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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Aug. 23, 1901)
W Var Hagel-nah Nobellette von M. Koss a t. Er liebte zum ersten Male, abgerech net natürlich eine oder die andere Schwärmerei ür Schauspielerinnen oder Damen reiferen Alters, denen er eine ritterliche Verehrung gewidmet. Der Gegenstand dieser Liebe war ein hubfches, schlantes Mädchen mit merk wurdig nachdenklichen Augen, turzge fchnittenem blondern Kraushaar und einen festgeschlossenen blossen Mund. Er hatte sie im hause ihres Vaters, eines geschätzten Gelehrten und Pro fessors der Jurisprudenz, der an dem fleißigen Studenten Gefallen gefunden hatte und ihn häufig zu sich lud, kennen gelernt. Anfänglich achteten die der den jungen Leute wenig auf einander. Erich Hauser wurde von demProfessor, der sich gern doziren hörte, durch juri stische Auseinandersesungen in An fpruch genommen und Dora Tollinger saß schweigfam und iheilnabmslos, mit einem Buche oder einer feinen Sticterei beschäftigt, daneben. Sie gehörte überhaupt nicht zu den redsamen Per sonen, so daß Erich sie zuerst mit dem rasch fertigen Urtheil seiner Jahre fiir dumm hielt. Als er dann geleaentlich ein paar Bemerkungen von ihr hörte, die von scharfem Verstande und unge wöhnlicher literarischer Bildung zeug ten, richtete er öfter und öfter das Wort an fie. Allmählich bildete sich eine Art Freundschaft zwischen ihnen aus, die aus seiner Seite bald in Liebe über ging. Ob sie sein Gefühl erwiderte, wußte er zwar nicht genau, doch bildete er sich's ein. Er war der einzige von den Studenten, welche das Haus des Pro sessors besuchten, mit dem sie sich ein gehend unterhielt, ja, dessen Gesellschaft sie sich sogar stundenlang gefallen ließ; er durfte sie aus ihren Radsabrten in der Umgegend der kleinen Universitäts stadt begleiten, sast täglich forderte sie ihn auf, ihr vorzulesen. indess sie in ih rem großen schattigen Garten unthätig in der höngematte lag, Gründe genug für ihn, um ihn in seiner Annahme zu bestärten. Meist sprachen sie über Bü cher, ohne sich jedoch je in ihrem Urtheil über dieselben einigen zu tönnen. Er stand ganz in tlassischen Anschauungen, schwärmte für Schiller, Freytag, Gott fried Keller, sie dagegen bevorzugte hauptsächlich neuere Autoten, und zwar solche, welche das Grausige, Mhsiische zu ihrem Spezialgebiet gemacht. »Es geht Jhnen zu gut im Leben, das ist die Ursache, warum Sie Jhre Phantasie so gern mit dem unheim lichen Zeug ersiillen,« sagte er ihr eines Tages, als sie ihm eine Novelle rühmte, die von einem mit Kleviomanie behaf teten Mädchen handelte. »Wenn Sie Sorgen oder Kummer hätten, so wür den Sie lieber Heiteres und Anmuthi gesslesem So aber reizt sie der Kon tra t." ,,Woher wissen Sie denn, daß ich tei ne Sorgen habe?« fragte sie mit ae zwangenem Lächeln. »Was wissen Sie überhaupt von mir, außer daß ich die einzige Tochter des Professor-z Tollinger bin und in einer hübschen Ban inmitten eines großen, schattigen Gartens wohne? Jch tünnte ein ge heimes Verbrechen aus der Seele haben, ohne daß Sie es auch nur ahnten.« Erich Hauser sah sie verblüfft an. Es war etwas in ihrer Stimme, das ihn bsunruhigte, aufregte. Und wie er sie näher betrachtete, fielen ihm die dunklen Schatten unter ihren Augen und der verlnissene Zug um ihren Mund aus. Sollte es in dem Leben dieses Mädchens, dessen gesammte Ber hältnisse anscheinend so tlur vor ihm dalagen, doch etwas geben, das sie zu jenen Worten berechtigte? . » Diese Frage ließ ihn nicht las und noch während der nächstenTage beschäf tigte sie ihn. Nachdem sein Denken aber einmal diese Richtung genommen, kamen ihm allerhand Seltsamkeiten in Dreck-H Wesen. die er früher nie beach