Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 10, 1920, Image 6

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    eaqltHe Omaha Tr!dSe
'I,
i
n .
l
:
fe Jlcniiifr feigen Siip,
IV.htt nd Eindrücke vor der Abstimmung.
von Usl f Brandt.
Flensburg, Kitte Februar.
4.ai Wiener Kaffee im Haufe deß
.Hole! vicneburger Hos , in den. die
Entente Kommission wohnt, macht den
Anspruch, großstädtisch) zu wirken. Jltw
teu!j;e Gewordenheit . lagt man,
glaube ich, wenn man die gleichguittgt
Eleganz $u manchem alten Etratzenbild
und manchem altei. Naum Fler.iburger
Patrizicrbchaalichttlt in Gegensatz et
leg Will. Ei gibt solch Kaffee mit sol
chen Tischchen und 'olcher 2JZusit in Kiew
und in Wottau, in Halle un. li Pari,
jenseits dei großen Wasser und jenseit
der Karpathen, wo die Welt noch viel
.ursprunsucher' ist all in viele icoio
nie. 2ie Musik wird auch die gleich
sein. Ein paar Schmachtleinen, an de
toi die Gast ich Gedairfe hängen, ein
bißchen Nigger-Song und ein bißche
Wiener Walzer, diese Nüan entscheidet.
Für den Engländer, der an diesen Tisches
sitzt, ist ti auch im Grunde gleichgültig;
irgendmo ist ti wärmer, irgendwo sind
die Mädchen weniger kühl. Er unter.
sucht daS aar nicht, er stellt es fest.
Sehr ruhig, seh: verliebt im Genuß
eineS .Teddys und im Ansehen einer
Junge Dame, die er übrigens nicht w
lästigen wird. Er fragt, vb der König
von Danemarr nicht auch der Konig von
diesem Lande gewesen sei und bemerkt
beiläufig, früher hätte dieser König doch
auch Holland regiert. Deutsland ge
genüber scheint dies Land so etwa wie
ei Irland zu sein. Schrecklich diel
Llerger, aber waZ wollen k.'t machen, Sie
sind besiegt.' Der Franzose, der nie
nlZ mit eiiutn Engländer an einem die
ser kleinen Tischchen sitzt, hat eine Grup
pe dänischer Freunde un Freundinnen
um sich. Seine edankenwell fängt mit
Dem letzte Sag des Englanders an. Er
ist der Sieger. ' Ich habe immer den
Eindruck, er hak vor dem Spiegel die
Pose .Sieger' geübt. Er ist überzeugt.
daß die Stadt Flensburg dänisch sei
müsse. So diele liebenswürdige Leu!
sagen ihm das, Z wäre auch das Best
für diese Stadt, denn er wä bereit, in
iner dänischen Stadt statt deZ rächenden
Siegers den liebenZwurdigen Freund zu
spiele. Den Hausfreund. Die da
ische Kultur ist l kanntlich von der
französischen fruchtet, findet er; du
stark konnt die Kultur von Flensburg
eufblühen! Er ist ehrlich empört über
die Haltung der Bevölkerung, die et bei
fat eigenen LandSleuten als selbst
verständlich empfinde würde. Er ist
erstaunt, daß man tot Kuhle br Eng
länder, deren aufnizende Grundlage (ti
lohnt nicht, die Welt wird doch englisch)
er von FwnSnich her kennt, so gelte
läßt, er weiß nichts von der Seelennot
und dem Seelenmord unter dem Glanz
seiner Bajonett. Er lächelt den open
? haanerinnen an feinem Tisch zu. Die
Kapcye spielt: Wien, Wen. nur d al
lein, du sollst die StM meiner Träume
lein.' '
TaI elettrische Licht n7lscht mit einem
Schlage, dicke Kerzen werden auf den
Tischen verteilt. Irgendein Pur.z im
Euttrizitätswerk. Schatten tanzen über
i die Gesichter, die im Halbdnkl wein
s und fremd aufschimmern. .Wien, Wien,
nur du allein. . . Wie ein dämoni
scher Zug vo Gespenstern, von sterben
den Kindern und marklosen Greise
j fchwebt z Mit den Klangen über du
Tische, wie ein Hohn über daZ Unqlück
, fede deutschen BluteS flattern die Töne
über baßleüttl X.a&tn und webende l
Kcrzengold. EngNsch, französisch, deutsch
und dänisch klingt'S durch den Raum.
Ein paar hübsche Damnnei wiegen sich
nach dem Takt der Musik, ein paar deut
sche Bürgermädchen summen den Text
mit. .
Draußen liegt der Mond hart und
Zveiß über Haftn und Straße. Vor dem
.Flensburger Hof" steht der englische
Doppelposten. Die gelben Latrrmnau
en eines Auto blinken heran. Der
Posten klirrt zusammen. Mit dem etwa
i vorgeneigten Kopf, daS Monvkel im
' Auge, kühlen Gesichts, geht Mister Bruce.
General-Setretar der internationalen
, Kommission, die paar Stufe zum Hotel
t;ncn. ,
Ueber die guten, alten, heimeligen
Dächer und Giebel der deutsche!. Stadt
Flensburg wischt r Mond mit weißem
Tuch, als wollte er das Jämnerliche und
Todtraurige fortputzen, das hier erlebt
wird. ' . . -
Der Bahnhof von Flensburg sieht H!
storie von snner bescheidenen Backstein
assade. Die ClaironS der französischen
Älpeniager schmetterten von seine Trep
pen, als die internationale Kommission
,inzog. Staunend und ein weniq bc
'ustigt sahen die wenigen Deutschen, die
.m Neugier angelockt hatte, daS blitz
neue Vtylvenren oer ganfarenuippe
tn- den kleinen Trompeten. Die Kom
".ifsioa erschien, ein paar Herren in Li
1 11, englische und französische isizure,
'in paar elegante Damen. Pause.
ann eine qar von L)ainz!ogpy!n
,en. Lachend, schwatzend, lustig, neu
ierig. Der Siegeszug der Sekretärin.
