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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (June 14, 1901)
« Eine Trebernncx Weste aus dem Theater-leben von J a c q u e Z B u r g. w J Mag auch eine große Zahl von den Mienen der jüngeren Generation, die an in der Theatertvelt mit dem mmeltitel «Jbsen-Spieler« zu be « zeichnen pflegt, die Kenntniß und das Studium klassisrher Rollen nicht mehr sit «zeitgemäß« halten, so möchte ich noch Jeden-, selbst dein allermodern sten jungen Schauspieler, dringend ra then, die Werte unserer dramatischen Welt-Litteratur doch wenigstens zu le sen ! Jch garantire dafür-, — schaden lann’5 ihm auf keinen Fall, un ter Umständen sogar nützen! Alfons West-ermann, zum Beispiel, — auch einer der »secessionistischen« Menschendarsteller, — hätte sich durch weniger großen Mangel an Bekannt schaft mit den Klassikern eine mehr als peinliche Situation ersparen können« s Er gehörte zu den Jünglingen, die zwar nicht besonders viel Intelligenz . besitzen, dasin aber in der Wahl ihrer Eltern äußerst vorsichtig gewesen sind. Der Monatswechseh den ihm sein Va ter sandte, belief sich meist aus sechs hundert bis siebenhundert Mart! Für einen laum Zwanziajährigen ein recht ausliimmliches Stimmchen, zumal, wenn man, wie Alsons es that, in h. als Bolontair des Sommer-Theaters lebt. Alsons hfitte der glücklichste Mensch der Weit sein tönnenx und er versuchte auch, auf seine Art das Leben zu ge nießen. Er speiste im ersten HoteL tauchte die theuersten Jnroorten, ließ " sich die wunderbarsten Anziisge »bauen«, trug die tadellosesten Lackstiesel, — aber er war dennoch mit seinem Schick-— sal höchst unzufrieden; denn er durfte nur außerhalb glänzen, nicht aus den weltbedeutenden Brettern! Zu ganz unwiirdigen Diener-Episoden, oft so gar nur zur Statisterie wurde er er barmungslos verwendet Nie betrante man ihn mit einer Aufgabe großen Stils. Der Oswald in den »Gespen stern«, das- Hiinschen in der »Jugend«, all die schönen Rollen, die er bei seinem dramatischen Lehrer siudirt, blieben ihm vorenthalten! Westermann’s F lancholie steigerte sich im Laufe der «1·:»«.)n Untier mehr. Oft sah man ihn tiefsinnig im Theater garten sitzen, und Jeder dachte, daß nur die schlechte Beschäftigung Ursache sei nes Kummers sei. Eines Tages aber gestand er den Kollegen auf ihr drin - gendes Frage-, daß erLiebesgram habe. ränlein Dora Klages, das madonnen ft gescheitelte, überschlanle Töchter ehen des Ghmnasialdireitors, die mit ihrerMutter so häufig im Theater saße, sei die Auserwählte seines Herzens; aber die Blicke der jungen Dame hätten higher immer nur dem ersten Helden nnd Liebhaber gegolten« nicht ihm, dem unglückselian Statisten. Seine arme Seele bedrücke in Folge dessen unsagba res Leid. Schauspieter nnd im Allgemeinen gutmüthig, mitleidig und Voll Theil nahme, wenn sie ernsthafter Nott- be gegnen; doch für den Liebestnrnmer ei nes-; jüngeren Fachgenossen fehlt ihnen meist das Verständniß. » So gewann auch Alfons nicht das Mitgefiihl der Leute vom Bau. Zwar zeigten sie Alle ein geheuchelteg Inter esse, waren jedoch innerlich sofort ent schlossen, dem guten Westermann in sei nen Herzensangelegenheiien irgend ei nen boshaften Streich zu spielen Hubert Wächter-, der Bonvioant, der größte Spaßvogel des Ensemble5, ant wortete auf Alfon5«’ Geständniß im überzeugungstreuesten Tone: »Lieder Westermnnn, selbst die Toch ter eines Gymnafial - Dir-errors muß sich geschmeichelt fühlen, wenn ein Künstler ihr seine Neigung schenkt. Versuchen Sie es nur, sobald Sie ans der Bühne beschäftigt sind, und Fräu lein Klanes im Zuschauer-kaum sitzt, sich