iet, zum Bewußtsein. Ost verschwand sie Abends, um lange, einsame Prome naden im Garten zu machen, und wenn sie dann wiedertehrte, strahlten ihre Augen m siebethastem Glanz und ihre Wangen brannten. Auch lonnte sie höufi in trübes Sinnen verfallen, aus dem Zie, wenn man sie ansprach, wie aus einem tiesen Traum aussuhr. Ach, und wie sorgenvoll ihres Vaters Blirle manchmal aus ihr ruhten! Wenn man das alles zusammennahm, so - — ja was denn? Was- in aller Welt ging daraus ’ hervor? Eigentlich doch nichts, abso- i lut nichts. ( Tro dem Erich sich das selbst zuge- » stand, esehlo er, sie sortan schärfer zu s beobachten. ine untlare Regung der- ; anlaszte ihn, sie das nächste Mal aml Vormittage auszusuchen. Er war um diese Zeit noch niemals im hause seines Gastsreundes gewesen« Dora hatte ihm gesagt, daß der Vater es nicht liebe, vor dem Essen in seinen Arbeiten ge stört zu werden und daß sie selbst die Vormittagsstnnden mit häuslicherThä tigteit aussiilltr. Als er die Villa he trat, gab ihm das Dienstmädchen, wel ches ihm geössnet, denn auch den Be scheid, daß der Professor nicht zu spre chen sei, daß Fräulein Dom sich im Garten besinde, um Salat siir den Frühstückstisch zu pflücken. Erich wußte. wo die Gemüsebeete la en, und lenlte daher seinen Schritt zu ihnen. Sie war ’edoch nicht dort. Ver zstirnrnt wollte er schon in die Van zu riicktehrem als ihm einsiei. daß er sie vielleicht aus ihrem Lieblingsplah sin den könnte. Es war das eine Banl mit einem Tis davor, die, von vier Lin den übern-· lbt, einen Ausblick au· ein malerisch auf grünbewaldetem erge gelegenes, burgartig ausschauendes Vergnügungzlotal gewährte. Wenn er am Nachmittage lam, pflegte et sie meist hier zu suchen und sich dann zu ihr zu seyen und zu sehen, wie sie mit ihren geschickten hönden Blumen nach der Natur malte oder wohl auch die »Schnupsenburg«, wie jenes Etablisse ment scherzweise von den Studenten genannt wurde, slizzirtr. Sie hatte verschiedeneAufnahmen davon gemacht, von denen eine das Gebäude, einem phantastischen Einfall zu Folge, bren nend, von rothen, bis zum Himmel zün gelnden Flammen umloht, zeigte. »Ich liebe das Feuer,« hatte sie ge sagt, als er seine Verwunderung über das Bild ausgesprochen. »Ich habe in meiner Kindheit, als wir noch in Dor Pat wohnten, ein Haus brennen sehen, das neben dem unserigen lag, und die sen Anblick nie vergessen können. Es Fvar ein herrliches, großartiges Schau piel.« Heute aber war der Platz unter den Linden leer, indessen verriethen aller hand umherliegende Schreibutensilien« sowie ein Buch in Quattsormat, daß sie noch vor Kurzem hier gewesen sein mußte. Unwilltiirlich trat er näher und betrachtete das Letztere. Es war in Safsian gebunden, auf dem Deckel Yade in Goldlettern gedruckt: »Tage U .« Erich Haus er stieg das Blut in’s Ge sicht und sein Herz fing ihm heftig an zu klopfen. Wenn er nun Einsicht d’rin nahm? Freilich, es wäre eine Jndistretion gewesen, die Dora ihm nie verzeihen könnte. Aber sie würde ja niemals davon erfahren . . .. Einen lurzen Augenblick kämpfte er noch mit seinem AnstandsgesiihL dann aber siegte die Neugier. Er war eben noch sehr jung und unreif, nicht viel mehr als ein Kind seinem innersten Wesen nach. Nachdem er sich mit hastig um sich spähenden Blicken versichert hatte, daß Niemand sich in der Nähe befand, griff er nach dem Buch und tlappte den Deckel aus. Zuerst fand er hauptsachlich Verfe, dazwischen eingestreut Schilderungen von Vorkommnissen aus dem täglichen «Leben, aphoristische Bemerkungen kind lichster Art; wie die beigefügten Daten bewiesen hatte Dora das Alles vor einigen Jahren schon niedergeschrieben. Er würdigte es denn auch kaum eines Blickes, sondern schlug die Blätter rasch