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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (Feb. 28, 1901)
Per 2Jcnuicvr. $ame;s.t -i -:aan 4:-ib: Bkrolin,: hr.te ihr festlichstes Kleid anzezc. Oesterreichs Kaiser halte f:e heute ::;it feintm Besuche beehrt, da galt es. sich würdig zu rettetatirert. Tie Toilette, lrelche ihr die gütigen LapaS der Stadt bewilligt hatten kostete zwar das hübsch: Sümmchen ton 80.000 Mari, aber fit Kellte end) daS verwöhnteste Frauenzimmer, zufrieden Ter feierliche Einzug war vorüber. Tie Menschenmenge unter den Linden zerstreute fich nach und nach, und die ambrinuZtempel in der Umgegend füllten fich. denn die melften der u schauer fühlten daS Bedürfniß, ihr zu sammenzedrückte Ich wieder etwas zu restaunren. In einem Restaurant der Friedrich fließe faßen acht Herren, fröhlich zechend, zusammen, Einer ton thnen erzählte, daß er den Helmbusch des kfterreichischen Monarchen gesehen habe und wurde darob von ken Übrigen, denen dieser Genuß versagt gewesen war. laut beneidet. Allmühlich kam daS Ee'prüch wieder in das alltägliche Fahrwasser, und einer der Herren be richtete, daß eS der Berliner Kriminal volizei gelungen fei, zwar keinen Mo? der zu entdecken, aber ein Subjekt fest zunehmen. welches achtundvierzig Frauen und Herrenräder auf dem Qtt wissen habe. Ta die Anwesenden alle mehr oder weniger dem Radsport hul kigten. brach ein Entrüstungsfturm los, nicht gegen die Kriminalprlizei, sondern gegen den Radmardcr. Je mand meinte, daS Scheusal müsse zur Strafe von sämmtlichen Berliner Rad- lern überfahren werden, doch der wym nafiallehrer Werner war anderer Mei nung. Gehen Sie mit dem armen Teufel nicht zu streng inZ Gericht." sprach er. .denn auch ich gehörte schon einmal zur Species der Radmarder. Ich handle also nur aus Kollegialität, wenn ich den Menschen vertheidige." Nanu! WaS? Sie ein Radmarder?" rief man erstaunt. .Ja. ich: und da w:r :a unter uns sind, will ich Ihnen die Geschichte e? zählen. Ich setze voraus, daß sie auch unter uns bleibt." Sclbftöerftündlich." riefen alle, am lautesten aber der Schreiber dieses. Also! Es war voriges Jahr im Au guft. Seit zwei Jahren war ich der heirathkt, aber noch tmmer lebten wir in den Flitterwochen. Sie ar die Sonne meines Lebens und ihre Augen die Sterne. Mond hatte ich noch sei nen. Eines Zages stieg jedoch an un serem Ehchimmel ein Wölkchen auf. welches nach und nach die Gestalt eines TamcnfahrradeS annahm, oder deut licher gesagt, meiner Frau genügte eS nicht, daß sie von mir auf den Händen getragen wurde; sie wollte auf Gummi reifen durch Leben radeln. Abgesehen davon, daß ein gutes Rad noch theurer ist als eine Abonncmentskarte der Großen Berliner, fiel mir dieser Wunsch, auch sonst noch schwer aufs Herz. Wil ligte ich ein. dann ging mein häusliches Glück flöten, denn da ich mich nicht m:t Füßen treten ließ, wie das Rad, gab sie sicher letzterem den Vorzug. Ich sagte also anfangs entschieden nein und blieb auch standhaft bei dieser Weige- rung, bis meine bessere Hülttc Anstalten traf, aus einer Ohnmacht in die nächst folgende zu fallen und NiagarafSlle von Thränen vergoß, wöbet, sie mir zu letzt mit Scheidung drohte. Ich über- legte mir nun, daß mich der Schei dungsprozeß schließlich mehr kosten würde, als ein Zweirad, und da ich meine süße, kleine Frau doch nicht gern fahren lauen wollte, ließ ich sie fahren Am nachncn -tage kam ein Mio ins Haus, und 260 Mark verließen das selbe. Meine Gattin sah ich von da ab nur noch selten. Nur als sie sich ein- mal ihr reizendes Stumpfnäschen zer- schunden hatte, genoß ich das Glück, wieder einige Zage eine Hausfrau zu haben. Zwar langweilte ich mich zu