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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 5, 1917)
Sonntag-Satt de Scaaks III-zeiget und Mel-old SUPme eru Jul Der Richter schüttelte mehrmals den Kopf, während er den Akt studierte, trommelte mit der Linken allerhand Märsche,brummte, schnurrte und kratz te sich, änderte die Stellung der Ar me und Beine. siiihte die Stirn bald mit der linken, bald mit der rechten Hand, und sagte schließlich, aus die vor ian ausgebreiteten Papiere schla gend: »Als-I, so etwas ist mir aber wirk lich noch nie vorgelomment« Er stand aus und reichte seinem im selben Zimmer arbeitenden Schrist· siibrer den Akt über das Schreibtischs geländer. »Da will sich einer von seiner Frau scheiden lassen, weil sie sich die Lip pm fis-du« ! Und um das Abenteuerliche des Falles ins rechte Licht zu rücken, siigs te er noch hinzu .Und das mitten im Krieg! —- Die Menschen sind wirklich unverbesser !ich." Der Schriftsiihrer drückte bescheideni Verwunderung aus und begann uns gläubig zu lesen. Es war aber, wie der Richter gesagt hatte, genau so: Konrad Ritter von Tiefenbach, Mini sterialsetretär, achtunddreißig Jahre alt« seit siins Jahren verheiratet und Vater zweier Kinder, begehrte die Scheidung von seiner Frau JulianeJ gebotene StöckL mit der BegründungJ dasz sie sich die Lippen särbe. Eines nähere Motivierung war in der Kiages nicht vorhanden. Der Richter lud die Parteien vor, zur Einvernabme zunächst, später zu den vorgeschriebenen Versöhnungoders suchen. Sie kamen nicht, weder ders Mann noch die Frau. Es blieb nichtsi übrig, als der Gerechtigkeit ihren vor-i geschriebenen Laus zu lassen und die Verhandlung anzuberaumen. Auch der Advokat, der einmal ims Vorbeigehen in der Kanzlei des Rich-! terö voripeach, wußte nichts Genaue-s res anzugeben. Er zunte bloß die Ach-« feln und meinte, sein Klient wünsche! alles Wesentliche bei der Verhandlung! persönlich vorzubringen Man sah ihr-J an, daß er selbst nichts wußte. · Die Stunde der Verhandlung kam heran, der Richter warf feinen schwar en Talar über, wie eine — Schöne ihren FrisierrnanteL iilpte das Ba rett auf die Stirn, ren baut gelb grau und faltig war, wie schlechtes tkonzeptpapier, und legte sich in der Richtung gegen den Sigangiiaal ge messen in Bewegung. Er ging, nach Art älterer Richter, tnit kleinen, ängst lichen Schritten und la vorsichtig auf den blanten Ilieien des Korridorl seinen Weg lachend, all fürchtete er bei jedem Tritt, auf Glaslcherben zu stoßen oder in das Zangeiien eines Paragraphen zu geraten. Seine beiden Beisiger, gleichfalls in Talaren, folg ten in derselben Haltung. während der Schriftführer, im schwarzen Rock, die Alten unterm Arm, munter schrei tend die Nachhut des tleinen Zuges bildete. Alle vier Herren hatten, während sie im Gänsemarsch vorüber-zogen, den selben Ausdruck neugieriger Gespannts heit, der sich noch verschörste, als sie den Verhandlungssaal heiraten Das Ehepaar war bereits an wesend. Der Mann, lang und mager, in einem röhrensörknigen schwarzen Schlußroch der ihn noch länger und magerer erscheinen ließ, besaß jene sreudlose örarische Eleganz, die wie eine Schulausgabe der wirklichen an mutet und der man so häufig bei Ministerialdeamten begegnet. Korreit aber langweilig, wie der in ein Fut ternl gesteckte Regenschirm, den er ein tretend dem Diener feierlich überreich te, machte er, gravitätisch vortretend und ein gesaltetej Papier aus der Brusttasche ziehend, zugleich den Ein druck eines Ehrenmannes