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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Feb. 3, 1898)
Das Sptjcnflost der Gräfin. l!!!ig von J e ! i i Villa. giner der reichsten rnexikanischen Ka valiere und Großzrunddesiger war im Jahre 1827 ta Gras Rodrigo de Av.'l lanada, besten Vorfahr einst mit dem Eroberer Ferdinand Coitez heruderze kommen war und den Reichthum der Nachkommen begründet hatte. Im genannten Jahre vermählte der junge Graf sich mit einer anmuthizen und schönen Tame. Leider dauerte daZ Eheglück deS jungen Paare? nur wenige Monate. Tie reizende Gräsin Carme lita erlag einer tückischen Krankheit. Ihr Gemahl war darüber troftloZ. Er ließ ihr ein Leichendegünzniß deranftalten, so kostbar, wie man in der Stadt Mexiko noch keineZ gesehen hatte, obgleich dort von jeher die Entfaltung von möglichst viel Pracht und Pomp bei solchen traurigen Gelegenheiten bei den Reichen und Bornehmen Sitte war. Man pflegte die Todten, angethan mit ihren schönsten und kostbarsten Gewün dern, die sie in ihrem Leben getragen hatten, in die Gruft zu senken. So that auch der Graf de Avellanada. Einst hatte er seiner Gemahlin ein Pracht volles weißes Kleid, zum größten Theil aus den kostbarsten Brüsseler Spitzen bestehend, geschenkt, ein Gewand, daZ Tausende gekostet hatte. TieS kostbare Kleid wurde als Eterbegewand der ein balfamirten Todten angelegt und die Leiche dann, wie gebräuchlich, auf prächtigen Katafalk, umgeben von dielen flammenden Wachslichtern und herrlichem Blumenschmuck, feierlich auf gebohrt und dann so zur Schau ge stellt. Biele vornehme und reiche Tarnen pilgerten nach dem Palast deZ Grafen, um diese kostbare Leichenaufdahrung zu sehen. Und manche unter ihnen mochte eZ wohl geben, welche im Stillen die Todte um da? herrliche Spitzenge wand beneidete. Tann eine noch kost, barere Robe hatte man bis dahin in der Stadt und im ganzen Lande nicht zu bewundern Gelegenheit gehabt. Nachdem dies vorbei war, fand mit außergewöhnlichem Pomp die Beisetzung der Leiche in dem Gruftgewölde der Fa. milie Zlvellanada statt. Ter junge, sonst so heitere und leben lüftige Graf war fonft schwermüthig geworden durch den Äertufl leiner ge liebten Gemahlin. Längere Zeit hielt er sich auf seinen Gütern auf und suchte vergebens, durch eifrige Thätigkeit sich zu zerstreuen. Erst im November kehrte er wieder nach der hauptftadt zurück. Tort war unterdessen eine französi sche Schauspielergesellschaft angekommen und gab im Theater gutbesuchte Vor ftellungen. Besonders gefiel die erste Liebhaberin, Frl. Pauline Tuprat, eine junge und talentvolle Künstlerin. Ter Graf bekümmerte sich anfänglich gar nicht um diesen theatralischen Kunst genuß. Endlich ließ er sich aber doch durch seine Freunde bewegen, einmal hinzugehen, um womöglich sich ein wenig aus seinem Trübsinn zu reißen. Der weite Zuschauerraum war an dem Abend gut besetzt, beinahe voll. ES wurde ein moderne? Schauspiel gegeben. Frl. Tuprat spielte darin die weibliche junge, verwittwcte und wieder heirathZluftige Grüsin. AIS sie im ersten Akte auf der Bühne erschien, wurde sie von BeifallZgemur mel begrüßt, so schön sah sie aus in ihrem reizenden Kostüm, einer Herr lichen weißen Spitzenrobe. Tann aber wurde bei den vornehmen und reichen Tamen in den Logen ein Gemurmel höchsten Staunen? bemerklich. .Wie Carmelita de Avellanada!" flüsterten die Damen. Wahrlich, es ist die schöne Gräfin, als