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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (July 17, 1896)
Inn. Rasch gab 1ie das lKind dem Mädchen nnd trat in die Küche. die ein Ziemlich enger Raum und sehr niedrig Var und die von dem Kochherd den sithifem dem Spiilstein, den Sieben und Geschirrem dem Küchenschrank und dem Tisch, woran-f die lSpeisen ange richtet wurden, genügend ausgefüllt war, so daß sich zwei Personen gleich zeitislaum umdrehen konnten. Durch ein ewfter, das nach dem Hofe ging, drang ein aschfahles Licht ein. An diesem Fenster, halsb ohnmächtig auf einem Stuhl, lag Lorenzo, einen Arm hatte er in die Oeffnung der Blouife gelegt, und der andere hing sent recht herab, eben-so der Kopf. Er rührte sich nicht und sprach lein Wort. Anita, durch die Lichtsfleelen des gez-Mem geblendet, sah ihn nur durch’s gen-licht wie eine undeutliche Masse. Dieses Schweigen deunruhigie sie und alle ihre Vorscine vergessend, nähert sie sich ihm, und als -sie sieht, daß er die Augen geschlossen hat und sein Antlitz in’.c Geidliche spielt.sda zögert sie nicht mehr, ihn zu berühren: ein eisiger Schweiß lhadet ihre Schlafen. »Lorenzd, Lorenzo, was hast Du ge than?" Er öffnet die Augen, deutet mit dem Kopf auf den Spiilstein und stammelt mit traftloser Stimme: »Ich werde Dich nicht mehr schlagen! Verlaß mich nur nicht!« D« ein Wunder des Himmels fiel Anitz diesem Augenblick nicht be wußtlos zu Boden. iAuf dem Marmor des Spiislsteins lag sbluttriefend eine einzelne, vorn Arm abgetrennte hand, ihr zur Seite ein mit Blut besprintes, noch rauchendes Hackibeii. Es war die Buße eines Wilden, es war —- die Hand der Ohrfeige! —ffv . Der Brief der Schwester — Aus dem auffälligen Benehmen Paolo Cardolli’s gegen die reizende Engländerim die seit Wochen schon hier weilte und zeitweile smit ihrem Ballon «Diamond« einen Aus-fing in die Lüfte unternahm, begann man in der sogenannten besseren Gesellschaft Totests ganz eigenartige Schlüsse zu ziehen; Einige zucktan die Achseln und wieder Andere bedauert-n den jungen. lebensfrohen Eleganh der sich mehr als zu viel mit dieser gewissen Mifz Harriet Lee abgebe und sdadarchj übergenug Stoff zu merkwürdigen Gerüchten lie sere . . . ., bis sich eines Tages Constan tin Pretis. einer seiner besten Freunsbe noch von der Schulbank her, ein Herz saszte und damit den löblich-n Vorsatz, den offen-bar arg verliebten Paolo wie der in’s alte gute Geleise zu bringen, ausführen wollte. Und nie fand sich dazu auch eine günstigere Gelegenheit als diesmal. Paolo saß allein an einem Tische vor dem Tasse Oriental und lauschte den bezaubernden Melodien eines Wiener Mal-zers, den die tunitgeiibten Musiker der Militiirlapelle auf der Piazza Grunde zum Besten"gaben. Die stolze handelsftadt an der Wdria zeigte heute den flott-sröhlichen Sinn ihrer Kin der; Alles, was Zeit und Muße hatte, wogte aus dem gewaltigenPlatze durch einander; die vier Cafes, die ihn inn siinmen, und die sechsfachen Reihen Stühle vor dessen Thüren waren alle besetzt. Aus dem Gewühle der Prome nirenden glänzten goldbordirte Uni formen und strahlten in sommerlich hellen Farben die gewählte-n Toiletten einer vornehmen Damen-welt, dem gan zen bunt bewegten Bilde ein charatte ristischsaristotratisches Gepräge ver leihen-d Die Hitze, die tagt-über geherrscht, stvar einer erfrischenden