recht auffällig zu benedeiten damit di: junge Dame Sie bemerkt. Ein geniale: Schauspieler kann Alles —- und Sie sind doch ein genialer Schauspieier« nicht math« Alfons widersprach nicht und folgte der Weisung. Schon am selben Abend« in der Vorstellung der »Räuber«, sta tirte er so scharf, daß er seinen riesigen. nur mit Gummi angetlebten Vollbart mitsammt der Perrijcke verlor. Einen ganz leidlichen komischen Effekt hatte also der tollegiale Rath schon erzielt i mußte eine Steigerung kommen Und Wächter schlug vor, einen fingit ten Liebesbries an Westermann schrei ben Jzu lassen, der dein Verliebten mög lichst glciuwiirdig beweisen sollte, er habt Ins die junge Dame bereits Eindrud Lmacht Einer Kollegin die sich durck eine besonders zarte Dank-schritt ans Itchnetp wurde ein stimmungsvollei rief diktirt, und — siehe da —- Alfons ging auf den Leim! Es ist mir geltenng erzählte er an , Wen Morgen triumphirend, »in - . hqbe die Groß-wag gemacht, — sie its Mich bemerktP Ists-i möglich?« fragt-e habet III nnt spieltem Erstaunen ( Cis The-I doch nur sinnen « has Antwortete Wen-nun stolz Inst der Liebe steht schttth St , « stiftete-i Antriebe neschrie fix-i hingt ist M Mr Briefchenk M! Horte-sent« tieer Alle W tt«nichtliennezi fiwumk ANY-qu W i i fich nicht iiber diese Zeilen. Gliihende Liebe zwingt mich, sie zu schreiben. O, wie schön waren Sie, als Sie ohne den entstellenden Bari und die häßliche Perücke gestern vor meinen entzückten Blicken auf der Bühne standen! Jch bin so oft mit Mama im Theater. Frit ber erregte es in mir wenig Interesse, jeßt aber werde ich nur noch Ihrem-e gen kommen! Gestatten Sie mir, Sie zu bewundern und Sie anzubeten2 Bitte, bitte, beantworten Sie mir diese unbe scheidene Frage. Aber adrefsiren Sie: »D. K. 1000, postlagernd«. Mama und Papa dürfen von unserer Korrespon denz natürlich nichts wissen! Tausend herzinnige Grüße, Jbre Dota Auges-« Alfons war offenberzig genug, zu ver ratben, daß er den Brief in einem acht Seiten langen Schreiben bereits beant wortet habe. und die Schauspieier freu ten sich im Still-n, treil der gelungene Scherz ihnen reiche Ausbeute versprach. Jn der That bot ihnen Wesiermann’5 Brief, den sie Nachmittags vorn Post amt abboltensp vielen Stoff zum Lachen. Von der Stunde an wurden täglich Schreiben gewechselt und die Flammen in dem Herzen des jungen Mannes ge schüri! Alles ging wie am Schnürchen, bis ein Umstand eintrat, der die Sache peinlich machte. . Alsons begann stürmischer zu wer den, als das zarte Lügengewebe es ver trug. Er forderte dringend ein Beut-Dez vou3! Endlich — so behauptete er — babe seine treue Ergebenheit seine stille Liebe diesen kleinen Lobn verdient! — Selbsi die geschicktesten Ausreden, die Hubert Wächter in allen Antwortsckxrei ben vorbrachte, zogen nicht mehr. Die persönliche Aussprache mit seiner ange beteten Dora schien Alfons ein so un- - widerstehliches Bedürfnifz, daß man da- T rauf gefaßt sein mußte, er wiirde bei ei- . net zufälligen Begegnung in den Stra ßen IRS das ganz abnungsioie Mäd- s chen ohne Weiteres anreden. Nur ein Geniesireich konnte diese drohende Ge- ; sabr verhindern. : Eines Morgens-, im Theater - Gar- ; ten. wurde der Fall erörtert. Die Schauspieler überlegten und berietben. i Aber Keinem fiel etwas Gescheidtes i ein. Plötzlich erschien, hochroth vor Er- « regung. Alsons und erzählte: s »Eben habe ich Don gesehen, -—— J ganz in der Nähe! Jch sprach gerade I nzit dem Kassirerx da kam sie mit ihrer « Mutter und bat für heute Abend zwei » Billetz getauft. Jch bin frei, also get-e ich auch in die Vorstellung, ietze mich ? richx zu ih: und werde sie im Zwischen- H alte anfprechen!