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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Nov. 15, 1912)
Nebraska Staats— Anzetger und J cerold Ja ttttttttttt Kummer 14 See see-innern l Von Max Naratoslr. I Ich stehe lchweiqend mild dein Berges-; ran Und blicke sinnend in das weite Land-s Das, ties vergoldet, liegt im Abend-. chem. Ein wundes-volles Bild. Ach bin allein-. Da kommt di- Schusuchi im mit leisem. Schritt. Und die Erinnerung. sie wandert mit.« llnd beide treten fturrnn en mir her n:’ Ich weiß, daß ich sie nicht vertrei n1 kann. Und zitternd fiilslt mein-Pers das alte et , Die Wunde brennt, die lauen gebeilt die Zeit; Schwer atmend sieb« ich ans der Bet M « Und ties dnrchtoiiblt mich namenlolei Web. Eine Instit-sticht Lied-. sumorezle von Elle Ritter-. Eine Ferienreise aufs Land zu gn ten Freunden. Meine Fran, ich, die beiden Kinder. Als wir eben ab sabren wollen, lommt mein General und vertraut rnir seine älteste Toch ter an, die aus dasselbe Landgut reist. sSie beißt Adda, ist blond be zopst und blau besagt, sie ist 18 Jah re und bat eine »ungliialiche Liebe!« — Wer diese Liebe ist, abne ich nicht. Ein «windiger Lentnant,« sagt Papa General. Sie soll diese Liebe vergessen. Wir sollen leine Gelegenheit vorbeigehen lassen, sie sie vergessen zu machen. Jedes Mittel ist recht. Jch bitte un gern Generalstöchter. besonders bei so lomplizierter Gemiitsversassung Meine Frau sagt aber, es wäre un sere Pflicht, meinem General den Ge sallen zu tun. Sie verspricht. mir alle Mühe und Unbequernlichleiten dabei abzunehmen. Jrn Kieinbahnzugei 20 Stück Handgepiickt Die Kleinbahn ist heute ersssnet, resp. eingeweiht worden. Man hat sie dabei start gefeiert. Ich silrchte —-« zu start — denn ihr Gang zeigt heltige Unregelmäßigkeiten. Die Fahrt ist aber ein wahrer Triumph zug. Fahnen — Guirlanden ·- mehr oder weniger weißgewaschene Jung frauen! Die Einwohner der Ort schaften, die wir (durcheilen, hätt’ ich beinahe gesagt) also durchqueren in Festtoileite, mit Tücherschwenien und Hurrarusen neben uns herlausend. --— —- Unsere Kinder jubeln —- meine Frau, die siir Ausmerlsaniteiten jeder Artempsänglich ist, verneigt sich huld voll lächelnd aus dem Coupissensteh die Tochter meines Generals leutzt Mit dein rosigen Zeigesinger tupst sie ein Tränchen aus dem Augenwintei. Plötzlich aus sreiem Felde hält unser »ZiLgle« mit kurzem Ruck still, das Lotomotivchen stöhnt jämmerlich,kes kann nicht mehr. Jch dachte es rnir ja. daß irgend etwas nicht sunttionie ren würdet Wir bleiben also kleben! Voll schari sich um uns, höhnisch sehen die Schwalben von den Telegraphendräh ten aus uns hernieder. Ob der Lolotnotive das Wasser oder das Feuer ausgegangen —- ob —· wie Kenner behaupten, von allzu starkem, ungewohntem Lausen eine Achse heiß geworden ist —- -— Du abnit es nicht. Da die Weitersahrt ins Ungewisse verschoben ist, steigen sämtliche Rei sende aus, den schönen Sommerabend im Freien zu genießen. Wir lagern uns am Bahndamm neben einem Kornselde. Die Tochter meines Ge nerals, die bis fest andauernd ge seuszt, und sich nur mit melancholi schem »Ja« oder »Nein« an der De batte beteiligt hat, fängt ein Ge spräch an mit einem schicken, jungen Mann in blau Cheviot und Panama. Der junge Mann kommt mir bekannt vor, ich tann mich aber nicht besinnen, wo ich ihn gesehen habe. Er stellt sich vor. Er reist auch siir einige Wo chen aufs Land. Zufällig aus das unserem Reiseziel benachbarte Gui. Meine Frau meint, es