und eines Pedanten. Uebrigens sah ihn niemand an, da alle Anwesenden seine Frau anstarrten. Natürlich war es vor allem der Mund der hübschen Frau, der zur Betrachiun verführte. Rund, rot und schwe end, sah er aus wie ein Fiegel aus einem lichtrosa Liebesbries, nd wie ein solches lockte er in ein Geheimnij... Aber die junge Frau schien leine Lust Ia haben, dieses Geheimnis preiszugeben; denn pliihlickh als hätte ge körperlich empfunden, daß die liele ans acht indislreten Wonner ausen ans ihren Lippen ireuzten, zog sie ihr Taschentuch ans dein hand rhnh und hielt es svrtan trohig vor die inlriininierte Stelle ihres anmu tigen Kinderw. Ritters-eile hatie der liersiiende tm Wt den Unless M Protololls diktiert. Er wandte sich dem noch immer wie ein Denkmal in der Mitte des Sälchene ausgepslanz ten Ministerialheamten zu und fragte ihn mit Verwunderung, oh er sich denn wirklich scheiden lassen wolle. und aus diesem Grundes Statt zu antworten, zog der Gefragte zum zweiten Male das wieder eingesteckte lange Papier heraus und begann ohne weiteres, sichtlich erregt, zu lesen: »hoher Gerichtshofl Jndem ich die Scheidung non mei ner Frau Juliane aus einem schein bar nichtigen Grunde anstrebe, setze ich mich der Gefahr aus, von Ihnen, meine herren, fiir einen Narren oder Querulanten gehalten zu werden. Jch bin es nicht, und der Grund ist auch nicht nichtig, obwohl er vielen so er scheinen mag. Ader das Gewicht der Dinge wird durch die Verhältnisse be stimmt. Ein Lächeln tann ein Ver brechen fein, ein Achselzucken ein Mord. Alles tvnimt immer auf die Umstände an Jch stamtne aus einer altösterreichi schen Beamtensamilir. Meine Vorfah ren, soweit wir zurückzublicten vermä gen, standen in öffentlichen Diensten. Es waren einfache, rechtliche Menschen mit strengen Grundsätzen, wie sie sich in derartigen Familien herauszubili den und fortzuerhen pflegen. So bin ich auch erzogen, so wünsche ich meine Kinder zu erziehen. Denn ich beantra ge unter einem, daß das Recht sie zu erziehen, meiner Frau aberlannt wer de. Meine Frau ist anderer Verlunft als ich, sie hat eine andere Lebensans fassung. Trotzdem, oder vielleicht auch gerade darum, habe ich mich in sie ver liebt: in ihr hübsches Gesicht, ihr le bensfrohes Lachen« ihren roten Mund Erst nach der Hochzeit brachte ich in Erfahrung, daß er keineswegs von Natur so rot wäre Das geschah gleich in den ersten Wochen. Jch hatte auf dem Puhtisch meiner Frau ein Fläschchen mit einer larminroten Flüssigkeit stehen gesehen, und in der Meinung, daß es rote Tinte wäre, nahm ich es in mein Zimmer, um damit meine Konzepte zu korrigieren. Aber meine Frau tam mir nach, sah was ich tat und nannte mich, ärgerlich lachend. einen »Schul meister«. Zugleich erklärte sie mir mit ftaunenswerter Offenheit den Zweck der Tinktur, den ich nicht kannte; es war mir tatsächlich bis dahin unbe kannt gewesen« daß auch anständige Frauen mit derlei Mitteln arbeiten. Jch bat denn auch Juliane, ej in Zukunft zu unterlassen. Sie schmallte nnd antwortete mir nicht. Als ich schließlich dringlicher wurde, versprach sie mir es wohl, hielt sich aber in der Folge nicht an ihr Versprechen. Be reits in den ersten Monaten hatten wir deswegen eine tleine Art-einan dersehung. Sie weinte und sagte: Alle Frauen tun dai!