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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 12, 1917)
Sonntag-bleibt de Skaats Anzeiger und YOU-old MOMUMM Jst eset Rot-hemmen Von Peter Rot-inson. Die ,-Ztemdenpensiou Doldl« in( der Mariinilianftraße zu München ging sehr gut. MeistenH wohnten dort England-Je und Anieritaner. Frau Doldl war in ihrer Jugend Kinderfriinlein in England gewesen, und an ihrer siorridortiir das Schild mit der Ausschrist »English1 spoten« war nicht, wie sonst in vie len Fällen, nur ein lächerlich über triebener Hinweis auf einen Vorrat von zwei oder drei Dutzend falsch ausgesprochener Votabeln,’ sondern lautere Wahrheit Frau Doldl hieltl gute siiiche in englischeni Geschmack« . mit Joint znin Tinner nnd Murme ladekuöpsen zum Frühstück, verstands niit ihren Gästen zu conversierens nnd wußte sogar durch geschickte-« Ausnutzng verivandtschastlirher Be ziehungen zu maßgebenden Stellen» Bitten-I siir dass PrinzregententheasT -ter, wenn aiidenviirts feine mehr zul haben waren, noch zu annähernd normalen Preisen zu besorgen.f Mehr konnte man wirklich von einer» Pensionemirtin nicht verlangen. s Herr Doldl war gleichfalls sehri tiichtig, wenn er anch das Englische» nicht so beherrschte ioie feinen ange« stanmiten bajmvarischen Dialekt. Eri bezog eine kleine Pensiin im iibriiJ gen machte er sich nützlich, indem er die notwendigen Familienslsrbstiirlei besorgte. Nach Schluß der Fremden·z Saison fing er damit an, nnd gnmz Friihiabr war er fertig. Bei Tand-J lcrn nnd aus der Dnlt kaufte er ein« alles-, alles, was ihm lohnend schien» sind antik nnd ehrioiirdig aussah-— Porzeklane, Gläser, Vrioasbrac von Silber und Ettenheim manchmal auch ein Möbelstiick, eine kleine Em pireottomane, einen Damens-dreih tisch nnd dergleichen. Alle diese bil « lig erstandenen Dinge wurden im , Salon nnd im Speisezimnrer aufge I siellt oder an die Wände gehängt oder fonftwie mögst-Ost sW un tergebracht Und dann, wenn die Gäste kamen, wnrde Herr Doldl Dichter, und feine Phantasie wan derte die mit Oerbstblnmen der Er innerung geschmiiccte Straße der Vergangenheit Da, die schöne Standuhr in der Ecke, deren Ziffer lslatt ein aus blauen Wogen rhyth inisch nach den Pendelschliigen schan tclndes Schiff zierte, —- ja, die altes Standnhr hatte noch in Großvaters Zimmer gestanden, nnd die hellen Schlage ihrer silbernen Glocke hat ten manche frohe manche ernste Stunde im Leben der Grosieltern eingeläntet. Ach ja, die liebe alte Uhr! So ein Erbstück gibt man na tiirlirh nicht her, nnd wenn eineml von einem Liebhaber auch noch so viel dafür geboten wird! — »Nein, davon kann ich mich nichi trennen, niemals!« versicherte Herr Doldl dem Gast, dem gerade diese Uhr be-« sonderei gefiel, nnd zärtlich strich er mit sachte-r Hand iiber den Lasten nnd schante gerührt aus das schan kelnde Schiff, sehr merkbar gerührt, wenn er wußte, dasz der Blick des Reflektanien auf ihm ruhte. Die kyolge war natnrlnh, dafz das Erb ftiiit utn hundert Prozent höher be zahlt wurde, als eH unter den be· konnten Brüdern tvert gewesen nsäre, die, wie nian weiß, gewöhnlich lehr teuer zn verlaufen uflegen. llnd fo ging