« Entsetzt warnten die Kollegen mit al- E len Mitteln der Ueberredungstunst. ’ Umsonst! DerUngiiicksrnensch war nicht « ron seinem Entschluß its-zubringen Als Weitere-rann schließlich, durch den Widerspruch beleidigt. seiner Wege gegangen war, sagte hubert Wächter: ; »Kinder, jetzt giebt es nur eine Ret- I tung, —- Alfong muß heute Abend In kein Stücke beschäftigt werden« ? »Mute?« entgegnete ein Andere-. « »Das ist doch ganz unmöglich! Ja, wenn «Fieseo« oder »Hamlet« oder ,Tell« gegeben würde, dann ließe sich das vielleicht machen. Aber wii haben doch Iphigenie auf Tauri3!« der selige z Goethe kann sein Wert jetzt nicht mehr umdichien und noch einige Massen-See nen bineinschreiben!« ,,Ree, das wird er allerdings nicht tbun«, antwortete Hubert. »Aber nun könnte doch Westerrnann trittheilen er mijsse am Abend stati ren· Er ist einer von den Hosen-Spic lern«, die die Klassiker nie gelesen br lsen. Jch wette mit Euch, dasz er »Joni genie« nicht kennt, —- nicbt einmal kein analte nach! Er wird ruhig in die Garderobe tommen!« »Aber früher oder später muß er doch merken, daß er Nichts zu thun hat. Was dann? So lange wir itm nicht an Ket ten legen tönnen, ist bog Mädchen jetzt nicht met-r sicher vor ihm!' Selbst der schlaue Wächter wußte lei nen Rath mehr. Eine beärsastiaende Pause des Nachdenken-H entstand. Nie mand regte sich vom Platze. Nur vie Blätter der Bäume rauschten unheil brohend im Winde. »Ich hab’s,« rief urplötzlich der Bon vivant und tanzte wie toll vor Freude im Garten herum. »Ich bat-Ell Kin der, —— das giebt einen hauptult und einen würdigen Schlußessett der gan zen Komödie! Wo ist Fräulein Man ders, die uns bisher immer ihre Hand schrift siir die Briefe zur Verfügung gestellt?« . »Sie sitzt im Partett und sieht sich die Probe an.« »Man rufe sie hinaus,« antwortete Hubert pathetisch. ,,Außerdern besorge man mir sofort vom Requisiteur Tinte, Feder und Papier-l« Die Befehle des Bonvioants wurden weigerungslos und raschöesolgtx denn Alle waren gespannt, rote Wächter die büstere Situation zu lliiren gedachte. Als die Schreibutensilien herbeige schasst worden und Fräulein Manders im Garten erschien, sagte Hubert zu ihr parodiftifch- in einem Tone, als ob et den Wurm in »Tai-eile und Liebe« spielte: «Seten Sie sich! Schreiben Sies« Die Schauspielerin gebt-echte la chend; sie konnte sich ja denken, an wen der Brief gerichtet sein sollte. »Kann sich denn Dorn immer noch nicht beruhigen?« fragte ste scherzen-. »Sie ist wissenschaftlicher denn je,« antwortete Wächter »Mir- bitte, schreiben Sie: »Mein Unsebetetert Das M M Meter Liebe. heute klir Yroico -pite . Izu-Mitbe- LIM VIIIin mitgetheiltl Jeh bin arna im Theater und, da das Wetter so schön ist, wollen wir narh der Vorstellung im Theatergarten Abendbrot essen. Kommen Sie bitte, auch dorthin! Ei wird sich eine Ge lesznmheit bieten,das1 wir den ersten wir uns briesti am Abend mit se händedruck tauschen! Ach, wäre es doch schon Abend! Bis dahin Ge duld, du mein stürmisch pochendesherzi Auf Wiedersehen! Jhre Dara.« »So,« sagte Hut-eri, nachdem er mit den nöthigen Kunstpausen das Schrei ben zu Ende diktirt. »Nun senden wir den Brief per Eilboten dem guten Al fons zu. Am Nachmittage gehen wir dann selbst in seine Wohnung, als ta men wir im Auftrage unseres hohen s Ehefs und Brotherrn Wir verkün den Westermann, daß er heute Abend in der »Jphigenie« beschäftigt ist! Was l für eine Rolle ich ihm zugedacht habe, ! verrathe ich Euch jetzt noch nicht. Aber s verlaßt Euch darauf, sie wird ihn ver ; hindern ein Rendezvous mit Dora zu suchen!" Da Hnbert den Schleier dieses Ge heimnifses absolut nicht lüften wollte, mußten die Kollegen ihre Wißbegier be zwingen, bis sie um siinf Uhr etwa Alle zusammen Alfons Wohnung heiraten Der junge Mann war bereits mit seiner Toilette fiir das Rendezvous be schöftigt— »Warum sind Sie heute früh nicht bei der Probe geblieben?