wenn sie noch lebte! Wie seltsam: sie t.Sgt ein eben solches Spitzenkleid wie da-, welches die todte Gräsin in ihrem Sarge schmückt!" TaZ war in der That der Fall, und Graf Rodrigo gerieth fast außer sich bei dem Anblick. Beinahe wäre eine Stö rung der Vorstellung eingetreten. Toch kamen die Gemüther wieder zur Be ruhigung. Auch das Gemüth dcZ jun gen Grafen. In einr Loge, nicht weit von der des Grafen Avellanada, faß Ton Alvar Martinz de las RofaS, der Polizeidirek tor der Hauptstadt, mit feiner Gemah lin. Die letztere hatte durch ihren Operngucker mit schärfstem Interesse die Schauspielerin Tuprat und deren Toi leite gemustert. EZ ist mir ganz unverständlich, wie diese Künstlerin ein so theures Kleis be fitzen kann." sagte sie nachdenklich in der Zlvischenpause. Vielleicht hat irgend ein reicher Ver ehrer eZ ihr geschenkt." meinte ihr Ge mahl. Sie hat keinen Verehrer, will auch gar keinen, da? weiß man." Nun. vielleicht hat sie eS auZ Frank reich mngebracht." TaS müßte schon sein, denn in Mexiko gab eS bis jetzt nur ein solche? Kleid, und daZ befindet sich jetzt in einem Sarge." Ah. Du meinst wohl daZ berühmte Kleid der Gräfin Avellanada?" Jawohl." ES find also wirklich lauter echte Spitzen an Frl. Duprat's Kleid?" Ja, kostbare und wundervolle Brüs seler Spitzen, wie ich sie bisher nur am Kleide der schönen Gräfin de Avellanada gesehen habe. Ein solches Kleid kostet gewiß fünftausend PesoS (über fünftau send Dollars)." Tann ist eZ mir allerdings auch räth felhaft. wie diese junge Künstlerin über eine solche kostbare, geradezu Prinzessin' ncnmäßige Garderobe verfügt." ..EZ werden wohl viele Tamen im Theater ta-üdcr nicht wenig vermindert sein." Wirklich mochte da? wohl einiger. maß'N unbegreiflich sein und zerecht' Sensation erregen, denn damals waren die Theaierv.'rhältniffe hier ja noch nicht so glänzend wie in späterer Zeit. Heutzutage , werden ja freilich ersten Künstlerinnen in den großen Städten Amerika?, im Norden wie im Süden, ganz enorme Summen für ihre Leistungen gezahlt. Damals, vor fieb zig Jahren, war eS aber noch nicht so. Gute Primadonnen und andere Kunst lerinnen mußten sich mit recht be!ch?ide nen Gagen begnügen. Dem Polizeidirektor ging dieS im Kopfe herum und brachte ihn auf ganz eigene Gedanken. Ich will doch einmal mit dem Gra fen Avellanada über die Sache fpre chen". sagte er. sich von seinem Sitze erhebend, und er begab sich ohne Per zug nach der Loge desselben. Herr Graf", fragte er. ist Ihnen vielleicht bei dem Anblick der Schauspie lerin Pauline Tuprat etwa Befände reS aufgefallen?" Jawohl, Sennor", versetzte der Angeredete, ihre frappante Aehnlich keit mit meiner verstorbenen Gemahlin hat mich in höchstes Erstaunen versetzt und mein Gemüth aus'S tiesste er griffen." Hat nicht auch daS Spitzenkleid, welches sie trägt, Ihre besondere Auf merksamkeit erregt?" Ja. freilich." Meine Frau meint. eS fei ganz täu fchend ähnlich dem kostbaren Spitzen kleide, welches Sie Ihrer Frau Ge mahlin mit in den Sarg gegeben ha den." So ist'S auch. Wenn die Sache nicht unmöglich wäre, so könnte man dieS Spitzenlleid der Künstlerin mit demjenigen meiner seligen Gemahlin für durchaus identisch halten." . Hm !" murmelte Alvar Martinez. so unmöglich wäre die Sache doch viel leicht nicht. Ich muß darüber Ge nauereZ erkunden." Und laut sagte er : Herr Graf, im zweiten Zmischen akt werde ich wieder zu Ihnen kommen. Möglicherweise habe