ein Erbstück nach dem anderen fort, bis es Zeit wur de, von neuem zu erben. Befonders originell war ja Herrn Doldls Ver fahren nicht; es wird auch ander warte häutig geübt, wenn auch viel leicht nicht niit dein gleichen Auf wand an Phantasie und bot-getäusch tei Sentinientalth, wie er Herrn Toldl zur Verfiigung stand. Jn Tirol sann man unzählige Erbftücke erstehen, die alle von Andreas Opfer stammen, und in Frankreich gibt es iiberall Schnuvltabakdofen, die bei irgendeine-r Gelegenheit von Nat-o leon l. fortgefchentt wurden. Menn alle diefe Dofen Anspruch auf Echt heit befäßen, hätte Navoleon den ganzen Tag nichts anderes zu tun «ehabt, als Schnupftabatdofen fort ngbem es wäre ihm überhaupt iitht Zeit für andere« Dinge übrig geblieben, und die Weltgefchichte hätte einen ganz anderen Verlauf genommen. Jtn allgemeinen ift der Verlauf von Erbltiicken ein recht lehnendes Geschäft, und fo war es auch bei Herrn Doldl. Eine Aus nahme machte nur der unglückliche Sommer, in dem Mr. Samt-sen Netvtnan nach München kam und in der Pension Doldl Wohnung nahm Freunde hatten ihm diefe Penflon empfohlen; es waren vielem-, die vor zwei Jahren die« alt-e Bibel er worben W Cis W von einem Vorfahren des Heu-n Doldlz der Name war auf dem Titelblatt zu lesen. Einen halben Tag hatte es Herrn Doldl gekostet, richtig ver blaßte Tinte herzustellen; mit einem angespiyten Streichholz war ge schrieben worden. Es war eine schö ne Bibel mit originellen Kupfern darin. Also, Mr. Newman aus Brighton lam. Es war ein würdiger Herr; beinahe fah er wie ein eineritierter Neverend aus-. Unter seinem Gepiick befanden sich zwölf Spazier-stecke So viele brauchte er nämlich minde stens, denn er trug vormittags einen anderen als nachmittags, und am Freitag andere als am Montag, nnd wieder am Sonntag andere als in der Woche. Herr Doldl wollte ihm schon sagen, daß für München ein einziger Regenschirm beiier ange zeigt wäre als zwölf Spazierflöcke, unterdrückte diese Bemerkung aber doch, da sie mit den Interessen der Pension nicht recht vereinbar war. Un Haufe hatte Mr. Newman noch achthundertziveiundvierzig Spazier ilöcte Er war ein Sammler davon; hauptsächlich sammelte er Stöcke, die durch ihre früheren Besitzer inerts würdig waren. Das hervorragendfie Stück feiner Sammlung war ein Stock, der einst von Wilhelm dem Eroberer getragen sein sollte. war ein handsester Mahagonilniips pel, und da Mahagoniholz erst etwa fünfhundert Jahre nach Wilhelm dem ·Eroberer in Europa bekannt wurde, tann tnan die ungeheure Merkwürdigkeit und Kostbarkeit die ses Stocke-S leicht ermessen. Mr. New-non zog in die »Frau denpension Doldl« ein; es war noch sehr sriih in der Saisou. Als er sich ain ersten Abend niit seiner »Musi ing Post« —- er war also wirklich ein sehr würdiger Herr, denn vor zugsweise solche lesen dieses Blatt — in den Solon gesetzt hatte, fiel ihnt neben der großen Vitrine, in der al lerlei Kostbarkeiten zur Schau ge stellt waren, ein Spazierstoet ans, der an einem silbernen Kettchen an der Wand hing. Er sah ihn sich an. Ein schönes Bambusrohr, sehr lang, mit einem oortressltchen Silbertnops daraus, nichts sehr seltenes, aber ein würdiges-, ehrbares Stint. Herr Doldl war gerade bei der Vitriue be schäftigt. Was das siir ein Stock tviirek Oh, das wäre der Stock vont Großvater So, so! Vom Großvater, — ja, so sähe der Stock auch aus. Was denn der Herr Großvater gewesen wäret Wahrscheinlich eine Atntsperson »Freilich, freilich —- ein Nat-'s herr!