wäre ein net ter junger Mann und vielleicht eine gute Ablentung von einer unglücklichen Liebe. Wir sehen nun harmonisch gruppiert am Bahndamm, im Schein der untergehenden Sonne und mar ten, bis unser Lokomotivchen sich wie ter erholt hat. Wir psliicken Blumen und winden Kränze! Wir schmücken uns mit diesen Kränzeni Wir sin gen gemeinschaftltch mit allen Reisen den Vaterlands- und andere Lieder «O, wie wohl ist mir am A—ha-—— bend, mir war As—ha——bend, wenn zur Ruh die Gtoeken läu—häu——ien Ein musikalisches Genie hat sich ge funden, das mit einein sie enschiem dirigiert. Ein Amsteur otograph nimmt Gruppenbilder aus. Die all gemeine Siimmu · ist aus der sähe — man ist sow "sioetier, dritter, wie vierter Masse nur einer.Meinnng. nämlich, daß man selten o gut amitstert hat. II t eine byllet Eben, als wir im Begriff sind, einen Verein zu gründen und allseitig Dud briiderschaft zu machen, erklärt der Zugsiihrer, daß unser Lolornotivchen sich besser fühlt, und wir weiter fah ren können! ——— Schade! Der Aufenthalt bei unseren Freun den übertrifft an Schönheit die kühn sten Erwartungen. Bei der Anlunft sind wir mit Fahnen und Jllumina tion geehrt worden, aus einein lleinen Bdller bat man Salut geschossen, mit —-Seltftrofen.11nsere Freunde be griißen uns nrit sichtlicher Freude. Anscheinend haben sie bei der goßen Verspätung nicht mehr daran ge glaubt, uns beute zu sehen. Unser Leben besteht nun aus Fau ienzen und Nichtstun. Ein idealer Zustand, dem wir uns in dem sicheren Gefühl hingeben, ihn verdient zu ha ken. Nebenber versuchen wir, uns land wirtschaftlich zu betätigen und ich bin recht stolz darüber, wieviel Kennt nisse ich doch von »Drainage" und »Stall- oder Wiesenfütterung« be sitts-« Der analt eines Briefes meiner Tochter an eine ihrer 27 »besten« Freundinnen illustriert im übrigen treffend unser Leben. Sie schreibt wie folgt Liebe Annemarie! Es ist hier sehr ländlich und riecht nach Kuh! Eine Kuh isi so etwas ähnliches, wie Bolles Milchwagen in Berlin. Es gibt auch eine Masse Schweine. Die Schweine sehen sehr schmutzig aus, weil sie nur Sonn abends gebadet werden« Jch besiehe viele Abenteuer, besonders mit Eseln. Die Esel sind so »hintertiicksch«, sie schmeißen einen in die Nesseln und dann bekommt man Ausschimpse, weil da gerade ein Fasanennest gewesen ist« wo man hinfällt. Es ist furchtbar schön! Außerdem ist da noch die Adda, von der Bati sagt, sie ist so toll traurig, wir sollen sie nicht stö ren. Na —- ich störe sie doch gar nicht, wenn ich bloß aus’m Baum site, wo die Bank drunter ist; und wo so’n Herr neben ihr sitzt, der so’n Unsinn redet und immer sooooolche Augen macht! Auch gibt es viele Schafe und Dich grüßt s Deine allerbeste Freundin Lotte. Was ich sagen wollte! Richtig! Bei obigem Bries sällt’s mir ein. — Der nette junge Mann aus dem Kleinbahn - dell hat bei unsern Freunden Besuch gemacht. Er ist irgendwie verwandt mit ihnen. Die Tochter meines Generals erschien auch bei diesem Besuch! Ganz in weißt Sie sah bildhiibsch aus, und war auch recht fröhlich. Jch sinde, sie trägt ihre unglückliche Liebe mit rech ter Fassung. Wir sreuen uns alle, daß es so ist. Es zeugt von einer gewissen Seelengröße. Uebrigens wirkt unser netter Rei segenosse auch sichtlich erheiternd aus ihren Gemütszustand. Wir haben ihn deshalb ausgesordert, uns recht ost zu besuchen. sEr hat sich erst eine Weile nötigen lassen, dann aber ver sprochen, ganz gemütlich und ohne vorherige Anmeldung »heriibergutom men.