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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Jan. 6, 1905)
W Die Obdnktioin — sin- vcrinnerung von Ludwig « Ehodziesner. Es war vor zwanzig Jahren im herbst. Da sasz in der Amtsstube des könig lichen Amtsgerichts zu Schwachenha gen der alte Rath Humhert an seinem langen, mit grünem Tuche ausgeschla äenen Tische und ihm gegenüber sein eserendarius, der sich noch in den liäterwochen des Referendariats be an . Die ältesten und dicksten Aktenstücke waren diesem jungen Juristen gerade die liebsten, weil er mit solcher ehr würdigen Bürde unter dem Arm sicherlich einen tiefen Eindruck auf die jungen Damen des Städtchens machen mußte. Beide arbeiteten eifrig ihr Dezernat. Nur hin und wieder blickte der Refe rendar voll Sehnsucht auf das gegen über liegende Haus« ob sich die blau äugige Hedwix des stattlichen Posthal get-; rosiges öchterlein, nicht sehen re . Sein Bemühen war jedoch vergeb lich; das Mädchen hatte heute entweder keine Zeit oder keine Lust, mit der Ju stiz schmachtende Blicke zu tauschen. Es war bereits spät am Nachmit tage, als der Gerichtsdiener in das Zimmer trat und dem Herrn Rath einen dicken Eilbrief der königlichen Staatsanwaltschast überreichte. Der Gerichtsbote Wacker, oder, wie er sich gern nennen hörte, der »Herr Nun tius«, trug eine suchsige Perriicke und einen kriegerischen Schnurrbart von ähnlicher Farbe. Auf der unteren "lste der kräftigen, zart gerötheten ase ruhte eine Hornbrille mit großen runden Gläsern, über die Wacker be ständig hinweg sah. Unter diesem strengen Aeutzeren barg sich aber ein weiches, menschen freundliches Herz. Wacker schloß auf dem Korridor in einer Woche mehr Vergleiche, als mancher Schiedsmann in einem ganzen Jahre. Die Einge weihten nannten ihn deshalb den Frie densengeL Fragte ihn ein Verurtheil der vertraulich, ob es denn gegen das Erkenntniß kein Rechtsmittel gäbe, so erwiderte er: »Jawohl, die Berufung, aber sie hilft nichts.« . »Wacker!« sagte der Rath, nachdem er den Brief gelesen hatte. »Bestellen Sie uns beim Fuhrmann Wenzel fiir morgen Früh um Sieben den Zwei spiinnerz dann gehen Sie zum Physi kus, sowie zum Kreiswundarzt und laden die Herren zur Obduktion einer Kindesleiche auf morgen Vormittag neun Uhr in’s Schulzenamt zu Fried ri sdorf.« ls der Bote sich entfernt hatte, be merkte der Rath kurz: «Verdacht des Kindesmordes gegen die Tagelöhner Krenz’schen Eheleute. Leichenschau und, wenn nöthig, Lei chenöffnung Sehen Sie sieh, Herr Kollege, bei dieser Gelegenheit die Pa ragraphen 87 und 92 und 157 der Sttafprozeßordnung an!« Der Rath Humbert war das Muster eines altpreußischen Richters, aufrecht und selbstbewußt nach oben, freundlich und hilfsbereit nach unten. Deshalb erfreute er sich auch hoher Achtung und unbegrenzten Vertrauens. Von weit nnd breit kamen die Landleute, beson ders Wittwen und Waisen, um sich bei dem »Heru! Obervorrnund«, wie sie ihn nannten, Rath zu holen. Er wurde gefragt, ob die Bertha den Wilhelm heirathen, der Fritz Stell rnacher werden, ob eine neue Kuh an gschaffh das alte Pferd verkauft wer n sollte. Niemand verfcheuchte er durch Unnahbarkeit,— Alle und Alles hörte er geduldig an. So stiftete er rei chen Segen. Die Leute wären für ihn dnrckfs Feuer gegangen. Nur Eins war den biederen Landbewohnern an diesem geraden, klaren Manne unver ’ndlich, sein Name. ,-,Humbert«, so Ist-v fie- »schtift he sich, und »Mus btr« nennt er sich.