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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Nov. 15, 1907)
? cheisiian Uiichiees Badekur. Stizze von B. Rittweger. . Christian Nüchter gähnt erwachend Ind« streckt mühsam das rechte Bein Tons dein seit und dann blinzelt er ein III-schen —- herrjeh, schon ganz hell! Er hat wohl gar die Zeit verschlasen. Und seine Alte dazu — die weckt ihn doch IllemaL wenn er die Dampfpfeife iiberhöri. Nun reißt er im Schreck die Augen ganz weit aus — ja, wag ift denn das? Er ist ja gar nicht zu Hau ..se. Ein tiefer Athemzug — aus ein mal fällt ihm alles wieder ein: Er isi im Bad, gestern Abend ist ee angekom men. Langsam zieht er das Bein wie Fee unter die Decke Und schaut um sich. Es ist doch wie ein Wunder, daß er, der Ziegelarbeiter Christian Nüchter, hier in diesem sejnen Zimmer mit der gebliimten Tapete in einem schneeweisz bezogenen Bett liegt, und an der Wand neben dem Bett ist eine KlingeL und das saubere Mamsellchen, das ihm ge stern Abend das Licht angezündet, hat gesagt: »Wenn Sie noch was brau chen, so drücken Sie nur auf den Knopf, dann kommt jemand·" Aber er hat nichts gebraucht. · Er hat zwar während der ersten Hälfte der Nacht nicht schlafen können vor Schmerzen in den Gliedern. aber das ist er ja schon seit langer Zeit gewöhnt. Er schläft immer erst nach Mitternacht ein — im Bett ist der Rheumatismus . am schlimmsten —- und wenn er dann, ’ im Sommer um halb fünf, im Winter tun halb sechs heraus muß an die Ar beit, so wir-d ihm das oft recht sauer. Er hat schon alle möglichen Hauswi tel probirt, er hat jahrelang stets drei Kastanien in der Hosentasche getragen, eine Nachbarin hat ihn mit Sympa thie kuriren wollen — alles vergebens! Es wurde immer schlimmer mit der Geschichte. Zum Doktor war er nicht gegangen. Wegen Reißens in den Gliedern geht man doch nicht zum Doktor! Heler thut einem der auch nicht. Das Reißeri, das nimmt man halt mit in’s Grab, wenns man aus ist. Nur arbeiten können, solange als irgend möglich, nur die Arbeit nicht verlieren. Von der Jnvalidenrente kann man doch nicht leben. Mutter ist schwächlich und kann nichts weiter thun, als den kleinen Haushalt versor gen und den Enkel ausziehen. Chri: stian Nüchter that also unter Schmer zen und Qualen seine schwer Arbeit. Aber einmal war’s doch gar zu toll. Er hatte eben in der Lehmgrube eine Karte geladen da wollts nicht mehr . Er zitterte vor Schmerzen und achite und stöhnte zum Erbarmen — es war ja kein Mensch in der Nähe den’s hätte stören können. Er rieb sich das rechte Bein, und da kam wahr haftig gerade der Doktor um die Ecke — der mußte das Gestöhn gehört ha ben· »Wo fehlt’s denn, Freundchent« so fragte er mitleidig —- es war der Kassenarzt fiir die Ziegelei, aber der Christian hatte ihn noch niemals ge braucht. »Den, das Reißen plagt mich halt so arg, Herr Dottor,'« so hatte er wohl oder iibel antworten müssen. Darauf der Doktor: »Schon länger?« Da hatte er ’s ihm denn genau geschil deri. Der freundliche Arzt hat ihn in ! die Sprechstunde bestellt und ihn » gründlich untersucht und ihm wasj zum Einreiben verschrieben, auch eine Arznei fiir inwendig und hat gemeint » er könne gar nicht begreifen, wie erl noch arbeiten könne mit den steifen Gliedern. Und im Winter darauf, da hat’s auch kaum noch gehen wollen. und manchen Tag hat er sich im Bett nicht rühren und regen können. Und eine Todesangst hat er ausgestanden, daß man ihm die Arbeit aufsagt Da. als es Frühling wurde, meinte der Doktor: »Wissen Sie was, Freund chen, jth schick' ich Sie in’s Bad. Die Waise verfügt über zwei Freiftellen in Buche, im Mai und im September, wenn’s nicht so besetzt ist. Die Moor badey die können Jhnen noch helsen. Ich werde gleich die nöthigen Schritte than; machen Sie sich nur einstweilen —.tei-sesertig.