« fragte Wächter vorwurfsvoll. »Sie müssen ja eine bochwichtige Rolle übernehmen. Zu reden haben Sie zwar Nichts; aber äu- « ßerst schwieriges siummes Spiel! Der Direktor meinte, als JbsensDarsteller könnten Sie so etwas besser, als irgend Einer von uns!'· .Welche Rolle ist denn fragte Alfons, halb interessirt, das?«; halb " ängstlich; denn vor seiner Dora wollte j er sich nicht gern blamiren. »Nun. — der Mohr,« lautete Hu- - bert’s Antwort. Wenn es der selige Gottbe gehört, daß man in seine vaigenie einen Moh- . ren hineindichtete, er hätte sich gewiß im Grabe umgedrehtk Auch den Schau- Z spieiern war die originelle Idee Wöch- " ter’s so überraschend, daß sie sich um drehen mußten, —-— freilich nur« um ihr Lachen zu verbergen. »Was hat denn der Mobr zu thun?" fragte Alfons ganz unschuldig Er kannte also thatsächlich »Jphjge J-« —:...4I sur snwk »Sie wissen nicht was der Mobr zu « thun hat?« antwortete Hubert entrü- k stei· »Er bat im Tempel gestohlen und I wird, an beiden Händen gefesselt, der »Jphigenie« vor-geführt Sie fragt ihn, T ob er der Dieb sei. Der Macht ihres Blickes kann er nicht widerstehen, be jaht durch verzweifelte-l Kopsnieten — und man schleppt ihn zum Schasfot.« »Aber ich habe noch nie einen Mohren gespielt,« klagte Westermann. »Ich » weiß gar nicht, wie man sich schwarz « ’ macht.« »Das werde ich anen zeigen, seien Sie nur schon eine Stunde vor Beginn der Vorstellung in der Garderobe7 dann will ich selbst Ihre Maske schminten!« -— Hubert hielt Wort. Er strich dem armen Westerrnann riesige Quantitö-Z ten des berübmten Mastix, des Kleb- ; stoffes siir Bühnenbiirte, der schon,; dünn ausgetragen, schwer von der Haut zu entfernen ist, dick auf Stirn · und Wangen. Ueber diese feste Schicht » » karn, vermittelst angebrannter Korlen, · die schwarze Farbe, bis in die Augen- s iwintel hinein. Sogar die blonden; Haare und die ganze Kopshaut mußte « LAlsons sich mit dem Nuß einreiben Ulassen « Noch nie ist ein Neger so schwarz ge wesen« wie Westermann es wurde. Nicht nur das Gesicht, auch die Arme und den Hals seines Kollegen bearbei tete Hubert erbarmungslos nach dem gleichen Rezept. Als das letzte Glo ckenzeichen des Jnspienten ertönte, stand der Mohr fertig da, in schwarzen Tricots, bunt gestreisten osen und Wams-. einen rothen Fez an dem Kopf und Ketten an den höndern »Man-n trete ich denn auf's« fragte Alsonk »Im lesien Alt lebte Seenec ant wortete Wächter mit stoischer Ruhe. »Und so lange soll ich hier so ekel hast schmusig berumsitzeni« jammer » te der Junge. « « »Ja, Uchc kflcllllch llllllclc ch Ank wort, »die Künstlerlausbahn ist ein Dornenweg1 Sie dürfen dasür heute Abend Triumphe seiern!« Jn der Pause zwischen dem vorletz ten und letzten Att erschien Alsons end lich ungeduldig auf der Bühne. Er wollte durch das Guckloch im Vorhang nach seiner Dora aus-spähen Als der Direktor, der von dem Scherz keine Ahnung gehabt, Westen mann erblickte, brach er in ein domai sches Gelächter aus. »Mensch«, ries er, was wollen Sie denn hier? Was hat man denn mit Ihnen gemacht?!'« »Ich soll den Mohren spielen!