KV; freuen sich auf die inäeressanten Tage
.n F.'enSburg. auf die Abwechslung. ES
mm! auf den Grad der Anästhesie bei
.";S an. dan wird zedk Tragödie
Komödie, fegt Henri Bergson, de,
- tf'sische Modephilosoph vo det Zeit
f -i-cm- Kriege. Es !: itni auf de
der Kuhle an.
i Lohnhof von FlenSSurg- sieht fei
' enS Bild. Die Gefangene keh
i.-im. ' Ein Menfchenmauer steht
b:nddLnkel und erwartet de Zug.
' ' , l rausch! auf. Die Türen der Lb.
' . öffnen sich. Auge suchen fieber
im grauen Abendlicht. Diese Wen
ien der Nordmark sind sche im Zeigyl
iyr?r Gefühle, aber Däm werde in
kerissen. Sie reiße den Mann an. sich,
'ics: blonden, kühle Frauen. Kinder
freien in lautem Jubel: Vater! Vater!
l":sdw!r lif. sei im4Uk9 a
singe . . . .Teure Heimat, schwer errun
ge . . . Di Männer ftnlchen mit
unsicher Händen über blonde Köpft,
schütteln Dutzend von Händen von Ver
wandten. Freunden. Nachbarn . . . .All
wieder da? Sie gehen durch da! lange
Spalier der Heimatgenossen. über ihnen
schlage die dunkle Welle dei LiedeS.
Augen brennen. Ob sie e wohl in Ih.
ren noch wie betäubten Sinnen fassen,
daß diese Stadt., die sie als ihre un
zweifelhaft deutsche Heimat verließen.
Objekt einer Abstimmung sein soll? Sie
haben eS nicht geglaubt, man hat ihnen
ja so viel erzählt. waZ sie nicht glaube
konnten, nun sehen sie die fremden Sol
baten, die bitteren Erinnerungen an ihre
elvtnüztlt, unv sehe im Abendwind
flattern vier fremde Fahne. Sie drllk
!c die Hand ihrer Kinder fester und
schieben de Arm naer um den der
Frau. -
Der Abend brinat olden Tücher
über Wiedersehenöfreude und Vater
landsliebe. .Mutter, wir wollen da!
schon sehen."
Die Propaganda der Dänen wird auZ
Kopenhagen dezogen Die Plakate ha
ben den hellen, schönen Wurf, den Ko
venhagen kennt. In vielen Schaufen
pern stehen große graphische Darstellun
gen. des glücklichen Dänemarks und deö
armen Deutschlands. Ein Riefenthcr
mometer zeigt de Tiefstand der deut
sehen Mark an. eine Riesenleirnvand malt
daS größere Dänemark hoch über die
Straße. Tie deutsche Wahlarbeit kommt
gegen diese hellen Trommelschlag nicht
recht an. Wann hält der Deutsche ver
standen, für sich Stimmung zu machen?
ES ist auch so, daS viele Ueberlegen, wo i
eS kein Neberlegen aeben kann, doch Ge
fühl ,fl hier nicht alles. Brausend hoch
geht nur die Siimmuna der 5luaend.
Dieser Jugend wird Flensburg gehören.
Ihr imponieren die Versprechungen
nicht, nicht die Mache der dänischen Sta
li tuen und schlaqworte. Sie iu
deutsch, sie weiß nichts anderes. Sie
schwenkt jubelnd Fahnen und weis; nur
von sicherem Sica. Sie treibt Volitik
deZ Herzens und hat keine Sorae über
die Parität der Parteien in Ausschüssen
nd BüroS. Sie hält den Erwachsenen
einen blinkende Spiegel vor. sie läkt
keine Wahrheit umlllgen; dieS Flensburg
dar deuifä und muß deutsch bleiben.
Und die lodernde Jugend hat noch im
er recht behalten, denn sie träat die
Zukunft auf lebendigen Schultern.
DZeöeuifchon
Nsröfrtsfen.
Schon die Abstimmung in der ersten
nordschleswigfchen Zone hat eine Tat
fache festgestellt, die durch die weite
Stimmabaabe in der zweiten Äone in
ihrer Richtigkeit zweifellos bestätigt wer
de wird und beiden beteiligten "Natio
nen. der dänischen nicht weniger als der
deutschen, einer jeden in ibrem eianen
Interesse, zu denken gibt. Während der
Weste der Zimbrischea Halbinsel nörd
lich der Linie Hoher Tondern und
weiter inS Binnenland hinein, wie zu
erwarten war. sich vorwiegend ,ur ihm
fchaft deS Danebrog bekannt hat. ist die
m,cyeioung auf ver genannten Linie
felbft und in de Gebieten lüdlick,
davon, soweit sie zur nstm Zone gehö
ren, mit erdrückender Stimmenmehrheit
zugunsten Deutschlands gefallen. Das
bedeutet klivv und klar: das nordfneii.
sche Marschenland. daö die westschles
wigsche Nordseeküste von Tondern an
südwärts begleitet,' ist deutsch und will
deutsch bleiben.
Damit elanat em Geaenlak zwischen
Friesen und Dänentum zum Ausdruck,
der sich nicht etwa erst in den 5labr
zehnten deutscher Reichsangehörigkeit der
ehemaligen Herzogtümer Schleswig
Holstein herausgebildet hat. sondern im
Zeriaus emer fast IlMährigen ge
schichtlicht Entwicklung entstanden und
gewachsen ist. Durch Karls des Gro
ßea Reichsstiftung mit ihren westlichen
Stammesgenossen außer Zusammen
hang geraten, ließen die im ständigen
Kampf mit de Woge der Nordsee le
bende schleswigschen Friese sich aller
dingS in ältester Zeit ein gewisses Ab
HLngigkeitZverhSltniS von Dänemark
gefallen, das jedoch viel 211
locker war, als daß .sich aus
ihm heute für die Dänen ein ge
schichtlich beglaubigter Besitztitrl herlei
te ließe. Denn wobl zablte vaS
Marschenvolk, dessen Schildfpruch von
jeher .Lieber tot als Sklave",, lautete,
den Könige der Dynastie GormS des
Alte eine Landzins, lebte aber im
librigen in seiner freie Gememdever
fassung unter eigner Obrigkeit und eig
nem Recht und war stets sprungbereit,
wenn eS sich eines gttvaltsame däni
sche Eingriffs ia seine ffreibeit ,11 er
wehre hatte. Davon zeugt am beredte
pen daS Schicksal König Abels. der sei
nen Versuch, friesische Freiheit anzuta
n. im Iah 1222 in Eiderstedt mit
m Verlust seines Leeres und deS eiae
en Lebens bezahlen mußte. Als dann
das langwierige Ringm zwischen den
holsteinischen Grafen Schauenbuer
Geschlechts und dem dänischen Köni.