« Das erschien ihrem einfachen Sinn zwiefpaltig. Die Nachricht von der bevorstehen den Obduktion hatte sich durch den Fuhrmann schnell im ganzen Städt chen verbreitet. Als der Referendar zum Abendessen in? Hotel »zum Prinz von Preußen« »M. wurde er von allen Seiten um nähere Auskunft über den Kindes wrd bestürmt. Obwohl er selbst nicht Use-l wußte, hüllte er sich, fogar dem Herrn Posthalter gegenüber, vornehm in den Mantel des Amtsgeheimnisses. «Bedauere sehr, meine Herren; darf Mit nichts verrathen." Er trug, der Bedeutung des Augen blicks entsprechend, ein ernstes, nach denkliches Wesen zur Schau und ge wann durch sein Verhalten einen eigenartigen Nimbus. Man beobachtete ihn von allen Tischem flüsterte und warf sich vielfagende Blicke zu. Als er frühzeitig nach Hause ging, beeil ten sich alle Gäste, ihm ein volltönendes »Guten Abend, Herr Referendar!« nachzurufem Nur der dicke Herr Post helter brummte mit Onkel Bräsig: ,.Windhund!« Armee Referendariusl Du hast, ohne es zu ahnen, den Vater Dein-et angebeteten Hedwig tüchtig vor den Kopf gestoßen. Die Obduktion hat zwar Dein Ansehen, nicht aber Deine Liebesträume gefördert. Am anderen Tage fuhren sie mit Im titchtigen Rappen die holprige tnße dahin! Es war frisch, die sorgeulnft röihete die Wangen und M die Menschen froh. Dei-W satte der haser ge wtt tra ten lustig und mel Wlnssen mit den langmähnigen Köpfen. Ab und u fcheuchten sie die Wespen und Horni en mit den buscht gen Schwanzen. Johann, der Knecht war noch fchlaftrunden Er gahnte laut und streckte sich. Er war erst vor Kurzem von den Achtundvierzigern aus Kiistrin entlassen worden und trug noch voll Stolz die Soldatenmiiße. Halbwiichsige Burschen mit Körben und Spaten standen lachend und litt mend unter den breitäftigen, alten Aepfelbäumen am Wege und vrobirten trotz des Wächters in der Strohhütte die saftigen Goldparmänen, sich des Unrechts ihres Thuns kaum bewußt. Auf den Feldern ringsum war Groß und Klein mit dem Ausmachen der Kartoffeln beschäftigt, der Haupt nahrung aller Derer, denen jeder neue Tag von Neuem die Sorge um das tägliche Brot bringt. Kinder schichteten das braune Kar toffeltraut zu großen Haufen, zünde ten es an und warfen Erdäpfel zum Noften hinein. Lustig prasselten die Flammen gleich Freudenfeuern über den reichen Erntesegen, und der Wind wirbelte die grauen Rauchwolken über die von der Herbstsonne veranldeten Fluren. Der junge, lebhafte Referendar kürzie den langen Weg durch Studen tengeschichten, lustige und auch trau rege. Der abgelliirte Alte mit den schnee weißen Haaren und den klugen dunk len Augen hörte sinnend zu und dachte an seine eigene, längst entschwundene gend. Er gedachte der Zeit. da das litck ihm lächelte und die Frauen ihm hold waren, da das Leben noch nicht die schwellende Hoffnung getrübt, das wilde Wollen gebändigt hatte. Am Eingang des Dorfes wurden sie von dem Gemeindevorfteher empfangen und stiegen ab. Im Nu waren sie von Menschen umringt. Mühsam bahnten der Schulze und der Gemeiwediener. der zugleich Nachtwächter war-. den Weg zum Thatorte. Wie Bienen um schwärmten die Dörfler das kleine, aus Lehmstalen erbaute Häuschen, zu dem von der Straße einige ausgetre tene, von Feldsteinen roh gefügtc Stu fen emporfiihrten. Auf dem schadhaf ten, vom Regen geschwärzten Schin deldach wuchs üppig das Moos-. Die kleinen Fenster-scheiden schillerten grün lich-blau und wurden hier und da durch braunes Diitenpavier ersetzt. An jeder Seite des ungepfiasterten Flut-es befand sich eine Wohnung, be stehend aus Stube und Kammer. Rechts wohnth der Tagelöhner zerenz. · Der Gemeindevorsteher öffnete die Thür. Eine schöne weiße Ziege be grüßte die Gäste mit Schnuvpern und mit Meckern. Es war ein äußerst ärmliches, aber ziemlich sauberes Stäbchen. Die Dielen waren frisch ge scheuert und mit Sand bestreut. Vor dem