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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (June 14, 1901)
Sonntags Blatt l Beilage des, Mehraska Staats- Anzcigcr und Herold« I. P. Windvlph, Herausgehen ·..— Grund Island, Nebr.,« den 14. Juni 1901 Jahrgang 21.. Ro. 41 WW »Die Meerwasser-S Eine wahre Episdde aus dem Seernannss leben. erzahlt von Carl Koehler. «Jm Matroserrheim zu Boston saß eine Gruppe sonnverbrannter, weiter sester Gestalten, kurze Tshonpfeisen rauchend, beisammen und gaben der Reihe nach ihre Erlebnisse zum Besten· Darunter auch ein alter, graulöpfiger siegen welcher, nachdem er eine Zeit lang sit-gehört hatte, sein »Priemchen« von einer Seite feines schwülstigen Mundes au die andere rollend, gleich falls das ort ergriff. »Ihr Jungens," begann er, »wißt ja eigentlich noch gar nicht, was wirt liche Lebensgesahr bedeutet: das« bis chen Obenherumtrabbeln, wenn eine Boe die Maste biegt, und das Schiff auf die Seite le t oder ein paar Sturzwellen darü er schlagen, ist so gut wie gar nichts! Und wenn Jhr dann wieder glücklich unten seid, habt Jhr doch wenigstens feste Planken unter den Füßen; aber in einem alten, verrotteten Sieb zu segeln, ist etwas ganz anderes. Und etwas andere als ein Sieb konnte der lecke, antedidu vianische Kasten nicht genannt werden, auf dem ich dazumal für die Reise von Valparaiso nach Hongiong heuerte. Es war die 7Meerjungfer«, nach Baltimore gehörig. DieVer«sicherungs gesellschaften atten sie zwar beriets tondemrtirt, a r auf ein paarDutzend Menschenleben kommt es ja den reichen Rhedern bekanntlich nicht an. Sie leckte schon ganz gehörig, als wir ab fuhren, und obgleich das Wetter län gere Zeit günstig blieb, mußte doch fast ununterbrochen gepumpt werden« Das machte aber nichts aus-; der Ka piiän W »Schindet - Norten« hieß die Kanaille an der ganzen Küste-—-—tonnte ja indessen auf dem Achterdect spazie ren gehen oder nach Seemöven schie ßen, wie er es mit Vorliebe zu thun pflegte. Das that er indessen nur, bis der erste Sturm lam; dann hatte er Wichtigeres zu thun. Ihr kennt ja wohl alle den blaitsbärtigen Heuchler, den irgend ein Jdiot den ,,Stillen Ozean« taufte: wenn der anfängt zu rasen, sind alle übrigen Meere, damit verglichen, Mühlteiche. So machte er eg auch diesmal, und er hatte noch teine zwei Stunden rutnoet, da rap portirte schon der Zimmermann vier Fuss Wasser im Schiffe-rannte Und dann trotz allem Verzweifetten Pum pen jede halbe Stunde einen Fuß mehr. Zum Gliiel hatten wir größten-i theils Faßdauben geladen, so dasz die alte Meerjungfer nicht gleich wie ein Stein untersank und wenigstens so lange schwamm, bis wir aus Masten, Raaen und Planken ein ziemlich dau erhafkeö Floß zinimern konnten. Doch kaum war dasselbe über Bord, und wir daraus, als sie einen letzten gra ziösen Knix machte und sich lopfiiber zu ihren Schwestern auf dem Meere baden versammelte. Eine größere Quantität Lebensmit tel oder Wasser zu bergen, war nicht mehr möglich gewesen, da das Wasser bereits zu hoch im Schiffgrauin stand; wir hatten also nur die geringen Vor riitbe, die sich zum sofortigen Gebrauch auf Deck befanden, sowie ein bereit-« angebrochenes Faß Wasser, das gleich dort lagerte. Bettzseug und Kleider konnten wir glücklicherweise noch aus dein Borderkastell retten. Als ob das gebrachte Opfer den Sturm besänftigt hätte, beruhigte er sich bald darauf, so dasz wir im Stande waren, ein überziihliges