turn um daö Herzogtum Schleswig de
gann. machte die Nordfriefe aus ihrer
Abneigung gegen Dänemark immer we
.Niger Hehl, wandten sich nach nd nach
oer isegenieile- zu uns waren u, dem SO
jahrige Schlußkampf, den zu Beginn
de! 15. Jahrhunderts Margarete, die
nach fchleZwigfchem Besitz lüsterne Grün
denn de? Kalmarische Union, anzettelte
und deren SrMneffe. der Unionskönia
Erich von Pommern, fortsetzte, die un
erschutterlich treuesten Bundesgenossen
der deutschen Schauenburger, die eS nicht
zuletzt der wilden Tapferkeit der Frie
(es zu danken hattzn. wen sie fchließlich
mit der Eroberung FlevSburgS als Sie.
Jnl dem Wlene? Inferno. Unhaltbare Politische Verbältnlsse. (sin
Eine amerikanische Organisation zur Beschaffung vou Liebesgaben.
iZVtiiannnmenbtnt btt nntagttlaul
cwuimtnunj un
Wien, Ende Februar.
WallrieSktrake 72.
Ein seltsamer und nicht durchaus er
auicklicher Moment ist eS für mich, wenn
ich an die Abfassung meine Wiener
Briefes schreite und zu diesem Zweck die
Zeitungen der vergangenen vierzehn
Tage durchblättere. Geradezu körperlich
mpsinve tch dann daS ' Abwärlsglei
ten auf der schiefen Ebene, auf der wir
unl befinden, greifbar sehe ich den un
aufhörlichen Verfall vor mir. qualvoll
wiio ti mir wußt, vag unser Ernzh
rungSminister Dr. Löwcnfcld Ruß in
Paris die Wahrheit gesprochen hat. elS
er vor dem Großen Rat der Alliierten
Wien ein neueS Pompeji nannte. daS
nicht durch Feuer, sondern durch Hunger
un iöieno vernichtet wird. Durch un
g und Elend ja. aber er hätte
.:-.. .t:i ,! . . ..
viiijujugtn mun, aucc durch reicht
sinn. Trägheit und Verbrechen. Aller,
dingS. diese als Kinder von jenen. Da
ich meine Aufgabe ernst nehme, bin ich
nicht mehr in der Lage. Wien wie einst
als Stadt harmloser Fröhlichkeit zu
schildern, sondern will den widerlichen
Krankheiten, an denen wir leiden, mit
oem Messer zu Leibe gehen ind meinen
Lesern daS wahre Wien von heule, wie es
nach vierjährigem Menschenmord und
vurq Hunger und Elend geworden ist.
schildern. Zur Erkenntnis, aber auch zur
Warnung! Denn wenn Wien heute von
Verbrechen, Niedertracht und Korruption
ersullk ist. so ist ez nur von einem na
turlickien Schicksal ereilt worden, das zu
st die im Weltrinaen Unterleaene er,
eilt, um sich früher oder später auch der
ueoeriegenen zu bemächtigen.
Nun aber eine Blutenlese auS zwei
armseligen Wiener Zeitungsnummern,
nicht willkürlich auZgesucht. sondern wie
es mir gerade in die Augen fallt:
Der Gemeinderat der an Wien an
grenzenden Donau Gemeinde Albern
teilt in einer Eingabe an die nieder
österreichische Landesregierung mit:
Die Gemeindeöorstehung teilt hier
mit der Landesregierung mit. daß in
Vinkunst die aus der Donau ange
schwemmten Leichen rn Albern nicht
mehr aus den, ffriedhof der Namenlosen
beerdigt werden sönnen, sondern so, wie
ne gesunden werben, liegen bleiben mus
sen, lveil der Friedhof von den Wiener
olzdieden ginzllch verwüstet wurde,
Der Friedhof wurde nicht nur seiner
hölzernen Umzäunung und der Grab
kreuze beraubt, es wurde auch die ganze
eichenkammer samt den dort befind
lichen Särgen und Werkzeugen demoliert
und fortgeschleppt."
Nun könnte jemand zur Ueberzeugung
gelangen, daß di Landbewohner doch
besser sind als die Großstädter, die so
gar die Toten mißhandeln. Der nach
ueyenoe Amtsgericht eineS Gendarmen
auS Niederösterreich mag ihm diesen
Jrrgiouven nehmen:
.Lorenz Naft kam unter dai Auto,
mobil zu liegen nd wurde erdrückt.
Trctz oller Bitten der ze, anderen
Passagiere deZ WagenS. kam auS,dem
Dorfe keiner der Bauern zu Hilfe. Lo
renz Nast wurde schließlich tot hervor
gezogen. Der Befund stellte fest, daß
?cast unter dem Auto noch vier Stunden
gelebt habe und gerettet hätte werden
können, wenn man ihn eine Stund
früher unter dem Wagen hervorgezogen
hatte."
DieS nur einige Proben au! dem
österreichischen Inferno, auö'der Hölle
Nitt feinen Teufeln, zu denen der Krieg
und seine Folgen ein Volk gemacht ha
ben. das wegen seiner Gutherzigkeit und
der Milde seiner Sitten berühmt war.
Das Weltgericht wird aber dereinst nicht
Ziese unglücklichen Menschen verurteilen,
die , samt und. sonders zu Verbrechern
wurden, sondern jene erlauchten, hoch
weisen Herren, die sich erdreistet haben,
ein hochstehendes Kulturvolk wie eine
Kolonie von Buschnegern zu behandeln.
mit plumper, roher Hand uralte Zu
sammenhange zu zerstören und eine kost
liche, schöne Stadt, der wertvollste eine
der Welt, hilflos mit ihren zweieinhalb
Millionen Menschen dem Verderben
preiszugeben. Fluch denen, die im Na
men einer erklügelten und erlogenen Ge
rechtigkeit das größte Verbrechen der
Weltgeschichte begangen haben!