Abendtiihle ge tvichenz ·toeiße, durchsichtige «Wolten glitten am Nur-blauen Himmel dahin, Zu welchem die majestiittschen Kuppeln mächtiger Bauten nnd zahlloser Kirch thürme strebten. Jn der tlaren Atmo sphäre schwammen die Diifte den«-Iwan der und Granatsbäume und glühten golden die Orangen in den vor den Ca ses paradirenden riesigen Kübeln . . . . Kerzengerasde fast stieg »der Dampf der Cigaretten in die Höhe und ver-mengte sich mit den erquistten Parfüms der Mode zu einem süßberauschenden Wohlgeruche. Bloß daß Constantin mit feinem Betehrungsversuche tein Glück hatte. Paolo Cardolli ließ ihn einfach ausreden, ohne ihn zu unter brechen, und nur fein glattrasirtes, mattgebriiuntes Gesicht färbte sich bei den eindringlich ermahnenden Worten des « des mit eine-r schwachen Mühe I dieser geendet, drückte er ihm herzlich die Hund« »Sie-ver Constantin,« sagte er dabei und durch seine Stimme ging ein un merltiches Zittern, »ich muß Dir site Deine Theilnahme danken; aber dass Du es weißt, teine Macht der Erde soll mich jemals von Hat-riet trennen-« »Ah, ein-fuhr es dem betrübten Freunde, »sollte es wahr sein? ..... .—«l »Man muntelt don einer geheimen Ver-( .lobung — — « »Jn sdrei Tagen wird sie leine ge heime mehr sein.« « « Constantin Pretis schüttelte mißbG irgend den schwarzlockigen Kopf. »Du, der Sproß eines der ältesten Geschlech gser der Stadt unsd sie, die abenteuern e —« Oarriet ist rein und malellos wie ein Engel,« unterbrach ihn Paolo fast leidenschaftlich, »und ihr Gewerbe soll kein Hindernis sein, ssie zu meiner Frau zu machen. Wir lieben uns gegensei tig; das genügt mir.... Ueber-mor gen ist ihre lekte Ausfahrt, unld was sie Niemandem gestatten würde, bei smir iisberwand sie alle tleinlichen Bedenisem ich werde .sie begleiten dürfen, hinaus in das Reich der Lüfte, der Welt, ihren boshasten Laster-sangen und Chikanen auf Stunden wenigstens entrückt. . . .« Conftantin blieb stack vor Staunen; allerdings, aus diese Kunde war et nicht vorbereitet gewesen —- unsd Paolo fuhr fort: »Ein-Oeigenthiimliche AMICI-sings kraft die Hat-riet aus mich ausübt, fast möchte ich Isagem eine Aehnlichkeit mit einer Person, die einst meine Sinne — wohlberstanden bloß meine Sinne, nicht mein Herz, ganz und voll gefan gen hielt» · Seine Blicke lich-meisten träumerisch über die den Piatz füllende Menschen men-.ge Pretis dagegen, einsah-ind, daß eine jede Anstrengung, den Freien-d auf den richtigen Weg zu leiten, »vor läufig vergeblich gewesen wäre, verbiß feinen Aerger und begniigte sich mit der Frage, wie denn eigentlich diese tiefe Neigung zu der Aeronautin ent standen. ; «Schr einfach.... Es ift eben das :Schicksal, das mich mit ihr zufam anienfiihrte,« erwiderte der Gefragte Hund ein Schatten legte »sich iiber seine »sympathisch offenen Züge, »-vorerst faber möchte ich Dir etwas anvertrauen "——— es drängt mich dazu . . . Eine kleine Liebesgefchtchte ein Roman, der aber sder Tragil nicht entbehrt . . . .