Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 17, 1920, Image 7

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    MgllA'OnWi TrM
Ittl heutigen Madrid.
(iwtmfk Äüituufl v
Der Weltkrieg hat Überall tlkfgifend
wcianottungcn ycrvttgebraiyt, o gut
oder böse, wollen wir auf sich beruhe
wnen. TaUa) t spamcn fino setne
Wirkungen nicht ohne RüZschlag geblie
ben. Da Land hat wohlweislich, trotz
aller Einflüsterungen, Versprechen und
aunpiahlwlnken. sich jeder Beteiligung
cm großen Schlachten enthalten. Einmal
war e? tatsächlich krieg milde, dann, wie
geschichtlich nachgewiesen werden lann. ist
die europäische Macht, die während
de neunzehnten Jahrhundert die längste
Zeit durch, bat ist zweiunddreißig Jahre.
Krieg gesuhlt hat. Sodann Itcfj e sich
leiten durch die Praktische Erwägung, daß
seine Einmischung in de heiklen Handel
ihm aus keine Fall etwa einbringen
konnte. England kämpfte für die 5Mi
oberherrschaft, Frankreich und Italien
kämpften für die Aneignung gewisser Ge
biete, die Vereinigten Staaten für die
Sicherheit ihrer Darleheq an die En
teilte... aber Spanien fragte sich, wo
für in aller Welt e hätte kämpfen sollen,
' welche Vorteile, welche Gebietserweite
rungen et im Fall eine glücklichen Au
gange würde beanspruche können? Und
da keine befriedigende Antwort darauf
zu finden war, hielt Spanien e für
rätlich, sich lieber ruhig zu verhalten.
Rechnet man noch da . sentimentale
Moment hinzu, so muß besonder hervor
gehokn werden, daß die meisten Sym
pothiea, hier entschieden auf Seite
Deutschland standen. Deutsche Lei
stungen in Wissenschaft, Gewerbe und
; Handel imponierte mächtig, und der
deutsche Heldensinn fand beim ritterliche
spanische Völk volle Bewunderung.
Schade, daß man der deutschen Staat,
klugkeit und der deutschen Diplomatie,
die schon in AlgeciraZ so schlecht abge
schnitten Hatte, nicht dieselbe Annkn
nung zolle konnte!
Spanien hat also dem blutigen Spiel
'des de la barrera, wie ei Stinfechtn
ausdruck lautet, d. I vom Zuschauerraum
auö, beigewohnt, .allerdings nicht gleich
gültig, sondern mit wilden, lcidenschaft
lichen Aeußerungen de Beifalls und dfS
Unwillens, denn da Publikum war in
zwei schroff gegenscchlilt Parteien ge
teilt, die der Gcrmanösilo (Anhänger
der Deutschen) und die der AliadSfilo
(Freunde der Entente). Die bezüglichen
Auseinandersetzungen und Klarmachun
gen der gegenseitigen Standpunkte haben
oftmals zu erklecklichen Handgreiflichkci
ten gl führt.
Doch ich komme von meinem Thema
ab. Ich wollte einigt Veränderungen
hervorheben, die unter dein Einfluß der
Weltkatsjtrophe in der spanischen Haupt
' ftadt vor sich gegangen sind.
Der Krieg ist bekanntlich für Spanien
eine ungeheure Goldquelle gewesen. E
at de größten Teil seiner landwirt
chaftlichen, bergmännischen und gewerb
ichen Erzeugnisse zu fabelhaft hohen
preisen onsgeführt. Andererseits sind
bedeutende, ja Süd und Mittelamerila
ingekgte Kapitalien ins Mutterland zu
: rückgeflossen, und haben auch viele aus
tändifche Kapitalien 'die spanische Frie
densbasi aufgesucht. Aber ebenso sind
tuch zahlreiche Ausländer hierhergelom
'wen, um den Uebeln des Krieges aus
dem Wege zu gehen oder um die günsti
hiesige Umstände auszunutzen, und
de, Geld und Fremdenzufwß, ge
daart m)t der allgemeinen Aeitstrdmung,
taben neue Aüge in die Physiognomie
et Hauptstadt eingegrakn.
Noch vor einigen Jahren war Madrid
tu geräumig sllr seine ständige Bevöl
lerung, und fast ein Viertel der Miet
vohnungen stand leer, was an den zahl
ichen, an Fenstern und Balköne befe
tigten Popprechtecken erkennbar war.
jetzt sind diese landesüblichen Anzeigen
illesamt verschwunden, und man sieht
Ich vergebens selbst in den enttegksten
Straßen nach ihnen um. Alle Wohnun
len sind verbietet und- größtenteils
'W.t;;ru .r: in .:- o:...
tvtlUU4, VUglllUJlll ll .QWI'mCl.