ich Ihnen dann etwas Merkwürdiges mitzutheilen." Er ging fort. Etwas verdutzt sah der junge Graf ihm nach. Gleich darauf trat der Polizeidirektor wieder in seine eigene Loge, neigte sich ein wenig über die Logendrüstung und schaute in'S Parterre. Dabei räu-perte er sich in eigenthümlicher, nur dem EiNgeiveihten verständlicher Weise. Ein Polizeikommissar, der drunten ftand, blickte fragend zu ihm hinauf, und Martinez winkte kaum merklich. Sogleich verschwand der Kommissar unten und erschien eine Halde Minute später oben in der Loge. Lopez", sagte Ton Martinez, wir müssen in aller Geschwindigkeit eine ziemlich sonderbare Sache erleoigen." Ich stehe zu Befehl", verfetzte der Kommissar. Ist Ihre Frau mit Ihnen im Theater?" Jawohl, Herr Direktor. Sie sitzt unten in einer Seitenloge deZ Par iern." Nun. da trifft sich ja gut. Ihre Frau ist gewandt und klug ; fie ist unZ schon einigemal in heiklen Angelegen heiten von erheblichem Nutzen gewesen." Ja, sie hat so mancherlei Polizei fünfte von mir gelernt. Was soll sie thun? Sie wird sich der zweckdienlichen Ausführung ihrer Aufgabe mit größ tem Eifer befleißigen." Sie soll in die Garderobe der Schauspielerinnen zu gelangen ver suchen, während der ziveiic Akt gespielt wird und Fräulein Duprat sich auf der Bühne befindet." TaZ wird leicht ja bewerkstelligen fein, besonders wenn ich meine Frau selbst bis zum Eingang führe. Man wird ihr den Einlaß nicht verweigern. Erforderlichen Falles könnte ich ja auch ein Machtwort sprechen." Ganz recht. Es werden da jeden falls in der Garderobe weidliche Be- dienftete sein. Hm ob wohl Fiäu lein Duprat eine eigene Zofe hat?" Ich glaube ja. Es find aber auch sicherlich Garderobieren da." Solche Damen find gewöhnlich sehr mundfertig und leicht zum Sprechen zu bringen." O, wenn eZ sich darum handelt, das versteht meine Frau ganz vortceff lich !" Ihre Gattin wird sich also mit die sen Frauen in ein Gespcöch eirlaffen und zu erforschen suchen, ob Fräulein Tuprat das kostbare Spitzmkleid. wel cheZ sie heute Abend trägt, aus Frank reich mitgebracht hat, oder ob fie erst hier in den Besitz desselben gelangt ist." EZ wird geschehen, Herr Direktor." Aber natürlich möglichst unauffällig. Um eS so erscheinen zu lassen, kann Ihre Frau beiläufig sagen, daß eZ sich um die Entscheidung einer kleinen Wette zwischen zwei Tamen handelt, welche uneinS darüber sind, ob ein sol ches Kleid hier gemacht werden könne, oder ob es nothwendigerweise aus Paris gekommen sein müffe." .Meine Frau wird daZ bestens be sorgen." Bei Beginn deZ zweiten Zwischen altes melden Sie mir die erlangte Aus kunft hier in dieser Loge." Sehr wohl!" , Ter Kommi'iar entfernte sich. Nach einer Minute erschien er unten im Par terre. welche? er gleich darauf mit seiner grau, einer hübschen, sehr klug aus, sehenden Person, verließ. Ter zweite Akt begann. Fräulein Duprat. ganz strahlend in dem koftda ren Spitzmkleid. erschien auf der Bühne ! und 'dielte ihre sehr dankbare Rolle mit dem größten Erfolge weiter. Nachdem der Applaus verhallt und der Vorhang gefallen war. trat der Polijkikommlffar. dessen Frau auch unterde!ien unten wieder inZ Parterre geschlüpft war. in die Loge seines EhefZ. Tie ZirischenaktZmusik fing ge rade an. .Nun. Lov'i,?" fragte Ton Alvar Martine, leise. Ich kann die gewünschte Auskunft ertheilen. Herr Direktor. ES war gar nicht schwierig für meine Frau. daS zu ermitteln, denn diese Weider in der