Segel als Sonnenzelt iiber unsere gebrech liche Arche auszufpannen und uns einigermaßen konisortabel zu machen. So schwammen wir denn, neun zelin Mann hoch, aus der unendlichen Wasserwiiste, halbwegs zwischen Amerika und Asien, weitab von allen häufiger befahreneii Handelgftrasiem und hatten-Kinn wenig Aussicht, von einein des l eges kommenden Fabr zeug aufgenommen zu werden. Die Hitze war drückend, und dabei das Wasser so warm, daß don Durstlö schen teine Rede sein konnte, selbst wenn die winzige Nation dazu hinges reicht hätte. « Während der ersten paar Tage gab es zweimal täglich einen Zwiebacl so wie ein finger roßes Stückchen Pö lelsleiich, wel ·' leptereg jedoch die Meisten nicht einma zu essen wa ten. aus Furcht, noch schlimmer Durt zu leiden. Dann erhielt Jeder nur einen halben Zwiebaek, nebst einein Stück chen Codsisch, der gleichfalls von Salz starrte und erst in Seewasser einge weicht swerden mußte. Bald daruas 9 gab ei nur no zwei Mal täglich eine Babytasse vo Wasser, einen halben Zwiebaek und eine Unze) gemahlenen affees, den wir als elitatesse der sdeistem weil er nicht getocht werden konnte. Am sechsten Tage waren ei nige der Leute lchon nicht mehr ganz richtin im Kopf und inaen an zu han asiren, weil sie Oeewasser ge chluckt hatten. « Wie sehnsüchtig wir unter diesen Umständen nach einem Segel aus schau-ten, könnt Ihr Euch denken; ain sehnsüchtiqsten a er meine Wenigten und ,,Schinder - Norton’ö'« Steward, gleichfalls ein Schwarzen oder tor retter gesagt, »Kasseebrauner«· Denn wir wiegten gansvgenain daß init der letzten . ation asser und Zwieback auch unser Schicksal besiegelt its ds F die Uebrigen nicht eher loseii wurden. wer tm's all ineine Wahl geopfert werden solän o lange wir zwei »Ma a « da waren vie man ohne beton - « Ewigkqu verspeisen konnte, . l wenn sie gleich ein wenia zaher als die Weißen waren. Ja, ja, Jhr Schmier tasgesichter, leugnet’s nur nich-. Jhr seid nun einmal so! Es war vielleicht nur ein ovtische Täuschung, aber da wir wußten, daß die ganze Bande einln Wolfshunger hatte, kam es uns vor, als ob ver Eine o er Andere un-: bereits mi: gieri en, ocrlangenden Blicken messe, und tel ten deshalb keins-Ich Krieg-Juw, wie wir uns am esten unserer Haut weh ten könnten, wenn die Noth an den Mann käme. Als erste Präventivmaßregel be schlosfsen wir, sämmtliche vorhandenen char en oder sonstwie gefährlichen , nstrumente bei weite zu schaffen. Als wir deshalb während der nächsten Nacht unsere zwei Stunden »Aus guck« hatten, prallizirten wir jedem der todesmatten Schläfer, der noch ein Messer besaß, dasselbe aus der Schei de, warfen alles, was etwa als Waffe hätte dienen können, über Bord, und schließlich gelang es dem Steward, auch noch seinem Herrn Und Meister den Revolver zu stibitzen, den er selber in dessen Handtasche gepackt hatte. " Letzterer-, sowie ein Handbeih wur deii unserem Operationsplan gemäß im Vordertheil des Ging dem einzi gen der verlotterten Boote, die der Sturm unbeschädigt gelassen, ver borgen, desgleichen etwas Zwieback, sowie eine Kanne Wasser, und dann warteten wir, einigermaßen beruhigt, der Dinge, die da kommen sollten. Sie ließen auch gar nicht lange aus sich warten: als am nächsten Morgen die Sonne ausging und bald der Eine, bald der Andere sein Messer dermiszte und »Schinder-Norton« auf der Suche nach seinen Toilettenarti telu sogar sein geliebtes SchießeiseiH roch man sofort Lunte, da wir