« »Ich will es aber nun einmal nichtl« rief ich heftig, ergriff das Fläschchen und wars ej durch das Fenster in den haf, wo es zerschelltr. Zwei Tage spä ter hatte meine Frau schon wieder ein andere-L Dann tam das erste Kind, Juliane war leidend, ich wollte sie nicht quä len. Jch sah wohl, daß sie sich trotz ihrer Iträntlichteit und zeitweisen hinfälligteit jeden Tad, den Gott ge geben, die Lippen bepinselte. Aber ich tat setzt so, als bemerkte ich es nicht· Llls sie wieder gesund war, untersagte ich ihr den Gebrauch oon Lippenrot ein sür allemal. Sie sei jetzt Mutter, sagte ich, und ei wäre eine Schande oor dem Kinde. Jedoch sie wurde noch einmal Mutter, ohne daß sie sich an meine Vorschrift im geringsten getehrt hätte. Eine Art Verbitterung über meine völlige Ohnmacht bemächtigte sich inei ner und ich begonn, über diese Sache nachzudenken, gründlicher· vielleicht, als unbedingt notwendig war, aber so sind wir Tiefenbachi nun einmal alle, schwerbliitig, schwerlebig. Jch sragte mich: Flir wen stirbt sie den Mundi Für mich — das war unmöglich« da ich sie doch um das Gegenteil hat Also sitr die anderen. Und warum sür die anderen? Zweifelloö, um ihnen zu gefallen. Sie wollte also, obwohl mit rnir verheiratet und obwohl sie mich angeblich liebte, trotzdem den anderen gefallen, ja, es war ihr wich tiger als meine Liebe, die sie sich doch verscherzte... So brachte mich das Lippenrot aus die abschiissige Bahn der Eifersucht. Jch glaube übrigens noch heute, nicht ganz ohne Grund Eine Frau, die sich schmintt, geht aus Eroberungen aus, und eine Frau, die aus Eroberungen ausgeht, wünscht selbst erobert zu werden Aber ich will damit unseren Fall nicht in Verwirrung bringen. ch will nur sageen daß insolge die er scheinbar so deutungtlosen Gewohn heit meiner Gattin unsere Ehe von Unsan an nicht die beste war. Es ab a erhand Szenen und peinltche ustrttte. Einmal drohte ich sogar, sie zu verlassen. Es war anläßlich eines Todesfalles in meiner nächsten Fami lie, als ich die Entdeckung machte, daß sie sich fiir das Leichenbegiingnis die Lippen aufsrischtr. Ich schlug Lärm und erreichte, daß sie es tatsächlich eine Zeitlang unterließ. Da brach der Krieg aus, und alle diese Dummheiten traten in den Hin tergrund. Wir betätigten uns, meine Frau und ich, so gut wir tanntenz ich, da ich in meinem Amte unent behrlich, nicht an die Front gehen konnte, in einer Fürsorgeattion, meine Frau als Hilfipflegerin in einem Spital. Unsere Kinder hatten wir zu den Großeltern gegeben und lebten ganz zurückgezogem ohne gesellschaftli chen Verlehr, ohne Zerstreuungen, ein fach und bescheiden, wie man in alten Zeiten gelebt hat. Dabei wurde unsere Ehe besser, inniger, als sie je gewesen. Jch höre übrigens, dafz dies bei vie len Ehen infolge des Krieges der Fall Will' Auch das Lippenrot entfremdete uns nicht mehr. Um die Wahrheit zu gestehen, ich dachte gar nicht mehr daran, den ganzen Winter, bis zum 22. März. An diesem Tage fiel bekanntlich PrzemysL Jch hatte die Neuigkeit spät nachmitta s im Amt erfahren, eilte nach hause und teilte sie, noch fasfungsloi, meiner Frau mit. Ein Bruder von mir war unter der Be sahung: wir waren Wochenlang im Zweifel, ob er gefallen oder gefangen wäre· Aber auch davon abgesehen, welch ein Schlag für uns allel Ich schäme mich nicht einzugestehem dafz ich an jenem Abend geweint habe. Auch meine Frau weinte oder tat we nigstens fo. Schließlich beruhigte ich mich ein wenig, stand auf und ging in mein Zimmer, um einen mitge brachten Alt zu erledigen. Juliane wollte derweil nach dem Abendefsen sehen;« wir erwarteten einen Gast, ei nen Freund von mir, dem wir nicht mehr absagen lonnten. Allein ich hatte meine Kräfte über schätzt Es