« »Den Narren haben Sie gespielt, aber nicht den Mohren! Fallen Sie denn aus jeden Jux hinein, den sich die Kollegen mit Jhnen machen? Gehen Sie nur hinaus und ziehen Sie sich wieder aus. Jn .Fieseo« kommt ein Mohr vor, aber nicht in »Jphigenie«l« Wie ausgestorben war die Garben be, als Westermann, bebend vor Zorn, zurücktum. Wächter und die anderen bösen Buben hüteten sich, ihm in die Nähe zu kommen. Sollte er sie aus snchen nnd zur Rede stetleni Nein, die Zeit drängte. Er mußte ja in den Theatergarten zu seinem Rendezvouik Seinen ganzen Vorrath an Vaseline und Unmengen von Wasser und Seise wandte Aksoni an, urn sich wieder zu ver-menschlichem Umsonst! Die Hand-· tücher wurden schwarz; aber seen Ge sicht blieb es auch! Der Rus; llebtr. dur den untergelegten Maer gehal ten.· ie Pech. Auch diesen Streich hatte er Hubert ! Wächter zu verdanken! Längst waren alle Kollegen aus dein Theater nach Hause gepilgert, als3 Al E sons noch immer vor dem Spiequ stand « und trampshasi an seinem Gesicht b i umwischie. Es nützte nicktsI I Wie ein Mulatte, halb Schwarz, z halb Weis-, mußte er schließlich aus der T Garderobe gehen. So konnte er doch . nicht seiner Angebeteien begegnen. J Was hätte sie von ibm gedachi? Durch eine Hintertbiir schlich er sich von dan nen und vermied den lebhaften Garten. Auch die folgenden Tage mußte er sich vor Menschen verstecken. Zum Uebersluß erhielt der auie Jun ge am nächsten Morgen ein Schreiben, dessen heimlicher Urheber natiärlich wie der der boshaste Hubert gewesen. Es lautete: »Mein Herr! Da Sie mich gestern umsonst haben warten lassen. so sehe ich, daß es Jhnen rnit Jbrer Liebe nicht Ernst war! Jch verbitte mir in Folge dessen jede künftige Anniiherung Ihrer seits. Dorn Klages." Vergebens schrieb Alsons lange Ent schuldigungsbriesr. Seine Dora hat ihm mit teiner Zeile mehr geantwor tet. So endete seine stolze Eroberuugk sang dem Reime des Belustigung-. —-.--— Nichts ist, nach dem Ausspruch der örzllichen Wissenschaft. so nothwendig fiir das Wohlvefinden des Menschen, für die Gesundheit seines Körpers und seiner Seele als der Schlaf, langer, fe ster und erauickender Schlummer, und ein uralicr Spruch verlangt als Aller mindestes, was wir bedürfen. obne das wir auf die Dauer nicht leben lön nen, sechs bis lieben Stunden Schlaf. Aber ebenso verderblich als das zu we nig ist auch hier das zu viel; auch wer zu oft und zu lang im Land der Trän me verweilt. lann leicht vor der Zeit ins Land der Schatten eingehen. Frei lich gilt eins nicht gleichmäßig fin Al le, oder wie Fritz Reuter so treffend sich ausdrückt: .Wal den Ernen sin Nach tigall is, is den andern sin Ubl." Tho mas Edison. der amerikanische Erfin der, gönnt sich selten mehr als vier Stunden Schlases, und diese Eigen schaft hat er mit vielen großen Män nern gemein, so wie auch die Fähig keit, die Fell-herum wie Napoleon und Wellington. Zu «so und so vielen Er folgen verhelfen bat, nämlich nach Be lieben. zu jeder Tages- oder Nacht zeit schlafen zu können. Dagegen hat ten Männer, wie Voltaire, Rousfeau, Jobnson, Nossini, ihr Leben lang ge gen die barlnäckigste Schlafsucht anzu iiimvsen gehabt und konnten schier Un glaubliches in wiederholten und lang dauernden «Nickerchen« leisten. Ja, viele ihrer besten Einfälle sollen ibnen also zwischen Schlaf und Wachen ge kommen sein. « - Daß Leute im Ziehen zu schlasen vermögen. und Soldaten sogar walt rend des Marschierens einen Aussiua ins Traumland machen, ist bekannt. So dersielen aus dem berühmten Rück zug nach Corunna die erschöpsten Truppen Sir John Moores reihenwei se in tiefen Schlus· Jn der Schlacht am Nil schliefen die englischen und franzö sischen Theerjacken über ihren Kanonen ein, und bei einem Wettsaliren vor mehreren Jahren passirte es einem bri tischen RecordbrecheV daß er mehrere Meilen hinter seinen SchrittInCOern