« Die Entsernung zwischen bei den Gittern beträgt höchstens eine halbe Stunde. Wundervoller schats tiger Waldwegt — Die Tochter meines Generals zeigt täglich mehr Interesse am Leben. Sie seufzt nur noch selten — eine Weh mutsträne habe ich lange nicht in ihren Auge gesehen. Sie ist ein an genehmes, leicht zu lenkendes junges Mädchen. Sie schreibt viel Briefe trägt sie sogar persönlich zur Post. Viel geht sie auch spazieren. »Der Wald verlockt geradezu zu einsamen Wanderungen!« sagt sie. Immer lrimmt sie mit geriiteten Wangen und strahlenden Augen von solchem Spa ziergange zurück. Jmmer hat sie auch irgend ein Sträuszchen angesteckt. Sei es ein Bittenztveig, ein paar Margueriten oder Kornblumem Ge stern brachte sie zwei rote Rosen mit! Periwiirdig daß die im Walde wach en. — Und dann das Kahnsahreni Da isi der Teich mitten im Schat ten dunkler Tannen. So ein armes Stadttind, das nie in seinem Leben Gelegenheit zum Rudern gehabt hat« fühlt nun natiirlich das Bedürfnis, soviel wie möglich umherzu ondeln. Mit vielen »Ach’s« und »O ’s" be tiitt sie das Boot. Sie ergreift beide Ruder. Sie plätschert damit im Wasser umher, wie mit dem Löffel in der Bouillorn Die Sonne sscheint heiß. Der Schirm muß aufge pannt werden. Zwei Ruder — ein S :irml —- Die Sache wird schon schief ge henl Natiirlicht Das eine Ruder fällt ins Wasser — sie will et auf gchen —- der Kahn tippt urnl — elch’ Glitt und Segen, da unser netter Uetsegenosse zufällig n der Nähe war! Er hat sich ihretwegenl ins Wasser gestürzt — Selbstverständlich sind beide we der ertrunlen, noch hat unser netier Reisegenosse Gelegenheit gehabt, sich die Rettungsmedaille zu verdienen( Das Wasser war an der Stelle nur tnietiesl Sie sind aber pudelnaß ge wesen, und über und über bedeckt mit Entengrilhel Ja —- und aus ihren blonden Flechten hiipste ein grau - grüner Wasserstosch. Die Tochter meines Generals macht» uns immer mehr Freude. Sie blüht in der Landluit förmlich aus. Ihre; unglückliche Liebe scheint sie vollstän dig überwunden zu haben. Jch hosse sogar, neue Liebe ist in ihr unschul diges herzchen eingezogen. Unser net ter Reisegenosse, neuerdings »Addas Lebensretter« genannt, ist fest sast immer hier. Er gefällt uns allen ganz ausgezeichnet, meine Frau ist sogar »entziickt, von ihm. Sie meint, Generals würden sich freuen und uns ewig dankbar sein« wenn ihre Toch ter hier ein neues Glück fände. — Sie ist sest entschlossen, die offen kundige Verehrung des jungen Man: nes nicht nur zu dulden, sondern sie sogar in jeder Weise zu fördern. Jch —- such! — Die beiden jungen Leute sind nun fast immer beieinander. Sie spielen Tennis, reiten und rudern zusammen Wir räumen ihnen alles aus dein Wege, was sie stören oder dem Gebei hen einer Neigung hinderlich sein lönnte. Jch freue mich schon auf das Glück meines Generals, wenn ich ihm seine Tochter mit einem so sympathi schen Bräutigam nach Hause bringe. Jedes alte Schloß hat bekanntlich seinen »Geist,« der programmgemäsz »umgeht.« Jedenfalls, es ist totschicl. einen solchen zu haben. Auch hier ist es der Fall. Es ist ein schwebt scher Trompeter, dem im 80jiihrigen Kriege der.Kopf abgeschlagen worden ist. Er trägt diesen Kopf nun der Einfachheit halber unter dem Arm und läuft damit jede Nacht von IF bis 1 Uhr spazieren. Aus einem Horn bringt er dabei unheimliche M ne hervor, oder ruft mit Grabesstinp me: »Hu-s l’pmpesrsesur!