beiden! »Niggers« turz nacheinander aus! Wache gewesen waren. Wir leugne ten zwar, doch nach kurzer Konten-; verse drang die ganze Rotte, der die’ Angelegenheit ein willkommener Prä text zu sein schien, um uns den Gar aus zu machen, unter Anführung Nutan aus uns ein. Das war nicht mehr, als wir er wartet hatten. Wir waren aber beide - noch stre, junge Kerle, rztirirten nach H Wlll Wiss ou, ppsuugku syst-du« sen-tu Kamerad ergriff den Revolsver, rief, aus sie anlegend: »Hände hochl« und während die hungrige Meute verdutzt ! wie ein Mann Folge leistete, tapptef ich mit dem Beil die Leine, siiesz ab, l und im nächsten Augenblick hatten wir die Ruder eingelegt und schaffen da von. Das Wuthgeheul hättet Jhr dann: hören sollen, nnd »Schinderleiorton« springen sehen! Denn der pflegte schon bei weit geringeren Llnliissen in Raserei zu verfallen. Das Gig war natürlich nur eine ’ Nußschale und auch nicht allzu was serdicht, aber wir hatten nun wenig stens den Vortheil, unseren eigenen Kurs steuern zu können, während das ; unbeholfene Floß nur mit der Strö-« mung oder dem Winde getrieben war. Wir ruderten also, wenn immer es unsere Kräfte gefiattetcn, Süd-West.. in der Hoffnung, einem von San: Francich nach den Sandwich-Jn seln, oder umgelehrt, bestimmten Schiffe in den Weg zu gerathen. - ilm den Proviant war ecz schlecht: bestellt, weil wir den anderen armen; Teufeln nicht das Letzte hatten weg-s nehmen wollen, Von dem bischenj Wasser nahmen wir nur tropfenweisel ein, wie Medizin, und um es zu spa- i ren, nahmen wir Abends ein Bad, i l wag uns einigermaßen erfrischte, nur ’ hatten wir dabei immer ein Gefühl, als ob uns ein Hat an den Beinen » tnabbere, da die Todtengriiber der; Tiefe in jenen Breiten sehr häufig sind. I Als am darauffolgenden Morgen; die sogenannte liebe Sonne —- die i uns, neben-bei gesagt, Blasen auf den ; Rücken brannte » ausging, war dasi Floß außer Sicht, aber immer nochi auch tein Segel zu gewahren, und der ; zweite aualvolle Tag oerfloß wie der! erste. Eben-so der dritte. Am vierten verzehrten wir den letzten Zwieback, tranken das letzte Wasser, hatten aber i nicht mehr Energie genug zu rudern,; Ausguck zu halten over das Boot aus- I zu schöpfen und lagen in lethargifchem Halbschlummer am Boden, umspiilt svon eindringendem Seewafser. - Gegen Abend jedoch nahte die Ret tung, und zwar in einer Gestalt, daß wir erst recht glaubten, unser letztes Stündlein sei gekommen. Genau von Süd-West her fegte eine schwarze Wetterwolte« durchzuctt von Blitzen, auf uns zu. Jhr zu entrinnen, war keine hossnungzsalleen was wir thun konnten, war, den Kopf des Bootes gegen den Wind zu halten, damit die artig-wühlten Wogen uns nicht von der Seit-e her fassen würden. Es muß spasig gewesen fein, und su beobach ten, als das Unwetter hereinbrach: Von der feucht-kühlen Brise neubelebt, sprangen wir wie auf Kommando auf begannen aus Leibeslräften gegen den Wind zu rudern, gleichzeitig dieMüm ler weit aufsperrend, um uns hinein regnen zu la en und möglichst viel von dem erse ten Göttertranl zu er haschen- . Glucllicherwetse enthielt auch die Böe mehr Wasser als Wind; soviel des ersteren, daß, als sie zehn Minu ten spater vorübergerauscht war, wir Mühe hatten, das Boot slott u er shalten und es eiligst mit den «troh hüten ausschöpsen mußten. Jhr könnt Euch denken, mit welchen Gefühlen wir uns von dem edlen, aber durch die Beimischung des Seewassers un genießbar