« —- Veinahe stimmte das auch; Herrn Dotdls Großvater war Gemeindevorstand in Feldmoching gewesen. Mr. Neu-man wurde nachdenklich So, ein Ratsherr also. Wo denn? Herr Doldl sagte ietzt nicht Feld moching, sondern Rothenban Das war ein Ort, den die Engländer ge wohnlich alle konnten Mr. Netonian lannte ihn auch. Ein reizended Städtchen; er hatte dort int goldenen Hirsch gewohnt» ·llnd der Stock stannnte da her. Welch ein interes santes Erbstiietl Herr Daldl wurde beredt. Und wars fich sur ihn noch fiir Erinnerun gen an den Stock tniipftenl Als lleis uer Junge hatte er ihn als Steaens tsferd benutzen dürfen, aber natiirlich nur an Feiertagen, und wenn der Großvater gut gelaunt war, denn mit folch einein Stock, der ein wich tiges Attribut der Ratsherrnwiirde ift, darf nicht leichtfertig umgegan gen werden. »Ist der Tat, in der Tat,« meinte Mr. Newinan, und iiberlegte· Den Stock eines deutschen Ratsherrn hatte er noch nicht in fei ner Sainnilug, also mußte er ihn eigentlich erwerben. Aber Mr. New man --— er war doch wohl ein einer-i tierter Reverend —— wollte die zar ten Empfindungen feineH Wirte-S nicht beleidigeii. »Sie verkaufen ihn natiirlich uicht·.-« fragte er zögernd. Herr Doldl hob nur feierlich die Hände. Das hatte fich Mr. Neu-man gedacht. Ja, ein Hintern-auch der hatte nun gleich ein vorteilhafte-s Geschäft zu tnachen gesucht, aber die Deutschen sinkt-on einer so bewun derungstviirdigen fentintentalen Treue. Ein liebenswürdiges Bettl Und Mr· Newntan fehte fich wieder hin und las in feiner Zeitung einen gegen das liebenswürdige Volk ge richteten Artikel. Herr Doldl örgerte sich und sagte beim Schlafengehen zu feiner Fran: »Er will nur nichts rechtes bezahleiit« Während der nächsten Tage fah Mr. Neu-man den Stock wiederholt an, erklärte aber Herrn Doldl jedes mal: »Ich hätte ihn gern, aber wie dürfte ich Ihnen einen Gegenstand der fo viele anmutige Erinnerungen in Ihnen wachruft, rauben wollenl« Und Der-r Doldl freute ftch jedesmal, to sur verstanden sit werden Damen aus Kingston — nicht aus Jamaika, sondern »Man Thames«, wie sie vorsorglich erklär ten —- karnen in der Pension an. nur auf ein paar Tage: sie waren aus der Riickreise nach England. Jn Idee Vitrine stand ein Kasseeservike IWelch herrliches Servirel Ahal «Meissener Porzellan l-— So, so, ein Familienerbstiich —- von Frau Delle Großmutter. Wie interessant Mk. New-non mischte sich ein und erklärte, Herr und Frau Doldl ver kauften prinzipiell nichts von ihren Erbstücken. Er hielt eine lange Rede — der eineritierte Reverend wurde immer wahrscheinlicher —- in der ungeheuer viel von Pietiit vorkam, nnd die beiden Deinen fuhren ohne das Service ab —- nach Hing-Zion, nicht anf Janiaika, sondern »in-on Tl)anies«. Mr. Newnian wollte bis Ende September bleiben. Herr Doldl sag te zn seiner Fran: »Wenn er jedes