Garderode, auch die Zofe deS Fräu leinS. haben durchaus kein Hehl dar aus gemacht. Thatsache ist zunächst, daß die Duprat von einigen ihrer lie benswürdigen Kolleginnen deS Pracht kleideS wegen, in dessen Besitz sie so billig gelangte, gar sehr beneidet wird. AuS Frankreich hat sie daS Kleid gar nicht mitgebracht, sondern dasselbe hier gekauft, vor etlichen Tagen erst, und zwar zum Preise von fünfhundert Pe soS." Wo hat sie denn den Kauf ge macht ?" Bei einer Modistin in der Straße de los MercaderoS, Namens Manuela Garcia." Tie kenne ich sehr gut." sagte jetzt Tonna Martinez. Ich bin ihre Kundin. Sie ist eine höchst achtbare Ge schäftsdame." Will's schon glauben, was du sagst, meine Liebe." versetzte Ton Martinez. Tennoch erscheint eZ auffallend, um nicht zu sagen verdächtig, daß fie ein Spitzenkleid für fünfhundert PesoS ver kauft. daS nach deiner eigenen Meinung fünftausend Pesos werth ist." Ta hast du recht! Tas ist wirklich sehr auffallend." Sie muß den hohen Werth der schö nen echten Brüsseler Spitzen nicht genau gekannt haben." So muß eS wohl fein. Wahrschein lich hat fie das Kleid aus zweiter Hand." Oder vielleicht aus dritter, was ich beinahe für wahrscheinlicher halte. Die Sache ist so verdächtig, daß ich sofort weiter nachforschen muß. Meine Liede, ich verlasse dich sogleich. Genieße die beiden letzten Akte allein und amüfire dich gut! Lopez, begeben Sie sich mit drei Polizisten nach den Anlagen beim alten griedhof. Bei den fünf großen Platanen warten Sie mit Ihren Leu ten, bis ich ankomme. Nehmen Sie zwei Laternen mit und ferner auch einen Schraubenzieher, ein kleine? Stemm eifen und einen Hammer. Auch Hand fchellen-für alle Fälle." Sehr wohl." Einen vierten Polizisten schicken Sie nach der Straße de loS MercaderoS, wo er vor dem Hause der Modistin Manuela Garcia auf mich warten soll. Denn zu dieser muß ich zunächst ; doch wird das in wenigen Minuten gethan sein." Der Kommissar eilte hinaus, und gleich darauf verließ Don Martinez seine Gemahlin und begab sich eilends nach der Loge deS Grafen Rodrigo de Avellanada." Diesem theilte er leise seinen Verdacht mit. daß eine Beraubung der Leiche der Gräfin stattgefunden habe. Ter junge schwermüthige Kavalier wurde dadurch aus'S äußerste erregt. ..Großer Gott, sollte solche Ruchlosig keil wirklich möglich sein?" murmelteer bestürzt. Tas muß ich befürchten." Wer könnte denn daS gethan ha den ?" Tas werde ich in der nächsten StunSe ergründen. Ich fahre jetzt so gleich nach dem alten Friedhof hinaus und untersuche daselbst Ihr Erbbegrüd niß." ,M begleite Sie!" TaZ ist mir sehr lieb. Zunächst aber müssen wir wohl den Schlüssel zum Gradgewölbe aus Ihrem Palast holen." Unnöthig I Der Friedhofaufseher hat einen Schlüssel, denn er ist deauf tragt, da? Grabgewölbe in guter Ord nung zu erhalten und von Zeit zu Zeit den Staub von den Särgen zu ent fernen. Dafür wird er von mir be zahlt." So, so." murmelte Don Martinez. Nun. wir werden auch diesen Mann ins Auge fassen." Tie beiden verließen da? Theater, derweil noch die heiteren Weifen der ZwischenaktZmusit ertönten. Vor dem Portal winkte der Direktor einen Mieths Kutscher schleunigst herbei und sagte ihm einige Worte. Er und der Graf stiegen dann in das Geführt und fuh ren rasch nach der Straße de los Mer caröeros. Nach etwa sechs Minuten hielt die Kutsche vor dem erleuchteten Schaufen ster der Modistin. Ter junge Graf blieb im Wagen. Don Alvar