« Da war er ganz er schufen gewesen Er sollte in s Bad? Das war ja doch nur fiir die vorneh men Leute. Und dann, wovon sollte Mutter leben in der Zeit? Darüber ihn der Doktor beruhigt. «Jhre rau. der lassen Sie Jhr Kranken Sie haben die Reise nnd den i, It in Bad Bucha ganz seei.« «Qs hat er's denn endlich begreifen IÆ das er in's Bad reisen sollte, Ists- IIU ei ein großer Der W M iß all eine Tage -- « Its MensMnd gewesen. t Un all das denkt er jeht, als et mit offenen Augen im Bett liegt in dem seinen Zimmer mit der geblümten Ta pete und dem schönen Waschiisch auf » dem ein bemaltek Waschnaps steht. Und am Fenster sind lage weiße Vor Insh und unterm sch liegt ein Mund vor dem Bett auch einer TM ss herrlich still ist’s um ihn — Isdsmpfpseike zwingt ihn zum Aufstehen. Ach, wie das wohl thutlk Wenn man, so lange man denken kann, immer vor Thau und Tag raus ge mußt hat! Selbst am Sonntag ganz seit vielen Jahren tein Ausschlasen sür ihn. Er hatte ein Nebensmtchen als Läuter zum Frühgottesdienst. Jetzt ist’s sechs Uhr —- um halb neiin soll er ; sein erstes Bad nehmen. So hat der « Arzt gestern Abend nach der Untersu chung angeordnet. Eine volle Stunde mindestens kann er noch in dem schik « nen Bett liegen bleiben! —- Und das seine Abendbtoo gestern! An einer» langen Tafel hatte man ihm seinen» Plan angewiesen neben einem alten » Herrn, der sich nsit ihm wie mit seines Jaleichen unterhalten hat. Aus der Ta -fel stand Brod, schwarzes nnd weißes, und Butter und ganze Platten voll Braten und Wurst, und Eier und; Käse gadg auch, soviel einer nuri wollte. Und dazu Mi- lch für den» TDursi. Auch Bier, aber das mußte man besonders tiezalslem deshalb hatte er lieber Milch getrunken ob i : gleich ihm ur Arzt ein Gi Fischen Bier l erlaubt hatte Um sieben Uhr zieht sich der Chri i siian Niicbter acmiithlich an, und um balb acht gest er ins Frühstiicksi i immer. Ach, wie das so kräftig nach Kassee dustet! Und dazu gibt’s eine Semmel mit Butter und zwei ge: zackerte gsolvbraune Hörnchen Dem Christian ist das alles wie ein here Tlicher Fraum, und nur der Gedanke, daß die liebe Mutter es nicht mitge nießen kann, bedrückt ibn ein wenig· Der Baoemeister führt ihn zur be stimmten Zeit in die Zelle und er tliirt ihm alles, sagt ihm. daß er zwanzig Minuten im Moorbad sitzen bleiben und sich dann in der zweiten Wonne, die mit hellem, warmem Wasser gefüllt ist, abspiilen soll. Nachher darf er sich wieder zwei Stunden in’s Bett legen, und dann sieht er sich die Umgebung ein wenig an, bis die Glocke zum Mittagessen ruft. Das ist nun das Großartiåstc Suppe und Fisch gibt’s da. und ra ten und Gemüse und Kartoffeln, und zuletzt noch so wag Süßes-« Weißes mit einer rothen Brühe· Nach Tisch setzt sich der Christian in die Veranda, so gut wie die seinen Badegaste, und dabei raucht er eine Zigarre, vieitzm der freundliche Herr von gestern Abend ungeboren hat. Das Bad besteht nur aus dem Kurbaus und zwei Villen; es ist nicht sehr bekannt in weiteren Kreisen und auch nur fiir eine beschräntte Anzahl von Gästen eingerichtet, die teineall zngroszen Ansprüche machen dürfen. Aber dem schlichten Arbeiter scheint's« ein Paradies. Es ist ja das reine Herrgottsleben, was