duldete mich nicht am Schreibtisch, das Alleinsein war mir unerträglich, und außerftande zu ar beiten, lehrte ich nach einigen Minu-; tenet in das Zimmer meiner Frau zu-l tU . Jch fand sie vor dem Spiegel im Begriffe, sich das Mäulchen zu lockte ren. Vielleicht geschah es siir unseren Freund, vielleicht auch siir den Spie gel oder aus Gewohnheit» .. Genug, es geschah, und an diesem Tage! Da ich unbemerkt eingetreten war, ließ sie sich nicht stören. Jch stand hin ter ihr und sah ihr zu. Zwei Schritte vor mir war ihr Gesicht im Spiegel. Aber ich hatte Mühe, mich zu über zeugen, daß es auch wirklich das ihri ge wäre, so fremd war mir sein Aus druck, der sich mir zum erstenmal ent hüllte· Es war leer. stumpf und see lenlos —- das Gesicht einer Dirne. .Meine Herren —,« er schöpfte Atem, steckte seine Papiere ein, knöpss te den Rock darüber zu, und schloß mit einer mühsam beherrschten Er regung: »Meine herren, ich lehne es ab, mit einer Dirne verheiratet zu seinjfch verlange die Scheidung von meiner Frau.'« Der Gerichtshof wies, mangels ei nes gesetzlichen Scheidungögtundes, das Klagebegehren ab. Doch bedauerte der Borsitzende in der Urteilsbegriins dung diese Liicke ini Gesetz und ließ, Isich zurückziehenb, den Gruß ber jun igen »Frau unerwiberL Die anoeren Verren, der Schriitiübrer, ber Abno kat und ber Gatte folgte seinem Bei spiel. Nur der Gerichtsbiener blieb inni- bielt, während die Frau jetzt .zornig und bestürzt ihren roten Mund sin einem kleinen Taschenspiegel be itrachtete, rnit einer nicht inißzuverstes ihenvm Gesinde vie Tük siik ihm sAbgang offen Msdeenisiertes Helmin riillt' es heut in alle Winde nein, Nä? schnitt ed gern in alle Rinden ein« S macht es gern den Ædrchen allen iEin Junggescll bin ich mita Haut und Haar Werd nie beim Stande-am mich unter schreiben. lNein iii mein Herz, und soll ed ewig bleibenl Bebauernb blick ich jeden Ebenen-in Und ireuzsideh dan ich es nicht bin, an; Denn Vinc, Kleide-, Schau-amech Spit zen, Schub Die lassen nimmer s Partemonnaie in Nu If Jch aber kann vergnügt diäesände rei Mein ist mein Geld und soll in Stahl sach bleibenl — Deplazierie Bezeich n n r g. A. (zu B.): «Schau mal den nberxelchet an. . . wie dein ber Zy lnber ut elend siebt, man sieht halt M gleich, baß er nicht im Zylinbers but teils die Welt gekommen W« IN Ums grenz. Von Fritz Sänger Wir saßen alle in der behaglich warmen Stube. Plöglich hörte ich einen Psiss; ich kannte das und ging hinaus. Draußen sinnd der Willi und sag te, ich sollte doch mittommen. Jch war einverstanden, ging wieder hin ein und sagte: »Der Willi hat mich gerufen.« Dann ging ich fort. Die Mutter rief mir etwas nach, ich hör te es noch aus der Ferne, verstand aber nichts. Es war eine kalte, mondhelle Win ternacht. Der Schnee knirschte unter den Schuhen, und ein eisiger Wind strich durch die Gassen. Der Willi ging voran, ich folgte; und erst als wir draußen vor dem Dorf waren, fragte ich ihn, was esi gäbe. »Wir wollen ums Kreuz fahren,«z sagte er. » Jch rieb mir die Ohren. »Dost» Du einen Schlitten?