« — Cs ist total unlogisch von einem schwedischen Trompeter, sranzöfisch zu sprechen, aber es ist nun mal so. Geister dürfen eben unlogiseh sein. Wir sind nachts in steter Erwartung seines Erscheines. Die Kinder liegen im Bett und ziehen die Decke über die Ohren· Es ist hochinteressantl -—-— Wir haben nun beschlossen, diesen Geist abzusangen. »Zu erlösen,« sagt meine Frau! tMeine Frau hat im mer so poetische Gedanken). Wir haben uns dazu alle im Tun leln in der Diele versammelt. Auch ,,Addas Lebensalter« blieb zu diesem Zweck die Nacht bei uns. Wir haben ganz still gesessen um den großen runden Tisch in der Die le. Als die alte Standuhr mit hellem Klang 12 Uhr geschlagen but, sind wir zusammengesahren --— ha-» ben den Atem angehalten und vor-i schriftsmäßiges Verztlopfen und zur Decke gesteäubte haare gehabt. -- ! Tiefe StuIet Nicht-u —- i »Du — ich höre etwas schleichen!« flüstert meine Frau. j »Ach, Unsinn!« ! i »Ja, ja, sicher —- ez hat mich sogar« im Vorbeigehen gestreift!« »Sei doch ruhig!« Wieder tiefe Stille! Da, ein Ge räusch! Jch höre es auch. — Un heimlich, so mitten in Nacht und Dun kelheit! Zwar nicht, wie die Töne eines Hokus, nein, eher wie,das Zwit schern eines Vogels! Anhaltendes Zwitschern — —- —--— »Wirst Du mir auch treu sein, Adda?« —- Ach, Kurt, —- Liebster, Liebster ich bin Dir ewig treu und wenn sich die ganze Welt auf den Kon stellt! —- Jch hab' Dich ja so unsinnig liebl« — —- — herrgott träume ich denn? Ganz deutlich habe ich doch diese Worte gehört! Sollte der Hausgeist, der Schwe dentrompeter -— sollte eri —- —-— — Lurz entschlossen lasse ich meine kleine elektrische Taschenlampe auf leuchten. Jn unserer Tafelrunde feh len zwei, aber da hinten in der Schrantecke, da stehen ste, die Tochter meines Generals und unser neiter junger Reisegenosse. Sie halten sich sesi umschlungen, sie fliisiern leise — ste küssen sich — — 0urrah, sie sind verlobtl «Vive l’empekeuk!« Ich habe dem jungen Paare mei nen Segen erteilt. Sie sind etwas verlegen gewesen und haben mich ge beten, doch ein gutes Wort für sie bei meinem General entgangen Gelb rsiändltghabe ich sofort einen Orte ciceines tenstsormat) abge ;sandt. in dem ich die Vorzüge dieser Verbindung ins hellste Licht stellte. Jch habe bescheiden dabei einslieszens lassen, daß ich mir Mühe gegebenl habe, sie zustande zu bringen und da-! mit seine Tochter von ihrer un glücklichen Liebe zu heilen. Ich erwarte nun baldige Antwortll himmel, was wird sich mein Ge neral freuen! — Zwei Tage später. Jch weis nicht, lasse ich mich nur versehen, oder iause ich mir Cylinder und Regenschirnr,und nehme gleich meinen Abschied. — —-— —- — —- Es ist ein Brief von meinem General gekommen, entrüstet, außer sich. — Er hat geschworen, mir nie wieder eine Tochter anzuba trauen, wann ich mich so leicht über listen lasse! Die Sache ist nämlich die, unser netter junger Reisegenosse, Addas Bräutigam, das ist doch eben der »windige Leutnant«, die unglückliche Liebe der Tochter meines Generals! —- Ja so etwas lann doch ausgerech Inet auch nur mir passieren . A sie tote Elias-. F Stizze von Arno Feld. s Als Helga hausen ihren Freund fund Lehrer, den Professor Argnnder, sfragtr. ob er Lust habe, eine richtige loststiesische Hochzeit mitzunrachen, slachte der Riese sein- abgrundtiefes, jtollerndes Baßlachen. ; »Wie kommen Sie denn auf sos Eetwas, Elschen?« ! i »Ich fahre heim, zur Hochzeit mei Ener Schwester.« I »Und da wollen Sie mich mitneh ·men?