braunen. rissigen Kachel ofen stand eine Bank aus Fichtenholz. Dort saß ein Mann von vielleicht fünf-: oder sechsunddreißig Jahren mit dunkelblondem, strupviaem Voll bart, den Kopf auf beide Arme ge stützt. Er trug eine graue Warvjacke, blaue Leinenhosen und lange Scheit stiefel, deren Erhaltung, wie aus den vielen Flicken ersichtlich, dem Dorf schuster schon manche schwere Sorge bereitet haben mußte· Neben ihm saß sein Weib im schwar zen Umschlagetuch, blaß, friiitr.lnd, übernächtigt, mit vermeinten Augen. Die harte Feldarbeit und die vielen Kindbetten hatten sie vor der Zeit alt gemacht. Fünf Kinder hatten die schwarzen Männer auf den Gottesacker hinaus getragen, ihr sechstes lag starr unten im Kartoffelteller. Der Rath verlangte die Leiche zu sehen. Schwerfällig erhob sich der Mann, öffnete die Klappe im Fußboden und stie die Leiter hinab. Der Rath, der Re erendar und· der Schulze folgten ihm. Die ledten Beiden hatten aber in dem engen, dumpfen. vom Geruch fauliger Kartoffeln erfüllten Raume keinen Pla und blieben deshalb auf der Leiter ben. Jn einem Backtroge lag das vier jährige Miidchen, ein Bild der Verklä rung. Ein Kranz weißer After-n schmückte das blonde Haar, ein Strauß mrnortellen lag zwischen den zarten, el enbeinfarbigen Händchen, ein verwafchenes helles Kattunkleidchen umschlo den kleinen Leib. Dur eine Lute fielen einigeStrah len dfr Morgenfonne in den dunklen Keller und küßten zum Abschiede leise, z leise die Stirn des Kindes, dem te nicht mehr leuchten sollten. Von oben her tönte das Schluchsen der Mutter. Sonst unterbrach kein Laut die majeftätifche Ruhe des To des-. Der Rath eröffnete dem Tagelöh ner, daß er des Morde-z an seinem Kinde beschuldigt sei. Der Mann blieb völlig ruhig. Nur den Kopf ließ er ein wenig hängen. Er gab keine Antwort. Als ihm aber weiter gesagt wurde, daß das Kind zur Feststellung der To desursache von den Getichtsärzten un tersucht werden müßte, da fuhr er auf, trat einen Schritt zurück, bückte sich schnell und griff nach der am Boden liegenden Axt. »Ich lasse mein Kind nicht zuschnei den! Wehe dem, der mir mein Kind aneiihrtl ch schlage ihn todt wie ei nen tollen und!« So kam es grollend und donnernd aus dem Munde des Mannes. Mit.wildem Blick und zerzausiem hast, die blinkende Axt um Schlagen erhoben, den rechten Fu weit vorge streckt, in» furchtbarer Erte ung am ganzen Körper bebend, so and der — Vater als Wächter neben der Leiche feines Kindes, jeden Augenblick bereit, feine Drohung zu verwirklichen lle waren wie versteinert, starr dor« Entfehem selbst das wimmernde Wer da oben war verstummt. War es der Schmerz des unglück lichen Vaters, war es die Angst des ertappten Berbvechers, was aus die sen derstörten Zügen sprach? Der alte Rath legte feine große. schwere Hand auf die Schulter des ra senden Mannes, blickte ihm ruhig in die irren Au en und sprach sanft: ,,Bester! uch ich bin Vater, Groß vater, auch mir starben Kinder, En kel. Jch thue Eurem Kinde nichts. Macht Euch nicht noch unglücklicher, als Jhr es ohnehin schon seid! Denkt an Euere arme Frau! Jch muß meine Pflicht erfüllen.