einhersauste. ehe diese die Entdeckung machten, daß ihr Champion aus seinem Rade sanst einaeschluinmert war. Eine der seltsamsten nnd schrecklich sten Formen irregulären Schlases ist die asritanische Schlastrantheii. Sie bildet eine der schwersten Plagen der Eingeborenen des schwarzen Welttheilå und wird dem übermäßigen Gebrauch von Schnupstabai aus einheimischen Pflanzen zugeschrieben. Andere dage gen behaupten. sie werde durch den Stich eines blauen Käserchens hervor eeusen, eines am oberen Kongo be sonders höusigen Jnsettes. Auch ei ner gewissen Art Mosquitos wird ein ähnlicher Einfluß nachgesagt, während manche den übertriebenen Genuß von Mandipe oder Cassava als Ursache der Seuche ansehen. Sie äußert sich in al len Fällen durch Schlassucht, die zum Tode siihrt. Das Schlasgist kann til-ri gens selbst Jahre lang im Körper ver borgen liegen, ohne von seinem Dasein Spuren zu neben, bis es urplötzlich den Kranken packt und vernichtet; der Pa tient wird dann immer trunkener und apathischer. Nichts vermag ihn mehr zu interessiren, er bat nur noch den ei nen Wunsch- zu schlafen. Anfänglich freilich hält er sich noch auseecht, schließlich aber sucht er sein Lager auf, um es nicht wieder u verlassen. Er wird immer sch « r und schwächer« neun Monate lang dauert dieser Zu stand, bis endlich Starrtriimpse zum ewigen Schlase hinüberleitetr. Gleich schrecklich und todtbringend ist die Schlaslosigieii. Wie lange Jemand diese Pein ertr en tann, hört t natür lich von seiner iderstandssäh gleit ab Drei Tage und drei W ohne Schlat MM tü- WM ichs-b M M « . s « Kranken dem Wahnsinn zu überliefern. Doch finden sich Fälle, tn denen Leute die es Maß erfolgreich iiber chritteu ha n. So verbrachte der apitiin Tanner von der »Dunieith« während eines fürchterlichen Orlans viermal vierundzwanzig Stunden schlafloj auf der Kommandobriicle seines Schiffes; er schloß in dieser Zeit tein Auge. Aber während dieser Mann unter dem Zwang der Pflicht und der Sechster haltung. seiner Natur eine Leistung ab rang, unternahm es ein Arzt in Edin I butgh. Dr. Robert Staines, freiwillig f und zum Zwecke eines Experimenteb, sich eine schwere Entsagung aufzuerle gen. Es war seine Absicht, zu erfor schen, wie lange der Mensch im Stande « sei, ohne Schlaf zu leben. Mit Hilfe medizinischer Mittel gelang es ihm-IS Tage und Nächte lang den Schlummer , von sich fern zu halten« Dann aber , war seine Kraft erschöva Er verfiel j in einen Schlaf, der ununterbrochen 72 T Stunden währte. tlnd mit den schwer sten Folgen wurde er hinterher fiir sei nen Wagemuth gestraft: er litt fiir den Rest seines Lebens an Jnfomnia· Noch tragischer war das Schicksal des amerilauischen Millionärs Ed ward Bain. Dieser Ilngliiclliche hat te in seinem unersättlichen Golddurst einen regelrechten Kamvs gegen den s lieblichen Gott des Schlases aufgenom-’ ’ men. Schon als Knabe, da er noch ! Lehrling in einem Eisenwaarengeschiift ; war, pflegte Bain auch die Nacht zur " Arbeit heranzuziehen, und zwar trieb - er es io systematisch, daß er in regel mäßigen Abstiinden eine Minute mehr und mehr seinem Schlummer abstahl. Es war, als habe er. wie Peter Schle ; mihl feinen Schatten, seinen Schlaf H dem Teufel stir Mammon vertauft, « nur daß. so wie das Gold nicht auf einmal über ihn hereinrollte, er auch riicht aus einmal den tröstlichen Besitz des Menschen heranb. Je reicher er an Gold wurde, um so ärmer wurde er an Schlummer. Zuletzt, da er das Ziel seines Lebens erreicht: da feine Goldgier gesättigt war. war er der be dauerntzwertbeste Sterbliche geworden. Er brachte teine Nacht mehr im Bette zu, der Schlaf floh ihn