er da führt. Noch nie haben siir ihn die Bäume so schon get-lädt« noch nie hat er mit solcher Andacht die Migel singen hören, als in diesem Mai. E: ist ja immer eilig-spannt genesen in das Joch täglicher schwerer Arbeit. Von seiner Wohnung bis zur Letznigrube von der Lehmgrube zur Ziegelei.uno oon da wieder nach hause, das- war jahraus, jahrein sein Weg gewesen. Und am Sonntag, da waren ihm die Glieder so schwer, da war er so müde, da war er so froh. still vor seiner Thiir sitzen und ein Pseischen tauchen zu können. Das Haus liegt in einer engen Straße mit hohen Häuserm Die kleine Wohnung zu etsener Erde ist billig und eng. Aber sie hatte Raum haben müssen sür ihn un die Mutter —- »Mutter« hat er seine Frau genannt, seit sie ihm das erste Kind geschenkt —- und fiir drei Buben und zwei Mädels, die nun alle erwachsen sind. Der Reiteste ist schon todt—er hat seinen Eltern den klei nen Chrisiel, dessen Muttersbei seiner Geburt gestorben, hinterlassen; die vier andern sind in der weiten Welt ;verstreut, haben alle Familie und ’bringen sich schlecht und recht durch. lSo ist das Leben bingeaangen zwi ; schen der Lehmarube und der Ziegeln « und ver sonnenlosen Wohnung in der engen Straße. und in rastlosern Schaffen und Sorgen. Und nun aus ein-mal ist er, der Ziegelarbeiteni Christian Nüchter, in die im Masken-· schmuel prangende Natur versetzt und; lebt ein Dasein wie ein König. Denn so gar viel anders kanns seiner Mei nung nach ein ·nig auch nicht ha benk Mit dem umatistnuö wir-as bald besser. Die schönen. warmen Bat-er thun den steifen Gelenken gar wohl, und der Arzt ist sehr zufrie -den. Gan gut kanns natürliTuicht gleich n. dazu ist das iden eben schon zu alt- Aber so unbeschei den tst der Christian auch gax nicht, Hat zu verlangen - Nach den ersten paar Tagen hat er übrigens das » dentaghineinschbas sen« schon fatt ge bt. Er fühlt sich so gründiieh ausgeruht, und wenn er daran denkt, daß dieses wunderbare Dasein nach vier Wochen ein Ende haben wird, thust ihm leid, die Zeit Fu verfehle-few So findet ihn der friihe Mocmen meist schon im Part, und andächtig, mit strahlen-den Augen sitzt er aufeinexBant im Grünen und lauscht dern Konzert der gefiederten Sänger und erquickt sich am Duft des üppig blühenden Flieders Oder er wandelt langsam in de Anlagen umher-, uwd wo er ein nträutchen auf dem Weg entdeckt, da blickt er sieh und zupft’s heraus, und wenn »Voter Trentfuß«, der Gründer und Besiyet des Bad-T der auch Früh aufsteher ist, ihn bei solchem Thun ertappt nnd gntmüthig drohend ruft: »Sie sollen doch nicht arbeiten, Herr Wiesen« da spricht er: .Ach, here Faulenzerleben hält man sa- auf Ue Lang’ nicht aus.« Der Cdristian ist ungefähr zwei Wochen in Bucha, als um er us Mal-e das Wort «Jubiltium« fälli. ,Ts!r Tag naht heran, an demsdor sünsundzwanzig Jahren Arnold Trenttust das Bad gegründet hat. Dieses Fest soll großartig gefeiert werden. Both-er gibts natürlich alle Hände voll zu thun. Die Badegtifte nehmen lebhaften Antheil an dem be vorstehenden Ereignist, aber von zol cher Begeiiterung dafür wie der C ri stian Nüchter ift kaum einer erfüllt. Natürlich soll es schmuck- hergerichtet wean für ten großen Tag. Vate! Trentsuiz scheut weder Mühe noch Kosten. Der Gärtner aus dem nahen Städtchen fzeut sich, an dem Chri stian Nüchter einen so willigen Ge lkilfen zu finden. Dem scheint’s nur Spielerei, den Sitte-, der ausgesahren ist,aus die Wege im Pakt zu verthei len. er beschneidet die Hecken, und er streicht Die Fahnenftangen