gewordene Naß trennten! Gleich darauf hatten wir einen Zweiten Glücksfall: Ein großer, falmartiger Fisch, der entweder am Beten-den oder vom Blitz betäubt wor den war, kam, aus dem Rücken schwimmend «langseit, und nahm es uns nur wenige Selundem ihn an Bord zu spediren. Nun hatten wir nach dem Himmelstranl auch ein Göt termahl, aber eine Beschreibung des selben würde sich nicht hübsch machen; »ich will nur soviel sagen, das-, wir es in Ermangelung von Feuer, Messer, Gabeln und Teller, mit dem Beil als Tranchirmesser, nicht so genau mit der Etiquette nahmen. Leider waren die Ueberreste des Göttermahles bereits am nächsten Morgen nicht mehr zu genießen, war unsere Lage wieder ebenso trostlos wie vorher. Als Frühstückslassee saugten wir die widerliche Jauche aus einem Zipfel unserer noch vom Regen etwas feuchten Flanellhemden und saßen dann sast den ganzen Tag, ohne ein Wort u reden, in der un barmherzigen » ropensonne bratend del Während der Nacht wurde ichi plötzlich, am Boden liegend, von einem « leichten Geräusch aufgeweckt und fah-: beim Licht des prächtig gestirnten iSüsdfeehimmelg deutlich, wie mein. FLeidensgesährte mühsam nach vorn« ;troch und behutsam Revolver und Beil hervor-langte Jch ahnte sofort, was er beabsich tige, den-n derselbe Gedanke war auch mir bereits gekommen. Aber selbst, wenn ich geglaubt hätte, er wolle mir an den Kragen, wäre ich vermuthlich nicht ausgesprungen, um mich zu weh ren, da ich in dem Stadium war, wo Einem alles gleichgiltia ist, selbst die Sein- oder Nichtsein-Fragt Mit einem Seufzer der Erleichte rung ließ er beide Waffen über Bord gleiten und kroch achte auf seinen früheren Platz zurii . Er that eg, wie er mir später selbst gestand, theils dem Selbsterhaltungstrieb folgend, theils aus Furcht, selber zum Morder . U--I-4 Jch ließ mir auch ·am nächsten Morgen nichts merken, obgleich als bald wenigstens fiir das Beil Ver wendung gewesen wäre. Wir hatten nämlich kaum wieder auf unseren Marter-dünken Platz genommen, um die Kleider trocknen zu lassen, alH er plötzlich einen Schrei ausstieß und aus ein tleineg Fäßchen zuwantte welches im Hintertheil deg Bootes unter dem Sitz befestiat war und, wie wir ums-, ten, eine Laterne, nebst Talaterzen und Feuerzeug enthielt, woran jedoch bis dahin noch Keiner von tan gedacht hatte. Es aus den morschen Banden zu zerren, war das Werk eine-J Augen blicks, doch dann kam die Frage, wie den Boden einschlagen! Unwillkiirlich wandte er sich nach vorn, kehrte jedoch mit verlegeneni Blick auf mich alsbald wieder um und versuchte es mit der gitternden, adgemagerten Faust, ohne indessen dem dauerhaft gearbeiteten, wasserdichten Fäßchen etwas anhaben zu können. Erst als ich ihm mit ei nem eisernen Ruderzapfen zu Hilfe kam, wurden wir des kleinen Helfers in der Noth Meister und fielen iiber den delikaten Jnthalt her. Eine Kerze stat in der zertrümmerten Laterne und darunter lagen fünf Stück in Reserve! Jungens-, etwas Schmuck hafteres, als eine Tantieer habt Jhr in Eurem ganzen Leben nicht schna bulirtl Macht Euch nie wieder iiber die Kosaken lustig, denn Jhr könnt nie wissen, wie bald Jhr deren Lieb lingsaericht dem feinsten Roastbees, das Jhr nicht kriegen könnt, vorzu » hen werdet! ? Gleich unser nächste-Z Mittagsmahl swelches, da es gerade Sonntag war, saus Schweine-breitem süßen Kartof lseln und sogenanntem Plumpudding ohne »plum« bestand, schmeckte uns nicht halb so gut. Spät Abends