« Seine Stimme verriet-h die Erre gung, die sich feiner bemächtigte; seine Mienen hatten sich verdüstert Er schwieg auf Augenblicke wie Scenen aus vergangenen Tagen an seinem Geiste vorüberziehen lassen«d. " Dann hub er in leisem Tone an: »Ein Zufall, der mich idamali- ——— es ist über ein halbes Jahr iher —- mit Car lotta bekannt werden ließ — eine mei ner Vergnsiitgungstouren die mich nach Sicilien brachte. Hier in Cavalarga —- einem kleinen Städtchen bei Neapel —- wirlte sie als Erzieherin der Kinder der gräflichen Familie, bei der ich.zu Gaste war . . . . Jch verliebte mich quasi aus Langeweile. . . . Armes Mädchen! Es war entzückend in feiner rosigen Frische und unschuldsvollen Schönheit, verführerisch in der iheißen Gluth, die es msir entgegenbrachte — eine vom schmutziaen Staub der Welt noch unbe riihrte Knospe von- lauen sechzehn Jah ren, aber voll der Leidenschaft ein-es gereiften Weibes." J Die Stimme drohte ihm zu versa aen, aber es gelang ihm, sie zu beherr schen. — i »So wahr mir Gott helfe, hatte ich die besten Absichten — bis ssich zwi schen uns das Fattum in Gestalt einer Erbschaft drängte, die ich in Triest per sitnilich in Empfang nehmen sollte. .. Nie werde ich den Moment vergessen, da ich mich von Carlotta verabschie «dete!...«Sie wollte mich nicht fort ·lasfen —- ach, in ihr-ernv reinen, tin-d lichen Herzen sagte ihr eine Ahnung, daß es ein Abschied aus ewig sei . . .. Fund doch gedachte ich nur die zur Ab «wicilsunig meiner Angelegenheiten aller ;not-hwendigste Zeit weg-zubleiben; es ! war dies mein fester Vorsatz, und hätte Fmir Jemand gesagt, ich wiirde meine kGesmnang ändern, ich hätte ihn zu Bo Tden geschlagen, so felsensest überzeugt war ich von der Unwandelbarleit mei ner Neigung» . Jch kam damals eben nicht zur Crienntniß, daßl ich in Car lotta nicht ein Weib, sondern nur dag Weib liebte . .. und wochenlang nach her noch, ais 1sich die Hebung mein-er Erbschaft bedeutend den-zögerte spürte ich noch den zarten Druck der weichen Arme der Geliebten um meinen Hals und brannten mir ihre letzten verlan genden Küsse auf den Lippen . .. »Bist ich mich endlich daran gewöhn ie, auch ohne «sie leben,« fuhr er ausgib mend fort, »und ich ihre Briefe nicht mehr so piiniltlich beantwortete. Die Zerstreuuiägen unseres heißen Pfla stets, »die olle, die ich in 1den Cirteln spielte, in denen ich gewissermaßen aus gewachsen und ein gern gesehener Gast von jeher gewesen, Oder wogende Stru del des großstädtischen Lebens, die Vornehmtheit und das Behagen meiner Umgebung ließen smich bald diejenige vergessen, die mir vor turzem noch das Theuerste auf Erden gewesen. Meint Briefe swurden seltener-: trotz ihrer an muthigen Reize verblich die einfach ) c H Carisatta, die Kleinsttidterim vor den weiblichen Repräsentanten des »High life« Triefts —- wäshrend mir ihre Schreiben immer einen Stich ian herz versetztem in dieses laun«en-hafte, wan telmuthisge Herz . . . . Und doch ent hielten tsie nie einen Vorwurf, nie ein bitteres Wort, nie eine Klage! Aber ach, ich las es zwischen den Zeilen — diesunausgesprochene Wehmuth, den Schmerz »der ihre Brust zermarterte .. Und troydem hoffte sie noch; hätte Ifie an snreine Unstreue gedacht, wäre der Schlag der schreckliche Schlag nicht mehr fo unmittelbar auf ihr liebendes Herz gefallen . . . . « i »Es war dies, als Harriet zum er fftemnal in meinen Gesichtskreis trat — ein Ereigniß, welches ich ais Wen-»de puntt in meinem Leben bezeichnen möchte. Wenn ich vielleicht noch an Carlotte dachte, that-riet in dem be rücken-den Glansz ihrer Schönheit ließ fte mich gänzlich vergessen, sie aus mei nem Herzen sbannend und in mir die Flamme der wahren Liebe, iwie ich sie bis jetzt noch nie