frisch an, die zu beiden Seiten des Kurhauses aufgepflanzt werden sollen. Der be icteidene Arbeiter ist stob. seine über strömendeDantdarteit auf diese Weise etwas bethätigen zu tönnen. ülengst lich beobachtet er dabei schon tagetang das Barometer: es muß ja gutes Met ter bleiben fürs Jubiläurn! Ueber das Fest hinaus denkt er vorläufig nicht. Denn ist es vorüber, dann teißW Abschied nehmen non diesem Paradies untr- zurütt in die enge Straße, in die LehmgrubeL Das Wiedersehen mit der Mutter und dein Christel sind die einzigen Lichtpuntte für den Christian. Jede Woche schreibt er zwei Posatarten nach Hause und berichtet von seinen Erlebnissen Er braucht allemal eine volle Stunde dazu, denn nur müh sam reåhen die steifen. des Schrei-· dens ungewohnten Finger Buchsta ben. »Na, wer triegt denn schon wieder eine Karte ——— gewiß die LieMte?« So neckt wohl ver eine oder der andere der Krirgäste, wenn sie den Christian sitzen sehen, wie er bedächtig und mit gefürchtet Stirn die Worte aus die Karte seht. Dann lächelt er gutmüthia und meint: »Die liebe Mutter —- sre will doch auch wisiem wiees ihren Alten geht-« So innig tlingt das, daß es ihm die Herzen der weiblichen Patienten be sonders gewinnt, die überhaupt große Stücke aus den Christian halten« der stets bereit sit zu kleinen Diensten. Hat eine der Damen den Brieftriiger versäumt, der den Kasten leert, so erbietet iich ganz gewiß der Chri stian, den Wig in’3 Städtchen zu machen. Nie nimmt er einen Pfen nig dafür an. Er kann ja all sein Lebtaq nicht gut machen, was hier an ihm gethan cvirdt Wie schön vie Welt ist, das hat er bis jetzt aar nicht gewußt. Der Jubiliimnstag ist angestochen Ein Ständchen der Liedertafel aus rer Stadt und ein Fackelzug mehrerer Vereine haben ihn ant Vorabend ein geleitet. Der Christian steht mit den hübnern auf und hartt den stieg auf dem großen freien Platz, den die Sänger etwas vertreten haben, wie der saurer zurecht, dann wandert er durch den Laubengang und zwickt da nnd dort ein vorwitziges ;roeiglein ab, dass aus der glatt ge chorenen Wand über Nacht herausgewachsen ist« Nachher seht er sich aus seine Lieblingsbant unter der großen Ka itanie, die iin festlichen Blüthen schmuel prangt, und er faltet die Rinde-»und lauscht dem Amselschlag und dem süßen Gesang der Grimmi eten. Es ist ein herrlicher Morgen, der Thau glitzert sichern auf dem Rasen, nnd die Lust ist erfüllt vom Duft ver Birken und des lehten Flie ders. Ueber die gesurchten Wangen des Arkeiters rinnt Thriine auf Thriine, ohne daß es ihm recht zum Bewußtsein kommt-morgen heißt’5 Abschied nehmen. — »Na. lieber Nüchter, schon sosriih herauf-» Vater Trentfiiß, dens- auch nicht mehr im« Bett gelitten hat, drückt die fchwielige Hand des Ar beiters. - --. - -- --- — Trentfuß, lassen Sie mich nur-A Ins p Uk jpklchl m Yclclilwcm cklllls ’ »Ich gratuliere auch, Herr Trentfuß. zu dem schönen Festtag, und ich wünsch’, daß Jdr Wert noch lang’ soll bestehen und den Menschen hel fen, —- wie’s mir gethan hat« »Ich danke Ihnen, lieber Nüchter. Freut mich, daß unier Moor «i;nen genützt hat. Morgen ift ja weh Jhre Zeit ums« Der Christian seufzt tief auf. »Ja, herr Tientfuß, es smd nun vier Wochen —- und ich dank Ihnen auch gleich fiir alles. Wer weiß, ob ich Sie noch einmal zu sprechen lrieg’, wo new all die Fremden tornmen.