« ,,Nein, Du weißt doch-· Jch wußte, daß er teinen besaß, das war aber nicht schlimm. Jch ging zum letzten Haus zuriick, da standen immer einige im hausflun Jch nahm schnell einen heraus und brach te ihn auf die Stelle, von wo man abfuhr. Nun fragte ich aber doch den Willi noch «Warum willst Du jetzt Kreuz fahren? Du tannst es doch nicht-« Ums »Eben darum. Die Marie soll mich» nj t mehr auslachen« ch stand eine Weile und überlegteJ und sah den Willi an; er stand ganz ruhig, und seine großen Augen sahen in die Ferne, in die Berge, die so eigenartig gespenstisch dalagen in der Winternacht sonst, Gipfel an Gipfel reihte sich i i i Sie schienen näher als: und dazwischen die dunklen Täler," hinter uns das Dorf, alles in eisiger Iotenruhr. Jch war nicht ganz frei von Furcht« und wäre lieber wieder nach Hause gegangen; meine Phantasie bevöl terte die dunklen Tannrnwiilder. Am Tage suchte ich sie gern auf, doch nachts vermied ich den alten Weg, der mitten hindurch führte; aber ge rade oor Willi wollte ich nicht zu rückstehen, obwohl ich ein Jahr jünger Mot. Der Willi war der Sohn einer Lehrerswitwn groß, hager und blaß. Er hatte ein paar ernste Augen und schien immer furchtsam. Es fehlte ihm vielleicht weniger die Kraft, als der Willi zur Kraft, jedenfalls unter uns Bauernlindern galt er als tör perlich schwach und darum als min derwertig. Es war deshalb so seltsam, daß er in der Nacht ums Kreuz fahren wollte, und wegen der Marie; lonnie ihn das helle Lachen dieses Mädchens so tränken? Die Marie lachte alle aug. Sie war groß und schön und hatte ein paar hlonde dicke Zöpfe. Sie lentte den Schlitten, daß kein Junge es ihr nachmachen lonnte, und sie war auch in der Schule die erste und lachte alle aus; den Willi lachten aber auch die anderen aus. Warum gerade rie? wegen der Ma Während ich so überlegte, drehte sich der Willi plötzlich zu mir und sagte nur das eine Wort: »Komm.« Er stellte den Schlitten zurecht und setzte sich daraus. lss war ein ganz kleiner Schlitten, nnd der zweite mußte dicht an den ersten heran sißen nnd die Beine hochnehmen, damit sie nicht den Boden streiften. Jch besann mich nicht länger, saß auf, und los ging es dem steilen al ten Weg hinunter. Erst ging es durch offenes Ge lände, dann tam ein Hohlweg und die erste Larve. Jch merkte gleich, daß der Willi im Lenken nicht ganz sicher war und machte mich bereit, nötigenfalls zu helfen· Der Schlit ten sauste weiter und über den er sten Graben. Der Graben ging quer iiber den Weg und war zur Ableitung des Wassers bei schwerem Gewitter im Sommer bestimmt. Die tleinen Schlitten glitten leicht iiber die Gräben, aber jedesmal slogen sie dann etwa zwei bis drei Meter in der steten Lust, und wenn sie wie der aussegtem mußte man sich vor sehen. Es ging aber alles glatt und weiter mit immer rößerer Geschwin digkeit, der Wind sauste um die Oh ren, das Mondlicht glänzte ans dem gefrorenen Schnee, immer weiter ging es. s Der zweite Graben kam. . . auch das ging, aber nun kam das Kreuz und die große Kurvr. ho, dopp, über den dritten Gra ben, wir flogen vielleicht drei bis vier Meter in der Lust, und ich hatte das Gefühl, jesst ist’ö gefehlt. Jch setzte ein und wollte lenlen, aber es war zu spät. Das ging alles so schnell, man hatte kaum Zeit zu überlegen, bum3, bumö, und da lagen wir im gesorenen Schnee, gerade dem Kreuz gegenüber. Das hatte jeder von uns schon mit gemacht, und man stand wieder auf und schüttelte den Schnee ab. Der Willi konnte nicht lenken, das stand fest; aber ich wußte jetzt auch, wo er den Fehler machte. Jn dem Augenblick, als man sich in der Luft befand, mußte man den Schlitten durch einen geschickten Schenkeldruct einen Ruck nach links geben. Das war ein ganz einfacher Trick, und das wußte det- Willr nicht. Jch machte ihm das llar, und wir tletter ten den Berg hinaus und fuhren wieder hinunter-. Wir flogen noch einmal in den Schnee, aber dann ging es zunächst mit verminderter