«« ! »Wenn es Jhnen Spaß macht — saerm Jch denke mir, daß es Sie interessieren wird. Jn unserer Gegend haben sich noch die alten Brauche und zum Teil sager die Vollstrachten er halten« Josias Argander legte die tiscb große, schwere Palette, die außer ihm niemand auch nur drei Minuten hal ten konnte, beiseite und näherte sich dem hochlehnigen Chorstuhl, in dem helga Hansen eine Zigarette tauchte Ihr zierliches Figürchen reichte mit den Kindersiißen nicht bis auf den Teppich »Was sie sagen!« äußerte er inter essiert. »Da gibt es wohl auch was Rechtes zu essen und zu trinken?« »Nicht Tage lang nichts wie das.« »hotzdunnerlichting !« Wieder lollerte das tiefe Lachen. Jn Helgas seinem, etwas wächsernen Gesichtchen lachten nur die dunkeln, rätselhaften Augen. Nätselhast --— weil sie im Lachen strahlendes Lebe-. hatten, ernst aber jenen leeren, unir bischen Ausdruck der Kurzsichtigem die kein Glas tragen. So sah sie auch jetzt zu ihm auf. »Des weiteren würden Sie an der stiesischen Küste sür Jhre ,,tote Nixe« bessere Studien machen, als hier an den stillen Binnengewässern.« Der Professor schob ein Stück alten slandrischen Brokats von dem nächsten Schemel und ließ sich nach denklich nieder. ! »Wtssen Sie, Elschen —- die Jdee List gar nicht so übel. Namentlich was sdie Seestudien betrifft. Aber wie -witd’8 mit dem Akt - -? Sie haben Iniir’s abgeschlagen —« »Daheim ließe sich darüber reden.«' Unter den starken Brauen leuchteten seine Augen hell auf. ’ »Dann wird’s gemacht! Wann soll es losgehen?« » »Uebermorgen ist die Hochzeit. Wir müßten morgen früh abreisen.« »Hm, ja — es ist ein verflixtes Ende von München bis da hinaus an die Wasserkante.« Noch einige Se tunden überlegte er, während die weiße, breittnochige Hand im Stirn haar traute. —- «Und Sie meinen, daß ich nicht lästig falle?« »Aber ich bitte Sie! Viel Gäst’, viel Ehr’ heißt es bei uns.« «Also gut! Heler Sie mir gleich ein paar Positur-ten schreiben, damit die Schwabinger Bande morgen nicht erst anschwirrt zum Unterricht. Sie haben mir übrigens in den ganzen vier Jahren noch nichts erzählt von Wer Familie —-« und daß Sie western haben. Sind die älter oder jüngerW Delga verzog den schmalen, blaß roten Mund. Es tonnte ein Lächeln ein —- oder anderes. Sie ließ den est der Zigarette fallen und glitt aus dem Chorstuhl aus die Füße. »Noch älter »i« Der Professor sah ihr verdußt nach, alt sie zum Schreibtisch ging und dort in dem Chaos von Papieren und stichetn nach Karten suchte. Elias ißt das...wie alt sind Sie denn berhaupt ——i« c n tsi einunddreißig — ge yefenktche i Jronisierende Kotetterie lag darin. »Hotzdunnerlichting!" staunte der Professor, indem er die Fäuste in die Seiten stemmte. »Das ist das erste. was ich höre —« »Je nun, Sie haben mich nie ge fragt. Und von selbst spricht man doch nicht davon, daß man über die dreißig hinaus ist-« »Da wäre ich also nur sechs Jahre älter als Sie?!« ,,Stimmt." ,,Kind, das ist doch nicht möglich! Ihrem Aussehen nach ——« «Ja, das Aussehen!« Sie lehnte sich in den Sessel zurück und schaute durch die Glaswand des Ateliers in den Garten hinaus. »Dieses Aussehen und etliche Sonderart, die wohl da mit zusammenhiingt, haben mich schon aus meinem eigentlichen Le bensgleise gebracht. Friesische Groß bauerntöchter werden sonst nicht Ma lerinnen —- miisfen Sie wissen. Die schaffen tüchtig in der Wirtschaft und heiraten mit achtzehn.« »Und weshalb haben Sie nicht ge heiratet?« Helga Hausen wandte den Kopf mit dem gescheitelten, über Stirn und Ohren gewellten Haar vom Fen ster ab, und die dunkeln Augen schauten leer und glanzlos zu ihm auf. »Weil mich niemand gemacht hat-« »Aber Elfchen — Sie sind doch ein so lieber Kerl!