« »Kann wohl sein. Und deshalb möcht’ ich auch die Gelegenheit be nusen und etwas mit Ihnen bespre« chen, lieber Nüchter. Sie rennen doch» das höuichen im Parl, das jetzt leer steht, hinten bei den Bitten7« Der Christian nickt. »Friiher wozge dort ein altes Falter-um unserer i - milie. Er half überall, um's was Zu helxen gab, und seit er todt ist, fe It mi diese Hilfe an allen Ecken und Enden. half aber noch teinen recht passenden Ersatz gefunden. Nun mein ich — es ist ja Plan genug in dem Häuschen —- wenn Sie mit Ih der Frau und dem Enkel, von dem Sie mir erzähki haben, hinein zöaem Arbeit würde sich chon finden. Und so ein kleiner La barsch —- acht ist der Jung’, nicht wahr? —- nkiw mit I gerade recht. Sie hätten freie Woh nung, und ich zahle Jhnen soviel, wie Sie bisher verdient haben. Und während der Saiion gibts immer mal Reste in der Küche, von denen der Junge mit satt wird. Im Win ter. wenn das Bad geschlossen ist und ich mit meiner Familie in der Stadt wohne, fiihren Sie die Aufsicht hier draußen, und dabei können Sie Holz fiir den Sommerdedarf machen, und allerlei Ausbessetei macht sich auch immer nöthig. Der Doktor meint. die Arbeit in der Ziegelei wär’ zu schwer fiir Sie. Ueterlegen Sie sieh meinen Vorschlag in Ruhe. Ich meine gut mit Ihnen und mit mir auch. Es wird kein schlechtes Ge sckiift für»lseide Theije fein. Morgen sriih jagen Sie mir Bescheid Na, nun muß ich aber im Haus mal zum Rechten fehen.«' Damit nickt Vtkter Trentfuß dem Axteiter zu und gehi· Jn Christian Nüchters Antlitz zuckt eg, und wieder falten sich seine Hände. Und er schaut iiber sich in den blauen Himmel, und dann ldweift sein Blick iiber die schim mernde Rasenflläche und über die Fliederbiische, und er breitet die Arme aus: »Mein T- alles mein -——s fiir alle Zeit —— und die liebe Mutter dabei und der Junge. Ach, lieber Gatt, das Glück. das Glückl« Er erhebt sich langsam-Gesamte ist ihm ordentlich in die Glieder ge fahren-und geht durch den Pakt zu dem kleinen haus, dessen rothes Dach sich so freundlich vom grünen Hinter grund fchlanter Birken abhebt. Und er sieht im Geist seine gute Alte in dem Häuschen schaffen, die oft gesagt hat: »Nu: ein ganz kleines Stückle Garten, wenn ichs hätt’, oder ein paar grüneBiium' «- ich mein', nack her tönnt’ ich besser Luft triegen.'· Es wird ihm ordentlich chwer, sich loszureißen. aber er muk doch der lieben Mutter gleich ene Karte schreiben und ihr das große Gliirt vertiindigen Das große, große G.iiet. das ihm it ohne alles Verdienst zutheil wird. Denn Rheumatiömus zu haben, das ift doch tein Verdiensts Trotz seiner Eile diickt sich der Chri stian aber doch auf dem Wege zum Rurhaus und zieht ein Untriiutchen aug. Arnoid Trentfuß, der in der Be ransda steht, sieht es und lächelt. Wenn das »Geschäft« auch vielleicht tein »Geschäft« ist« io wird act-gis lleines Opfer betrachten, dem Schut ial gezollt, das iiinfundzroanzigIahre so freundliche Sterne iiber seiner Schöpfung hat Leuchten lassen. l Jungfer Zeitvertried Novellette von Alire Berend. Auf einem Karnsselpfekd hattensie sich kennen gelernt. Maria war ein toqnettes Mädchen, aber sie hatte doch gelöchelt, als-— der idnnenverbrannte Mattofe sich la diend auf den schönen, weißlackirten Schimmel zu ihrer Linien geschwun gen hatte. Und dem Seemann schien die Nachbarschaft des zierlichen blon den Mädchens, das in dem weißen, ziestiirtten Kleid mit den himmel rlaiten Schleifen ein wenig ängstlich ans dem Rücken des rothbrannen Fuchse-H wippte» auch nicht unange nehm zu sein« Seite an Seite drehten te sich lustig im Kreise und ließen övme, See und Menschen an sich vorüber tanzen. Bei der zweiten Runde legte sich1 ein fester Arm um Marias Taille. »Damit dem tleinen Mädchen nicht schwinsdlig wird,« sliiftcrte eine Män« nerstimme, nnd ein Schnurrbart kitzelte des Mädchens Wange. So fuhren sie immer weiter, eng beieinander. Wenn eine Fahrt been Oetwan dann ries der Mater-in »So ist’s recht, die ganze Welt soll sich um uns drehen!