weiter um. Eine ganze Reihe davon erschien jungfräulich weiß, schon wollte er das Buch enttauscht aus der Hand legen, als die Aufzeichnungen abermals begannen. Ein Datum tru « gen sie nicht, aber dafür war die f Schrift anders als vordem klein, zier ) lich, aber doch fest und charaktervolL fund er las in angehaltenem Athem Eund stets sich fteigernder Spannung ? wie folgt: s »Es will Nacht werden. Jhre J Schatten senken sich auf die Erde her « ab, ihre geheimniszvollen Stimmen klingen aus Büschen und Bäumen, sie flüstern mir Dinge zu. von denen nur ich weiß, die ich nie vergessen kann. Oben am dunklen Himmel ballen sich .schwarze Wolken zu ungeheuerlichen Pia assen zusammen, beständig wechseln te ihre Gestalt, sie lösen sich von ein ander, umschlingen sich in wilder Um iarmung und lösen sich wieder Ein kleiner, gelber Streifen vom Voll smond blickt durch, wie er leuchtet heller immer heller, schweflichte Strah lengarben scheint er zu sprühen, über Baume und Rasen, Wege und Wasser. i Und jetzt plötzlich glüht s auf, dort hin Fter dem verschnörielten Giebel der l Villa, flammenroth, wie hollisches Feuer. Hinter den Fenstern fängt’ s an zu leuchten, auch roth, roth! Flämm T chen zucken auf und nieder, sie lecken an den Wänden, schlängeln sich bis I zur Decke hinauf und er, er. der dort ruhig schlummert, weiß nichts von der Gefahr« die ihn umgiebt. Er träumt, träumt vielleicht von mir, indeß er in » die Ewigkeit hinüberschläft. Ach, wenn J er wüßte, wessen hand . . .· Doch still, . Niemand ahnt es und mein Mund « verräth nichts. : Aber norchl War das nicht ein s Schrei, der Angstschrei eines Sterben ! den? Riefs nicht Dara? Schnell ) Leitern herbei, löscht, um Gotte-Zwil len, Robert, Du sollst nicht sterben, nicht durch mich! Durch mich? Bin ich’s denn, der ihn gemordei? Nein! Meine Hand legte das Feuer an, aber doch bin ch unschuldig an der That. Nie wär’s mir in den Sinn gekommen, meinen Geliebten zu tödten, meiner Seele Ab gottl Jch konnte nicht anders, eine fremde Macht lenkte meine Hand und diese Macht war der Wahnsinn. Py romanie nennt man das Leiden, dem ich verfallen bin seit meiner Geburt. Ach, mein armer Vater, Du weiszt nicht« wer damals die Gardinen in Deinem Schlaszimmer in Brand ge steckt, wer die glimmenden Streichhiil zer ein Jahr später in Deine brennen den Atten warst Wenn Du es wüß test, dann, ach nein, auch dann würdest Du mich noch lieben, mich, Dein unse ligeit Kind. Ehedem sperrte man Menschen wie mich in’s Gefängniß, heute verbannt man sie in’s Jrrenhaus und bedauert sie, statt ihnen zu flu chen. Wie seltsam, daß ich so trank bin und mich doch so gesund siiblet So tlar ist mein Denken« jede Einzelheit l . H weiß ich von jener Katastrophe, bei der Robert. . . . Robert! Ewig hallt mir der Name im Ohr, ewig. . .« Ein trällernder Ton, nicht weit von ihm entfernt, ließ Erich aussah ren. Entsetzt blickte er um sich und sah das Küchenmädchen, ein heiteres Liedchen auf den Lippen, aus einem der Seitenwege in die zur Villa führende Hauptallee biegen. Um Himmelswib len, nur jetzt von Niemand erblickt wer den! Rasch das Buch auf den Tisch werfend, drückte er sich hinter eine Linde, wo er zitternd wartete, bis jene im Hause verschwunden war. Dann erst wagte er, sein Versteck zu verlassen. Sein Plan war, durch die hintere Gartenthiir zu entfliehen, die dirett auf die Straße hinausging. Schon hatte er sie fast erreicht, als er, o Schrecken, des Professors Stimme seinen Namen rufen hörte. Als er sich scheu umschaute, sah er den alten Herrn im Schlafrock, mit der Pfeife im Mun de, vor sich stehen« »Aber bester Hauser, was machen Sie denn hier ganz allein?