Martinez aber stieg auS und trat in den Laden, wo er Sennora Manuela Garcia antraf, eine etwa vier zigjährige und sehr muntere Frau. Ah. Herr Direktor, was verschafft mir die Ehre ?" Eine etwas wunderliche Angelegen hcit führt mich zu Ihnen, Sennora. Fräulein Tuprat, die französische Schauspielerin hat vor etlichen Tagen ein prächtiges Spitzenkleid von Ihnen gekauft?" .Jawohl." .Für fünfhundert PesoS ?" .EZ ft.mmt. Sie hat die Z umme auch baar bezahlt. Sie war gleich ganz ver narrt in dcis Kleid, als sie eZ zu'ällig bei m:r im Laden sah," EZ ist aber, weil zum größten Theil auS echten, kostbaren Brüsseler Setzen bestehend oder damit besetzt, über fünf, tausend PesoZ werth. Wie kann daZ denn angehen?" DaS habe ich nicht geahnt, daß die allerdings sehr schönen Spitzen einen solchen außerordentlich hohen Werth ha den könnten. DaZ thut mir sehr leid, denn dann habe ich daZ Kleid viel zu billig weggegeben. Aber immerhin habe ich doch hundert PesoZ bei dem Geschüft profitirt." Also nur vierhundert PesoZ haben Sie dafür bezahlt ?" Jawohl." . Wie ist daS möglich?" O. ich kann'S mit gutem Gewissen beschwören, ich habe das -pitzenkleid nicht eingeschmuggelt." DaS will ich schon glauben. Ader selbst wenn Sie das gethan hätten, wären Sie doch nicht im Stande geive sen. daZ Prachtkleid für einen solchen Spottpreis zu verkaufen. Erklären Sie mir also, bitte, den wahren Sach verhalt." Ich habe da? Kleid im guten Glau ben gekauft von einer alten Trödlerin und Vermittlerin, die zuweilen für feine Damen, die in Geldverlegenheit sind, derartige Geschäfte in oller Stille und mit der nöthigen Verschwiegenheit be sorgt. Wer ist diese Person, und wo wohnt fie?" Sie heißt Panchita Ravez und fie wohnt hier nahebei in der Straße de Tacuba Nummer 11." Ich danke Ihnen !" Sie find zufriedengestellt durch diese Auskunft?" Vollständig." Bitte, empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin !" Sehr gern will ich das thun. AdioZ Senora !" Ton Martinez begab sich wieder auf die Straße und gebot dem an der Thür harrenden Polizisten: Setzt Euch zu dem Kutscher auf den Bock. Und jetzt nach der Straße Tacuba Nr. 1l!" Ter Wagen rasselte fünf Minuten lang vorwärts und hielt dann in einer Seitenstraße vor einem kleinen, baufül ligen Haufe. Durch zwei dichtoer hangene Fenster in demselben schimmerte Lichtschein. Der Polizist sprang vom Bock und wollte dienstfertig die HauZ tbür öffnen. Dieselbe war aber ver- schloffen. Sein Chef stieg auS der Kutsche und gebot: Klopft an!" TaS geschah. Nach einer kleinen Weile wurde die Hausthür vorsichtig geöffnet, und in der Spalte erschien daZ häßliche Gesicht eines alten Weibes, welche? mit heiserer Stimme fragte: Wer ift da?" Ter Polizeidirektor Martinez !" Ist'S möglich? Seine hohe Excellenz in Person?" Macht auf." ES ist also kein Irrthum : Sie wol len wirklich zu mir?" Jawohl. Alte. Macht schnell! Oeffnei die Thür !" Panchita Ravez hakte die Sperrkette gänzlich aus. Turch die offene Tdür traten der Polizeidirektor und der Poli zift i'nS HauS und in'S Wohnzimmer der Alten. Es war da allerdings viel Gerümpel zu sehen, aber doch deutete auch manches auf einen gewissen Wohl stand hin. Auf einem Tische stand eine matter leuchtende Oellampe. Ihr wohnt hier so ganz allein, Senora?" fragte Don Martinez. Ganz allein." versicherte fie. Ich bin eine arme Wittwe. Mein Mann ift vor vielen Jahren gestorben" Gehängt worden wegen Räuberei