Indessen spitzen sich die politischen
Verhältnisse von Tag zu Tag zu. Im
Lande tobt der Haß zwischen den Par
teicn. Niemals war die Kluft zwischen
den drei Ständen, de Arbeitern, den
Lauern und Bürgern, so abgrundtief
wie jetzt. Die KoalitionZregierung, die
oies vrn Stande umfaßt und von den
zwe, großen, fast gleich starken Par
teien, den Chnftlichsozialen und den
ger auS dem schweren Kampf Hervorgin
ge und im Wordingburger Frieden von
1435 als alleinige Herren im Herzogtum
Schkswig anerkannt wurden. Als Teil
desselben galt fortan, wenn auch unter
Beibehalten einer gewissen freiheitliche
Sonderstellung. Nordfrieskand. dessen
Bewohner sich, auch während der 400
jährigen Regierung der König-Herzöge
au oem jUlvendurger Hause, dem Lan
desherrn der Herzogtümer gegenüber
vurchau loyal verhielten. Aber charak
teristisch für ihn auf ein eingeborenes
Gefühl für Recht und Freiheit gestützte
Gesinnung ist eS, daß, als die Nachsah
des eisten König-HerzogS Christian
I. den Verfassungseid, den dieser im
Dom zu Ritzen den SchleSwig-Holstei
er geschworen hatte, zu brechen droh
ren, es em zordfriese war, der zu Kei
tum auf Sylt geborene Uwe HanS Lorn
sen. der durch sei Verfassungswerk jene
stürmische .LoSvonDanmark'.Bewe
gung wachrief, die mit der Einverlei
bung SchleSwlg.HolsteinS und mit ihm
NordfrieSlandZ in PreußeN'Deutfchland
endete.
Wiener Wrief.
von 1)1130 vettauer.
Sozialisten, gebildet wird, kann jeden
Augenblick gesprengt werden. Die Bau
ern schütteln drohend die Fäuste ggen
die Städte, stemmen sich gegen jede Ber
mögenöabgnbe, die auch sie betrafen
könnte, liefern nicht eine U.ize Lebens
Mittel und erkennen die ganze Regie
rung nicht an, die Christlichsoialen
schüren und Hetzen gegen die Sozialistcn,
werfen den Arbeitern und ihren Füh
rcrn TeriorismuS und Begehrlichkeit
vor, die Sozialisten aber fühlen den
Boden unter sich wanken, machen eine
Dummheit nach der anderen, geberdcn
sich heute konservativ, morgen ultrarad!
kal, verletzen und benachteiligen daZ lul
turtrageno Bürgertum bei jeder Ge
lcgcnhcit. enlsremma sich immer mehr
alle geistigen Arbeiter. In diese Tagen
ist durch einen eigenartigen Zwischen
fall der Ritz in der Koalition noch ärg
und größer geworden. In Wien bat ein
Herr Fritz Mendl. iner der tüchtigste
und genialsten Jndullriellc. eine Brot
fabrik, die wöchentlich 700,00 Laib
Brot erzeugt, also etwa ein Drittel der
Bevölkerung versorgt. Einer von den
zweitausend Arbeitern dieser Fabrik na
menS Bauer ist ein Sonderling und
Eigenbrödler und wollte der Union, die
die zweitausend anderen bilden, absolut
nicht bciirden. Daraufhin forderte die
Union den Herrn Mendl ouf, den Ar
bciter Bauer zu entlassen, da sie keinen
Nichtorganisierten unter sich dulden
wolle. Herr Mndl erllärlc: .Nein! Je
der kann i meinem Betrieb tun, was
er will, solange er eiiständig arbeitet,
meinethalben knrt er Sozialist oder
Kommunist. Chrifllichso.ziakr oder Mor
mone oder sonst etwas sein!" Worauf
die Arbeiter zu streiken begannen und
"ssitTJ im.si.. n . , .
iwvmi juiuiimcn zwei iage lang oqne
ihr Slückchcn Brot blieben. Was das
aber bedeutet, kann nur der ermessen, der
daS Begnügen hat. in Wien zu leben
und auf vier Viertel Laib Brot in der
Woche angewiesen zu sein! Der Bevölke
rung bemächtigte sich geradezu eine Pa
t: w:. m.-;. ' " ....... . .
11 11, ii mc nrgierung cingriss, indem
sie zugunsten der Ärbeitcr Vartci nabm
und Herrn Mendl zwang, den Bauer
bis cuf weiteres zu beurlauben'. Wer
in diesem Falle recht getan hat. der
Fabrikant, der Arbeiter oder die Regie
rung. mag dahingestellt bleiben, die ol-
gen aber sind unübersehbar. In der Na'
tionalder ammlung haaelt es 5l!iie:vcl
lationcn, es kam zu wüsten Prügelszc
nen, mit einem Ruck ist die schleichende
Rcgierungskrisis akut geworden. Beson
der schlimm dabei ist die maßlose Diö
kreditierung, die wir durch den Zwischen
fall im Ausland erfahren. Die Regie
rung schreit nach Kredit, wendet sich hll
fesuchend an die englischen, französischen
und vor allem an die amerikanischen
Finanziers, bietet ibnen die Bahnen, die
Jndustrieuntcrnehmungen, den ganzen
Aktienbesitz als Unterpfand für die Mik
tiaroen an, die wir brauchen, um Nah
rung. Kohle. Rohstoffe zu kaufen. Und
gerade nn kritischen Moment, wo der
Kredit naht zu fein scheint, ereignet es
sich, datz da! Ausland einen Blick in
unsere Wirtschaft gewinnt und erläbrt.