mal dazwischen redet, werden wir diesen Sommer gar nichts los-« Ein schöner Tiirkensäbel war da. Eine ältere Dame ans Manchester interessierte sich dafür-. Sie sammelte Waffen; vielleicht war sie eine Sus iragette. Ein Vorfallre Tolle hatte den Säbel in einein Tiirtenlriege erbeutet. Mit Illuasicht daraus hatte die ältere Dante aeru bie- zu zehn Pfund bezahlt. Bei Tisch setzte ihr Mr Nenn-can auseinander, sie täuschte sich ganz gewaltig in Herrn Doldl; der hielte ans Pictät. Der Tiirkensiibel blieb da, und Mr. Neu-man war so entzückt, daß er Herrn Doldl zu einem Glase Bier einlud. Jin Juli und August, so hatte Herr Doldl gerechnet, sollten die kleine Eauseuse im Salon, das Spieltischchem dass alte Schachbrett, zwei Puderhöschen und eine Pot ponrrivase Reslektanteu finden. Aber Mr. Newuian machte darüber und sang Lobhmnnen aus die deut sche Treue. Herr Doldl überlegte-, ob er ihn hinanswersen sollte. Aber das ging mit Rücksicht ans die Pen sion nicht; man konnte ja nicht wis sen, ob er nicht an Bädeker schrieb. « Jni September kam Mr. seltsa niin Walker aus Boston Der war ein Kollege von Mr. Sainpson New man, — nicht als wahrscheinlicher Neverend, sondern als Stocksammi ler. Er hatte schon zivölshimdertdreii zehn Stöcke und verabredete mit Mr Newinan einen Anstausch von Donbletten Einen deutschen Rats herrnstork hatte er aber auch noch nicht. Er bot Herrn Doldl hundert Mark, nein l)iiiidertsiiiifzig, ueiii zweihundert Mark. Mr. Nennnaii stand ivachsani dabei. Er lächelte mitleidig. »Ur-linken Sie meinen gu ten Herrn Toldl nicht, Mr. Walten Sie können ihiu noch so viel bieten, der Stock, an dein sein Herz hängt, ist ihm nicht feil. « Am Nachmittag, als Dir. Walter iu den Hofgut-ten gegaiyseu war, nahm Mr. Newnian den Stock und sprach zu Herrn -Doldl: »Ich werde ihn in meinen Schrank einschließen, bis Mr· Wal ter abgereist ist. sich kenne Ihr gu tes Herz, Sie ioiirdeu sich überreden lassen, und nachher wurden Sie sich oitterc Verwirrte machen« —— Herr Doldl zeigte sich geriihrt und knirschte niit den Zähnen Mr. Walter hatte leine Zeit; er hatte schon eine stabine im Steainer ab Cherbonra belegt. Er reiste ab, stieg aber ani der Tour roch Frank furt in Steinach aus«-, nni schnell noch nach Rothenburg hinüber-zufah ren nnd sich dort nach einein echten Natsherrnsiock ninznsehen. Und dann lani auch der Tag, an dein auch Mr. Sannifen Nennuan endlich abreiste. Nachdem er — das Ante wartete schon auf der Straße —- ini Salon seine Rechnung bezahlt hatte, zeigte er Herrn Doldl den von ihm zuletzt unter Verschluß ge haltenen Stark nnd begann dieie Rede: »Deinen Sie daran, Herr Doldl, was ich alles iiir Sie getan habe. Alle Jhre Ihnen so teuren Erbstücke habe ich behiitetz Sie hät ten lich beichwäben lassen und sie, wenn auch niit tiununer inc Herzen, dahingegeben Sehen Sie iich inn, o- da lind sie noch alle: der Tur keniäbeh das Kaifeesewice, die Pot penrrivale, die Eaulense und alle die anderen Sachen. Wäre ich nicht gewesen, man hätte Ihnen alles fortqeichleppt Und nun ver Stock? Wirklich, ich habe mein Herz daran gehängt, —- wallen Sie ihn niir nicht lassen? Alles andere ist Ihnen durch mich