droben bei Turango," bemerkte der Polizist. Zufällig weiß ich darüber Bescheid." Verleumdung ist's ! Ach, eZ giebt so viele böse Menschen; 'die haben das auZ gesprengt." Nun. lassen wir die alten Geschich ten ruhen." Eure Erellenz find sehr gütig und gnädig !" fuhr die alte Panchita fort. Edler Don. ich wünsche Ihnen tausend Jahre zu leben in der allerbesten Ge sundheit !" Spart Eure Komplimente. Au? kunft verlange ich von Euch über eine ernste Sache. Vor kurzem habt Ihr ein schöne? Spitzenlleid an die Modistin Manuela Garcia verkauft?" Ja. freilich. Dergleichen zu thun, ist ja mein Geschäft." Von wem habt Ihr das Kleid er halten?" Edler Don. hohe Excellenz, ich bitte. danach nicht zu fragen I Bedenken Sie gnädigst, ich muß verschwiegen sein. Vornehme und feine Tamen beehren mich mit ihrem Vertrauen. Zuweilen haben sie heimliche drückende Schulden, die sie ihren Ehemännern oder Vätern nicht gestehen wollen ; dann wenden fie sich an mich in solchen Verlegenheiten ; ich versetze im Leihhaus oder verkaufe bestmöglichst, je nachdem eS gewünscht wird, Schmucksachcn und andere Werth gegensiände dieser Damen. TaS sind also Geheimnisse. Exellenz." Ich habe Grund, zu vermuthen, daß Ihr daS Spitzenkleid nicht von der Ta! sein rechtmäßigen öigenthümerin erhalten habt." .Warum sollte daS nicht der Fall r.rC Weil die Tame längst todt ist. Kleid muß der Leiche geraubt Wißt Ihr. Senora. was für eine Strafe auf Beraubung von Leichen steht?" Panchita Ravez begann heftig zu zittern, und ihr Antlitz verzerrte sich krampfhaft. .Woll' Ihr gestehkn?" Ich bin so unschuldig wie ein Lamm !" Dann könnt Jhr'S ja offenbaren. Also bekennt !" Ich bade das Kleid von einer sehr rechtschaffenen Frau, die eZ angeblich von einer vornehmen Dame erhalten hatte, weil diese nicht direkt mit mir in Verbindung treten wollte. Dergleichen kommt ja auch zuweilen vor." Wie heißt diese rechtschaffene Frau?" So muß ich eZ denn wirklich sagen? Nun denn, so wasche ich meine Hände in Unschuld. Sie heißt Apollonia CuchareS?' Aha. die Frau deS Fiiedhofauf feherS Diego CuchareS. Jawohl." Und daS kam Euch nicht sogleich im höchsten Grade verdächtig vor?" Ich habe mir nichts BöseS dabei ge dacht." Wohl, die Untersuchung wird daS ja ergeben, inwieweit Ihr als Mit schuldige zu betrachten seid. Denn, daß ein argeS Verbrechen vorliegt, er scheint jetzt fast zweifellos." Ton Martinez wandte sich an den Polizisten. Ihr bleibt hier und be wacht Panchita Ravez, feht auch befon der? darauf, daß sie nichts von ihrem Trödclkrom heimlich beiseite schafft. Vor Ablauf einer Stunde erhaltet Ihr wei tere Befehle." Der Polizeidirekto: verließ daS HauS, rief dem Kutscher ein paar Worte zu und stieg dann wieder zu dem Grafen in den Wagen. Nach einer kleinen Viertelstunde hielt die Kutsche in den Anlagen nahe bei der Hauptpsorte zum alten Fried hos. Bei einer Platanengruppe stiegen die beiden auZ. Lopez und drei Poli- Gleich linkZ neben der Pforte deS FriedhofS befand sich da? Wohnhaus des Aufsehers. Ton Martinez und dessen Begleiter traten bei ihm ein. Sichtlich überrascht durch diesen spä ten polizeilichen Besuch wurde Diego CuchareS, ein sechzigjähriger grauhaari ger Mann. Ebenso schien seine etwa zehn Jahre jüngere Frau Apollonia eine gewisse Aengftlichkeit nicht verbergen zu können. Tenor CuchareS," sagte Don Mar tinez, ..wir wollen daS Erbbegrübniß der gräflichen Familie Avella.iada revi diren." Warum