend, Mama, was slir eine Masse von- Menschen dass Pulver nicht erfunden hatt«