« Und über alle Köpfe hinweg warf er im weiten Bogen das Geld für die neue Rund-fahrt mitten in die Mühe des Budenhesitzers hin ein. Als Maria, etwas fchtvindlig im Kopf, endlich von dem sich drehenden Holzstreifen herabsprang, war ihre Freundin, mit der fie am heutigen Sonntagnachmittag Arm in Arm hinausgewandert war, verschwunden Ader Maria war nicht böse, daß statt ihrer nun der Matrose an ihrer Seite verblieb. So tte es angefangen, daß die tleine ria einen solch stattlichen Bräutigam bekommen. Sechs Tage in der Woche saß Maria hinter den schiecht geputzten SIE- einei Fabrirfaaies und nii Handschuhe. Ob drangen die Sonne schien. der Regen platseherte oder der weiße Schnee wirbelte — hier rasselien immer im gleichen Takt die Mishmschinem Aber die Gedan ken in den dunkeln nnd hellen Mäd chentö en waren draußen vor den schau-h gen Scheiben in der heilen »So-nnd dem frischen Regen, determi zenden Schnee. lind während sich un stet schnnrrendem Rädewre n zier Jlitt-e und rese, seine nnd rde Le dersillen r schmale nnd großeJtir vorne und gierige hönde formten, tuscheten und ti rten tene Stim men von Mädchen rend«» und -leid. t waret da draußen fröhlicher P ing, und die Gedanken der adehen iletterten lachend auf der goldenen Leiter der Liebe. Auch Maria neußte sich hönseln la . Motiv in Acht« kleine Maria. Unser hat kene Ballen nnd Mee nrann keine Treue. Andere Städtchen» andere Mdchen,« so neckte man die ileine Maria zwischen Rädergesurre und erentlrpptlapp. Aber aria lächelt-nun siewußte es besser. Und wenn am Abend die« Fabrik «loete den Feierabend kiindete, dann schlug ihr Herz den« raschen Jatt da zu, es wußte, wer draußen vor dem hohen Eisengitter wartete. Wenn sie des Abend-i in der leb hagten und freudigen. vom Tagewerk bereiten Menge an dem Arm ihres get-rannten Liebsten durch die Stra ßen wanderte oder in dem so linden. kühlenden Abendwind unter dem Blü thenzelt der hohen rauschenden Rasta nien ihm zur Seite auf einer der tariinen Bänle saß, sprudelte ihr thund iiber von leidenschaftlichen rin) i zärtlichen Worten. « Der große. breitschultriae Mann streichelte sie dann ein wenig verlegen mit seinen groben, plumpen Händen tin-d sagte: »Was du alles reden lannst! Jch bin ja gar nicht so, wie dusagit." Sie aber schmiegte sich an ihn und sagte: »Niemand hat mich bisher lieb gehabt. Vater und Mut ter habe ich nicht gekannt, unter Fremden bin ich heruingestoßen wor den. Und immer wartete ich, daß jener kommen und puich liebhaben sollte, gerade mich, die ileine, dumme Maria, die zu niemand aus der Welt gehört. Und nun bist du auf einmal Fa und küßt mich und hast mich ieb.« »Du bist am Ende qar vornehmer Leute nun-, wen dsu to zickiich vis uno«so schön sprechen tannsi, sagte dann bewundernd der Fischersohn an ihrer Seite. Jm ganzen sprach er nicht viel· Der Seemann war nicht geiin im Reden, er war gewohnt zu schweigen, wortlos, die Pfeife im Munde, auf eine weite, sich hebende und sentende Wasserfläche zu blickn. Er hatte sich niemals viel Gedanken gemacht. Er fand die tleine Maria niedlicher als die andern Mädchen, trotzdem die andern besser und mehr küßten, aber fonst dachte er nicht wei ter über sie und sich nach, er sah nichts