empfunden, entfachen-d . . . Ein Prvmenade-Konzsert gleich die sem, das mich mit ihr zufammen brachte. Wie oft geniigt eine Kleinig leit, usm unsfer Dasein von Grund aus umzugeftalteni . . . Hier war es ein Musitprogramm welches ich ihr ver fchaffte —- aus bloßer Höflichkeit auch gegen unbekannte sDamen...Als ich aber in ihre dunklen, smärchenhaften Augen geb.lickt, kam es über mich wie eine stürmische Offenbarung —- unsd dann, in wahnwitzigem Eifer die Ban de zu lösen, die mich an jene fesselt-en. die mir nur noch ein leblofes Traum bild -diin·tte, fansdte ich in fliegender Hast den Brief ab, einige Zeiten nur, deren Latonissmus grausam klang ohne mein Zuthun —- ich gab Carlotte die Freiheit wieder.« ,,Ungliickliches Mädchen,« murmelte Conftantin ergriffen, »das hättest Du ihm ersparen sollen-« Paolo blieb eine Weile stumm; dann erzählte er weit-er mit gepreßter Stimme: »Das Schlimmste vtommt noch; denn am nächsten Tage erhielt ich ein Tele grarnm von der gräflichen Familie: Carlotta liege im Sterben; im De lirium des Fiebers verlange sie nach mir...Eine unbändige Angst, sdie mich packt-e, — und wie ein Irr-sin näger reiste ich mit dem nächsten Zuge a »Mein rücksichtsloser Brief hatte ein-e furchtbare Wirkung aus-geübt . . . Dem Ende nahe, blaß entstellt, so sa ich sie, das bliihende Wesen, wieder —- unsd an ihrem Bette hinsiiirzend, überfluthete ich sie mit mein-en Thvänen, die vor nicht langer Zeit noch mich zärtlich ge lieblost . . .. ,,L)b sie mir der-zieht —- Jch weiß es nicht . . . . Jhre Worte tönten an mein Ohr wie sernes Lisoeln . . . Eine letzte Bitte, die ich ihr noch erfüllen mußte . . . Sie dittirte mir einen Brief, dessen Sinn ich nicht verstand und des sen Buchstaben vor meinen Augen tanz ten — an eine Cousme, Schwester oder sonstige Verwandte gerichtet, der ein zigen, die sie noch besaß »Mir summte es im Hirn; was ich geschrieben und was sie mich nachher sragte, ist wie ver löscht aus meiner Erinnerung — und nur, daß sie das Schreiben noch unter zeichnete —- ich glaube es wenigstens, tann ich mich duntel besinnen . . . Nach St. Petersburg oder Kopenhagen oder sonst irgendwo sollte er abgehen, un ter einer Chifsre adressirt . . . Jch war betäubt, gelähmt. « Wenige Stunden nachher war der j«uaendschöne Körper eine Leiche . . Mein sgeistiger Zustand näherte sich dern Pa roxhstnus des Wahnsinn-Z- . . .«Eine Woche später aber trat die Vergangen heit wieder zurück und die Gegenwart, das Glück in seine Rechte.« Erbrach den Satz kurz ab; es schien, als entriickte ihm das bloße Denken an Harriet die traurigen Stunden von einstmals in serne Weiten . . .. Constantin nagt an seiner Unter lippe, dann stand er hastig auf. — ,,Driiben sehe ich Deine Dulcinea mit ihrer steifen, echt englischen ma ger-en Mama dir-hinwandean Deine Beichte that aber aus meine Nerven so gewirkt, daß ich taum im Standewiirh gleichmiithig in Mis; Leck- satcintrende Sirenenaugen zu blicken . . . ." Und dem betrossenen Freunde die Hanld reichend, tauchte er unter im re gellosen Strome der Promentren den« — Als Paolo an diesem Abend, die ele aasnte, stolze, schöne Harriet am Arme, längs der Niva shinschritt, die künftige Schwiegermutter wie immer ernst, schweigend und etwas hölzern, zu Seiten ihrer Tochter nur so des An standes halber mitaehenld, vergaß er rasch das Bild voll düsterer