an demselben Tage wurden wir nämlich, wie zwei nasse Säcke, hilflos an Bord des amerika nische-n Walfischfahrers »Na-ils Star« gehißt» der uns beinahe noch zu guter - letzt in den Grund gebohrt hätte, da wir uns bereits zum Schlafen nieder gelegt hatten, und man unser Boot erst im letzten Augenblick gewahrte. Es war vielleicht nicht ganz korrekt gehandelt, aber da wir eine Anklage wegen Meuterei auf hoher See zu ge wärtigen hatten, erwähnten wir vor erst nichts von dem Untergang der ,,Mermaid«, sondern erzählten nur, seien schlechter Behandlung wegen de sertirt. Doch die ewige Gerechtigkeit schläft nimmer: Als wir drei Wochen spä ter im Hafen von Honolulu ankerten, war der erste Mensch der an Bord tam, der li·)afen-.7kapitän, und der weite kein Anderer als —«—— »Schin·der orton«, der bereits acht Tage vorher von einem anderen Schiffe gelandet worden war, und nun jedes neu an langende Schiff revidirte, das uns möglicherweise gerettet haben konnte. Das Wiedersehen war nichts weni ger als rührend, wie Jshr Euch denken könnt, und eine Viertelstunde später lagen wir in doppelten Eisen im Ver ließ der amerikanischen Fregatte Santre«, auf welcher wir dann spä terhin eine Vergnügungsstour nach San Francislo machten, um prozes sirt zu werden. ,,Schinder-Norton«, sowie zwei der Steuerleute kamen ei gens mit, um gegen uns zu zeugen; doch nachdem der uns zugewiesene Anwalt die Sache ins richtige Licht gesetzt und mildernde Umstände gel tend gemacht hatte, sprach uns die Jury frei. Unser Glück war’"5, das-, man uns im Norden und nicht im Siiden vrozessirte, sonst hätten wir sicherlich d’ran glauben müssen. Uebrigens,« schlos; der Alte seine Er zählung, ,,wiirde ich unter ähnlichen Umständen genau wieder so handeln: Jeder ist sich schließlich selbst der Näch ste und wehrt sich seiner Haut, ob sie Hnun schwarz oder weisz ist!« «,,.—.....- ....... »—.-— — Der Zukunftokünitler in London und fein recht eintritgliches Geweer Auch die Weltstadt London hat ihre Wahrsager und Schicksals - Deuter, nur daß diese sich den dort billigen Ti tel ,,Prosessor« oder »Professorin« zu legen. Das sashionable Westend weicht von dem Osten nur dadurch ab, daß hier der ,,Zuknnst5tiinstler« oft in einer ärmlichen Stube, dort jedoch in Salons und förmlichen Palästen seine Mitmenschen ,,beglüclt«. Man trieb es schließlich darin so arg, daß die Poli zei sich der Sache annahm und den Begliictern und Beglückerinnen einen nicht miszzuverstehendenWink ertheilte. Seitdem hat man eine anoere Politik « befolgt: Man bietet den Kunden und Kundinnen ,,Unterricht5stunden im Wahrsagen« an. Eine Dame, die kürzlich bei einem » solchen »Professor«, der ihr von be sreundeter Seite empfohlen war, vor sprach, erhielt den Bescheid, daß nach dem heutigen Stande der Dinge das Schicksaldeuten aus der Hand nicht mehr erlaubt sei, aber er würde eben so gern erbötig sein, ihr ,,eine Unter richtsstuude für eine Guinea zu ge - ben.