Hause auch nicht, da ich mich mit dem Annähen von Knöpfen und der Aufsicht über die Küche beschäftigen durfte; fer ner bereitete mir das Zahlen einiger Ordnungsstrafen wegen zu schnellen Jahrcns und Nichtbcnutzung der La- tcrne einige Abwechselung. Als ich aber gar für einen angefahrenen et?a ßenrciniqungscleven 50 Mark Schmer zensgeld berappen mußte, da riß endlich der Faden meiner gewiß sehr elastischen Geduld, und ich schwur, meiner Frau das Radeln auszutreiden. Aber wie? Reden half nichts, das wußte ich nur zu gut und fing deshalb gar nicht erst damit an. Nach längerem Nachdenken kam mir eine großartige Idee. Tiefes verwünschte Unglücksräd mußte verschwinden und zwar auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege des Tiebftahls. Es fragte fich nur noch, wer es flcdien lolltc. .'cun mangelt e zwar in Berlin durchaus nicht an Spitz dubcn, und ich hätte gewiß in der ersten besten aschemmc oder in einem der vornehmen Hotels genug Fachleute an getroffen, die mir gern diese kleine Gc fülligkcit erwiesen hätten. Allein, um da? Ting im Ernst stehlen zu lassen, war es mir doch zu theuer. Schließlich sagte ich mir: Was andere können, kann ich auch" und nahm mir vor. den Herrn Langsingern einmal selbst in? Handwerk zu pfuschen. Ich begann nun. eine günstige Gelegenheit für mein Borhabcn auszubaldowern. Tieie fand fich bald. Frau Rektor Schubert, eine Busenfreundin meiner Frau, veranstaltete einen Kaffeeklatsch. , iijbid'- dreiviertel Standen von uuS ab wih:;te. berufte me,ne Frau natür lich d.'.Z Rad. E:r.e stunde seiet fehle ich ihr. und um mir ein Alibi zu sichern, 'egte ich unserem Tienstmd chcn, daß ich nach Potsdam führe und crft AdcndS zurückkäme. Ungelehen gelangte ich in das be treffende paM, und eS gelang mir außer? leicht, das Rad zu erwischen, mit welchcm ich ohne jegliche Gewi'ienS diffe abzog. Luftig schob ich eS auf der Straße vor mir her. Ich war jedoch noch nicht weit gekommen, als mich ein Herr anredete, und zwar mit den ?on derbaren Werten: Dur'te ich vielleicht fragen, wie Sie zu Vielem Tamcnrad kommen?" WaS gehl Sie denn daZ Rad an," antwortete ich grob und ging weiter. Ter Herr gab sich mir hierauf als Kriminalpolizist zu erkennen und er klärte, mich sofort sistiren zu muffen. wenn ich ihm keine genügende Auskunft geben könne. Ta mir bekannt war. daß mit solchen Leuten unangenehmes Kirscheneffen ist. erzählte ich ihm den ganzen achverhalt. Er horte mit lächelnd zu und sagte dann: Sie wer- den doch wohl selbst nicht glauben, daß ich Ihre rührende Geschichte für wahr halten soll. Haben ne Papiere bei sich?" Ich hatte natürlich keine. Tann folgen Sie mir nach dem nächsten Po Iizei-Aevler," befahl er. machen sie Umstände, so lasse ich Sie durch einen Schutzmann hinbringen. Vielleicht tön nen et? auch über verschiedene andere Räder Auskunft geben, die in letzter Zeit verschwunden sind. Alo vor wärts." Ta hatte ich :nir za eine nette iuppc eingebrockt. Ich folgte dem Arm des Gesetzes und verwünschte im Innern meine Kleptomanie. Einige Passanten hatün unser Gespräch ver- nommen und gaben uns das Geleite. welches fleug, wie eine Lawine an- wuchs. Schmeicheleien, wie: Gauner. Spitzbube x. drangen an mein Ohr, doch ich ertrug mein Schick'al mit Würde. Meine Unschuld mußte ja bald an den Tag kommen. Endlich winkte uns die bekannte Transparentlatcrnc mit den rothen Buchstaben. Auf der Polizeiftube an gelangt, wurde ich gleich von dem Tele graphiftcn in's Verhör genommen. Ich nannte Name und Art nebst Wohnung. Tann ersuchte mich der Beamte, Platz zu nehmen und ließ den Apparat spie len. Nach etwa dreißig Minuten war die Drahtantwort zurück und der Be amtc fragte, indem er