« fragte er lachend. ; Etich stammelte etwas von Nichtstö ; renwollen, das Mädchen hätte ihm ge sagt, daß der Herr Professor bei der Arbeit wäre u. s. w. Dabei warf er s verlangende Blicke nach der Garten thür. . Der Professor schüttelte erstaunt den ! Kopf. »Und da wollten Sie, ohne Je j manden von uns gesehen zu haben, wie E ein Dieb in der Nacht fortschleichenk L Wenn mich nicht die Lust angewandelt I hätte, ein wenig zu promeniren, so f wäre es Jhnen ja auch gelungen. Aber s da ich Sie nun einmal erwischt, so E kommen Sie und frühstiicken Sie mit » uns. Nachher können Sie mir ein « paar Stellen im Strafgesetzbuch, die ich s gerade brauche, nachschlagen.« Wäre Erich weniger faffungsws in diesem Augenblick gewesen, so würde er vielleicht dennoch einen Vormund gefun den haben. um sich dem Verlangen des Vrofessors zu entziehen, aber völlig nie dergedrückt durch die Wucht des Ent fetzlichem das er eben erfahren, ver wirrt und keines klaren Gedankens fähig, vermochte er nichts zu thun, als sich willenlos von ihm mitfchleppen zu lassen. Dora erwartete den Vater bereits am Frühstückstisch Als sie Erich’s ansich tig wurde, reichte sie ihm freundlich wie fcnst die Hand, doch mußte er sich Ge walt anthun, um die seine hineinzule gen. »Wie sehen Sie nur aus?" fragte sie, ihn besorgt anblickend. »Sind Sie traan« Er schüttelte nur den Kopf, antwor ten konnte er nicht. Es war eine entsetzliche Stunde, die nun fiir ihn folgte. Glücklicherweife docirte der Professor wie gewöhnlich, wodurch Erich des Sprechens überhoben wurde. Von Zeit zu Zeit warf er einen scheuen Blick aus Dota. Wie zart und hold das Mädchen aussah! Und den noch, großer Gott, wie war es möglich, wie konnte es möglich sein, daß sie,nein, er wollte es auch nicht glauben, es mußte eine andere Erklärung fiir das Unbegreifliche geben, das er gelesen. Und nun beichloß er, sie zu fondiren, jetzt gleich, denn länger noch in diesem gräßlichenZweifel zu verharren, däuchte ihm unerträglich. Der Hausherr war gerade in die Auseinandersetzung eines interessanten Prozesses vertieft, bei dem allerhand Sinnestäuschungen des Angeklagten eine wichtige Rolle spielten. »Verzeihen Sie, Herr Professor«· sagte Erich, hieran anlnüpfend, »wenn ich mir eine Gegenbemerkung erlaube. Es kommt thatfiichlich Vor, daß die Phantasie einem Menschen bei helllich tem Tage solche Trugbilder vorgautelt. Mir selbst ist vorhin Aehnliches pas iri.« s ,,Wa——a--as?« Der Professor legte Messer und Gabel hin und staunte ihn verwundert an. »Ja«, log Erich, »es war gerade im Moment. bevor Sie mich trafen. Jch fah nämlich plötzlich aus dem Rinden häuschen hinten am Zaun einen brünets ten jungen Mann treten, und —« hie: blickte er Dora scharf an —— »was das Merkwürdigste, ich wußte sogar seinen Namen. Er hieß Robert isnd ——-« er vollendete nicht, denn Dora hatte ihn unter dem Tisch so heftig angestofzen, daß er unwillkürlich abbrach. Jhr Ge sicht war todtenblaß geworden, Und ihre Augen blitzten ihn zornig nn. »Das war niederträchtig«, rannte sie ihm zu. »Nun, und weiter?« forschte der Pro fessor, und »schweigen Sie«, flüsterte Dota. »Ja weiter, weiter war nichts«, stam melte Erich hilflos von einem zum an dern blickend. Wie das Frühstück von da an vertief, nimmermehr hätte er’s sagen können Er wußte nur« daß der Professor sich noch eine Weile in Scherzen über seine wundersame Vision erging, und das; Dora in finsterem Schweigen vor sich hinbrütetr. Glücklicherweise wurde es ihm erlas sen, heute die besprochenen Aus-füge aus dem Strafgesetzbuch zu machen, kenn am Ende war auch dem alten Herrn sein verstörtes Wesen, das er selbst mit Unwohlsein erklärte, aufge sallen. Mit der Mahnung, wiederzu tommen, sowie er sich wohler fühle, verabschiedete ihn jener. Während der nächsten Tage fühlte er sich