« Doch die Dame verstand ihn anfänglich nicht. Sie war nicht zum Leruen gekommen und war im Be griffe, wieder von dannen zu gehen, als sich der Herr »Professor« beeilte, ihr die Angelegenheit etwas näher zu erläutern. Sie verstand endlich, zahlte lächelnd das Geiorderte und erhielt den Gegenwerth in Gestalt der Ver kündigung ihres Schicksals. Auch in England also scheinen die Gesetze nur zu dem Zwecke zu existiren, damit — man sie umgeht. Bemerkenswerth hierzu ist ein Ar titel, den wir den Spalten der Free Lance« entnehmen. Der Verfasser des selben giebt vor, eine Unterredung mit einem Westend - Professor gehabt zu haben, der ein recht einträgliches Ge werbe aus der Chiromatie machte. Der Herr hat sich kürzlich von »dem Ge schäfte zurückgezogen«, nicht aber, ohne daß er lange Zeit hindurch ,,pro Sai ; son«, wie er sich ausdrückte, 5000 Pfd. Sterl. einstrich und sich einen hübschen Betrag in jedem Jahre bei Seite legte. s Der »Künstler«, der mit seiner Mei nung über sein »Geschäft« nicht zurück hielt, sagte u. A.: »Meine Laufbahn : begann mit der untersten Stufe. Jch habe sowohl dem Milchmiidchen von Devonshire, als auch der Herzogin von N. die Zukunft verkündet. Wer, .lau ben Sie wohl, ist die Leichtgläu igste von Beiden? Nun, die Herzogin. Das Landmädchen oder das ausge weclte Londoner Stadtkind betrachtet Alles nur als Spaß und lacht darüber. Anders dagegen die nervöse, fashio nable Laby! Angenommen, Sie las sen sich eine lan eKünstlermähne wach sen und sie verziehen mit echt theatra lischer Gebärde auf sie einzusprechen, unter tausend Damen, wette ich, glau ben nen neunhundertneunundneun zig es, rein Alles, was Sie ihnen sagen. Und wenn Sie ein Diplomat in gewissem Sinne sind und sich die Kundschast zu halten verstehen, so kommen diese Damen in regelmäßigen Zeitabschnitten immer wieder zu Ih nen. Meine Kundschaft bestand aus weiblichen und männlichen Mitglie dern der höchsten englischen Gesell schaft. Was die letzteren anbetrifst, so kann ich nur mit Abscheu von ihnen sprechen. Jch nahm das Gold dieser Männer, aber ihnen in das verlebte ; Gesicht zu schauen und die schlafer Hände zu ergreifen, vermied ich so gut es ging. Jn Fällen, wo ich es nicht unterlassen konnte, machte es mich re gelmäßig krank und ein unwidersteh liches Gefühl von Ekel und Widerwil len gegen diese. Leute beschlich mich.« ——»- s— -—.— -———— Die »Musterlehrprobe« eines Gemeinde « rathsmitgliedo in der Volksschulr. ; Ueber eine »Musterlehrprobe« des ’Gemeinderaths Senges in Flinsbach bei Sinsheim, gehalten bei der-Schluß priisung der Bolksschule 1901, wird ider »Volks-Ztg.« Folgendes mitge theilt: Als die weltlichen Fächer vor »genommen werden sollten, da tritt s plötzlich das jüngste Mitglied des Ge tmeinderaths Herr Senges, Leibdra J goner a. D. und Landwirth, vor die » erstaunte Classe. ! ,,Kinner,« sagt er, kennt ihr ah des ; Gedicht vun der Bergschaft?« t ,,«a,« war die Antwort. »so ,« wendet er sich an den Leh , rer, ,,jetz weg a mol, Herr Lehrer, lasse s Se grad a mol mich mache!« ,,Kinner,« fährt nun der neue Schulvisitator und Musiklehrer fort, ; ,,baßt a mol ufs, ma wella jetztundert sdie Bergschast vernemma; jedes Von ich. sagt sei Versch- un nord erkläre mar’5. Also, Jaiöble, fang a mol an: Zu Dionis, dem Dhrannen fchlichl« ’S Jatöble läßt nun los, wird aber sofort von dein aus Verständnis-, drin genden gemeinderäthlichen »Muster gabagogeM mit der Frage unterbro en: »Halt! Wißt ihr ah, was an Dy rann is?« S Friederle streckt den Finger: »Ein Thrann ist ein Fürscht.« ’S Michele behauptet, ein Tyrann sei einer, der die Leute mißhandelt. Nichts befriedigt den Visitator, und so giebt er selbst die Erklärung: »An Dyrann isch einer, wu da Leit nett gibt, was fa wella!« Sengps: ,,Wißt ihr ah, was a Mör der isch? Wir wella a mol seha! Jsch Möros a Mörder, weil er den wiischda Dhrann hott umbringa wella?« Fritz-: »Ja!« Senge5: »Ha, net so ganz! Warum isch ’r tei Mörder?