mich scharf sirirte: Sie behaupten also, der Gvm- nafiallehrer Werner zu fein?" Bis letzt hat noch keiner daran ae- zweifelt, ich selbst am wenigsten." cnt gegnctc ich. 42," meinte er. TaS Tienst- müdchcn des Herrn Werner giebt an. daß letzterer nach Potsdam gefahren fei und ihr dieses selbst gesagt habe. Wie erklären sie dieses?" Man gab aber auf meine Erklärung nicht das geringste, sondern laate mir, ich sollte die Ankunft des Reviervorstan des abwarten, welcher das Weitere über mich beschließen würde. Nach etwa zwanzig Minuten wurde mir die Ankunft des Herrn Leutnants mitgetheilt. Gleich darauf öffnet der Gestrenge die Schur, sieht mich an und sängt an, furchtbar zu lachen. Im nächsten Augenblick lachte ich mit. Es war Polizcileutnant B., mit wel chcm ich gleichzeitig in Breslau die Realschule besucht hatte." Was, Herr Werner? Sie sind unier die Radmarder gegangen? Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Wie man sich doch im Menschen irren kann," rie? er uno nreate mir, noch immer lachend, die Hand entgegen. Er be naiigle meine Angaben, und meine Haft wurde sofort aufgehoben. Der Kriminalbeamte ärgerte fich gcwaltiF. daß ich kein Spitzbube war, aber ich gab ihm den Trost: Was nicht ,ft. kann noch werden." Tann zog ich luftig mit meinem Rade von bannen. Auf dem Mcripplag begegnete ich meinem Kollgen Hartmann, dem ich mein rlednitz erzäyite. und welcher herausfand, daß wir darauf eine große Weiße trinken müßten. Nun. es war heiß, und ich fand an dieser Idee nichts auszuätzen. Wir vcgaocn uns ciio nach einem in der Nähe delegenen Garten Reftau- rant, wo wir dem großen Eambrinus opferten. Bald fanden fich noch zwei Bekannte ein, und nun machten wir eine Kegelpartie, welche ich verlor, in dem ich einen bedeutenden Ueberschuß an Ratzen erzielte. Endlich brachen wir auf. Als ich nach meinem Rad greifen wollte, siel es mir auf, daß die stelle, wo eZ geftan den hatte, leer war. Alles Suchen blieb erfolglos, es war zum zweiten Mal ge stöhlen worden, und diesmal leider nicht von mir. Radios stand ich da. Meine Freunde bedauerten mich, was mich aber wenig erbaute; dann suchte ich, ziemlich niedergeschlagen, mein Heim auf. Mein Dienstmädchen erzählte, meine Frau sei schen zu Haufe und säße weinend in der Stube. Als ich die Weinstube betrat, siel mir mein Weib chen um den Hals und erzählte mir chluchzend, daß man ihr das Rad ge- stöhlen habe. Tröste Ttch," sagte ich sanft, mir auch, das heißt," fügte ich schnell hinzu. Dein Rad war doch auch daZ meinige. o wie Dein schmerz auch der meinige st." Alle meine Tröstungsversuche waren erfolglos. Meine Frau wurde zur, lebendigen Thränendrüse, u:i weilten ihre Gedanken bei dem lenen Rade. Ging ich mit ihr spazieren, so machte sie in Erinnerungen. ..Hier bin ich zum letzten Mal entlang gefah ren. Hier platzte mit det Pneumatik ! Hier wurde ich vom Schutzmann aufge schrieben," io ging eS ohne Unter brechung. WaS hatte ich nun von dem Verschwinden des RabeS? Meine Ruhe etwa, oder wieder eine Hau-ftau? Nichts von alledem. Schließlich, als die Quelle ihrer Thränen gar nicht ver siegen wollte, regte fich das Gewissen in mir, und ich empfand Mitleid mit mei ner Niobe. denn eigentlich hatte ich doch ihr Leiden verschuldet. Ich beschloß also, der armen Tulderin zu ihrem Geburtstage, welcher nicht mehr allzu- fern war, ein anderes Rad zu taufen. Tu liebe? Gott, was thut ein Ehemann nicht alleS des häuslichen Friedens wegen. Wo ich daS Geld dazu herneh inen sollte, wußte ich zwar noch nicht. aber vielleicht gewann ich in der preußi schen Lotterie, von welcher ich ein Achtel leidenschaftlich spielte. Eines iaaes, ich a in meiner Klasse und machte mit