außer Stande, der erhaltenen Wei sung zu folgen. Er war wirklich krank, tein Wunder nach der Aufregung jene — - entsetzlichen Vormittags. Denn nun egte er keinen Zweifel mehr über ora’s Verbrechen. Jhr Schrecken, als er den Namen des von ihr gemordeten Geliebten nannte, der Zorn, mit dem sie ihm schweigen geheißen, verriethen sie nur zu deutlich. Allmiilig wurde er dann wieder ruhiger, seine Liebe für das Mädchen war todt, seit er von ihrer That wußte, und wenn er sie auch mit ihrem traurigen Geisteszuftande ent- ’ schuldigte, so erweckte dieser doch kaum treniger Grauen in ihm als das Ver brechen selbst. Endlich, nahezu eine Woche mochte verflossen sein seit seinem letzten Besuch in der Billa, machte er sich auf, um fei nen Lehrer auszuflicken. Nachdem er lange mit sich zu Rathe gegangen, war der Entschluß in ihm gereift, denselben in schonender Weise auf das Leiden sei ner Tochter aufmerksam zu machen. So schwer ihm der Schritt wurde, so hielt er es doch für seine Pflicht, ihn auszu führen. Denn wer konnte wissen, was Dorn nicht wieder anrichtete, wenn die Versuchung über sie kam. Das Dienstmädchen, dem er anbe fahl, ihn dem Hausherrn zu melden, führte ihn, nachdem sie sich ihres Auf trages entledigt, dessen ungeachtet in’s Wohnzimmer. Fröhliches Lachen tönte ihm bei seinem Eintritt entgegen. Es lam von den-Lippen Dora’s und eines brünetten Mannes mit vornehm ge schnittenen Zügen, die, sich umschlungen haltend, zusammen in einem Buche la sen, das Erich sofort als jenes entsetz liche ,,Tagebuch« erkannte· Doch wur de ihm nicht lange Zeit, sich über all diese Seltsamteiten zu wundern, denn Dora sprang bei seinem Anblick auf und sagte, ohne den Gruß ihres Besu chers abzuwarten, auf den fremden Herrn weisend: »MeinBräutigam, Ba ron Robert Kühle.« Dann sich zu die sem wendend, fügte sie hinzu, »Das ist der junge Herr, von dem ich Dir vor hin erzählte, Du weißt, der uns an Pa va verrathen wollte.« Der Fremde machte auch seine Ver beugung, und Erich mußte sich setzen. . Er wünschte, daß die Erde ihn ver z schlingen möchte, aber was half’s, jetzt j hieß es ftandhaltcn. E »Sie werden sich wundern, meinen ; Bräutigam hierzu sehen,« begann Do ; ra das Gespräch. »Ja, Gott sei Dani, T die Schwierigkeiten, welche sich unserer [ Verbindung entgegensetzten, sind nun ; besiegt und damit auch die Heimlichkei F ten zu Ende. Aber sagen Sie doch nur, ! woher wußten Sie von der Sache?« E Zum Glück fiir ihn überhob ihn der Eintritt des Professors der Antwort. Während er mit dem alten Herrn re dete, vertieften die Liebenden sich wieder in den Inhalt des Tagebuches. »Was meinst Du,« sagte einmal der Baron, in der Lettüre innehaltend, ,,wollen wir Deinen ersten und auch hoffentlich letzten literarischen Versuch nicht den Flammen übergeben? Es ist doch gar zu abscheulich, daß Du mich hast verbrennen lassen. Was?« Dora lachte, und dann zündeten die beiden trotz der sommerlichen Wärme ein lustiges Feuer irn Kamin an und warfen das Buch hinein. Erich sah das Autodafis noch mit an, mit welchen Gefühlen? Darauf empfahl er sich un ter einem schicklichen Vorwand. »Ich Esel!« murmelte er, als er die Van verließ, mit dem festen Vorsatz, sie nie wieder zu betreten. Einen Ort, wo man sich gründlich blamirt, wenn auch vornehmlich nur in der eigenen Meinung, sucht man doch ohne Noth nicht gerne wieder auf. ' Wenige Tage später schnürte er fein l Bündel und siedelte nach einer anderen Universität über, wohin, wie er hoffte, ier Schatten des schmählich gemordeten und wieder auferstandenen Rosberts ihn nicht begleiten würde. tskine tolle Fahrt. Stizze aus dem Leben von Fr anz F a l t s o n. »Ich träume als Kind mich zurücke und schüttle mein greises Hauptt« Das ist