« Der Tagelöhner ließ den erhobenen Arm sinken, er warf die Axt weg, ein Zucken durchlief seinen ganzen Körper, er fiel auf die Kniee und verhüllte fein Gesicht mit beiden Händen. Auf einen Wink des Rath-s nnhkn der Nachtwächter behutsam die Kin desleiche und trug sie in einem kleinen Waschlorbe fort. Da kein anderer Ort zur Verfü gung stand, wurde die Obduttton in der Schule vorgenommen. Die Kna ben und Mädchen räumten freudig das Zimmer und besetzten sofort voll bren nender Neugier die Fenster von außen. Sie wurden aber bald von dem Nacht wächter vertrieben, der den Platz um die Schule freihielt. Manch’ verwe gener Junge durchbrach jedoch die Blockade und sah schnell hinter dem Rücken des Wächters durch das Fen ster. Er wurde bei seiner Rückkehr durch das brausende Hurrah seiner Kameraden für seine Tapferkeit be lohnt. Drinnen walteten die Gerichtsiirzte ihres schweren Amtes. Das Kind wurde enttleidet und sorgsam untersucht. Aeußere Zeichen einer Verletzung wies die Leiche nicht auf. Das wollte aber nichts sagen, weil nach der Anzeige der Witwe. die auf der anderen Seite des Flures wohnte und alle Vorgänge in des Ta gelöhners Wohnung genau verfolgen konnte, das Kind verhungert sein soll te. Die Eltern hätten es seit Wochen eingeschlossen und ihm zuerst nur spär lich, in den letzten Tagen aber über haupt teine Nahrung mehr gereicht. Für die Richtigkeit dieser Angaben sprach der Umstand, daß das Kind vollkommen abgemagert und das Fett polster gänzlich geschwunden war. Die Aerzte thaten ihr Wert. Die Besichtigung der Brusthöhle ergab mit Sicherheit, daß das kleine Mädchen an tubertulöser Lungenschwindsucht ge storben war. Die Phthisis. der furcht bare Würgengeh der in den Häusern der Armen umgeht, hatte auch dieses Opfer gefordert. Alle athmeten befreit auf. Die unglücklichen Tagelöhnerleute waren zu Unrecht verdächtigt und hat ten zu ihrem schweren Schmerz noch schlimmeren Schimpf zu tragen. Jetzt- galt es, die Spuren der Oh dultion möglichst zu verwischen, da mit den armen Eltern der Anblick der furchtbaren Schnitte und Nähte er spart und das Bild ihres Kindes rein erhalten blieb. Den liebevollen Be mühungen des geschickten Wundarztes gelang auch das. — Den Körper deckte das Gewand, das Köpfchen wurde mit dem Asterntranz so sauber hergerichtet, daß es unbe rührt, ja fast schöner als zuvor er schien. Jn jedes Ohr steckte der Arzt ein Flöckchen rosa Watte, deren Schein das Gesicht frischer färbte. Das Kind schien in tiefem, friedlichem Schlum mer zu ruhen. Der Referendar hatte das Obhut tionsprototoll nach dem Dittat des Kreisphysitus beendet, als der Nacht wächter meldete, der Arbeiter Kreuz warte draußen mit dem Sorge. Der Rath ließ ihn eintreten. Der Mann war nicht wiederzuerten nen. Er ha!te sich gewaschen. ge tiimmt und seinen Sonntagsrock mit der blanken Kriegsdentmiinze von 1870-——71 angezogen, denselben Rock, in welchem er vor zwölf Jahren sein Weib zur Trauung in die Kirche ge fiihrt tie Er ah lange aus sein Kind, drehte die schwarze Tuchrniihe mit dem Le derfchirm in seiner Hand, und Theti nen, wohlthuende, befreiende Thriinen rollten ihm langsam über die Wangen Er fuhr sich mit dem Aermel iiker die Augen und blickte voll Dankbarkeit auf den alten Rath, ·der ihm ernst und schweigend gegenüberstand. Dann wurde er verantwortlich ver nommen. Er erklärte auf die Beschw «digung: i »Meine Fkau ist etwas schwkchnch. Unsere Kleinen hatten ihre Arr. «Sie starben früh, eins nach dem andern. Mit dem Mariechen gina es besser. Aber im letzten Jahr, da fing sie an zu husten und zu husten. Sie war so still und artig und hat te treue blaue Augen. Darum hatte die Nachbarin sie auch gern und füt terte sie. Aber die Kleine konnte das Schwarzbrod mit Pflaumenmuß nicht vertragen. Wir baten die Nachbarin, sie möchte dem Kinde nichts mehr zu essen geben, es betätne ihm schlecht. Sie that es aber heimlich doch. Das Kind hatte von dem Pflaumenrnuß je desmal einen schmuhigen Mund. Nun ließen wir die Kleine nicht mehr zu ihr, und wenn wir auf Arbeit gin gen, verschlossen wir unsere Stube nnd nahmen den Schlüss« mit. Da wur de sie aber sehr böse. Stande-l hat sie gema t und getobt und gespitzt, sie