meinen Schülern gerade in griechischer Mythologie, wurde mir ein Herr gemeldet, der mich zu sprechen wünschte. Ich begab mich hinaus und fragte nach seinen Wün schen. vm ."vi rn 4 .. i . Attin Alaine in Schulze," stellte er fich vor. Er war sehr nobel gekleidet und machte den besten Eindruck auf mich, verzeihen ie gütigst die tö- rung," fuhr er fort, aber ich hörte von einem Ihrer Herrn Kollegen, daß Sie ein Tamenrad zu kaufen beabsichtigen. Ich befinde mich augenblicklich in einer Geldverlegenheit und habe mit meiner Frau beschlossen, ihr Rad zu verkaufen, da wir uns nicht anders zu helfen wis sen. Ich habe daZ Rad mitgebracht, in der Hoffnung, in Ihnen einen Käufer zu sindcn, der in der L,e ist, eS baar zu bezahlen. Wollen Sie es fich, bitte, einmal ansehen?" Ter Mann kam wie gerufen. Ich fand das Rad sehr gut und den Preis nicht zu hoch, nämlich 90 Mark. Ta ica oie ganze eummc nicht bei mir hatte, lieh ich mir daS fehlende von einem Kollegen, und nach Klaffcnfchluß schob ich daS Vehikel scelenvergnügt nach mei ner Wohnung, wobei ich mir im Geiste bereit? die Freude meines Weibchens vorstellte. Nun, und ich kann Ihnen auch sagen, weine Herren, diese Freude war keine geringe. Einige Dutzend Küffe und eine Reihe schöner Titel, wie Her- zcnsmünnchen, Schatz. Schötzchcn" usw. bildeten meine Belohnung. Mit frcude strahlenden Blicken betrachtet sie das Rad und mich, dann wieder mich und das Rad und so fort. Ta auf einmal stutzt sie, blickt wieder das Rad an und ruft dann er staunt aus: Ader Münne. jent sehe ich es ja erst; das ist ja mein altes Rad. Also hat es fich doch noch wiedcrgcfun den. O, das ist reizend! Wo hat man es denn gefunden? Ist der Tieb crwi'cht worden r Ich war nicht gleich imstande, diesen Fragecyklus zu beantworten, und wie es mir vorkam, sah ich augenblicklich nichts weniger als geistreich aus. Bist Tu denn aber auch ganz sicher." fragte ich. daß es auch wirklich TeinRadift?" Welch Frage! Sich doch her. Hier diese Beule in der Lenkstange und hier die Nummer 1187 und hier aber weshalb fragst Tu denn? Haft Tu es denn nicht von der Polizei oder von dem ehrlichen Finder zurückbekommen?" Ja, natürlich." sagte ich, vom ehr- lichen Finder. Er hat es mir selbst überbracht." Wie nett von ihm," meinte meine arglose Taube. Ja. ja, eS giebt doch noch ehrliche Menschen in Berlin! Tu hast ihm doch auch einen anständigen Findcrlohn gegeben?" inen sehr anständigen. Tarüber kannst Tu dich beruhigen. Ter Mann war sicher zufrieden mit mir." Ich konnte doch unmöglich meiner Frau verrathen, welche Ricsendumm heit ich da begangen hatte. Erstens hätte das meinein hausherrlichen An- sehen geschadet und zweitens meinem Weibchen die Freude des Wiedersehens getrübt. Sie hüpfte fröhlich um das Velo herum und erklärte, daß sie es nie wieder aus den Augen lassen wolle, da es ihr nun doppelt theuer geworden sei. Na. mir ja auch. Wehmüthig dachte ich an die 90 Mark und gelobte mir im Stillen: Einmal ein Fahrrad gestohlen, aber nie wieder! Und nun Profit, meine Herren!" ) stets i der m:i uns eine Cigarre rauchte, nah-, geftoh-'plötzlich die Unterhaltung rom T:ncr wieder zu: und tagte: Ja, ich hatte an jenem Tage Furcht. Mein schiff saß, vom Winde gepeit'cht. mit der Fesspitze im Leid, sechs -tun-den lang aAf der Sandbank fest. Zum Glück wuidn: wit gegen Abend von einer. englischen Schiff, das uns be merkte, aufgenommen." Jltzt nahm zum ersten Mal ein großer Mann mit sonnenverbranntem Gesicht und schwcrmüthigem Ausdruck das Wort. Man sah ihm auf den ersten Blick an. daß er viele Ländet be reift und manche Gefahren bestanden, denn lein ruhige? Auge schien in fehlet T:efe etwa? von den geschauten fernen