nun nicht ganz richtig, denn einmal ist derVorsall, den ich hier erzählen will, erst vor zirta 20 Jahren passirt, und s da war ich schon lange tein Kind mehr, und dann — ein Mummelgreis bin ich gerade auch noch nicht. Sonst stimmt aber alles, also los: Zu jener Zeit amtirte ich in der Pro vinz. die durch das bevorstehende Kai sermanöoer jetzt wieder vor die Augen der Welt gerückt wird. Mein Domicil war ein kleines Städtchen zwischen Nogat und Weichsel. So klein das Nest aber auch war, es barg eine nicht ganz geringe Quantität Intelligenz hinter seinen Mäuerchen, darunter vor allem meinen alten lieben Freund S., Direktor einer großen Fabrik. Wer ihn kannte, den kleinen beweglichen Mann mit dem in Güte und Menschen liebe strahlenden Gesichte, mußte ihm gut sein, und so war er denn mit der Zeit mein bester Freund geworden. Jetzt ruht er unter dem kühlen Rasen. Möge ihm die Erde leicht sein! Uns beide einte noch besonders der Umstand, daß wir beide als Reserve Ossiziere dem Landwehr-Bataillons bezirt Marienburg angehörten und beide durch das Vertrauen unserer Ka meraden Mitglieder des Ehrenrathexz des betreffenden Ossiziertoxps waren. Dieses Ehrenamt führte uns nun ös ters nach Marienburg, wohin wir je nach der Jahreszeit mit Wagen oder Schlitten uhren, denn eine Eisenbahn verband damals-noch nicht unser ver ,- — H träumtes Städtchen mit der übrigen Kultur-welt. Marienburg an der anderen Seite der Nogat, eines ziemlich großen, aber bis aus die Zeit des Eisganges, d. h. des Berstens der Eisdecke, harmlosen Flusses-) wurde mit dem sogenannten Werder, in welchem unser Städtchen lag, durch eine Eisenbahn- und eine Pontonbrücke verbunden. Erstere konnte damals von Fuhrwerk nur benutzt wer den, wenn keine Eifenbahnzüge sie pas sirten oder in Sieht waren. Die Pon tonbriicke wurde im Winter abgebro chen. Die Passage für Wagen, Schlit ten und Fußgänger ging dann über die Eisdecke der Negat. Es war an einem hellen, kalten Märztage, als Freund S. und ich uns zu einer Schlittenfahrt nach Marien burg rüfteien. Dort sollte eine Ehren gerichtgsitzung und im Atti-»J- daran ein gemeinsames Mahl stattfinden. Den Schuppenpelz über der Uniform, die Füße in Fußsäclen, in Pelzdecken gehüllt, fuhren wir bei zirta 18 Grad Kälte ab. Die Fahrt währte zirta drei Stunden, da mußte man sub gut gegen die Kälte schützen. Endlich raaten die Thürme der alten Ordensstadt, der Remterthurm des Schlosses, die Kirch thürme der Stadt vor uns- auf, da schimmerte die eisbedeckte Nogat, auf welcher sich Schlittschuhläufer fröhlich bewegten, über welche schwerbeladene Schlitten mit buntem Schellengeläut schnell dahinglitien, dazu die hohen fchneebedeclten Ufer der Deiche die be rühmte Nogatbrücke, welche in zierlicher Spannung Ufer mit Ufer verbindet. Lustig tlingelten wir über die Brücke, kein Zug störte die Ueberfahrt, und der Tag nahm seinen programmmäszigen Verlauf. Doch mit Des wefcymeg Machlen m kein ewiger Bund zu flechten. Bei ei nein solchen Mahle — man nennt es be kanntlich ,,Liebesmahl« — perlt der Wein in nicht zu kleinen Quantitäten, mit der zunehmenden Weinauffrischung erwachen Erinnerungen, und darin war Freund S. groß. Hatte er ein ge wisses Quantum in sich aufgenommen, dann kamen die ,,Gedenktage«, wie wir es nannten. S. hatt zwei Feldziige, 1866 und 1870X71, mitgemacht und viel erlebt, bei einigem guten Willen konnte er also fast jeden Tag im Jahre zu einem Gedenttage stempeln. Dieser gute Wille trat stets zu bestimmten Zei ten in Funktion, und dann mußte der Gedenktag gefeiert werden Und zwar in Sect. Also geschah es denn auch an diesem Tage, respektive Abend. Es war über zehn Uhr, der Schlitten stand vor der Thür, kopfschüttelnd sah ich S. an. ; Noch kein Gedenktag? Da erhob er sich, H seine blauen Augen strahlten, und end t lich entströmte seinen Lippen der Name i einer mir bis dahin —- erröthend sei’s gestanden —-- völlig unbekannten » Schlacht, und der Gedenttag war fer ltig. Aber nur angesichts der alten Burg konnte dieser historische Tag ge feiert werden. ,,Also, auf nach Valen cia!