« Andreas: »Weil er den Thrann hat todtstechen wollen.« Senges: »Jo, jo, des isch recht: Sell kennt als nix schade!« Seliger-: «Häwe die Freind den Dhrann als dritte in ihrem Bund usfgenumme?« Schüler: »Weiß nicht!« Ein ande rer: ,,Ja!« Zeug-Is: »Nei! Ma weiß zwar net gewieß, ob se ehm da Wille gedau hawe. Jch glab awer, sie hinweg net gedau, weil er so wüscht geweßt tsch, un do hawe se numme recht g’hatt. Denn ich het’s ah net gedau!« Senges: »So, Minnen Von wen: isch denn das Gedicht?« Schüler: »Das Gedicht ist von Schiller.« Senge5: »Des »Gedicht isch vun Schiller. Wer isch denn Schiller ge weßt?« t Fehülen »Schiller war ein Dich er.« « Senges: »Allemol! Schiller war a großer Dichder!« Damit die «geeignet scheinende Be merkung« nicht fehlte, schloß der bie dere Landwirth seine Lection mit den Worten: »Gell, Kinneri Wamrner so ’s Ge dicht erklärt kriegt, nort versteht niar’s un was ma versteht, lernt rna ah leich ter. Sou g’hört’s ewa allemol ge macht.« Allerlei Merkwiirdiqfeiten aus Kaiser Napoleotss «Bagngc« in den Tuilcrieu. Am 12. Februar 1871 bemerkte man, daß in den Tuilerien gestohlen worden war; Kisten und Koffer wa ren heimlich lveaqeholt und zu Belin, dem Kammerdiener Napoleons, ge bracht worden. Der Polizeipräfect liesz die ganze »Ba·qage« in Beschlaa nehmen, und man fand in den Kossern zu allererst Napoleon5 Hairgkmltunas buch, d. h. eine direcie Buchführung über seine Ausgaben nnd Einnahmen. Das erste Register datirte aus der Zeit seiner Gesanqenschast zu Ham; der Prinz scheint damals nicht aerade reich aewesen zu sein, denn er sah sich fortwährend genöthigt, bei seinem Kammerdiener Geld zu leihen. Ferner enthielten die in Beschlag ge nommenen Kosser eine Menge yon Gegenständen, welche die kaiserliche Familie eingepackt hatte, als sie sich — aus die Flucht vorbereitete. Darunter befand sich das erste Hemd des Königs von Rom und das des Prinzen »Lu lu«, Mühe, Unisorm und Leinenzeug» das Napoleon bei Solserino getragen hatte, und die Federn, mit denen die tKaiser nach der Schlacht den Frie dens-vertrag unterzeichnet hatten; ser ner Orden, Ringe, Schnupstabatsdo sen u. s. w., die der Kaiser zum Ge schenk hatte geben wollen, und bei je dem Gegenstand lag die Quiitung, da der Kaiser den Preis seiner Geschenke gern genau wußte. Zwei Merkwür digkeiten, nämlich ein gewöhnliches kupfernes Reliquienkästchen und eine einfache Uhr, zogen besonders die Aus merksamkeit aus sich. Das Kästchen enthielt ein Stück vom Arme Karls des Großen: an der Uhr hing ein kup sernes Plättchen mit der Ausschrist: »Wecker Friedrichs des Großen von Napoleon den Ersten zu Potsdam er beutet.« Man wollte die zuletzt ge nannten Gegenstände dem Louvre museum zum Geschenk geben, aber der Präsect widersetzte sich dieser Zu rnuthung: die Preußen hätten ja sonst sagen können, daß die französischen Kaiser Uhren gestohlen hätten. Die Kisten und-Koffer Napoleons wurden nach dieser Untersuchung wieder zuge schlossen und versiegelt. Später wurde alles —— Papiere und Register, Wecker und Reliquie — der Kaiserin Eugenie gesandt. - , Zwiegespräch zwischen einem Bur nnd ei nem Engländer über ,,Fair Play«s. Die Engländer in Johannes-barg wie Privatbriefe, die auf llmwegen und verspätet eintrasen, melden, ma chen sich sehr unbeliebt durch ihre häß lichen Ausdrücke über die jetzige Fecht weise der Buren, bei der sie den Kür zeren ziehen. Fortwährend beklagen sie