daß bei uns' Gesetzlosigkeit und Anarchie
herrschen und kein Unternehmer Herr im
eigenen Betrieb ist. Wird sich unter sol
chen Umständen das internationale Ka
pital zu uns hereinwagen, wird es Ge
fahr laufen wollen, daß von heute auf
morgen ein Betrieb, an dem er inieres
siert ist. von der Arbeiterschaft enteignet,
,vg,aiiiieri iviros
Bor einem ehemals nneiioalüben
Palais am Parkrinz stauen sich seit ei
nigen Tagen die ?enschenmaffen. Vom
frühen Morgen an ' pilgern tausend
dorthin, obwohl sie vom Türhüter nichts
anderes bekommen, als eine oder auch
mehrere bedruckte Postkarten. Aler diese
starten bedeuten ihnen eine Sotinuna
auf Nahrung, auf einen wahren Segen
an Milch. Mchl. Fett und Lohnen. Die
.American eliet Administration" hat.
wie meine Leser inzwischen erfahren ha
den. ein geniales Werk ersonnen. Der
Wiener oder Teutschösterreicher, der in
den Ver. Staaten Verwandte ' oder
Freunde hat. die ihm helfen können, soll
ihnen eine der erwähnten voraedruckten
Karten schicken, worauf die Verwand
ten oder Freunde nichts weiter zu tun
haben, als einen bestimmten Betrag
zehn Dollars für ine kleine, künfzia
für eine große Zusammenstellung - bei
einer amerikanischen Bank einzuzahlen
und die Quittung darüber der betreffen
den Person in Oesterreich zu senden.
Diese ..Person bekommt dann hier in
Wien in dem eben errichteten amerika
Nischen Magazin die entsprechenden Le
venömittei. Älan kann also begreifen,
wenn sich 'eine wahre Völkerwanderuna
nach dem Parkring ergießt, um die Kar
ten zu holen. Ganz Wien spricht von
de zu erwartenden Lebensmittelkiflen.
die ja jeder, ach so notwendig braucht!
Denn mit unserer Ernährung steht eS
wieder recht, recht schlimm, und man
muß schon zu den ganz Reichen zählen,
um den Magen aus halbwegS wohl
tuende Weife füllen zu können. Der
Beamte, der Bcstbesoldete. der ebrlicbi
Arbeiter, der Lehrer und Richter, selbst
oer einnens woyiyaöende sentier kann
es nicht, die Preise steige fast stündlich.
Neben de, großzügigen,, wohlorgani
sierte Hilfsaktion laufen iekt aber auch
täglich Hunderte und taufende von Pak
keten in Wien ein, die oft vor fchon
vielen Monaten in Amerika aufgegeben
wurden. Ich stelle daS mit besonderem
Behagen fest, denn eS hatte schon den
Anschein, als wäre alle unterwegs ge
stöhlen worden. DieS ist nun glücklich,
weise nicht der Fall, und allenthalben
hört man Leute mit glückstrahlendem
Gesicht erzählen, daß sie ei Packet au
Amerika bekommen haben. daS allerlei
herrliche Dinge enthielt. Ich muß bei
r,e,er vieiegenyeil erwähnen, daß liebe,
gütigeefer Ihrer Zcitung mir mx j
Ctrike nd sekne Folge.
Tie Packcte au, Amerika.
fach Packcte gefckMl haben, die diefer
Tagt angekommen sind. In dem einen
befand sich ein gut erhaltener Ueberrock
nebst andere Kleinigkeiten, in einem,
dessen Absender ick nickt eruieren kann,
etwa! Mchl. Speck. Kakao. Kaffee,
Gerste. Syrup. ein drittes, von einer
gütigen lieben Frau hcrstammend, der
ich im Geiste dafür die Hand küsse, be
stand aus sieben Kartons mit CandieS.
Ich habe natürlich alles im Sinne der
Spender an Bedürftige verteilt. Den
Rock bekam ein armer junger Hrimkeh
7der au! Italien. Gefangenschaft, der
keinen Wintowk befaß und nun über
glücklich ist. die LebenZmittel eine kin
derreiche Frau, die so arm ist, daß
Kiaut uiid Rübe.l si.it Mouatt.l ihce
einzige Nahrung bilden, die Süßigkeiten
aber bckamen Kinder aus Mittelstands
hausern, armselige, blasse Kinder, die
gar nicht wußten, daß eS solche Herr
lichkciten auf der Welt gibt und die nun
an Amerika als an ein Paiadies denken,
in dem gütige Feen für derartige Kinder
ihre Gaben sammeln.
Kindern helfen und gutes tun wer
möchte sich dem nicht unterzicben? Aber
wer ist ein Kind und wer ist keines
mehr? Das ist eine bittere Frage, ein
schmerzvolle Problem. Das Gesetz er
lcdigt diese Frage prompt und billig mit
der Feststellung, daß jeder, der unter
vierzehn ist, als llmd zu betrachten fei.
Und kür diese unter oier?h geschieht
denn auch hier und da etwas. Holland
die Schweiz, Dänemark und vor allem
da herrliche Schweden nehme zehn
taufende von ihnen als Gäste auf, eS
gbt dann und wann Nhrungszubußc
für die Äinder, alle heiligen Zeiten ein'
mal sogar ein Stückchen Wäsche. Wehe
denen aber, die den vierzehnten Geburts
tag überschritten haben! Dieser sonst
so frohe Geburtstag, der den Ncbergang
in das Jünglings oder Madchcnalter
bedeutet, wird jetzt bei us zum düsteren
Verhängnis, Die über vierzehn sind aus
geschlossen von allen diesen Aktionen
nach der Schweiz und den nordischen
Ländern, sie bekomme k.'ine Zubußen
mehr, sie müssen hungern wie die Er
wachsenen, sie, dercn junger Körpir in
die Hohe sc zt, sie. die am liebsten den
ganzen Tu essen möchten! Nicht einmal
die Mahlzeitcn der amerikanischen Kin
derhilfsaktion bekommen diese armen
Knabe und Mädchen, ihr Hunger
schreit zum Himmel und finM auf Er
den lein E6?v. lind innerhalb einer
Woche ereignete sich dieselbe Tragösie iu
derselben Form zweimal. Ein Hand
wrrknlehrling von fünfzehn Jahren und
einer von sechzehn sind aus dem Fenster
gesprungen und tot auf der Strasze lie
gen geblieben. Die Ilrsuche der Selbst
morde war bei beiden dieselbe sie
konnten das ewige Hungern nicht meizr
ertragen!