Wunderliches darin, daß er gen Abend vor das Fabriithor trottetr und wartete, bis das zierliche Ding hinausgeeilt kam. So etwas gehörte sum Urlaub, ebenso wie Bier und Schnaphdie re auch nicht draußen hinter der Nerling gab. »Ich glaube, so hat es noch nie mals nach Flieder gedustet,« sagte Maria und zog die tleine Nase traus. »Ja, ich schnüssle nun bald wieder nichts anderes als Seelust,« sagte der Mann an ihrer Seite und reckte den starken Körper. »Ein paar sWochen noch und dann geht es wieder hin aus." »Und ich? Wann kommst du wie der?'· Große, angstvolle Mädchenau gen bohrten sich in sein gutmüthigeg, glatteo Gesicht. Er zuette die Achseln und lächelte. Seit diesem Abend war Angst und Unruhe über Maria gekommen, sie plagte den Liebsten mit Fragen, be stürmte ihn mit Bitten zu bleiben. Sie haßte das große, rauschende Was-: ser, das ihn oon ihr lockte. Er lächelte meist zu ihren hastigen Reden, er fühlte sich geschmeichelt von ihrer Wildheit; aber bald wurde sie ihm unbeauem und unbehagiich Eines Abends war sein Platz vor dem Gitterthor des rothen Jus-tilge biiudes leer. Maria suchte ängstlich zwischen dem dichten, nach Hause stürzenden, schwahenden Menschenschwarm, der den Fabritthoren entströmte, umher, aber vergebens. Als die Straße leer und öde lag, schlich sie langsam da von. « Er tam auch am nächsten Abend nicht, er kam nie wieder. Maria suchte und suchte, in allen Straßen, wo sie mit ihm gegangen war, irete sie umher, allen Plagen, wo sie mit ihm gesessen hatte, stürzte sie nach. Vergebens! So harmlos der schwersiillige Fi schersohn war, so dumm war er nicht« daß er sich sangen ließ, wenn er nicht gefangen sein wollte Er wollte ohne Last an Kopf und herg an Bord ge ben und die schönen Reden, wie er für sich Marias Lieboworte nannte, waren ihm einfach unangenehni ge worden. Derbe Liebe ohne Worte war das, was er wollte und gewohnt Mk. Die hatte er nun draußen am ha fen in der entlegenen Seemannsschenke gefunden. Dort fafz er den halben Tag und den ganzen Abend, brüllte Lieder und trank Schnaps. Marias Kameradinnen sahen voll Mitleid auf ihre kleine Mitschwefter, die wie ein kranker Vogel zwifchen ih nen faß. »Ah, bah, die Männer sind falsch wie das Meer-. Laß ihn laufen. Ein Mädel wie du bekommt zehn an jedem Finger.« tröstete die eine· »Nicht ein Paar handfchuhe gäh’ ich fiir ein Mannsbild!« rief die an dere und wars lachend ein fertiges Handschuhpaar aus den Stapel von Handschuhen, der zwischen ihnen fich schichtete. »Wie der Wind muß man fein heute neben dem und mokaen neben jenem flattern, allen die Köpfe ver drehen. aber auf jeden pfeifeni Bah, die Männer!« sagte eine dritte, wäh I rend sie mit scharfem Klapp die Knöpse in die handschuhe schlug. Maria schüttelte nur den Kot-l und seuszte ties. Sie arbeitete schweigend und schien nur die Arbeit zu sehen. Aber mit dem ersten Glockenschlag des Feier abends sprang sie aus« packte in sli - gender Eile alles zusammen un stürzte hinaus aus die Suche. Kathrine, die Freundin, mit der sie damaxs am Sonntag im weissen Kleide zum Kakusselplaß gezogen war, begleitete sie auch sent wieder. Das gute Mädchen machte sich Sorge um Maria. llnd eines Abends kamen sie bin aus an die niedere Schente bei der Hafenmolr. " Durch die Fenster kannte man in das erleuchtete Gastzimmer sehen; Lachen und wüster Gesang drang in die salzige Abendlust hinaus. An einem runden Tisch saß Ma rias Liebster, das Schentmädchen im Arm, im Kreise anderer Matrpsen und Mädchen. Ein Mädchen mir zum Zeitvertreib. Und such’, wenn ich im Hafen bleib«, Trallallat rang er gerade mit drohnendek Stimme. Diese Worte, die der Kehrreim ei nes Seemannölieds sein mochten, wid derholte er unaushiirlich». « Kathrine mußte lachen. aber das Lachen erstarb; denn mit einem ent seßlichen Schrei riß sich Maria von ihr los und stürzte davon. »Zum Zeitvertreib, zum Zeitvertreih!