Gegenden zurückbehalten zu haben. Einer jener Männer, denen man es ansteht, daß der Muth ihnen angeboren ist. cic sagen, Herr Eapitän." begann er, Sie hätten Furcht gehabt, abet das glaube ich nicht, ie irren fich über die Bedeutung des Worte? und die gehabte Empfindung. Ein energischer Wann hat im Angesicht der Gcsahr nie mal? Furcht. Er ist bewegt, aufge- ttt, ängstlich, aber Furcht ift etwas ganz anderes." Lachend erwiderte der Eap:tän: Nun. ich bürge Ihnen dafür, daß ich Furcht hatte." Ter Mann mit dem sonnverbrannten Gesicht fuhr mit langsamer Stimme fort: Nun, dann gestatten Sie mir. mich näher zu ctklären. Tie Furcht (und die furchtlosesten Menschen können Furcht haben) ift etwas Entsetzliches, eine schreckliche Empfindung, sozusagen eine Zersetzung der Seele, ein Krampf in Herz und Hirn, dessen Erinnerung allein schon einen -chaudcr der Angst hervorruft. Ader dieies Gekühl kann bei einem tapferen Menschen weder bei einem An griff, noch bei dem unvermeidlichen Tode, noch in allen bekannten Formen der Gefahr eintreten, sondern nur unter gewissen abnormen Umständen, unter bestimmten gchcimnißvollen Einflüffcn und vor unbekannten Gefahren. Tie wahre Furcht ist gleichsam die Erinnerung an längft vergangene -chreckcn. Ein Mann, der an Geister glaubt und sich einbildet, er sähe Nachts ein Gclpcnt. empfindet wirklich die Furcht :n ihrer entsetzlichen Größe. Ich habe die Furcht vor zehn Jahren am hellheitercn Tage kennen gelernt, dann ift sie mir erst wieder im letzten Winter in einer Tezcmbcrnacht begegnet. Und doch habe ich viele Todcsgc- fahren bestanden, mich oft geschlagen hoßwkl'en. eintönigen Wirbel in den Ohten. Ich fublte. w,e die F::rcht. die wirkliche, die entsetzliche Furcht mich erfaßte, und die Haare strä::btk:t sich mir be: dem Anblick des geliebten Leich nams, wahrend das Echo u:,S. die wir 20J Meilen von jedem 'ranzöfischcn Tcr'e entfernt waren. daS seltsame Trommeln zusagte. An jenem Tage begriff ich. waS es he.ßt. Furcht haben, aber ich habe e? noch beet ein zweites Mal fahren." Ter Eapitan unterbrach den Erzüh ler. Verzeihung, mein Herr, wissen -ik etwas näheres übet das Trom mcln ?" Der Reifende entgcgnete: Ich weiß nichts. Niemand weiß etwas. Tie Ofsicierc. die oft dic'es seltsame e tüu'ch hören, sind der Ansicht, eS fei daS vergrößerte, vertauscndfältigtc. ins Maßlo'c angefchwellte Echo der Land dunen, ein Hagel von Körnern, die vom Winde fortgerissen und gegen vie trocke nen Gräser geschleudert' werden, denn man hat bemerkt, daß daS Naturspicl sich stets in der Nähe kleiner fonnenocr brannten Pflanzen die so hart wie Per gament geworden sind, vollzieht. Tie scS Trommeln wäre also nichts weiter, als eine Fata morgana deS ZoneZ. Räuber haben mich überfallen und ließen mich für todt liegen; ich wurde als Insurgent in Amerika zum Tod vcrurlyeilt, und in Eyina von einer Schiffsbrücke in s Meer geworfen. Und jedesmal, wenn ich mich verloren glaubte, war ich auf das Aeußcrfte ge- fast und ohne die geringste Furcht Erst in Afrika habe ich die Furcht kcw nen gelernt. Und doch ift sie ein Kind des Nordens, die onne verjagt sie wie einen Nebel. Ja, nieine Herren, bei den Orientalen hat das Leben keinen Werth: man verzichtet ohne Bedauern darauf; die Nächte sind klar und von Schrecknissen frei, wie die Seelen von den düsteren Ovalen und Bcfürchtun- gen, welche die Gemüther im kalten Ncr den bedrücken.' Im Orient kann man wohl die Panik kennen, aber nicht die Furcht. Nun wohl, mir ist auf cfri- kanischcm Boden das folgende be gegnct. Die Furcht. '? :i :i d c M a :i x a i i a : t. Nach dem Mittagessen stieg man auf die Schiffsbrücke. Vor uns das Mit- tclländischc Meer, nicht