.. . .
Und daS Leben geht bei denen, die eS
ertragen können, weiter, es wird getanzt,
die Theater sind glänzend besucht und
die Premieren folg? so rosch und zahl
reich aufeinander, daß man sie kaum
in Evidenz h?lt:n kann. Diel GutcS
kommt nun allerdings dabei nicht her
aus. Im Burgtheotcr ist ein Schauspiel
deZ Herr Siegfried Trebitsch. der sich
0 Shaw Uebersitzcr einen Namen ge
macht hat. ausgeführt und ausgezischt
worden. Es heißt ,rau Gittas Sühne"
und ein boshafter Kritiker behauptet,
daß es die uneheliche Frucht einer Ver
bindung zwischen der seligen Marlitt
und Frank Wedekind sei. Auch die ande
ren Schauspielhäuser finden das große
Stück nicht, bringen verwässerte Lust
spiele,' abgestandene Tramen, und Hoch
ionjunktur haben nebe den beiden
Opernhäusern nur die Operettentheater,
in denen Lehar und Oskar Strauß.
Nedbal und Bodanzky. Fall und Eysler
das sogenannte Bombengeschäft machen.
Da wir keine Rohstoffe haben, wer
den in der nächsten Zeit Overetten wohl
unser einziger Exportartikel bleiben.
Wien rüstet aber aller Zeiten Ungunst
zum Trotz für eine Musikwoche, die im
Frühjahr veranstaltet werden wird und
die Fremden, die' aus neutrale,,, wie die
aus den ehemals feindlichen Ländern
herbeilocken soll. Vielleicht bringt unS
diese Musikwoche auch die reichen Ame
rikancr in Massen, die man jetzt beson
ders liebt, weil der Dollar so hoch steht.
Wobei das Wort reich" gar nicht im
amerikanischen Sinne gedeutet . werden
muß. Denn in Wien ist heute einer schon
mit lumpigen hunderttausend Dollars
sehr reich und ein schäbiger einfacher
Millionär ein Krösus. Wahrhaftig
ei wirklicher, echter Dollarmillionär
könnte nichts Vernünftigeres tun, als
sich in Wen anzusiedeln. Er wäre hier
ein großer Mann und wenn er will,
kann er sich ganz Deutsch , Oesterreich
mit seinen Schulden und den hungern
den Menschen kaufen! Der Dollarmillio
när in Wien das wäre kein übler
Operettenstoff. Eine Valutaopereite, öie
Gold einbringen könnte.
Prüderie in Garmisch.
. AuS Garmisch wird gemeldet:' DaS
hiesige Bezirksamt wendet sich in einer
Bekanntmachung gegen das Hosen
tragen vo we i bl ich en Personen
unter den Fremden. DaS Amt habe
nichts dagegen einzuwenden, wen zur
Ausübung eines Sportes und auf dem
Wege dazu Hofe von der Damenwelt
getragen würden, verbietet aber aufs
sirengste den immer weiter um sich grei
senden Unfug, daß sich die Damenwelt
auf den Orisstraßen. in CafSs und Kon
ditoreien in Hosentrachten sehen lassen,
die nach Schnitt und Farbe allem An
siand Hohn sprächen. Die Gendarmerie
ist angewiesen, dieS als groben Unfug
zur Anzeige zu bringen. Na. na.
warum sollen ausgerechnet in Garmisch
die Frauen nicht die Höfen anhaben?
Äsh!e
Der fcho feit längerer Zeit bei un
ständig gewordene Kohlenmangel, der in
folge von Streik! und Transportschwie
rigkclten immer bedrohlicher wird, hat
die Ausmeklsamkeit deiter Kreise auf dak
letzte Ersatzmittel für Kohle, den Torf,
hingelenkt, der bik vor kurzem in
Teutschland eine viel ,u geringe Beach
tucg fand und nur dort, wo er gestochen
wurde, zur Verwendung kam. Die Heiz
kraft des Torfes wurde vielfach unter
schätzt, und da sie fraglos ge,rirg:r ist,
als die der Stein und Braunkohle, so
konnte man be! unserem Reichtum an
Kohlen diesen Ersatz gut entbehren. DaS
ist aber in den letzten Jahren ganz an
derS geworden, und daher hat jetzt der
Torf nicht nur als Hausbrand, sondern
auch für die Industrie erhöhte Bedeu
tung, die um so größer ist. alS man ge
lernt hat. die Heizkrast deS Tsrse! voll
auszunutzen.
Werfen wir zunächst einen Blick auf
den Heizwert der Steinkohle, so k?mmen
wir zu Ergebnissen, die dem großen Pu
blikum im allgemeinen anz unbekannt
sei dürfte. Wir wissen, daß unsere
Oefen, die zur Erwärmung der Zimmer
dienen, fast alle ungeheure Verschwender
sind, da die Heizkraft des Brennmate
rials nur zu einem geringen Teile aus
genutzt wird; der andere Teil fliegt un
genutzt zum Schornstein hinaus. Viel
besser wird der Brennstoff bei den mo
deinen Maschinen verwertet durch An-
läge zweckentsprechender Feuerungen und
Verbrennung und Ausnutzung der enr
stehenden Gase. Sehr rationell verar
beiien die . großen Ueberlandzentralen
und Kraftwerke die Kohlen: bei ihnen
liefert ein Zentner Kohle durchschnittlich
ine elektrische Energie von 43 Kilowatt
stunden. Mit dieser Energie kann zum
Beispiel ein nick't zu schwerer Wagen der
elektrischen Stranenbahn ungefähr 110
Kilometer weit fahren. Ist der Wagen
mit 30 Personen besetzt, so kommen auf
diese Strecke auf jeden Fahrgast nur
313 Pfund Kohlen, er durchfährt also
einen Kilometer mit einer Kraft, die
durch die winzige Menge von etwa 13
Gramm Kohle, also so schwer, wie ein
gewöhnlicher Brief, erzeugt worscn ist.