« Ein dem alten Schlosse gegen iiber liegendes Wein-Restaurant sollte Ort der Handlung sein« Jm Nu war der Schlitten besetzt, und mit Peitschen knallen sanften wir zu der Feststiitte. Der ruhige Bürger fuhr jäh vom Lager und faltete die Hände, als die wilde Jagd vorbeifauste. Aber, was scheert das den Sommerleutnaut, wenn er die Löwenhaut anhat. Die gastlichen Raume nahmen uns auf, der Sect floß in Strömen. Man ches Heldenhaupt senkte sich auf die Brust, der Held des Tages aber, im Pelz und mit riesigen Pelzftiefeln wur de nicht müde, staunend lauschten die Kameraden, soweit sie dazu im Stande waren, seinen Erläuterungen über jene Tage und Stunden des Ruhms, welche wir hier ,,ohne unser Verdienst und Würdigkeit« mitfeiern durften, und der Kutscher draußen «an dem Schlitten trug der Bedeutung des Ta ges in dunkelbraunem Grog freudig Rechnung Aver jedes Ding hat seine Zeit. Auch wir saßen endlich wieder irn Schlitten und fuhren unter endlosen Hoch’5 der Kameraden davon. Unser Held wid ·mete sich mit der ihm eigenen Kunstfer tigkeit sofort dem wohl verdienten Schlummer-. An der Nogatbrücke hielt der Schlitten. »Was ist los?« »Die Brücke ist gesperrt!« Wir warten 10, 15 Minuten, S. schnarchte. «Brücken wärter, wann wird die Passage wieder seei?« ,,Dat weit ecl nich, ’ne Stünn tünn et schonst noch dure!« Was thun? «Fritz, wir fahren über die Nogat!« »Sell woll. Herr Leitnan!« Der Schlitten macht kehrt und fährt zu derStelle, wo sonst die « ontonbriicle sich in den ruhigen Flut en spiegelt. Aber, was ist das-? Ein warmer Wind weht uns von dem Flusse entgegen. Daß während unsererSitznng, des Lie besmahles und der Gedenkseier sich das Wetter völlig geändert hatte, der starre Frost einem intensiven Thauwetter ge wichen war, keiner von uns hatte es be merkt Man sah das helle Wasser aus dem Eise glänzen. »Und ringsum lracht’s und lnistert und dröhnt, »Die Nogat ist’s, die im Eisgang stöhnt.« Fritz dreht sich fragend nach mir um, in seinen grogglänzendenAeuglcin malt ; sich eine gewisse Besorgniß. »Sull ick, ; Her Leitnan?« Ein Reserve--Osfizier in Uniform kennt leine Furcht. Mit heller Kommandostimme tönt’s, wie auf dem Exerzirplatz: »Marsch!« Be — H drriclt seufzt Fritz: ,,Jn Gottesna-men:« und der Schlitten fährt in das gurgeln de Wasser. Die Pferde scheuen. dann rasen sie mit gesträubten Miihnen da von, sie sind die einzigen, die die Gefahr in vollem Umfange zu fassen scheinen. Hell scheint der Vollmond auf die grau sige Fläche, es lnistert und dröhnt un ter den Hufen. Jetzt sind wir drüben, die Pferde jagen den steilen Abhang herauf, Fritzens bärtigen Lippen ent schlüpft ein leises »Gott sei Dani«. Da dröhnt die Uhr vom Remierthurm zwölf dumpfe Schläge, es ist Mitter nacht. Droben auf der Chaussee hülle ich mich behaglich in Pelz und Decke, ein Blick auf den festschlafenden Ge fährten, und auch ich entschlummerr. si- -1· st ,,Die Sonn’ erwacht mit ihrer Pracht.« Um 10 Uhr Vormittags ers hebe ich mich seufzend vom Lager. Mir ist wüst und unbehaglich 2u Muthe. Ein Sehnen nach etwas — ich weiß nicht, was, durchzuckt mich. Verächtlich blicke ich auf die ausgethiirmten Alten stöße. Heute wird doch nichts aus der Arbeit. Wie mag es Freund S. gehen? Der sitzt trübe mit gesträubten Haaren in seinem Komptoir. Um sich hat er verschiedeneSelterwasserslaschen. theils mit, theils ohne Inhalt, malerisch gruppirt, er begrüßt mich mit gewohn ter Herzlichkeit, aber matt, ach so matt! Dann beginnt ein schleppendes Ge spräch: »Wie sind wir denn über die Nogatbrücke gekommen?