erhalten geblieben. Ah, Sie wollen! Wie dankbar bin ich Jhnenl Jch weiß, es würde Sie be leidigt-m wenn ich Ihnen einen un berhältnilzmäßigen Preis bieten wür de; ich darf Jhneä nur den reellen Wert ersehen allen Sie sehn Mart-» Herr Deldl schien glücklich, Mr Mit-man den Gefallen tun In tön Fuss-. Ek sagte ja. nnd außerdem — siinf Mark Verdienst waren besser als nichts· Während der Fahrt nach dem Bahnhof streichelte Mr. Newman Zärtlich seinen neuen Stock nnd sprach halblaut Vor sich hin: »Der alte Esel, der Walten hätte wahr haftig noch dreihundert Mark dasiir bezahlt. Na, jetzt habe ich doch den Stock eines deutschen Rat-:—herrn!« Nun, er stammte ans dein Nach laß eine-J anfobassisten, der den Stock immer getragen hatte, wenn er alsI kluger Bürgermeister vor-, Saardam austrat — W Der barmherzige Samariter Novellette non han« Oriac-. Die Nacht war sehr dnntel, als die beiden Sanitiitshundesiihrer hin ausgesandt ninrden mit ihren Schä srrhnndem die, am Riemen geführt, Jstill nnd folgsam neben den tapfer augschreitenden Männern herliefen. Da sing znr Linken, in der Ferne-, Hanf den Donnerschlag eine-: schweren Ilveichiitzez ein Pachthos zn brennen »an. Tie Gratiate nnn te in eine iSchenne gefahren seln; wie rasend schlugen die Stichslamnien ans dem lGebäude hinauf in den wollen schtvarzen Himmel. ; Und vlötzlich war die Szene tag -hsFll beleuchtet . - Der Führer Scherber, wiewohl er van Hause aus Musiker war und segentlich sanftmütig, fluchte wie ein ’ eide. Hans Brendel dagegen verlor zseine Ruhe auch seht nicht und legte isk mit dem leisen Rufe: ,,Niederl« l » ii das zerstampfte, nicht abgeerntete benseld. ! ! Der andere blieb stehen« Die wall iartig erhöhte Chaussee gab wirklich »so viel Schatten, daß sie nicht gese Hen wurden, sonst hätten die Eng länder da dkiiben im Schiihengraben wohl geschossen Sie zogen sich also an den Ehanss ll heran, setzten sich ans den senchten Erdboden hin nnd überleg tcn, wie sie iiber die hohe, von ben galischen Flammen beleuchtete Stra sie fortliimen »Die Fernie brennt die ganze Nacht,« meinte Hans Breite-eh »das können wir nicht abwarten« »Na, wir wollen nnd jedenfalls trennen,« sagte Scherben ,,geh du ’n IlnIndert Schritt zurück, da haben die samsresser doch nich so leichtesi Ziel« »Ach, da drüben is- sa anch ’n Ge hölz, nnd ich glaubt-, da finden wir welche . . . Venviindete.« Der lange Scherber sagte nicht-: inehr, er kroch schon die Böschnng hinauf, oben steckte er den Kopf iilier die Strasse: »Ob« ich da gesiin riiberlomme?« Dann rannte er gednclt, wasJ er konnte! Es lnallte Einmal nnd dann: knack; lnackl lnaill sinailemclnmll Eine ganze Salve Voll-J Brendel nmchte ein Undmen weiter bin dieselben Einmal-, und die Engliinder schenkten ilnn nichts-. Den Landstnrmlnslni risz ilnn eine Kugel vom Mai-»f. Er fiel, obwohl unverletzt, ans der anderen Seite die Vöschuug herunter. Lag eine Weile-, und sein giediildiziise. kluge-J Tier stand bei ilnn, unt dem Vorteil des Vernnnstlosen begabt, das den Tod fühlen muß, nni an ihn zu glauben. Die Himnielsrote dunkelie pur purn, und die Finsternis auf der Erde stieg wie schwarzer Nebel — daLs Feuer driiben