wäre och kein Dieb, vor ihr brauche man nicht die Thüren zu sinkeßem T wenn nur andere Leute so ehrlich wä- s ren wie re. Ueberall im Dorfe hat sie ; uns deri tschi. Wir hätten die ande- ; ten Kinder alle um die Ecke gebracht, Y und mit dem Mariechen würde es wohl ( auch bald so weit seine Wir gaben dem Kinde nichts zu essen, und seit-i dem es von ihr nichts mehr bekäme, müßte es hungern. Aber das ist nicht wahr. Als es mit dem Mariechen immer schlechter wurde, hat meine Frau eins Oberbeti und den großen iupfernem Kessel von meiner Mutter verkauft« Für das Geld haben wis die Ziege an- ! , geschafft, weil Ziegenmilch gegen den’ Husten gut sein sollte. Auch Leber thran haben wir ihr gegeben; es hat aber alles nichts geholfen. Das Ma riechen wurde immer schwächer; sie konnte nicht mehr sitzen. Am Freitagi Abend, so in der Schlummerstunde, ist » sie eingeschlafen.« » »Haben Sie denn gar keinen Arztj kommen lassen?« fragte der Rath. H »Im Frühjahr, wie der Husten an- ! fng und das Kind unruhig schlief« habe ich es eines Sonntags aus den! Arm genommen und bin mit ihm dies zwei Meilen nach der Stadt zum Dol- I ior gegangen. Aber die Herren sind schwer zu treffen. Sie waren alle beide sort über Land. Es ist so tbeuer, wenn der Herr Doktor den weiten Weg zu uns auf Bestellung kommt, und wir sind so -arm! Freilich, «als wir uns verheiratheten, waren wir ja gut im Stande. Meine Frau war Stubenmiidchen bei der gnädigen Frau auf dem Schlosse und hatte schöne Sachen, auch ein Stück Geld. Aber die Wochentosten, die Tauf- und Sterbegebiihren, die Dok tor- und Adothekerrechnungen haben uns immer mehr zurückgebrachi. Jch konnte trotz aller Arbeit mir schließlich keine neue Jacke mehr kaufen. Meine Frau mußte einen Flick auf den ande ren nähen, daß ich aussah wie ein Plunder. Aber das hätte alles sein können, wenn uns nur das Kind nicht genommen wäre. Jetzt aber —« Der Tagelöhner schwieg. die Ber nehmung war beendet· Seine Aus sage wurde vorgelesen und von ihm unterschrieben. Der Rath ertheilte ihm die zur Be erdigung erforderliche schriftliche Ge nehmigung. Darauf nahm Kreuz den kleinen braunangestrichenen Sarg unter den Arm, grüßte lintisch und entfernte sich mit der Leiche feines Kindes-. Die Menge da draußen hatte sich längst verlaufen. Der Hunger hatte die Neugier besiegt; sie saßen alle um den Mittagstisch Einsam wandelte der Mann die stil le Dorfstrafze, über welche Spinnen unermüdlich ihre silbernen Herbslfiiden i spannen, Fäden, fein und zart wie der Lebensfaden des Menschen. . Nur sein Schatten folgte ian, zu dringlich wie die Noth, dunkel wie die » Sorge. Hunde als Fischmeuter. s Es ist nicht agllemein bekannt. daß i manche Fischer wohldressirte Hunde unmittelbar beim Fischfang als Gehil fen benutzen. Besonders vielfach ist dies an den öden Gestaden des fernenf Theiles von Labrador, welcher zu eNu- ! fundland gehört, der Fall. « hier läßt sich eine ganze Anzahl Ka beljau - Fischer von dressirten Hun-! den unterstützen. Diese Fischer ziehen, » sobald sie fühlen, daß ein Kabeljau an- H gebissen hat, so wunderbar schnell ihres lange Leine ein, daß der Fisch fast ganz ; leblos an die Oberfläche des Wassers; kommt. Aber eine andere Sache ist es, ; ihn in das Boot zu bringen, wenn es’ ein schweres Thier ist! Harpunen und Landungsnetze giebt es bei diesen Fi schern nicht« und der Versuch, den Fisch an der Leine in das Boot zu heben, schlägt oft fehl; ist der Fisch groß und nur leicht angehackt, so reißt bei einem solchen Bersuch der Daten aus dem Maule los. Doch immer wie todt aus sehend, treibt dann der Kabelsau me chanisch vom Boote weg, — aber nur für einen