eine Stelle lräusclte fich, die endlose Fläche beleuch- tcte ein großer, stiller Mond. Tas mächtige Schiff fuhr dahin und warf zum fternenbcsäcten Himmel eine große chlangc von chwarzem Rauch empor. Hinter un? zischte das schneeweiße Was- er; erregt durch den fchnellen Lauf deS Fahrzeuges und gepeitscht von der chraube. strömte er so viel Klarheit ans. Sag cs wie der Widenchern eines sinkenden Mondes erschien. Wir waren !echs bis acht Personen. und den Blick dem sich nähernden Afrika zugewandt, bewunderten wir schweigend die herrliche Landschaft. Ter Eapitän, Ich durchquerte die großen Tünen im Süden von Uargla. Eine der merk würdigsten Gegenden der Welt. Sie kennen den eintönigen, glatten Sand der endlosen Küsten des Oceans. Nun also, dann stellen Sie sich den Ocean vor, wie er bei einem Orkan selbst zu Sand geworden; denken Sie sich einen schweigenden Ocean von unbeweglichen Wogen aus gelbem Staube. Sie sind hoch wie die Berge, ungleich, vcrschic dcnartig, wie aufgewühlte Wogen, ja sogar noch größer, und stürmen 'dahin, wie das entfesselte Element. Auf dieses wüthende, stumme, meglose Mecr gießt nun die verzehrende Sonne des Südens unerbitilich ihre Flammenftrömc aus. Tiefe Hügel von goldener Asche muß man durchschreiten, unaufhörlich ohne Ruh' und Rast. Tie Pferde schnaufen, sinken bis an die Knie in den Sand und stolpern über die fich immer neu bilden den Sandberge. Wir waren zwei Freunde in Bcglci tung von acht Spahis und zwei Trei bern mit ihren Kameelen. Wir spra chen nicht mehr, denn wir erlagen der Hitze und Ermüdung. Plötzlich stieß einer der Männer einen Schrei aus. Wir machten Halt und blieben unbe weglich, überrascht von einem unerklar lichen Phänonicn, das den Reisenden jener öden Gegenden bekannt ist. Von irgend einer unbestimmten Rich tung her hörten wir ein Trommeln, das gchcimnißvolle Trommeln der -anddünen; bald stärker, bald schwü cher. hiclt es von Zeit zu Zeit an, um seinen phantastischen Wirbel dann wie der aufzunehmen. Die Araber sahen fich erschrocken an und einer sagte in seiner bilderreichen Sprache: Ter Tod schwebt über uns." Im selben Augenblicke siel mein Ge fährte, den ich wie einen Bruder liebte, vom Sonnenstiche getroffen, vom P'crb todt in den Sand. Zwei Stunden lang suchte ich ver gcbens ihn wieder zum Leben zu er wecken, und noch immer dröhnte un? ! dieses un'aßbarc Trommeln mit seinem Ich komme zu meiner zweiten Furchtcrscheinung. ES war im letzten Winter, in einem Walde des nordöst lichen Frankreichs. Tie Nacht brach zwei Stunden früher herein, so dunkel war det Himmel. Ich hatte zu meinem Führe? einen Bauer, det an meinet Seite auf einem schmalen Pfad unte? den hohen Fichten, die der Wind heu lend peitschte, dahinschritt. Zwischen den Wipfeln sah ich die Wolken wild dahinjazcn. und eS schien, als ob sie ängstlich vor einem unbekannten Schrecken flohen. Ab und zu beugte sich der ganze Wald unter einem heftigen Windstoß tief aufstöhnend nach einer Seite, und trotz meines schnellen Schrit tes und meiner warmen Kleidung frö stelle mich. Wir sollten bei dem Feld Hüter, dessen Haus nicht mehr ferne lag, Unterkunft sindcn; dort wollte ich jagen. Mein Führer drehte manchmal die Augen gen Himmel und murmelte: Scheußliches Wetter!" Tann erzählte er mir von denn Leuten, bei denen ich übernachten sollte. Ter Batcr hatte vor zwei Jahren einen Wilddieb erschossen und war seither 'chwcrmüthig geworden. Seine zwei vcrheiratheten öhne lebten bei ihm. Es war nach und nach finster gcwor- den. Ich sah nichts vor mir. nichts neben mir. und die fortwährend ancin anderschlagenden Baumäfte erfüllten die Nacht mit beständigem Lärmen. Endlich bemerkte ich ein Licht, und