Schatten, das er idem Freunde entrollt, um sein z-weisellosö, daran trankendes Herz zu entlasten. Mit goldigetn Glanze war die Son F 1 ne geschieden — asber an deren Stelle überstuthesre ·der Voll-manch mät seinem milchigens Lichte die spiegelgliitten Wasser sder Adria, um Land und Stadt seine vsilbernen Fäden webenld, die Erde beglückensd mit dem weihend len Zauber einer sternenprächti en Sommernacht, der-en unsagibar sdu tig poetischer Schimmer die Herszen zu schnellerem Pochen antrieb, die Blicke zu wärsmerer Gluth entslammte und in jedes Wort in jedem Athernzug die be redte Sprache der Liebe unsd Leiden schaft legt-e.... Der ,,D·iamons « schwebte empor zu schwindelnsder Höhe. . » Usnten verblieb die vieltasusendilö pfige Menge, »die denVisale von St.An drea — diesen paraViesischen Vorort Triests —- fiillte; alle Gesellschafts tbassen waren hier vertreten. Don nernde Hurrarufe und Evisoas beglei teten das großartige Schauspiel. Dann-« verzogen sich langsam die Zuschauer, sdie mit Opernglösern untd Fernrohren, »Hüte und Tücher schwenkend, dem Bal :lon nachgeschaut, bis er shintsr ballen spen, weißlichm Wonmsbankm sper schwunden . . . . Seinen Jnsassen bot sich einsherrlicheiizl Bild. Es war ein entziickendes Pa norama. Die Adria swie ein bläulich glitzen der Spiegel von schier unbegrenz ter Ausdehnung; die einzelnen Buch sten iprungend im reichen Farbenkleid Isiidlicher Vegetation; in verschwomme snen Umrissen Villen, halbversteckt im zGriin die Palmenlronens» .. tzDann zdie Vai von St. Antdrea unsd ihre Ver längerung der Golf rvon -M-wggia. Ein köstlich-es dell! Am Gestade, an dem die Wellen murmelnd, sanft sich bra chen, eine exotische Flor-a, blühend in allen Nuancen; Cypressen reckten ihre» dunklen Stämme in die balsasmischenj .Lüste, und die dicken Blätter der Aloess und sdie saftigen, stachesligen Stengels »wer Kasttussesenschienen zwischen den; Ischiängelnden Farnlräuiern und matt-; nglbens Mimosen gleich seltsamen sHieroglyphen der Pflanszenwelt . . Und dann Triest mit seine-m Hasen, einem chaotischen Gewirre von Schiffen, Ma sten und Raan; die Stadt, sich ma lerisch ausbreitend, buntbewegt, ein-e Welt für sich, voll imposanter Bauten, phantasttisch geschmückter Kirchen, riesi ger Fabriten und qualmender Schorn steine . . . . »Der Ballon —- der um Vier Uhr Nachmitags, seiner Fesseln los und le dig, sich in die -Liiste geschwungen — schlug nach einer halben Stunde schon eine südsivestiiche Richtung ein. Die Kontnren des gottgesegneten Land strichs da unten verdämmerten — nur die sSee sblinstte noch herauf in rät·hsel hsastem Spiel der Farben und den sal zigen Odem aushauchend in die reine Atmosphäre Zwischen Paolo und Harriet, den einzigen lebenden Wesen in dieser Höhe, kam eine eigentliche Unterhaltung nicht «recht in Gang. Er war wie berauscht l. . . . Mit der lGeliebten allein — ganz allein! Die Englänsderin starrte san das Geländer geneigt, hinaus; traum hast glitt-en ihre Blicke in die in Son nenglanz gebadete, rosige Weite. Jhr Antlitz war aussallend bleich und ihre Lippen zuckten. Pacslo näherte sich ihr und schlang in trunkener Seligkeit seinen Arm um ihre elfengleiche Gestalt. »Wie schön Du bist . . . ! Ein Engel . » ; flüsterte er bebend vor Aufregung. Und iste war es auch. Das edel ge schnittene, seine Gesicht, die braunen nach englischer Mode