Augenblick; denn der Fischer hund, oft ohne auf ein Signal zu war- l ten, springt über das Boot in die See, schwimmt auf den Fisch zu und packt ihn. Schnell genug kommt der Nabel jau wieder zum Bewußtsein, und dann giebt es einen lefhaften Kampf zwischen ihm und dem hunde. Dieser läßt aber fast nie los, bis er ihn in das Boot ge bracht hat. Mitunter werden dieselben hunde auch als Einbringer verwendet, wenn ihr Herr vom Gestade aus einesRobbe geschossen hat. Es sind keine gewöhn lichen Neusundländer - hunde, sondern sie gleichen start den Eskimo - Hunden und sind oft von ganz wölfischen Mo nteren. Sie werden schlecht gesiittert Jund schlecht behandelt. Sie kennt ihren Mann Gaiiin (des Rechnungsrathes zum Amisdienek): »Ist mein Mann du«-« Amisdienen »Ja, drin auf seinem Bureau.« - Gattin: »Dann wecken Sie ihn.« Schon versehn Miethfmnt «Können Sie mit nicht sagen, wieviel Uhr es ist, Herr Dot taki« Student: »Nein, vor einer Stunde häti' ich es Ihnen noch sagen können." « Unter Hishi-mein Utsula: »Und ist Dir Dein Feuer werier treu?« Marie: ,Das will ich glauben, seit acht Tagen geb’ ich ihm blos kaltes Nachimahl und er ist nicht bsö.« Ver adgerissener Kne ps. Ein-esse Geschichte von Nur-sit haweL Als Herr Albert Stockner um zwei Uhr ans dem mte ging, bege ete ihm ein sehr un - genebmes Ma ur. Beim Zuknöpsen des Ueberziebers passirie es ihm, daß ihm einer der Knopse in der Hand blieb. Und un glUckseligek Weise gerade der Mittel kUVPf- Wer Herrn Stoclners Allma tesse in skkidungsangekgenheüen kennt,tvird zugeben, daß aus ihn ein solches Ereigniß geradezu nieder schmetternd wirken mußte. Er ver suchte erst mit den übrig gebliebenen Knöpsen das Kleidungsstiicl zu schlie ßen, was aber einen seht unangeneh men Effekt hervorbrachte Denn der Ueberzieher war bereits drei Jahre alt, und während dieser drei Jahre hatte Herr Stockner beträchtlich an Leibessiille zugenommen. Ueber sei nem Bäuchlein klaffte der Ueberzieher in läcknrtiaxr TBesse ausrinander. Nun ward das Kleidungsstiick wieder vollständig ausgeknöpst, wodurch aber, wie Herr Stockner annahm, Jeder mann schon aus hundert Schritte Ent fernung den Schaden bemerken mußte, denn von dem lichten Tuche des Ueber ziehers hob sich der schwarze Zwirm stummel, an dein früher der Knopf« ge prangt hatte, sehr deutlich ab. Zudem wehte ein unangenehmer, kalter Wind. Wenn Stockner an einer Straßenecke vorüberging, mußte er den Uebeezieher mit- beiden Händen auf der Brust fest halten. Es schien, als ob der kalte Boreas ihm das dedastirte Meinungs stiick direlt vom Leibe reißen wollte. Im nächsten Moment aber ward Herrn Stockner der Hut vom Kopfe gerissen und wirbelte lustig über .die ganze Straßenbreite hinüber. Empört strebte Herr Stockner dem Flüchtling nach. Dabei hielt er die Arme Verlan gend nach vorn ausgestreckt. Die Sei tentheile des Ueberziehers flatterten wie Fledermausflügel in die Höhe. Der Hut rollte lustig über das Pfla ster, durcheilte die lleinen Pfützen, die der vormittägige Regen zurückgelassen hatte, und lief dann zwischen die Beine der Passanten am gegenüberliegenden Trottoir. Herr Stockner athemlos, mit wehenden Flügelnsihm nach. End lich gelang es einem Passanten, den Flüchtling festzuhalten, indem er mit seinem Spazierstock nach ihm schlug und ihn dann nach mehreren vergeb lichen Versuchen sestbohrie. Dankend nahm Herr Stockner aus den Händen des lächelnden alten Herrn den Entflohenen entgegen. Am lieb sten hätte er den infamen ( ckel nach wienerischer Art »um d’ Erd g’haut«, so erbärmlich sah er aus. Ueber und über mit Koth bedeckt, außerdem mit einem unreparirbaren Bug versehen, den ihm der Stock des freundlichen al ten Herrn beigebracht hatte. Herr Stockner hätte heulen tännen vor Muth An dem nächsten Einwan nerstandplatz bestieg er einen Wagen und fuhr nach Hause. Das Dienstmädchen öffnete ihm. Jhr »Kiisz d’ Hand, gnä’ Herr!