bald klopfte mein Gefährte an die Thüre des zum Nachtlager bestimmten Hauses. Von innen hörten wir kreischende Wci der, dann fragte eine halb erstickte Männerstimme: Wer da V Mein Führer nannte seinen Namen, und wir traten ein. Tas Bild, das sich mir bot, werde ich nie viraeffen. Ein alter Mann in meiner,, ifvinr nnh ist weltfremden Bld erwartete uns mit angeschlagenem Gewehr in der Mitte der Küche, während zwei große Bur schen, mit Aerten bewaffnet, die Thür hüteten. Im Winkel lagen zwei Frauen auf den Knieen und weinten. Man sprach sich aus. Ter Alte leatc seine Waffe und befahl, mein Zimmer in Krönung zu bringen. Ta die Frauen sich aber nicht rührten, so sagte er zu mir: chen ie, mein Herr, heute vor itä Jahren habe ich einen Menschen getödtet. Im vorigen Jahre wollte er mich holen, heut erwarte ich ihn wie- der." Tann fügte er in einem Tone hinzu, über den ich lächeln mußte: Darum sind wir auch qa? nicht ruhig." Ich war glücklich, gerade an diesem Abend hergekommen zu sein und dem Schauspiel diefts abergläubischen chrcckens beizuwohnen. Um die An- wesenden zu beruhigen, erzählte ich also allerlei Geschichten, und es gelang mir auch, die allgemeine Gcspenstcrfurcht zu verscheuchen. Ani Herdfeuer schlief ein alter, bor- ftiger. fast blinder Hund, die Nase auf die Pfoten gedrückt: einer von den Hun den, welche Menschen ähnlich sehen. Traußcn heulte der Sturm um das Häuschen und durch ein Schiebefenfter- chen in der Thür sah ich plötzlich, wie ein Strauch, vom Sturme gepeitscht ind von Blitzen beleuchtet, hin und herschoß. Trotz all meiner Annrcngung, sie zu beruhigen, sah ich doch, daß ein tiefer Schrecken die Leute im Bann hiclt, und jedesmal, wenn ich zu sprechen auf hörte, lauschten alle Ohren in die Ferne. Müde dieses, albernen Benehmens, wollte ich eben zu Bett gehen, als der alte Feldhüter plötzlich vom Stuhl auf sprang, wieder zum Gewehr griff und mit wilder Stimme schrie: Ta ist er, da ist er. ich höre ihn!" Tie beiden Frauen sielen abermals in ihrem Winkel auf die Kniee und be deckten sich das Gesicht, indeß die Söhne die Aerte ergriffen. Ich wollte sie wie der beruhigen, als der Hund, der di? dahin geschlafen, plötzlich aufwachte, den Kopf erhob, mit seinen fast er lofchencn Augen nach dem Feuer sah und ein Mark und Bein erschütterndes Geheul aussticß. Alle Augen richteten sich aus ihn. aber er stellte fich auf seine Hinterbeine, als sähe er ein Gespenst und heulte weiter einer unbekannten, unsichtbaren Erscheinung zu, die ohne Zweifel entsetzlich sein mußte, denn sein ganzes Fell ftraubie sich. Tei alte Feldhüter rief wie wahnsinnig: Er wittert idn. et wittert ihn! ,r war dabei, als ich ihn töbtcte." Und die beiden Frauen fingen plötz lich an, mit dem Hunde zu heulen. Wider Willen überkam mich ein heftiger Schrecken. Tiefe Erscheinung des Thieres an diesem Orte, zu dieser Stunde, unter diesen erschreckten Leu ten. war entsetzlich anzusehen. Eine Stunde lang heulte der Hund, ohne sich zu tührcn, wie in einem schrecklichen Traum, und die Furcht, die entsetzliche Furcht deschlich mich. Die Furcht vor wem. vor waS? Weiß ich'S? ES wat die Futcht. daS ist alle. ' Wit blieben unbeweglich und erwar teten mit gespanntem Öhr und klopfen dem Herzen und beim leisesten Geräusch zusammenfahrend, ein entsetzliches Er riftniß. Tann begann bet Hund, um das Zimmer zu hetzen, roch an den Wanden und heulte fortwährend. In einem Anfalle von Muth packte mein Führer das Thier am Halse, öffnete eine kleine, nach dem Hose gehende Thür und stieß den Hund mit einem Fußtritt hinaus. Sofort wurde eS still, aber 'dieS Schweigen war noch entsetzlicher. Plötz lich fuhren wir alle empor. Es hatte draußen