bis über die Schultern lwallen-den Locken, die halb verschleierten, unergriindlich tiefen Au gen von langen sammetnen Wimpern beschattet — und dazu der elegante Laswntennis-Anzug, der die sberiickende Plastik ihrer Gestasit hervortreten lie . . . Mit nervdser Hast entwand sie sich seiner Umarmung, beugte sich nieder zu dem am Boden des Korbes gestan ten Ballastsäctchen nnd entleerte zwei derselben ihres Inhaltes —- und alles dies mit einer Anmut-h und Grazie, die in der gewöhnlichsten ihrer Bewegun gen lag. Der »Diamond« arbeitete sich noch höher. »Bist Du mir böse, mein Lieb’?« fragte zärtlichider junge Mann, durch ihr beharrliches Schweigen beunruhigt. sLangsam wandte isie Estch um und zeigte ihm urplötzlich lveränderte Züge: »und seltsam klang auch ihre Antwort: ,,«Böse! Was soll dieses armselige Wort bedeute-litt —- Miißte ich nicht die Stunde versluchen, die unsere Be kanntschaft vermittelt — jene unheil volle«Stunde, »die Dich niir zusii-hrte, ohne das Mal des Verbechens aus weine Stirn gedrückt zu haben?« Er taumelte entsetzt zurück. »Sieh mich nur so erstaunt an,« sagt-e ssie dann mit einem schrillen Aus lachen, das ihm sdas Blut in den Adern fast zum Gerinnen brachte, »die Zeit »der sLiebe ist sür uns vorbei "-—- ein I anderes Schicksal, das unser wartet . " und mit ihren Fingern blitzschnell sein widerstandloses Handgelen-: dampf haft umsspannend, bohrte sie ihre du ster glimmenden Blicke in sein verstör tes Gesicht. — ,,sHast Du so bald Carlotte derges sen?« tam es dann leise, zischensd von ihrem Munde. Wäre cder iErdball Zu seinen Füßen geborsten, auf Chrdolli hätte dieses elementare sEreigniß keine erschüttern deoe Wirkung hervorbringen können, als es jetzt die furchtbare Frage der sAeronasutin that. »Ein -un-n-ennbaes Grau-sen sträubte Idie Haare auf sei nem Kopfe und durchschüttelt-e seinen Körper. . . Sie wußte Alles! — Wie sie zu dieser Entdeckung gekommen — in diesem entsetzlich-en Moment war ihr dies gleichgiltig . . .«-Miihsam rang er nach-Worten, nach Athem — ,,Harriet — v.erzeih!« »Dir vertzeihen?« schrie sie auf mit unsagbarer schmerzlicher Betonung, ,,Uns-eliger, ahnst Du denn nicht, daß Du meine Schwester durch Deinen Berrath getödtet . . .?« Kraftlos sant er auf das Strohge Iflecht zuriick, welches in der Gondel als Sitzt-laß diente. Carlotta Harriet’s Schwester! — Narrte ein entsetzlicher Traum seine Sinne? Umnachtete der Dämon des Wahnsinns sein Gehirn .. . oder war es eine teufliche Spuckgestalt seiner krankhaft zerriitieten, bis zum Ueber maß erhitzten und aufgeregten Phan tasie, sdie ihm grinsend und z-ähnes-1et schend die Hölle, die unentrinn«bare, mit allen ihren Schrecken unsd Abgrun deorgautelteZ Aber nein —- keins Traumgebilde, keine Hallucinationl —- War er denn blind gewesen die ganze Zeit über, daß ihm die Aehnlichkeit nicht aufgesallen zwischen dem Gegenstand seiner einsti gen Leidenschaft und dem seiner jetzi gen Neigung? — Hätte er in sdiesem Augenblick die Kraft gehabt, sein Denk-vermögen zum Suchen logischer Schlüsse anszustrengem leicht erklärlich wäre es ihm gewesen, worin die Macht bestanden, die Harriet über ihn, über sein-e Sinne und seine Empfindungen ausgeübt —- jene magnetische an-I ziehensde Gewalt, iderien veinsame er noch immer war . . . . Kein-e . sterotypse Aehnlichkeit der Gesichter —- ansdere Augen, anderes Haar-, aber doch im all gemeinen eines und dasselbe. . . s lEndlich nach einer geraumen Weile, Frichtete er sich slanigssam auf; er schien jum Jahre gealtert. i i »Verda-mme mich nicht ungsehört,«« bat er mit heiserer Stimme, ,,kon«nte ich denn anders, nach-dem ich Dich ge sehen?