immer. Kein Mittel wollte verfangen, die berühmte sten Aerzte verschrieben vergeblich Arz neien siir ihn. Sein Hirn wollte nicht mehr ruhen, es arbeitete unablässig. Das Einzige, was ihn noch zeitweise betäubt-n konnte, war Lärm; entweder das Rollen der Räder. oder das Klap pern von Billardbällen. Stunden lang mußte sein Diener neben ihm die Kugeln durcheinanderwerfen. während er, der Inhaber von Millionen, sich : ächzend im Sessel umherwarf, vergeb s lich die Augenlider schloß und um Er T quiaung flehte. Oder sein Kutscher fuhr ihn des Nachts im holvrigsten Wagen iiber Stock und Stein, doch ? ohne daß das Rittteln und Schütteln, T das Rasseln und Dröhnen ihn siir län ger als einige targe Minuten in einen « halbbetiiubten Zustand versetzt hätte. . Endlich lam ihm jedoch die ersehnte Erlösung wirklich. Eines Nachts, da s wieder der Diener, und zwar seit Stunden dicht an seiner Seite die Bil ; lardbiille hatte rollen und llavpern las - x sen, war Edward Bain olöhlich ganz ! still geworden. .Wiire es möglich« — I dachte der Diener —- ..daß er wirllich i eingeschlafen ist?« Er hielt mit den E Ballen inne, trat dicht an den Millio k när heran, aber ebenso schnell trat er E auch wieder zutiiel und verließ eilig das ; Zimmer. Ja! Bain schlief —- fein s abgeheßtes Gehirn hatte endlich Ruhe — im Tode —-— gefunden. — »wes-—- -- s — i ! s ! Belirgt .,-.-.». Erzählung von Annie Lati Feldberg. M .-.«...-.. Todes-matt lag ihr blasses Köpfchen auf den ichneeigen Spitzentissem Sie hatte getämpft um Leben und Liebe —— . sie lonnte nicht mehr. An ihrer Seite kniete ein Mann, ihr Gatte. Mit einer Gebärde des Widerwil lens, der Qual hatte sie sich abgewandt. Jhr schlanke-: Körper hob sich halb jäh empor, wie zur Flucht, dann fiel er zu rück in die Kissen. Bewußtlosigleit umhüllte ihren Geist. Einige kurze, stöhnende Atheniziine, ein Zittern durch die fchlanten Glie der, ein Zacken. dann Ruhe »s-« starre — kalte Ruhe des Todes. Ein grenzenloser Schmerz verzerrte das Gesicht des Mannes, ihres Gatten. Er beugte sich nieder. Er riß mit zitternder· rascher hand die spisenbes lebte Leinwand hinweg. Seine große. derbe Band lag auf ihrern Herzen. Er drückte sein Ohr an ihre Brust Leise her töne, zum Erlöschen leise. Große Tgriinen rollten iiher sein härtiges Antlih. · - Seine Zähne bohrten sich in die vol len, rothen, chwulsiigen, brutalen Lip pen. Wie oft hatten sie geiiindigt gegen sie, diese Lippen. Welch' harte Worte waren ihnen entglitten, Worte voll Hohn und Spott« und doch —- doch liebte er sie. Jn wenigen Minupn zogen in wun derbarer Klarheit all’ die Bilder der häßlichen Szenen an seinem Geiste vor über; die er ihr bereitet. Sie paßten nicht zufammen. Sie wußte ei lange, bald nachdem sie ihn erkannt Sie gab sich Mühe. sich ihm anzu passen, kalt, empfindungsloe zu wer den gegen seine Gesiihlsrohbeiten. Es gelang nicht. Je weiter sie miteinander gingen. desto nnmiiglicher wurde ihr Beisam menleben. Er liebte sie ans seine Art —- viel leicht wie ein Tiger liebt — ein Tiger ein Lamm, das er zerreißt. . Jetzt, dem bewußtlosen, sterbenden Weibe gegenüber wurde er weich. Sie liebte einen Anderen, er wußte es. Sie liebte einen Besseren. einen Liebenswertben. Er haßte sie Beide. Sie und ihn. Jn einer bösen Stunde bat. flehte « sie . »Gieb mich strit« »Niemal5!« »Ich iann nicht länger mit Dir le ben!