leise an die Thür geklopft; dann strich es wie mit einer leichten Hand übet die Thüt; zwei Minuten lang hörten wir miedet nichts: datauf ktatzte eS miedet leise, leise, und plötzlich etschien ein Kopf am kleinen Fenster, ein weißet Kopf mit funkelnden grünen Augen, und gleichzeitig drang ein Ton auS feinem Mund, ein düsteres, klagen deS Gemurmcl. Ta geschah ein furchtbarer Knall in der Küche; der alte Feldhüter hatte ge schössen, und im selben Augenblick ver rammelten seine Söhne die Thür. Ich schwöre Ihnen, bei dem uncr warteten Knall des Gewehre? hatte ich eine solche Angst des Herzen?, der eele und des Körpers, daß ich mich ohnmächtig fühlte nnd zu sterben glaubte. Bis zum Morgen blieben wir unbe weglich, sprachlos an derselben Stelle, denn die entsetzliche Furcht hatte uns förmlich gelähmt. Erst als ein schwa cher Sltahl det aufgehenden Sonne die Küche beleuchtete, wagte man. den Ein gang freizugeben. Auf det Schwelle der Thüre lag mit einer Kugel im Kopf der alte Hund." Ter Mann mit dem sonnenvcrbrann ten Gesichte schmieg und sagte dann nach einer rurzen au,c : In jener Nacht hatte ich keine Gc fahr zu befürchten, und doch möchte ich lieber die entsetzlichsten Kämpfe be stehen, als jene furchtbare Minute noch einmal zu erleben, als der Greis durch das Schicbefenstcr auf den alten Hund schob." T,r zufrieden tttsä'ss 7)wei Episoden von der letzten Parade in Straßburg werden den Neuesten Nachrichten" mitgetheilt: Beim Abschrei- reu ocs eteranenverems durch den kommandirendcn General, siel diesem der Fahnenträger des Vereins, Kamerad Zctter, ein Mann von 72 Jahren, auf. Als der General hörte, daß dieser ein alter französischer Soldat sei und in seinem hohen Alter es fich noch zur Ehre schätze, die Fahne des Veteranenvereins zu tragen, bemerkte der General, er freue fich ganz besonders, die Bekannt schaft des Kameraden Zettcr am Ehren tage der preußischen Könige und des deutschen Kaisers zu machen. Leim weiteren Abschreiten der Front hielt ein andrer Elsüsser, ein braver Kamerad, den General zum Entsetzen des Vor fitzenden des Vereins mit den Worten zurück: Herr General, ich hätt' Euch noch ebds zu sage, ich bin e Elsässer. aoer ich bin zufridbc. wie es isck. r und meine Eapatriotc han nir gege Alles inzuwende, mir sinn sefridde mit'm hittige Tag. Mcr hoffe, Herr General, Ihr fin au zufriddc." Der kommandirende General klopfte dem Alten die Schulter und gab ihm die Hand mit dem Bemerken: Es freut mich, daß es so ift." Der Vorsitzende machte gute Miene zu dieser Abweichung von der militärischen Ordnung und war ebenfalls zufrieden, daß dcr'Ecnc ral die Suche so auffaßte, wie fie von dem alten Herrn gemeint war. als eine Kundgebung von elfäffiichet Seite für die deutsche Sache. Hti lustig Jaggks,ick,t. Aus Schnellmannshausen. Ptovinz Sachsen, wird gemeldet: Zwei Jagd Pächter hatten durch den Gemcindcdic ncr ausllingeln lassen, es werde nach drücklich davor gewarnt, daß irgend Jemand die Jagd ohne Berechtigung ooer gar oyne agJicycin ausübe. Ta bei ließen die wackeren Nimrode be Zannt machen, daß fie ?inc Belohnung von 30 Mark bezahlen wollten für jeden Fall der Zuwiderhandlung, der zur Anzeige an maßgebender Stelle kommen würde. Nun ereignete fich der amü fantk Zmischcnfall. daß gerade die-'c beiden Jagdpüchtcr ohne Jagdschein betroffen und vom Landraihs'amt in eine Strafe von je 50 Mari genommen den. Tas Witzige an der Sache ist aber, daß die beiden Reingefallenen nun auch noch die ausgesetzte Bclvhnuiig von 30 Mark an denjenigen bezahlen müffen. der fie zur Anzeige gebracht ht. Alle Ungerechtigkeit findet nur dann einen richtigen Abschluß, wenn die Wahrheit mit ganzer Schürfe eintritt. )