« Ein flüchtiges Rot stieg ihr in die Stirn. »Schon als Kind nicht,« betonte sie mit NachdrucL »Die Leute daheim erzählen sich, daß ein Fluch auf mir flastet —- der Fluch einer Zigeunerin, die von meiner Mutter beim Wäsche Istehlen abgefaßt wurde. Deshalb bin» iich keine blonde, starke Marschendeerns geworden, sondern eine Puppe, diel den Burschen zu zerbrechlich schien. Jedenfalls hat keiner um mich ge-; fragt. Mit sechsundzwanzig nachdem die Mutter gestorben, bin ich dannz fortgegangen...um meinen großen, blonden, richtig friesischen Schwestern nicht im Wege zu stehen. Es wird bei uns streng der Reihe nach geheiratet — müssen Sie wissen. Solange die Aeltefte im Hause ist, kann die nächste nicht unter die Hande. Und eine län-» gere Wartezeit mochte ich den Schwe-» ftern nicht zumuten - ganz abge sehen von dem knurrigen Gesicht, das Vater schon lange machte.« »Armes Wurm — ---« »Wiefo? Jch fühle mich ganz wohl. Und es ist allen geholfen. Stine hat schon drei Buben. Hanna heiratet übermorgen, nnd um die letzte, die Annemarein, ist mir nicht bange. Mit» sihren meterlangen, dicken, kornblon sden Zöper ist sie die hübscheste und trotz ihrer knapp siebzehn Jahren eine Kriemhild von Gestalt. —- Wo haben Sie eigentlich die PosttartenH Professor?« Da er sich über sie beugte und im gemeinsamen Suchen ihre Hand be rührte, zuckte Helga Hansen kaum merklich zusammen und rückte mit dem Sessel beiseite. If If If Hochzeit und Nachfeier waren schon zehn Tage vorüber - und Professor Argander weilte immer noch aus dem Schulzenhof von Venslor. Er war begeistert von dieser stillen, frucht schweren Natur und fast mehr noch von dem Menschenschlag, dem er sich nach Art und Wesenheit verwandt fühlte. s Geschafft aber hatte er noch nichts. Es iam ihm das endlich wie eine Art Pflichtverletzung zum Bewußtsein, als er Helga eines Tages mit dein Malgerät auf der Duvenhöhe fand —- da, wo der Weg abbog, der durch den Buchentvald nach der Däne und dann zum Meere führte. Er warf sich neben der Staffelei ins hohe Ried und starrte mit selt sam flackerndem Blick über die Korn felder, die im Winde grün-goldene Wogen trieben. Minutenlang... Dann stüste er sich auf den linken Arm nnd strich mit der Rechten über Augen und Stirn. « »Es ist ein Standal, Elfchen, daß ich in bald drei Wochen noch keinen Pinsel ungerührt habe s-« f »Die Arbeit läuft Jhnen nicht ort.« »Das sagen Sie so. Die Schwa binger schreiben schon ungebuldige Ansichtstarten, nnd länger alJ vier Wochen kann ich doch Jhrem alten Herrn nicht gut auf dem Halse liegen." Herrgott, ist das ein prachtvoller; Mensch!« Helgaz Augen lachten aus ihn herab. « ,,Genau so beurteilt er Sie, Pro fessor. Der ganze Hof und das Dorf schwärmen von Ihnen. Man versöhnt sich ordentlich mit mir, da die «liitte Zigeunersche« einen solchen Freund und Lehrer hat« - » »Was Sie wieder paymede grollte sein Baß. Aber er lächelte da bei, und es klang nur gezwungen ernst, als er hinzusügte: »Nein, nein — das geht nicht weiter. Von morgen ab bin ich den ganzen Tag an der See. Und werden Sie Wort halten, Elfchen —?« Sie beugte sich näher an die Staf felei. »Worin — — »Elfchen, Sie wissen, daß ich kein anderes Modell brauchen kann für das, was mir vorschwebt. Es ist, als wenns der liebe Herrgott Sie mir eigens für die tote Nixe geschaffen hätte -—- —: diese Sylphenlinien, das Kindliche und doch Reife — und die Augen vor allem! Diese seltsamen toten Augen, sobald Sie ernst drein schauen. Das alles brauche ich. Und Sie sind doch mein kleiner Freund und Kamerad, Elschen, nicht wahrs« Helga nickte. »Na also!