« ward keiner Antwort gewürdigt, dafür flog der Hut des »gnä’ Herrn« mit Behe menz in eine Ecke. Das Mädchen wollte beim Ausziehen des Ueberqie hers helfen, sie ward höchst ungnädig abgelehnt und lehrte weinend in die Küche zurück. »Ja —- wag ist’s denn?« fragte ver wundert Frau Stoclner. Aber der Gemahl ging an ihr vorüber und wür digte sie keines Blickes. »Jnsame Schlamperei!« war das erste Wort, das Herrn Stocknerkz Munde entsuhr. »Was??" fragte ernst und ruhig Frau Stockner. »Jnfame Schlamperei, faacich,'« war seine Antwort. Dabei fuhr er mit dem Löffel in die Suppe, um im näch sten Moment mit dem sündhaftenAuss rufe »Himmel Herrgott, Sai« .ent!« den Löffel wegzuschleudern. Herr Stockner hatte sich in unangenehmster Weise mit der heißen Suppe den Mund verbrannt. Zornentbrannt stand er auf. »Hu blöd —- das ist eine Sauwirth scha t,« schrie er wüthend. Frau Stock ner verlangte jetzt kategorisch zu wis sen, worüber ihr Gemahl so aufge bracht sei. Darauf fragte Herr Stock ner im beleidigendsten Tone, ob die Frau denn keine· Augen habe, ob sie idenn nicht sehe, wie es jeden Tag mit idem Hauswesen um ein Bedeutendes zurückgehe, wie jede-Ordnung längst geschwunden sei! Er kündigte an, daß er durchaus nicht gewillt sei. sich von seiner leichtsinnigen Frau mit in’s i Verderben reißen zu lassen. i Frau Stockner forderte ihren Ge mahl auf das Beftimmtefte auf, ihr zu sagen, ob er verrückt fei. Stockner schlug eine höhnifche Lache auf und ver sicherte mit bitterm Worten, daß, wenn die Mitglieder seiner Familie nur den zehnten Theil fo viel Ver stand und Vernunft befäßen, wie er, solche Dinge nicht pafsiren würden. Der Spettatel wurde immer ärger, fchließlich riff Frau Stockner zu ihrem bewä rteften KampfmitteL Sie fing heftig zu weinen an und nannte sich fchluchzend und händeringend die unglücklichfte Frau auf Gottes Erd boden. Das Dienstmädchen kam herein und fragte nach den weiteren Befehlen des gnädt en Herrn. Der gnädige Herr erklärte, iefei eine geradezu pyrami dale Gans und er verzichte auf ihre Dienste. "Er gehe jetzt in das nächst hefte Wirthslotah da fei er vor den Aer ernissen, die.das Glück des hei mat lichen Zerdes mitführe, wenig ftens sicher. Ieber wolle er Roßwiirftel L Iin Frieden, als einen a an im Un rieden essen, erwerbe von iner amtlie an urüchzm dies ei er ts u g. einer Ge un Und et ging auch wirklich. Er riß den neuen Uebersieher aus dem Ka en, er hob den Zylinder aus der Scha tel, er entnahm der «Feuersicheren« eine horrende Summe und eilte fort. Bei der Thür drehte er sich nochmals um und deutete mit düsterer Miene an, daß heute noch etwas Furchtbares geschehen werde. Das Dienstmädchen tam in diesem Moment aus der Küche heraus. Sie verzichte auf ihre vierzehn Tage, er klärte sie-bei einem Menschen, der seine Frau und verschiedene andere weibliche Wesen so schlecht behandle, bleibe sie nicht. Herr Stockner em pfahl ihr dringend den Blocksberg als nächstes ReisezieL Er ging in ein Wirthshaus. Aber auch dort behagte es ihm nicht. Die Speisen waren schlecht, nur das Bier errang seinen Beifall. Er trani hastig einige Krügel und ließ sich dann noch zwei Viertel Wein geben. Der Alto hol übte ieine besonders erhebende Wirkung. Stockner ward nur noch düsterer gestimmt. Er beklagte sein furchtbares Schicksal und nahm sig vor, vor zwei Uhr Nachts nicht na Hause zu gehen. Vom Wirthshaus weg ging er in ein Kasseehaus, trank dort