« treischte sie mit gellender Stimme. Jhr Sinn schien sich verwirrt zu ha ben. Als sie nach Wochen das Kranken haus verließ, in das man sie hinein gebracht hatte, war ihr Körper ge nesen, aber ihr Sinn war nicht wie der tlar geworden. Tagsüber war sie still und schweigsam und saß wie früher arbeitend aus ihrem Platz, aber sie murmelte häufig: »Zeitver treib, Zeitvertreib,« und jeden Abend irrte sie suchend in Den Straßen um her. Zuerst war man von tiefem Miit leid mit ihr erfüllt und versuchte, sie autzumunterm dann aetvöhnte man sich achselznckend an ihr Leid. Die Kameradinnen um sie herum insect-selten die Jahre gingen. Marias Zierlichteit war iur tnochigen Magn teit gewarten« niemand war mehr mit ihr betannt, nur ihre Geschichte erzählte einer dem andern, und — :rier weiß, wo der Name zuerst aufge iiogen icar -—— man nannte sie nicht anders mehr atg Jungfer Zeitver :reih«. . Sie aber führte ihr stilles,«irre5 Leben, that niemand etwas zu leid, verstreute ihren Wochenlohn lächelnd unter die Kinder der Straße und lebte selbst vorn Mitleit- der Leute. Vorsichtige Miitter suchten Vor tlzeil aus ihrer traurigen Erscheinung zu ziehen und sagten, wenn sie vor ijberglitt, zu Ehren Töcäåetm »Seht its-, das ist die Folge ! ·richter Lie tsrgpossen«. Aber jedes Mädchen dachte tei sich: »Der Meine i treu«. und ans glänzenden Augen sog rnit leädsvotl der Blick hinter Jungfer Zeitvertreib« her. — M- dieeeo Iüeflenseichlehh Eine erbliche Belastung von tragi komiicker Art wurde dein italienischen Fittitenaefchtecht der Farneie ver hängnifzvoll —-— Die übel-große Beleibt heit. So vermochte Odoardo Farnee Der Erste, drei Zentner schwer, n« aus dem Satte’ seines Pferbes zu kommen als er tßiitj in einein Tref ien vor den Spaniern flüchten mußte. io H er den Feinden in die Hände fiel und feine Unförmlichteit in lebenslangem Kerker büßen mußte. Seine Norpulenz vererbte sich auf seine zahlreichen Kinder,und Entei. itianuzio der Zweite wurde von dem Marchese Gobefroi wegen feines uns gebeuren Leibes verspottet und, als es darüber zum Zweitampf tam, 1694 töbtlich verwundet Ranuzios ältester Sohn Odoardo lonnte si. infolge seiner ungeheuren Dicke nich mebr allein iortkewegen und erstickte nach Ansia feines LeiMrzies im Fette. De en Bruder, Franzele, Era durch iein Gen-isf von über drei undertundiiinfzi und durch den Boden der Siin te und starb vor Schreck. Seine Nichte Elisabeth Far nete. mit Philipp dem Fünfien von Spanien vermählt verlor infolge ihrer Unfiirnilichteit vie tät-etwa ihres Gemahls, der sie ve h. ipe « er, wie er erklärte, si nicht mit ihr sehen lassen konnte, o e allgemeines Gelächter zu erregen. . ---—- » ÆMIIMIIM Schulterjunge (bee ieben Mittag die Knoasen abtragen muß): Meeiterih ick jloobe, ia kriege noch inal Knochen iraßii « Werth der clsltchseih »Weißt Du, Mann. unsere Köchin ist doch Geldes werth!« »Nami, wie tominit Du denn da ransi« »Na, wir hatten doch heute bie Maurer in ber Küche, und bie waren mit ihrer Arbeit in brei Stunden fer tig, während sie vor zwei Jahren. als wir noch bie hübsche schwarze Lotte hatten, zu bersekben Arbeit vier Tage gebraucht haben!«