« Dann trat wieder das unruhige Flackern in seinen Blick, und er schluckte, als würge ihn etwas. Große Büschel des dürren Grases rupfte er aus und streute sie umher. »Und da Sie mein Freund sind, Elschen, so gehe ich Sie noch in einer andern Frage um Rat an. Sehen Sie mal —- —— —- ich habe das Boheme leben gründlich satt. Die Ueberjüng linge und Malweiblein von München « Schwabing haben’S mir verekelt. Eigentlich schon lange. Nur die Ge wohnheit hat mich das noch ertragen lassen. Seit ich diese reine Luft ge atmet und die starken, stolzen Adels menschen hier kennen gelernt habe, denle ich schaudernd an das Pygma envolk, an den Verkehr mit ihm in Casös und Speisehiiusern. Jch möcht ein Heim haben, Elschen —- mit einer guten, tüchtigen Frau, die auch wirt schaftlich zupackt und mich in Ord nung hält. Und —- — — na also kurz und schmerzlos: ich bin dahin tergelommen, daß ich alter Esel... daß mein Herz an Annemareins Zopsschleife baumelt. Verriickt, was?« Jn befangener Frage, beinahe ver stört, sah er zu ihr aus. Helga Hansen arbeitete in ruhigen glatten Pinsel strichen an ihrer Stizzr. »Weshalb verrückt? Nur wiirden Sie sich noch anderthalb Jahr gedul den müssen. Vor achtzehn kommt keine vom Schulzenhof.« »Und wenn ich drei Jahre warten sollte!« eiserte er begeistert, indem et sich in den Knien ausrichtete. »Bloß einige Gewißheit möchte ich haben daß der Vierzigjährige nicht ausge lacht wird, wenn er zu gegebener Zeit anllopft.« »Das können Sie unbesorgt heute schon tun.« »Ist das Ihr Ernst, Elfchen — Jhr voller Ernst?« Helga nickte...da riß er sie in tapstaer Bärenhaftiakeit an sich — um sie gleich darauf erschrocken stei znaeben Es war ein entsetzlicher Schrei, den Helga aus-gestoßen Als der Riese ihre Hand nahm Und wie ein Kind um Verzeihung bat, verzog sie den schmalen, blaßroten Mund. Es konnte ein Lächeln fein -——— oder anderes. »Da Sie mir wehgetan, werden Sie zur Strafe das Bild Verbessern und beenden-" Feuereifrig griff er nach der Pa lette, die ihr entfallen war und malte. Eine Weile sah Helga schweigend zu, wie ihre Skizze unter der breiten, fchmissigen Art des Meisters sich in ein Kunstwerk verwandelte. »Wann sind Sie morgen an der See?« fragte sie dann beiläufig. »Ich denke - der Beleuchtung we gen gegen acht.« ,,Alfo gut — -—- —- Sie werden mich dort finden.« Damit wandte jLe sich ab und ging. :- 8 si Am andern Morgen erfuhr der Professor von Annamarein mit der er seit geftern abend versprochen war, daß Helaa schon vor fiinf zum Baden an die See gefahren sei —-- mit dem gelben Break. Er machte sich eilig auf den Weg, hatte aber die Duvenhöhe noch nicht erreicht, als ihm der leichte, hoch räderige Wagen langsam entgegenkam s-— — führerlos Nur Kleider, Strümpfe und Schuhe lagen auf den Sitzen. Eisige Klammer trampften sich ihm ums Herz. « Er wandte das Gefährt und sprang auf. Als er den abgehetzten, fchaumwerfenden Gaul an der Bucht parierte .fand er Helga Hansen... wie er die lNixie hatte malen wollen —- -— —- halb unter Wasser — und tot. —- Kritit. Heinrich Hart, der gefürchtete Krititey fällte einft über as Konzert eines unglücklichen Sän ger-, Namens Dahn, folgendes Ur teilt »Als der hn das drittenml ,eträht hatte, g ng das Publikum staunt und weinte bitterltch.«