schien mit seinem Frass zu Ende zu leninien Ec- wur de iiiöglich, die Hnndin suchen zu lassen. «Vorani, Vilinal Znch’ nnuidl« Wie ein schwarzer Ball sm«iiiia«s davon. Der Mann langsam nach, in der Richtung aui das Gehölz. Der Hund tain zurück-, leer, und wurde wieder liinausgeschictt ——- Der Füle rer folgte mit belnitsam tastendeni Fuß. Denn hier war Wiesentmdeih voller Raupen nnd tückischer Löcher. Vor einzelnen Erlenbiischen, die wie lauernde Männer standen, konnte man sich fürchten. Aber die Furcht schlief ein, wagte sich kaum an die Dentfläche in dem Graßlicheu, was jeder Tag erneute. Nun kam der Hund abermals-, und jetzt zeigte sein leises Schnansen, daß er etwas im Fang trug, das er gesunden hatte. Hans Brendel nahm es ihm ab .. ali! ein psnndschwerer Gratiatiplit· terl Er lobte das Tier, das sich setzte nnd den Riemen lang an seinem Brustgeschirr befestigen ließ. Der Karabinerhaken schnappte ein — -aber zugleich erbebte die Lust von einem erschütternden KnalL So ge nau traf dieser Knall mit der kleinen .Fedetbeiveaus des Karabinerbakem h zusammen, daß Brendel einen Augenblick die Vorstellung hatte, es bestände irgendeine Verbindung. et a, wie zwischen dem elektrischen ntakt und der durch ihn entzünde ten Mine. Aber dann zischte eine Riesenschlange aus, verwandelte sich in ein heulendes Untier, das durch die Nacht sauste, und erbarst unter einein grauenhaften Geschmetter. Sie schießen aus die Ferme, dachte Hans Brendel und ließ sich ohne Un ruhe von dein Hunde leiten. Der Hund schien seiner Sache vollkom men gewiß zu sein. Für Vrendel, der ihn so oft bei der Arbeit beobachtet hatte, war das nichts Wunderbares mehr. Er vertraute der in gleicher Situation zahllose Male erwieseneu Ueberlegenheit des Tierinftinktes wie etwa-Z Selbstverständlieheni. Uebrigens niuszte er ja seine eigene Aufmerksamkeit auch aus anderes richten nnd sehr genau nufpassen, inn nicht in eins der Sninpslöcher zu fallen. Die Reise ging richtig ins Gehölz. Der Hund stand. Der Führer leuch tete dein Dinge-streckten vorsichtig ins Gesicht. Die Pupille stak sast unter dein oberen Lid. Tod? —- Ja, das Herz war still. Aber da drüben stöhnte es. Der» Hund kam leise minselnd wieder:i »So recht, Alterchen, da? —- nein,« da! Das macht, wenn man auf ei nem Ohr schlecht hört, man irrt sich in der Richtung. « Oh, der lebtel » »Wasser . . . Wasser-! ...« ! »Ja, ja, armer Kerl,« Hans Brendel reichte ihm die Feldslasche, »der Durst ist immer das schlimm stel« Dann sah er nach der Wunde. Und der weiße elektrische Strahl guckte zuriick vor der entsetzlichen Wunde, in die das rechte Bein des Mannes unterhalb desJ Knieg ans lies. T »Meine Beine . . . nnd Arme . . . sind gesund . . . ich hab’ · . . bloß ’u Brustschuß·« Die Worte kamen einzeln, unwillig, ans einer vom To desgrauen gepackten Seele, die ihr Los nicht glauben wollte, die sich wehrte gegen die Vernichtung Hans Brendel hatte schon zu viele gesehen, die Abschied nahmen oder nehmen mußten — er täuschte sich nicht. Aber er untersuchte doch die Brust dess- vom Schrapnell Zerrisse uen. Der llnterosfizier hatte außer dem drei Eingehn zwei durch die Brust, eine durch