Geschwindigkeit und nachher im vol len Lauf, wie ein Pfeil flog der kleine Schlitten, und der Willi lenlte ihn. Er hatte noch nicht die infiinltive Sicherheit wie ich und wie alle ande ren, aber es ging. Am anderen Tage gingen wir, neun Knaben nnd sieben Mädchen, wie jeden Tag den Winter, in den Religionsunterricht ins andere Dorf. Auf dem Heimweg ging man durch den alten Weg. Jeder hatte feinen kleinen Schlitten bei sich, auch der Willi hatte heute einen Schlitten. Die Mädchen lachten ihn gleich aus, al len voran die Marie. «Willi, willst Du eine Weltteife machen?« fragte sie und wars dabei einen Zops zurück. Der Willi schwieg, aber in feinen stillen Augen leuch tete es auf, und über sein blasses Gesicht glitt eine leichte Röte. Noch bevor wir am Kreuz waren, trennte sich der Willi von uns und ging rasch voraus. Die Marie rief ihm etwas nach, er lehrte sich nicht daran. Wir an deren waren beisammen, und der Zug bewegte sich langsam vorwärts. Man sprach und lachte. es war ein schöner Wintertag, und am Morgen war Neuschnee gefallen, so daß der Schnee einen halben Meter hoch lag· Da und dort flog ein Schneeball durch die Luft; aber zu regelrechten Schlachten kam es nicht, wie sonst ost, es war zu kalt. So gingen wir bis zum Kreuz. Dort blieb man gewöhnlich stehen, um sich etwas auszuruhen. Das taten wir auch jetzt· Auf einmal rief die Marie: »Da, der Willi kommt, weg, er fährt um die Welt!« Alle lachten und sahen den Berg hinauf. Da kam wirklich der Willi ange fauft. Der Schnee stob nach beiden Seiten, und der Schlitten flog daher wie ein Pfeil. Die Marie rief ihm von weitem höhnifch zu: ,,Willi, drems’, bren:f’!'« Der Willi bremfte nicht« Er fuhr über den ersten Graben, über den zweiten Graben, und jetzt tam er ans Kreuz wo wir alle standen. Ich zit terte halb fiir den Willi. Alles ver stummte auf einmal. Der Willi ließ fliegen und flog durch die Lust, ich achtete darauf und fah, er hatte ge wonnen. Er setzte auf und fuhr glatt weiter auf voller Bahn mitten im Weg. Aue riesen: «Bravo, bravo!" At len voran die Marie. Jetzt sah der Willi zurück und lä chelte. Aber in diesem Augenblick verlor er die Gewalt über den klei nen Schlitten, die gefährliche Kurge hatte er Passiert; aber da unten stand eine uralte Linde links am Weg, dort war nur eine kleine Kurbe. aber zu spät —. Uns allen stockte der Atem, mit voller Gewalt suhr er ge gen den Baum, der Schlitten zer schellte und der Willi blieb wie tot liegen. Die Mädchen schrien aus, und ei nige verhüllten ihr Gesicht. Wir Knaben aber rannten so schnell wie möglich hinunter. Willi blutete aus einer Wunde an der Stirn, sonst war er leichenblaß 1·nd lag wie leblos da. Jeder wollte helfen, und die Mäd chen kamen hinzu, und alle redeten durcheinander; aber« wir waren alle völlig ratlos. Einige meinten, er sei tot; andere behaupteten, er lebe noch; alle hatten wir großes Mitleid tnit ihm, aber niemand wußte, was an zufangen sei. Da trat die Marie hinzu. Sie hatte ein schönes gehäteltei Kot-stach aus weißer Wolle. Sie band es. ab und band es dem Bewußtloxen nni hals und Kon sie wischte im mit einem Taschentnch das Blut aus dem Gesicht, und dann stand sie aus. Alle waren jetzt still· Sie war leichenblaß, so blaß, wie der Willi selbst, und halblaut sagte sie zu einem: »Geh Du zum Arzt —- schnell,·« fügte sie hinzu. ·s Der ging Zu einem anderen sagte sie: »Geh nach Hause zu meinem Va ter, er soll mit einein Wagen kom men.