Mit dem Verbrauch eines einzigen Zenl
n?rs Kohle auf seine Person kann also
ein Fahrgast bei voll besetztem Wagn
über 3000 Kilometer weit fahren, etwa
eine Strecke von Königsberg i. P. bis
nach der Südspitze von Italien.
Ein O-Zug der Eisenbahn verbraucht
auf ebener Streck durchschnittlich einen
Zentner Steinkohle auf 4 Kilometer
Fahrt. Ist der Zug mit 500 Personen
bischt, so kommen auf jeden Fahrgast,'
und Kilometer nur W Gramm Kohle,
der Fahrgast verbraucht also im D-Zug
einen Zentner Kohle erst auf einer Fahrt
von 2800 Kilometern, also von Berlin
bis Madrid. Mit der Schnelligkeit per
Fahrt steigt allerdings der Kphlenöer
brauch in viel höherem Maße, "denn ein
Zug, der 100 Kilometer in der Stunde
fährt, braucht nicht doppelt, sonder
viermal so viel, als ein Zug mit 50 Kilo
meter Stundengeschwindigkeit.
Erheblich ' größer ist der Kohlender
brauch bei de Dampfern, ' was zum
größten Teil darin feinen Grund hat.
daß daS dicht Wasser der Fortbewegung
des Schiffes einen viel bedeutendere
Widerstand entgegensetzt, als die Rei
bung auf den Schienen und die Lust bei
den Eisenbahnzüge beträgt; außerdem
ist die fortzubewegende Last Verhältnis
mäßig größer.'- Einer unserer großen
Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd
oder der Hamburg-Amerika Linie, die
i ihren riesigen Maschinen 4300 Pferde
kräfte entwickelten, verscuerten pro
Stunde die ungeheure Meng von ÄX)
Zentnern Kohlen, sie nahmen für eine
Fahrt vo Europa nach New Fork über
100.000 Zentner Kohlen in ihren Bun
kem ein. Da ein solches Schiff eine
Schnelligkeit von über 23 Seemeilen,
das sind 43 'Kilometer i der Stunde,
entwickelte, so verbrauchte eS also etwa
15 Zentner Kohle pro Kilometer. Das
Schiff faßte mit Besatzung LAX) Per
sonen, wovon 600 Mann Besatzung ma
ren, darunter allein 230 Mann für die
Kessel und Maschinenbedienung. Für
jeden Fahrgast wurden also für die Fahrt
60 Zentner Kohle verbraucht; mit einem
Zentner Kohle legte also der Fahrgast
auf dem Schnelldampfer nur 60 See
meilen oder rund 110 Kilometer zurück.
Der Energieverbrauch ist also 20 bezw.
30mal so groß, als bei einer Fahrt im
V-Zuge oder in der elektrischen Stra
ßcnbah. Dir Leistung eines Zentners
Steinkohle ist demnach sehr erheblich.
und sie wird weder von der, Braunkohle
.noch vom Torf erreicht: und doch gibt
es Fälle, wo die Heizkrast des Torfe! .
dicht an. die der Steinkohle heranreicht.
Wir wenden uus also jetzt diesem bisher .
mindcrgeachtetcn Heizmaterial zu.
- Der, Torf besteht bekanntlich auS
Pflanzenreftcn. die aus Mangel an
Sauerstoffzufuhr nicht verwest, sonder
in einer sehr langsamen Zersetzung be
griffen sind. In den breiten Sumpf
und Moorgebieten, die bei uns besonders
! der norddeutschen Tiefebene, vor allem
in Hannover, Oldenburg und Ostpreu
he anzutreffen sind, lagern ganz ge
waltige Mengen von Torf, denn er über
zieht in einer Mächtigkeit, die im Durch
schnitt drei Meter dick ist. aber in vielen
Fällen bedeutend mehr..weite Flächen der
Moore: sind doch allein in Deutschland
etwa drei Millionen Hektar Torfmoore
vorhanden, von 'denen Bayern 70.0
Hektar besitzt, aber die Provinz Ost
Preußen allein über 330.000 Hektar.
Daraus geht klar hervor, welche unqe
heuren Menge dieset Brennmaterials
wir besitzen; man hat die Gesamtmenge
an Trockentorf auf über elf Milliarden
Tonnen allein in Preußen berechnet. Seit
undeMche Zeiten wird in den Moor
gegende der Torf als Brennmaterial
verwendet. Ja den Torflagern wird mit
fcharfen Spaten der Torf gestochen, die
einzelne Stücke, die Sorben, werden
auf einem trockene Platz aufgeschichtet
und a der Luft getrocknet, wobei der
große Wassergehalt dek Torfeö, der acht
zig Prozent und darüber beträgt, biS
auf ungefähr zwanzig Prozent zurück
gc)t. Die Sorbz werde durch dicht
mb Tsr f
I Lufttrocknung um die Hälfte ihres Urn,
fange, kleiner. viuner vlc,e, '
haben wir noch Streichtorf und Majch,
nen oder Preßtorf. Bei Mooren, sa
sich nicht tntwässern lasse, wird der
Torf a! dicker Schlamm mit Schaufel
gewonnen, dann durch Mischen mir 0?
oberen trockenen Teilen dichtet unl
nach Art de ZiegcllchmS in Formen ge
strichen, die edcnialls an der Luft ge
trocknet werden. Der Maschinen'.orf
wird durch große Basiger und andere
Maschinen gewönne und die einzelnen
Sorben werde unter gewaltigem Dr ad
gßt. wodurch das Wasser entfernt
wird. Ti:scr Preßtors ist naturgemäß
dichter und f.stcr als die beiden andern
Tors'orten.
Guter Torf enit.ält im lufttrockene
Zusiande e!wa 50 bis CO Prozent Hol)
len'tlls'. ,5 Prcient Wasserstoff.