den Leib —- daß et lebte. war ein Wunder. Das Ge fecht, in dem er fiel, hatte tun drei Uhr stattgefunden, am Nachmittag, sin mai« Li nach Mitternacht Der Eanitijter überlegte Und da nandte ihin der Leidende da-: Gesicht HU » Hin diesem Augenblick erlannteni sich die beiden. «Lsan-: . . —«,,(iteoig. Reden tonnte keiner. Ton Wun ten packte ini Tode die Todesangst: ! der unid sich an dir rächen, dich ber lassen! . Lr betain eJ fertig, die Linie n eiheben, sie an-: suslreilen Hand Linndil nahm die Hand, diese Hand, die iltsn mit einein Hieb fast erschlagen hatte! : llnd ans einmal fas: in der rot diinnnerigen Triibe zwischen dem Wunden nnd dem Gesunden eine Frau Eine Fran in lichter Seide mit tiefem, von Spihen betontem Ilnssschnitr mit Diamanten an den lreicheu Händen nnd mit einem LäL then-, einem Lächeln um den roten Mund, dass der, dem es gegolten, nie mehr vergessen konnte »Meine Fran,« nmrnielte der tot nmnde llnterofsi,3ier, der vom Gom nasinni her dnrch zwanzig lange Jahre der Freund des Sanitiitsdhuns desiihreris gewesen mar, bis das Weib sie trennte. Hans Vrendels Herz brannte von tausend JranenLsp Er sah, wie durch einen weiten Raum der Erin nerung, wieder in die breitgesrhnittes nen Augen hinein, die ganz schwarz schienen, deren holdes Leuchten ihm jahrelang nachgeschlichen war und das ihn fast wahnsinnig nor Seini sncht nnd Schmerz gemacht hatte·.. War Gent-g daran schuld? Hatte er sie ihm weggestohlen, ihre Liebe? Der Sterbende atcnete bang, mit schwerem Nöcheln. Da schämte sich Hans Vrendel, schämte sich so sehr, daß ihm die Tränen kamen. Und der Zerfchossene sprach: »Wenn icl wie der . . . nach . . · nach sanft komme . . . dann . . Er schien zn vergessen und in Lethargie zn sinken· Hans Brendel saß ganz still bei ihm auf dem feuchten Boden und hielt den Kopf, in dem das Fieber braun te.. Auf einmal kam eine neue Welle aus dem tiefen nnergriindlichen Born des Lebens ewigen-der sterben sollte, hob eine Hand nnd sagte deutlich und fließend, als horche er noch einmal tief in die Vergangen heit und gäbe ihre Klänge und Töne alle wieder-. ! »Sie war so gut . . . immer, nnr lmanchmal hat sie geweint, wenn ich lunvermutet kam . . . und wollt' es nie sagen . . . wie osti wie oft hab' ’ich sie damit geifniilt . · . ich glaube, zdu warst es, Hans . . . und dabei hat sie mich doch liebt Kann man Idenn zwei lieben?" . Der Nachtwind ging im finsteren ’Gezweige, von den Bäumen tropste die Feuchtigkeit. Dem Manne, der hier ein Leben hingeleitete an das dunkle Tor der Ewigkeit, rannen die Tropsen von den Wangen. Er sah seine Jugend wieder, sah alle die lichten, heiteren Bilder, ans denen Georg und er als fröhliche Kinder spielten, und sah in das tätselvolle, verstohlen lachende Frauengesicht, dessen dunkle Augen er sein Leben lang nicht vergessen konnte. Da kam es ihm vor, als würde das Leben mn ihn her von einem schweren, ringenden Schauer geschüt te1t. . und ein Schrei klang, einer zerbrochenen Stimme letztes Wirken »Hilde! . . . ach! .. .ich! . . . Hildak . . . mein Gott!. « Wie wurde der Kopf des Freun des ans einmal so schwerl . . . ein Schütteln der Glieder . . . er reckte