daS?" fragte bestürzt der Aufseher. Dafür haben wir unsere Gründe." Ich kann Ihnen und dem Herrn Grafen die Versicherung geben, daß dort alle? in bester Ordnung ist. Sie würden sich also vergeblich bemühen." DaS werden wir sehen. Holt den Schlüssel zum Gruftgewölbe und dann führt uns dorthin. Nehmt auch Eure Frau mit." CuchareS und deffen Weib mußten wohl oder Übel der energischen Weisung gehorchen. Zündet die Laternen an I" gebot Don Martinez. Zwei Polizisten zündeten die Lichter in den zwei mitgebrachten Laternen an. Danach gingen alle nach dem Erbbe gräbniß der Familie Avellanada, wel cheS grottenähnlich in einen Hügelhanz hineingebaut war. Zur eisernen Thür mußte man einige teinstufen Hinabfteigen. Schließt aus!" befahl der Polizei direktor. Damit kam Diego CuchareS aber nicht sogleich zu Stande. ' Eure Hände zittern ja so," bemerkte der Kommissar Lopez. Gebt den Schlüsse! her! Ich will selbst auf schließen." Er that es und öffnete die Thür. Alle traten dann in da? hohe, fühle und et wa? dumpfe Grabgewölbe ein. Dort stunden viele Särge, darunter auch der jenige der Gräfin Carmelita. Welcher ist e? ?" fragte Ton Mar tinez, Ter da." versetzte der junge Graf, auf einen Sarg zeigend. Lopez, haben Sie einen Schrauben zieher und daS sonst nöthige mitge bracht?" Jawohl, Herr Direktor. Hier der Polizist Perez wird's am besten ver stehen, den Sarg zu öffnen. Er ist in seinen jüngeren Jahren Tischler ge wesen." Sehr gut. Er möge sich also an die Arbeit machen." Danach wandte der Polizeidirektor, während Perez die Schrauben deS Sarg deckels nach und nach auZzoz. sich an das leichendlasse Ehepaar CuchareS. Hört, um waS k? sich handelt!" sagte er. Heute Abend entzückte im Theater die Ächauspielerin Pauline Duprat daS Tamenpudlikum zunächst durch ihr Spiel un dann aber noch mehr durch ihr prächtiges Spitzenkleid, welches seltsamerweise ganz und gar dem kostbaren Sterbetteide der verftor denen Gräfin de Avellanada gleicht. EZ ist ermittelt, daß Fräulein Duprat dieS Kleid, daZ über fünftausend PesoZ werth ist. für nur fünfhundert PesoZ von der Modistin Manuela Garcia ge kauft bat. Diese hat eS von der Hünd lerin Panchita Ravez für vierhundert PesoS erworben. Die alte Panchita aber hat eZ erhalten von der grau Apol. lonia CuchareS. welcher letzteren angeb lich daS kostbare Kleid zur Besorgung deS Verkaufs von einer vornehmen Dame anvertraut worden fein soll. DaZ aber würde eine Lüge, ein schänd lichcS Verbrechen sein, wenn etwa diese angebliche vornehme Dame identisch ist mit der hier im Sarge ruhenden Gräfin Carmelita de Avellanada. Darüber werden wir ja nun sogleich volle Klar heit erlangen. Hebt den Sargdeckel !" CZ geschah. Ta lag v:r aller Augen im offenen Sarge die Leiche der Gräfin, oder nicht mehr im Schmucke ihre? kostbaren SpitzenkleideZ. sondern nur noch in der übrigen feinen Linnenhülle, die man ihr gelassen hatte. Elende, ihr seid entlarvt!" rief Ton Alvar Martinez. Lopez laßt dieS schändliche Paar fesseln und bringt beide in Haft! Man vernahm einen heiseren Schrei und sah beim Schimmer der Laternen daZ Funkeln einer Tolchklinge. Tiego CuchareS machte den Versuch, sich zu er stechen. Toch der aufmerksame Kon,, inissar Lopez verhinderte dieS blitzschnell und entriß ihm den Tolch. Danach wurden die beiden Ruchlosen gefesselt und abgeführt. Am selben Abend fand auch noch die Verhaftung der alten Händlerin und Hehlerin Pan chita Ravez statt. Die