30 ProMt Sauerstoff, 12 L'Ö
Prozent Waiier und t-12 Proz.'iit
A'ch', ?:t 2ots verkr.n!,! mit rufet;
de: Fl.?-.7.m.'. entwickelt ad.': nur wen.g
2'i.nch; je r.a.h seiner (We er'.e.lgl ei
30004000 Wärmeeinheiten. Der Ts.i
hc,! die niedrigst: En!BndngLten-.p:ra
tut aller unserer Brennstoffe, er entzünd
bei sich schon . bei 225 Grad Celsius,'
während Steinkohle hundert Grad mehl
braucht und Kols sogar 700 Grad. Jiii
industrielle Zwecke hat der Torf c(
neuerdings in Deutschland Aerwendunz
gef!ii?cn, nd dabei hat es sich heraus,
ges!ellt, daß es am wirtschaftlichsten ist.
de Torf zu vergasen. In de Mafchi,
nen mit Sauggaöbetricb hat sich ergebe,
daß dabei ein Kilo Tors dicselüc Leistung
herrbringt, wie ein Kilo Kohle unter
dem Kesscl. Die Industrie verwenocl
am zweckinäßigste den Preßtorf. wäh
rend die anderen Sorten mehr für d.i
Haiibrand in irage lammen: für Bäckt
iriM hat sich dieses Buiinmatcrial fehl
gut biwäkir:, so werden, z. B, in Are
nie 05 Prozent allst Backöfen mit
rauchsrci brennendem Torf geheizt. Ge
rase dieser geringen Rauchentwickliing
wegen verdient der, Torf als Heizm'.ticl
in den Städte die größte Beachtung.
Ein sehr billiges Brennmaterial ist de,
Torf auch für die elektrischen Kraftwerke,
und nur aus diesem Grunde i ist . ein
große Uebcrlandzentralk mitten in dem .
Moorgebict-bei Aurich erbaut worden,
Holland, das ausgeoehntc Torslager,
aber gar keine Kohlenselder besigt. 'be
nutzt den Torf schon feit geraumer Zeit
für industrielle Zwecke. Der Torfdampf
kcsscl sind in HnNand eine gewöhnliche
Erscheinung. Der Fenerungsraum ist
derselbe wie bei Steinkohlen, nur der
Rost ist in anderer Höhe eingebaut un
die Oeffnung der Feuertür ist größer,
um eine bequeme Beschickung mit de
Torfsorben zu haben. Das Rostreinigeq
und Abschlagen, das bei der Steinkohl
viel Arbeit und Zeit kostet, braucht bei
Torf nur einmal innerhalb 24 -St,,
den vorgenommen zu werden.. Die hol
ländischen Dampfkessel erreichen bei
'Torfheizung einen Wirkungsgrad doq .
tv w Prozent, sie sind übrigens mei
slens auch fo eingerichtet, daß sie auch
Steinkohle feuern können. In Schwede
hat man neuerdings Versuche mit Torf .
Heizung auf der Eisenbahn gemacht ml
zwar mit recht gutem Erfolge. Man de,
nutzte Torfpulver. womit dieselbe Wir. .
kung erzielt wurde, wie mit Steinkohle
bei geringeren Kosten.
Wir sehen also hieraus, daß für d:,
Verwendung des Torfes als öeizmate
rial noch ganz ungeheure Möglichkeite,
vorliegen; er ist geradezu dazu berufen,
den Mangel an Kohlen zu ersehen
uns damit wieder lcistungsahig zu
machen. Für Gewerbe und Jndustri
iit er von ebenso großer Wichtigkeit, wi,
für den Hausgebrauch, und die Steins
kohle wird ihn auch späterhin nicht wie
der verdrängen, wen erst hinreichen
zweckentsprechende Maschinen und Oefe
gebaut worden sind, die die Heizkraft
des Torfes nach Möglichkeit ausnutzen
Wie sehr jetzt der Brenniorf gesucht ist.
bewiist am besten der ungeheuer höbe,
Preis des Torfes, der den in Friedens,
Zeiten üblichen um mehr als daZ zehn
fache übersteigt. ' ,
Nächtliche Sitzungen.
AuS Berlin wird gemeldet: In eineH
Hause der Notenheimer Straße in Schö,
neberg fanden eine Zeitlang seltsam,
nächtlich Sitzungen statt. Der betreff
fende Wohnungsinhaber. früher Nacht
Pförtner eines bekannten Luzusrestau.
rants, gab auf Befragen stets die AuS.
kunft, daß eS sich um einen Spiritisten,
klub handle, der da in den Raumes
tagte, beziehungsweise nächtigte". i
Die nicht spiritistisch veranlagte,
Nachbarn nahmen aber bald an, diese
Sitzungen Anstoß, denn die offenba
recht modernen Geister kamen auch nackj
der eigentlichen Geisterstunde noch i,
tutenden Automobilen tmAtrcn nt
die Polizei fah sich veranlaßt einer det
Seancen' beizuwohnen. Als ma,
unter Anwendung größter Borsicht sickj
Einlaß verschafft hatte, vernahmen di
Beamten fchon auf dem Korridor stach
Klopftöne, die aber durchaus irdische
Ursprungs waren, denn sie rührten vo,
Leuten her, die im Borzimmer Skat
Point 10 Mark - klopften, währen
in einem anderen Raume eine zahlungs
fähige Gesellschaft beim Glücksspiel ver
sammelt war; im übrigen trieben, wie
der Augenschein jehrle, nur Sektgeiste,
,r Unwesen. Allerdings war auf dei,
Balkon auch ein dienstbarer Geilt eng
tan mit Pelz und Kopsschütier'p'ostiert,
um darüber zu wachen, daß kein Untti
lr!mJ.', Atzung drinnen störte, ahi
dieser Wachter war sanft eingenickt un
olZ er von den Beamten geweckt wurde)
fuhr itt mit der Beteuerung, daß di
L"ft völlig rein fei. aus tiefem Schlum)
nur empor. , Der Wohnungsinhabej
wurde wegen Uebertretung der Glücks)
spielverordnung des .OberkommandiereJ
de vor dem Schöffengericht Berlin
Schoneberg angeklagt; er versicherte, da,
er sich nie am Spiel beteiligt habe m
"imai nie anen renne, euae
waren nicht vorbanden. D, ?.. ,
verurteilte daher 'den Angeklagten nu
AUsMnkc. ,u V
V(VH4Mv
r
!
!
)
ii
1
a
V5
s