sich, und dann löste sich alles im Tode . . . Da nahm Hans Brendel in tiefster Austvallung das leblofe Gesicht in seine Hände nnd drückte ess- gegen die Brust. , Er wollte gehen. Doch ihn bannte ein Geschoß, das niordjanchzend daherkam und mitten in das verglühende Feuer der Ferme l)ineinraste, daß abermals rotgolden die Glut ansslog... Er überlegte wer würde dem Toten den letzten Dienst erweisen und das, was er bei sich trug, nach Hause an die Frau senden, die ihn beweinte? . . . Vor sichtig schlug er dem Freunde den Wassenrock nnd das Hemd zurück Ta war eine Brieftasche . . . ein Bild . . . Eine rasende Lust, die darin zu finden, die so var ihm stand, als sei er ihr gestern zuletzt begegnet, ließ ihn kaum überlegen. Seine Laterne-flammte ems- er sah dass Bild . . . Und ein Zittern der Enttäuschnng, der Wut beinahe, ließ ihn erbeben: das Gesicht war fort! Hildes Gesicht hatte die Kugel. die ihren Gatten tötete, brutal zeri rissen . . . Noch in der Zerstörung neunte sie sich ihm nicht, nicht ein mal die Freude ihre-J Anblicks sollte Hans Vrendel haben! Fiir ihn blieb nicht-J! Alles nahm der andere niii sich, alle-IT . .. Tei- Nachtiuind wurde zum Etuan Von Westen her knatterte ('-ewehrsener Haust- Brendel sror. Was sollte er noch hier? Hatte er nicht seinem Freunde über das dunkle Sterben himueggeholfen, der ilnn daiiir im Tode noch das Leben vergällt? Eine maßlose Bitterkeit rang in ihm nnd der Wunsch, selbst an des-s anderen Stelle auf der kalten Franzosenerde zn liegen . . . Er wur de von niemand erwartet, wenn er lseinikanh nnd die lieben, weißen Arme, die sich nach dem Gesallenen ausbreitete-h iuiirden sich ihm abweh r( nd entqeaenstrecken . . . Ver Hund nnnselte an seiner Sei te, als niollte er sagen: es gibt noch mehr Wunde, denen ioir helfen sol len! . .. Doch Haus Brendel stand und stand. Er starrte auf die Ferme, die wieder lichterloh brannte. Wozu dass alle-» -« Wozu das Weh der Mit lioueu. .. Was ging es ihm an, der ewig doch vertrieben wurde vom Tisch des Lebens?!... Die Kälte nnd dast- Grauen nnd die lautlose VerniesunxL die von überall ihu an nsehten, ließen ihn hart und ohne Empfind-ein er brauchte sein Mitge siihl siir sich, denn er war unaliicklis eher al-: allel . . . Tie Tränen tropfs ten von seinen Liberm er ersehnte nicht-:- uiehr alsI den Tod. Ta tlana es unt dein Winde herüber. ioie Hornrusl Dass An griffssiauaU — Durch dass Licht, das die Ferme loheud weithin oersti«eute, rannten tausend kleine schwarze Gestalten. Tie Gewehrsaloen tnatterten ihm entgeaenl Ein Geschrei erhob sich. Scheiinverser betasteteu grinsend das Feld. Ho . . . ho . . . horr . . .« kenn es her! . . . Die Deutschen griffen an! . . . seine Kameraden, seine Briiderl . . . s Jn Hans Brendels Brust glühte »die Flamme, die schon hatte verlö zschen wollen, hoch aus! Er rannte jvorwärtsl Er rannte nnd achtete aus den Weg nicht. Stolpernd siel er, ikam hoch und rannte-, was er konnte .dahiu, wo die seinen känipstenl sWo sein Herz ihn hinkust! Die Geschiihe trachten und Gratia tcn heulten über ihn fort. Aber in ihm jauchzte und jubelte der Mut und der Stolz und die Liebe zu sei nem Vaterlande-! . »