« Auch der ging. Ein Mädchen schickte sie zu Willis Mutter, sie mußte aber sagen, es sei nicht so schlimm »Wer kann etwas hergeben, das warm ists-« fragte sie jetzt lese. Ueberileider trugen wir nicht, aber jeder konnte etwas hergeben, der eine die Mütze, jener die Handschuhe, der dritte ein Halstuch, einer zog sogar seine Jacke aus. Die Marie verwen deie alles und bettete den Willi weich und warm in all die verschiedenen IKleidungsstitckr. « - · ,,Stellt Euch alle ganz nahe her um,« sagte se dann, »daß es ihm nicht zu talt ist.« Das taten wir. Und so woll ten wir warten, bis der Arzt und ein Wagen aus dem Dorfe lamen Es kam aber vorher ein Knecht mit einem großen Holzschlitten, der in den Wald fahren wollte. Auf diesen Schlitten luden wir sorgfäl tig den Willi. Er rührte noch im mer tein Glied. Jch setzte mich ne ben ihn und fah ihm immer in das Gesicht. Niemand wußte, daß wir die Nacht vorher ums Kreuz gefahren waren, und ich sagte nichts, um so mehr machte ich mir im Stillen Vorwürfe. Jch glaubte aber nicht, daß er tot sei und sah immer auf seine Augen und dachte, er muß die Augen wie der öffnen. Langsam glitt der Schlitten über den Schnee. Die anderen Kinder gingen alle hinten nach und spra chen leise. Der alte Knecht achtete vorn auf die Pferde, und selbst die Pferde schienen mitzuempfinden, daß sie eine traurige Last zogen; sie sent ten die Köpfe und gingen stiller als sonst. Mich beschlich eine namenlose · Angst, und mit feuchten Augen fah ich auf das blasse Gesicht; denn viel leicht öffnete er die Augen doch nicht mehr Aber er öffnete sie einmal, lang sam öffnete er sie, und er sah mich erstaunt an. Jch atmete auf; er wollte den Kon heben, aber er konnte nicht, es mußte ihn schmerzen. Ich sah, wie seine Lippen sich bewegten, und ich hielt mein Ohr an seinen Mund. Mit laum oernehmbarer Stimme sagte er: »Ich bin doch —- umg —- Kreuz gefahren-« ! Ein mattes Lächeln spielte um seine Lippen, dann schloß er die Au gen wieder und öffnete sie an dem Tage nicht mehr. » Zur Gesundung tam er ins HStädtlein in das SpitaL und von da lszog er mit seiner Mutter fort. Un sgefiihr ein Dutzend Jahre später traf ich ihn wieder. Die Marie hatte er längst vergessen, er fragte nicht ein mal nach ihr. Er war ein sonniger Mensch geworden, und wir erzählten uns die Geschichte, so wie ich sie hier niedergeschrieben habe. Afskiqnnische sqlladh ; iAnz den isvcocrscisischen Etlcbnisscn dci Renticrg Leim-recht Schmidt·)« Ich bin (2ie sehn «a«) Angeln-nd, Yscddo zweelnmdcrtsnsfzig Fund; iUn lebdc lang" (Sic wissan fas« iJn dunkeln Lerddcsrl Afsrigm Un wie ich einst spazieren geh« LVeritrhn Er mich) bei DnhomeL Asa nützt isic alt-um's wohl etwa nich) Ae Dutzend Nein-r los uf mich. Die schleppdrn mich twns sann da sin) Türctdcmang zum Gcenig hin. Gaum sah dcr isctnises meinen Speck, Du war er vor Entzickcn weg Un (hcecnse) sprach mit Zäynellabbem Das gibt n gaben Sonndngshabvenl Un scixve mich so srcindlich an, Wie mer (nu ähnu nnk seixen gann. Un alle, ringts åtieiieh jajaa) Die standen glei ifalls seixcnd da. sUn wie sq alles 's Maul verzog, »Da Hei-nie. yecrnx) scixt' ich noch. — JDa atvcr stutzt-e ie der Geeni .(Jch geh’ Sie schwarz us·1.icig) nich wenigs Hal rief er ssatdisch seine okte), Das is ä Gcrl von PrimasSordei Wer, gonnnt mer’n so, noq fei et ann, Das is wcesz zcnappiy ii ganer annl dihn sre en wcer' itveess olc’ chnde« Den mach« mer nutzbar un ern tande. . Un ehr ä Mon t-nou«vekstrjch, War Uclnvuppö ian set Minister ich. So gehst noch heidxz manchem Ranu Wenn elegant er seixen sann