zwei Schwarze mit Rum gespritzt und ließ sich außerdem mehrere Gläser Cognac geben. Da ihm etwas warm im Kopfe geworden war, so ging er spazieren. Um fünf Uhr begegnete er einem Bekannten, der ihn einlud, mit ihm in das Griechenwirthshaus zu gehen. Stockner folgte mit Freuden. Beim dritten Krügel deutete er an, daß ihm das Leben zur Last geworden sei; wenn er nur an das Daheim denke, werde ihm schon übel. Der Freund rühmie die Vorzüge des freien Junggesellenleben5, das ihn so ziem lich vor den niedertråichtigen Schika nen der Frauen bewahre. Stockner ward immer düsterer und düsterer ge stimmt. L Gegen sechs Uhr begann er heftige Symptome eines Magenlrampses zu spüren. Jn einem Kasseehaus trank er einen Bittern. Auf den Bittern ward ihm erst recht übel. Er ging heim —- miihselig — Schritt für Schritt wantte er durch die Straßen —er war zu Tode froh, als er endlich seine Wohnung erreicht hatte. Da ward ihm eine neue Ueber raschung zutheiL Die Schwiegermut ter war gekommen, als Sutturs von der Frau Gemahlin herbeigerufen. Die Schwiegermutter bat sofort um Aufklärung über die Dinge, die da vorgingen. Stockner streckte blos ab wehrend die Hände aus-, ging in das Schlaszimmer undl egte sich nieder. Er war schwer trank. Sein Zustand wur de dadurch nicht besser, daß die alte Frau ihm in das Schlafzimmer nach eilte, ihre dringenden Bitten um Auf klärung wiederholte nnd die Frau Ge mahlin mit von Schluchzen erstickter Stimme seine Unthaten erzählte· Es war ihm schlecht — aber schon sehr schlecht. Mit gsesalteten Händen bat er um Ruhe. Der Frau ward bange, als sie in das verhärmte, bleiche Gesicht sah. Die Feindseligieiten wurden vertagt — aber nur, um nach der Genesung des Gemahls wieder aufs Neue ausgenom men zu werden, wie die Schwieger mutter versicherte. Herr Stockner be lant talte Umfchliige auf den Kopf und Kamillenthee in den Magen. Den Ka rnillenthee bereitete die Schwiegermu ma selbst, ja sie ließ durch das Dienst mädchen von ihrer Wohnung ein Fläschen Mariazellertropfsen bringen, jenes Lebenselixir, das der Schwieger mutter schon in den oerztreifelisten Fällen Hilfe, zum mindesten aber Lin derung ihrer Leiden gebracht hatte. Als Stockner sah, wie die beiden so tiefgetriinlten Frauen sich um ihn alle Mühe gaben, zog tiese Reue iEin sein herz. Jn Gedanken bat er seiner Frau jedes böse Wort ab, das er ihr heute gesagt hatte. Zum Sprechen war er zu schwach -— im Schädel hatte er ein Gefühl, als ob seine Ge hirnmasse die beengenden Knochenbili len sprengen wolle. Endlich schlief er ein. Es war ein unruhiger Schlaf. Fortwährend lief er seinem Hute nach oder er bemühte sich vergeblich, einen Knopf an seinen Ueberzieher anzuniihen. Der Knopf riß immer wieder ab. Auch der nächste Vormittag war noch sehr schmerzvolL Erst gegen Abend konnte Stockner aufstehen. Die Frau bereitete ihm russischen Ther. Ein wohliges Gefühl kommende-e Gesun dung ergriff ihn. Geriihrt küßte er die hand seiner guten Frau. Da kam die Schwiegermutter. Sie wollte wieder mit dem Verhör beginnen, aber die Frau winkte ab. Jn einer halben Stunde fing Stockner selbst zu erzählen an und wies den abgerissenen Knopf vor. Mit scheuen Blicken betrachteten die Frauen den Unheilstiftet. Am nächsten Geburtstage bekam Herr Stockner von seiner Frau ein son derbares Geschenk. Einen wunderziec lichen kleinen Polster, mitw eifzern At las überzogen. Jm Mittelpunkt dieses Polsters war der unselige Ueberziehr knon aufgeniiht. Trotzdem war Herr Stockner nicht böse. Als ihm die Frau das Geschenk überreichte, küßte er ihr demüthig die Hand und versprach, der stummen Mahnung dieses Geschenkes sein Leben lang zu folyen