« Wie ein Ausschrei aus todtwun der Brust gellete es ihm in's Obr. »So stirbs« böbnte er kalt. Ein jähes Ausblitzen ihrer stahl ;blauen Au en, ein einziger wilder, qualvoller chrei nnd ibr Haupt sank » herab aus die Brust. « Sie batte den Todesstrfich erhalten. - Noch wenige Wochen blieb sie, er machte sie ihr zur Hölle. Dann flob sie. ; Allein, nicht mit dein Manne, der sie ’ liebte, nicht zu ibm. den sie anbetete. Sie fürchtete für sein thenereö Leben. Er mußte schnldlvz bleiben, rein wie sie. Er sollte gar nicht ahnen, wie sie : Zitt, wie sie ihn liebte, sie schämte sich - des talten Hobnes ihres Gatten. Sie wollte sterben und sie wußte, daßsie starb-bald und sehnsüchtig er wartete sie dies Bald. Er hatte ihr nachgeforscht. Er hatte « sie gefunden vor der Schwelle des To ; des. ; Eine seltsame Veränderung ging mit ! ihm vor, als er sie im Sterben vor sieh 2 sah. E »Diese Nacht stirbt sie sicher,« hatte s der Arzt ihm geantwortet. ; »An waä?" E Der Mediziner, ein alter Herr, blickte ; ihn an mit weltersahrenen Augen· E »Die Laien nennen es gebrochenes ; Herz. Wir Aerzte nennen es gebroche nen Lehensmuth Todessehnsucht.« Er zuckte zusammen. l ,«,Ja, ja, es giebt solche Herzen, die E weich sind, viel zu weich, die es nicht E vertragen. wenn Einer tommt und da E raus beruintritt ——— ja tritt —- solch' zer E tretenes Herz hat Jhre Frau.« Er nickte talt dein Gatten zu, es hatte E dem alten Herrn wohlgethan, ihm die E Wahrheit zu sagen« wie er es sich aus j gebeten hatte, die ganze tlare Wahrheit. Nun schlug ihr Herz, das zertretene, noch tauni merklich, es zuckte unter sei ner Hand, ein letztes Todtenzuclen. »So stirb!« Sein eigenes Wort tönte ihm im Ohr wie Hammerschlag Er hatte es gesprochen in habnendein Tone. Er nagte in wildem Schiner die Lippen, die es gewagt, so sreventli zu siindigen. Sie ivar noch so jung, als er sie an sein herz zog. Die arme, tleine Waise! Gliiet hatte er ihr verheißen und be bend, zitternd gab sie seiner stiirmisehen Werbung nach. Fünf Jahre lbeten sie zusammen — nun starb sie. »Nein —-- nicht doch! —- Meht ster ben!« iam es heiß, flehend, dann be sehlend über dieselben Lippen, die sie dem Tode geweiht. »Stirb nicht! Lebe — lebe und Du sollst srei sein —-- srei und glücklich!« Ein Seuszer ging durch den schlan ten, jungen Frauenleilx Wie beschwöer stand er an ihrem Lager, die Hände der Kranken in den seinen, in denen trastvolles Leben pul sirte. Sein großes, brennendes Auge war ans ihr Antlitz gerichtet »Liebe —- lebe und sei glücklich mit ihm —- ihm!" Seine Zähne tnirschtem Wie haßie er Jenen, wie beneidete ee ihn — wie sehnte er sich, geliebt zu wer den von ihr, und doch —- doch gab er sie ietzt ihm! Er strich iiber ihre bleiche Stirn. über das matte herz. er ballte die ände zu Fäusten und beschwor sie lau. immer i lauter: ,,Lebe —-- lebe — leHe2« Er schrie ers-wie ein Wahnsinniger, um die Stimme zu betäuben, die höh nend, gellend ihm in die Ohren schrie: »So stirb!« Lange stand er so am Bette der Kranlen, dann brach er jiih zusammen ——— wie eine vom Mit-schlag gestürzte Eiche. Am Morgen fand ihn die Wärtetin, deren Amt er für die Nacht übernom men. Er starrte sie an mit wildem Blick Fiebergluth färbte sein Antlitz. Man schaffte ihn fort in ern anderes Fimmer ehe die Kranke erwachte, die eltsam ruhig schlief mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie träumte von Leben, Zukunft und Glück. Er starb, ihr Gatte, sein Geist hatte sich verwirrt; im Fieber stürzte er sich aus dem Fenster. Erst als sie genesen war, erfuhr sie seinen Tod. - Er. den sie liebte, erzählte ez ihr. »Ich träumte, er hätte mich frei ge eben, er hätte mich beschworen, zu eben — —- —« Erröthend schwieg sie ·- dann flü sterte sie: »Ich glaubte —- ich hätte ihn doch be siegt.« Eine Thräne floß iiber i re — Wange-—- galt sie dem todten tten oder dem Leid, das et über sie ge brachtt i X . « ·«