sich, daß Buren nicht »sair plah« kämpfen, sondern immer, wenn sie, die Englander, mit 10,000 Mann und 20 Geschützen angriffen, nur so lange kämpfen, als sie fiirsich einen Vortheii sehen, und sofort das Feld räumen, sobald sie von der Uebermacht be droht find. Dieser Klagen wegen wer den die Engländer sehr viel gefoppt. Jüngst gab es folgendes Zwiegespräch zwischen einem Bur und einem Eng länder: Engländer: »Ja, die sBuren käm pfen gar nicht mehr ,,fair plah«. Wenn diese Feiglinge nur einmal eine richtige Schlacht annehmen wollten, dann wäre der Krieg bald vorbei; aber so laufen sie fort, sobald wir mit einer großen Macht anriicken. Und dann diese Hinterlistigieiten der Verräther, die weiter nichts können, als unseren armen Soldaten Fallen stellen und sie dann erbarmungslos niederschießen. Und das nennen die feigen Hunde »sair play«. Bur: Da bin ich ganz einverstanden mit Jhnen, und darum habe ich auch die Waffen niedergelegt, um nicht mehr mit diesen gemeinen Buren, Spitzbuben und Feiglingen zu fechten; ich nehme kein Gewehr wieder in die Hand siir diese Verräther. Engländer: Da sind Sie doch ein mal ein verständiger Bur, der es ein sieht, wie gemein es ist, unsere armen Soldaten so hinzumorden und unsere Ofsiziere von der Spitze ihrer Com vagnien wegzufchießen. Aber können Sie, ein so ehrlicher Mann, der über so guten und gesunden Menschenver stand verfiigt, nicht einmal Jhren Mitbiirgern sagen, daß sie im Unrecht sind und daß sie viel besser thun, wenn sie die Waffen niederlegen nnd fried lich Unter dem Union-Jack leben. Bur: Meinen Mitbiirgern das zu sagen, würde nicht viel helfen, denn die da noch fechten, sind alles dicktöpfige dumme Buren, die sdas Wort »sair plan« nicht kennen. Das haben Sie doch zuletzt bei Otioohoop gesehen. Ha ben die Buren den englischen Solda ten hundertmal Fsallen gestellt? Englander: Ja —-- und unsere armen Soldaten sind fast immer darauf hin eingefallen und zu Hunderten von die sen elenden Buren hingemordet wor den. Bur: Run, dag- ist grade der Punkt, wo ich init Ihnen so sehr überein stimme. Ihre Soldaten sind jedesmal in die Falle hineingelaufen Dort aber bei Ottoglwov auf dem großen Niickzua der Englander legten die eng lischen Truppen eine Falle fiir die Bnren. Denken Sie, daß ein einziger Bur da hineingegangen wäre? Nein! lind das ist doch ganz gewiß gemein nnd sicher nicht »sair play«. ——-— -- -—.—--——s-—— Mr5. Jessie Varilett Davig, welche am Shearg Theater in Busfalo ga stirte, hatte bei einem Musikverlage in Ghicago zwei neue Lieder bestellt, wel che sie in Kurzem singen wollte. Ein Montag war hierzu bestimmt worden; aber der Sonnabend Nachmittag kam heran, ohne das; die Lieder in die Hände der Sänger-in gelangt-en. Mrs. Davig liesz daher ihr Zimmertelephon mit dem Musikverlage in Chicago ver binden Die Sänaerin kam mit dem Lterleger überein, die neuen Lieder iiber die 500 Meilen lange Telephon linie einzuiiben Auf beiden Statio nen wurde daher ein Claoier ganz nahe an den Fernsprecher herangeriictt. Daraus wurden in Chicago die Lieder borgespielt und vorgesungem nnd Mrs. Daois spielte und sang diesel ben so lange in ihrem Zimmer nach, bis sie Text und Melodie vollkommen irr-herrschte Die Orchesterbegleiiung wurde in Bussalo geschrieben und die Sängerin errang mit dem Vortrage der Lieder einen großartigen Erfolg. Für 2zstündige Benutzung der Fern verbindung mußte sie jedoch nicht we i niger als 8125 zahlen.