Schauspielerin Pauline Duprat wurde vom größten Entsetzen erfaßt, als sie am andern Tage erfuhr, daß sie daS Spitzenkleid einer Leiche getragen. Daß ihr dieser Umstand aber schließlich noch zum Glück gereichen sollte, vermochte fie ja nicht zu ahnen. Sie gab daS Spitzenkleid sofort zu rück, worauf es wiederum der Leiche der Gräfin Carmelita angelegt wurde, und durfte fich schadlos halten an der Mo distin Manuela Garcia, welche sich wie derum schadlos hielt an dem Besitz der Händlerin Panchita Ravez und dcZ Ehe paareS CuchareS. Die Kriminaluntersuchung ergab, daß diese letzteren auch noch viele ander weitige Gräbcrplünderungen vorgenom men hatten. Reich war ihre Beute ge Wesen, eben wegen der schon von un? er wähnten Sitte der Vornehmen und Reichen in Mexiko, die Todten so präch. tig und kostbar ausgestattet der letzten Ruhe zu übergeben. Das habgierige Paar wurde nach der ganzen Strenge des Gesetze? bestraft, ebenso die Hehlerin Prnchita Ravez. welche feit Jahren den Verkauf der von Diego CuchareS und dessen Frau Apollonia auS den Gräbern gestohlenen Sachen besorgt hatte. Auf den jungen schwermüthigen Grafen aber hatte die reizende fran zösische Schauspielerin, die seiner der ftorbenen Gemahlin so auffallend glich, tiefen Eindruck gemacht. Er besuchte fie und schenkte ihr einen kostbaren Brillantschmuck. Dann lernte er fie näher kennen, ihren Geist, ihre Heiter keit, ihre Anmuth. Er verliebte fich in fie und bot ihr sein Herz und seines Hand an. Mit Freuden sagte fie ja. Auf solche sonderbare Weise wurde in Mexiko die liebenswürdige Schauspie lerin Pauline Tuprat die Gemahlin deS reichen Grafen Rodrigo de Avellanada. Tie beiden lebten viele Jahre sehr glück lich miteinander, ihr ältester Sohn lebte vor wenigen Jahren noch in Mexiko als Präsident des obersten Ge richtshofeS. Spheu. Knapp an der Mauer bei dem HauS Wuchs ein ganz kleiner Epheu 'raus, Einst durch den Gärtner hingelangt. Damit er grün das HauS umrankt. Ter Epheu aber bog sich um Und fest um einen Baum herum. Dem Baume macht' dieS Anfangs Spaß ; Er gab ihm von des Erdreichs Naß, Er schützte ihn vor Sturm und Wind. Da wuchs der Epheu gar geschwind. Gedieh bald prächtig, herrlich, dicht. Und bracht' den Baum um Luft und Vidjt. Er schlang zum Wipfel fich hinauf, Und sog de? Baumes Kräfte auf. Nicht wußt' der Baum, wie ihm geschah. Still, schwach und leidend ftand er da. Da pfiffen Spatzen auf dem HauZ: Das kommt bei solchergreundschaft 'raus! Ist fie auch Anfangs angenehm, Schmarotzer werden unbequem! Ta war's um sie gesckkkcn. Tie berühmte Schauspielerin Rachel J trat im Jahre 1818 in Paris in t'minrf der größten Theater auf. in der Hand trug sie die Fahne der Republik, auf dem Haupte die FreihcitZmütze; ftür misch wurde sie vom Publikum empfan gen. Kaum hat der Beifallssturm sich gelegt, so beginnt fie die Marseillaise zu deklamiren, und mit wilder Begeiftc rung ruft fie: Aux armes, citoyens! Kaum ist fie bis zu dieser Strophe ge kommen, da stockt sie plötzlich, ihr Blick wendet fich stier auf den Fußboden, sie erbleicht und sinkt ohnmächtig einem Schauspieler in die Arme. WaS war geschehen? Sie hatte eine Ratte gesehen, welche quer über die Bühne lief. Zwei Mulhiae. Frau (zu einem zudringlichen Hausi rer): Jetzt machen Sie aber, daß Sie fortkommen, sonst rufe ich meinen Mann !" Haufirer (gemüthlich): Bei dem war ich schon ... Der hat mir mit Ihrer werthen Person gedroht I"