« Und in die Kniee fallend, bedeckte er ihre Hände mit Thränen und Küs sen . . . Sie erschauerte . . . . Jhre ver zerrten Zügen- glästteten sich »Liebst Du mich? Wie ein Hauch zitterte diese Frage durch die stille Eust. »Mehr als mein Leben,'· murmelte er in seliger Verzückung Sie brach in ein hhsterisches Schluch zen aus und rang verzeveiflungsvoll die Hände. »Ich wollte Dich tödten — Dich Unsd mich . . . Denn auch ich kann ohne Dich nicht leben . . . Und fiir uns ist doch Al les aus-; denn nie werden wir uns an gehören dürfen — Carlotta’s Geist der uns auf ewig trennt . » Sie schrieb mir mein Urtheil . . Ein Blatt Papier inisterte zwischen ihren Fingern . . . Vor Vaosio’s Augen flimmerte es...Er erkannte seine ei gene Handschrift. — Und doch nichts Verfäirg-liche«5, was er entworfen: die Abschiedåworte der Sterbenden an ihre Schwester — keine "Anllage.... Aber weiten unten? —- diese unregel mäßigen Eharaltere, wie von der zit terigen, altersschkvachen Hand des To des gezeichnet. »Jetzt erfahre ich es aus seinem eige nen Munde, daß Du eS bist, die er liebt; Deinetwegen verließ er mich, gab er mir meine Freiheit wieder —- und diese Kunde tödtet mich. Schwester, fürchtest Du nicht den Fluch des Him mels auf Dich und Paola Cardolli?« Und dann die Unterschrift . . . Der junge Mann grub sich die Zähne tief in die bleichen Lippen. Hatte er nicht selbst jene verhängniszsvolle Frage der Sterbenden, sich vergessend, beantwor tet. «Ha«rriet Lee« hatte er damals »ge sagt· Eine Grausamkeit gegen die Verrathene — ein-e Grausamkeit gegen sich selbst! Ein-e merkwürdige Ruhe, die ietzt plötzsiich über ihn kam. Mit zärtlich-cui Drucke ergriff er »die schlaff herabhängende Rechte »der Geliebten — ,,Du sprachst nur zu richtig! für uns bliiht kein Glück mehr auf dieser Welt; die Erinnerung an Deine un glückliche Schwester wär-de es verscheu chen . .Aber meine Schuld muß ge siihnt werden. — « Mit festem sSchritt trat er an den Rand des Korbes . . .«Sein Begleiterin hielt ihn san-it zsuriick. — »Noch einmal — liebst Du mich?« ,,Dich nur Dich —- einzig und al lein!« »Dann werden wir zusammen ster ben! Auf Erden keine Möglichkeit, die uns vereint — aber der Tod Idarf uns nicht trennen.« f Er lächelte glücklich; und sie fuhr ort: »Als ich den Brief Garlotta’s em pfing, sa"h"ich schon den Abgrund, sder unser Glück verschlingen mußte; aber welche Mühe, mich zu beherrschen-, -’ welch’ dornsenvolle Maske!« »Und trotzdem verlor ich Deine Liebe nicht!« »Nein . . . Aber mein heißes, »sizilia nisches Blut trieb mich, Rache zu neh mekn . .. Hätte ich nur meine Leiden schaft unterdrücken können! Da gab mir das Schicksal seinen Wint: Auf dieser Fahrt wolltest Du mich beglei ten . . . Jst es nicht eine Fügunig Got tes? Jch schmeichelte mir mit der Hoff nung an kDeine Liebe sbis über das Grab binasus. »Und sie soll Dich nicht getäuscht ha ben .!