« »Garnicht, wir fuhren über das Eis!« »Wann? Was war etwa die Uhr?« »Als wir drüben waren, schlug es vom Remter thurm zwölf!« S. springt auf, seine Augen sprühen Blitze, die Haare richten sich beiingsti gend in die Höhe. Er greift nach einer Zeitung: »Da liest« Dann sinkt er stöhnend in seinen Stuhl zurück. Jch lese: »Zehn Minuten nach Mitternacht begann auf der Nogat bei Marienburg der Eisgang.« Todtenstille. Meine Kniee knickten, ich falle auf einen Stuhl, meinen blei chen Lippen entringen sich tonlos die Worte: »Der Reiter aus. dem Boden see!« Weiße oder Wasserrüben — Man schält und wäscht dieselben, schneidet sie in Scheiben, wirft sie in ; siedendes Salzwasser, läßt sie auf dem Siebe wieder abtropfen und auskuhlem l dann dünstet man sie In Butter mit et I was Fleischbriihe und Zucker. Zuletzt bindet man sie durch eine Mehlschwiye. Gebackene Kürbisse. — Einen geschälten Kürbis schneidet man der Länge nach in stark messerriicken dicke Spalten, salzt diese und läßt sie 10 Minuten zugedeckt stehen, worauf man sie mit Mehl bestäubt und so in heißer Butter oder in Oel lichtgelb bäckt. Zum Backen muß man Kürbisse von kleiner, länglicher Form wählen. — Die Kürbisse müssen sofort, wenn sie gebacken sind, aufgegeben werden, da sie durch das längere Stehen zu weich werden Champignongemüse.— Man putzt die Pilze, schneidet und wäscht sie, dann werden sie auf einem « Siebe getrocknet, in eine Kasserolle ge schüttet und mit einem Theelöfsel voll Salz nebst einer kleinen ganzen Zwie bel unter öfterem Umschwenken eine Weile gedämpft. Sobald sie ziemlich weich sind, fügt man 3 Unzen Butter, eine Messerspitze voll gestoßenen Pfef fer hinzu, läßt die Champignons darin s Stunde vollends weich werden« gießt einige Löffel kräftige Fleischbriihe nach, kocht sie einmal damit auf, nimmt die Zwiebel heraus und richtet sie an, in dem man sie mit kleinen Klößchen von Fleischfarae, Kalbskoteletten oder Schinken garnirt. Gedämpfte Morcheln. — Die Morcheln muß man sehr sorgfältig sutzen, indem man den Stiel unten ab sd;neidet, sie mehrmals waschen, weil sie immer auf sandigem Boden wachsen. dann setzt man sie mit reichlichem Was ser zu, rührt sie nach dem Heißwerdeu tüchtig um, nimmt sie mit demSchaum löfsel heraus, legt sie auf ein Sieb, wel ches man in kaltes Wasser stellt, wäscht die Morcheln noch einmal gehörig mit den Händen, worauf man das Er hitzen in reinem Wasser und das Ab spiilen in kaltem wiederholt, bis das Wasser rein ist. So reinigt man alle Morcheln, ehe man sie verwendet. Man zerläßt in einer Kasserolle zs Pfund Butter, schwenlt die Morcheln darin, deckt sie zu, dämpft sie z Stunde bei mäßigem Feuer, stäubt etwas Mehl an. gießt kräftige Fleischbriihe daran und läßt sie weich dünsten. Gelde Erbsen. —- Die Erbsen werden verlesen, gewaschen. in kaltem Wasser eingeweicht, kalt ausgestellt, gar gekocht U. durch einen Durchschlag oder ein Sieb gestrichen. Dann verdünnt man sie etwas mit Pökelsleischbrühe, riibrt sie mit Butter und Salz aus dem Feuer heiß und giebt gebratenen Speck, Zwiebeln, sowie gekochtes Pökelsleisch oder niageren Speck dazu. Grüne Erbsen mit Mohr r ü be n. -- Man kocht die Erbsen weich, aber so, daß sie noch ganz bleiben, und schöpft die an die Oebrsläche stei genden Hülsen ab. Mohrrüben kocht man in Rindsleischbrühe, würzt sie mit etwas Zucker, dem nothwendigen Salz Und gehadter Petersilie und vermischt sie mit den grünen Erbsen, nachdem man sie mit einer Mehsschwitze (bon Rindstalg und Mehl) gebunden hat. Als Beilage: Rindsleisch und geräucher tes Schweinesleisch.