«Komm »Warte, « sagte sie tief Athem sho lend, ,,zuerst will ich das Räthsel lösen, das mich .umgie«bt. —« Jn kurz-en Zügen folgte nun die Ge schichte ihres Lebens . . . Wie ihre El tern rasch hintereinander starben und sie und ihre Schwester armen Ber wandten zur Last fielen . . . Bis dann, vor Jahren noch ein Engländer mit seiner Frau, Jtialien «bereis·end, zufälli geriveise mit ihr zusammentraer und Gefallen an ishr fanden; sie nahmen sie mit — Mr. Lee wollte sie in seinem Berufe —- er war Altobat unsd Aero nan — unterrichten... Zu gleicher Zeit gsisng auch Carlotta in sdie Welt, sich das saure Brod als sErzieherin zu verdienen. Und isie hatten »sich so lieb, die beiden Schwestern! lWelch schmer zensreiche Stunde ihnen die Trennung bereitete! »So zogen wir herum,·' schlosz Este mit einem Seufzer, ,,bis Mr. Lee eines Ta ges nach kurzer Krankheit iverschied und ich aus Dankbarkeit gegen seine Witt we, die mir eine zsweite Mutter gewor den, unser Handwer sortssetzte . . . Be-« ruhigt kann ich nun sterben, den-n sie ist viersorgtz die lEinnahmen sder letzten Zeit sichern ihr einen sorgen-losem fried lichen Lebensabend . . .« Erschöpft lehnte sie sich zurück. »Sterben . . . st-erben,« flüstert-e sie nnd ein Leuchten sverklärte ihre sbIassens Mienen, »sterbe«n —- mit lDir tier eint . . .« ,,Msorgen hätten wir unsere Verlo bung gefeiert,« entfuhr es ihm leiden schaftlich; noch einmal -bäumte sich ldie jun-ge, glückheischende Natur gegen ein aewsaltsamses Ende . .. So viele Hoff nungen und Zukunftssträume — und nun!« « « »Wir sterben als Vrautpaar,«——-un’d ein fast heiter-es Lächeln zauberte zwei Verführerische Griibchen auf ihre-n tsich rosig färbenden Wangen, »ein Sprung in die Tiefe und Schmerg unld Trasuer und Ungemach ist aus« Einige weitere Säcke Ball-ask flogen hinaus Der Ballon hob sich höher und höher; in wenigen vcszsetimden se gelte er zwischen grausen, undurchsichti gen Wospken »Jetzt!« sagte isie einfach. Sie stiegen auf die Brüstung der Gondel, sich an den Tauen des Nietz rrserks haltend... Unter ihn-en nichts als eine u«nendliche,"bläulich schimmern de Fläche. »Die Adria . . .« Jhre Blicke begegnete-n sich und ihre freigebliebenen Hände trafen sich, unsd dann ihre Lippen in einem langen, gluthdurchströmten Kusse . . . J«n inni jger Umarmung wollten ist-: in das ferne i tand des Friedens ziehen. Sie schwie igen ----- - aber ihre Herzen klopften unsd ihre Augen redeten ein-e laute Sprache. Dann — einem gleichen Impuls-e ge zhorchenn stießen sie sich los von den sSeilen Und wiihrend ihre Körper ,cna umschlungen hinuntersstiisrzensd dein snebetigen Raum idurchmaßen, schnellte sder »Diamond« mächtig erleichtert in die Höhe, verschwindend im Dunstkreis der Erde. -—-- In Tolsedo, Ohio, ist Folgendes passirt: Als der Deutsche Louis Oehlke vor einigen Abenden »von der Arbeit nach Hause kam, fand er in seiner Wohnung in Links-Straße einen Zettel des Jnhalt vor: »Ich bin so weit fort, daß Du mich nicht einholen kannst.« Unterzeichnet war derselbe von seiner ,,«besseren Hälfte«. Es ergab sich auch, daß die Frau ihr Babh sowie Oehlte’s Ersparnisse im Betrage von 81600 und ihr Piano ini Werthe von 8400 mitge nommen hatte. Das Paar hatte zehn Jahre lang zusammengelebL Oehkte soll eisersiichtig auf seine Frau gewesen und es soll infolge dessen oft zu stürmt schen Auftritten zwischen den Ehebu ten gekommen sein. Er glaubt, daß seine Frau sich nach Detroit zu ihrer Mutter begeben hat. 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