, krfügbar, weder in den großartigen
' jeuen Gasihöfen. wie valace Hotel. Ritz,
pran Hotel, Hotel de Rema u. a., noch :
ta w. -ti.n: t: x t. .rx .:v rr . r . a
11 WU QllCIlUIUUmtn, VTUiCa'CllC ViUU3
! Huefpcdkö (j'osthauscrn).
" Infolge der Wohnungsnot ist natür
jch auch die Baulust mächtig erregt wer
en, und so sind denn an allen'Enden
,,,:,r,r:,.. ...r-r. '4 (.:,,..
TlllULLLtl U1LAU1I11UC UULU 1LUU1II llltC l-'IC
bude entstanden, die vielen sonst un
sehnlichen Straßen ein wahrhaft groß
iädtisches Gepräge geben. Der große
jäuserdurchbruch Gran Via, vor ?ehn
iahten begonnen, ? der früher den
dchneckengang ging, ist jetzt weit fort
xdiehen, und wo einst schmierige, an
enstrotzeude Spelunken siechten, glänzen
cht und zehnstöckige Marmorpaläste,
ie den Vergleich mit den protzigsten
. 5tadtgebäuden der Welt aushalten tön
n, und in deren Erdgeschossen lur.u
löse Läden, .Banken. Restaurationen,
laföö usw. eingerichtet sind. Wescnt
ich zur Ausgestaltung der Stadt hat die
tatsache beigetragen, daß viele wichtige
öeschäftshäuser, wie Banken, Versiche
nögesellschoften. McdengksciiSfte.'Wa
enlagcr und dcrgl. sowie auch vornehme
Ilut. eigene Gebäude errichteten und
Inander an Pracht und Luzuz zu über
iclrn suchten,
llnjer Im jüncisten öfftntlicheg Ge
Lilien Kais der neue Pc't imd Tele
v ra!.chen-Palnst zu erwähnen, in dem
l)U der Weltpostkonnceß lagen sollte,
t da:g weg: de Krieges verschoben
3;rb;n mi ßte. Madrid, teti sonst da
fernste Postg:bäu!'e hatte, hf,(jt nun
i?hr da schönste und großartigste t:t
Ml Es erhebt sich am he:rllck,en Ei
' eleZ'Plcd. .'gcHüb der Dank vor
Spanien und den Kricgsministerium,
,:n itreuzungkpunkt der Prsmenadcn
Z Prado und KecolciS mit der 40
Acter breiten und 4000 Meter lagm
llcala-Straße. .
Noch vor wenigen Jahren war Ma
rid einentlich eine altfränkisch und bie
rmeierisch aussehend? Ortschaft, wo kS
ur drei oder vier Restaurationen und
nize Geschäfte zeite oder dritten
ÄanKö gab. und keine einzig, Bar, fon
::n primitive, schmutzige Kneipe sowie
'ämmeriae. verschlafene Caf. Jetzt
,idt e Dutzende von große modernen
,?"'? und prunkhcfte Schankwirtschaf
Un, und Hunderte do eleganten, kleine
rcn Trinklokalen, Bar, die allen An
forderunge Genüge Kisten.
Der Weltkrieg hat, mit etwa schros
fem uck, olle Uhren vorgeftellt. So
hat hier die yrauenfraoe, die lange Jahre
bloß Gegenstand theoretischer Eröterun
ge war, jetzt resolut den praktischen Bo
den betreten. Der mittlere und akade
Mische Unterricht, früher ein aukschließ
liche Revier de sogmannten starken
Geschlecht, sowie die meiste öffentlichen
und privaten Karriere flehen beiden Ge
schlechter osfcn, ohne daß jemand An
stoß daran nimmt. Nächsten werde
die Körte da neue Wahlgesetz votieren,
welche de Frauen vom drciundzwan
zigsten Lebensjahre ab da Stimmncht
verleiht, und spät soll auch die Wähl
barkeit der Frauen bewilligt werden.
Während noch vor wenigen Jahren in
Spanien die Frau fast in demselben
Maße wie im Orient ingeengt war, sich
z. B. ohne Begleitung eine Mnnnek oder
einer altere Gcschlechtögenolssin nicht
auf der Straße sehe lassen durfte, fit
sie jetzt vollständig emanzipiert, und eö
fällt gar nicht auf, wenn eine junge
Dame allein ein CafS oder eine Bar be
tritt und dork etwa zu sich nimmt.
Rauchen aber tut die Spanierin noch
Immer nicht, trotz des bezüglichen Rufe,
de sie im Ausland feit langem genießt.
Wenn eine Spanierin raucht, dann ist
sie ebe keine Spanierin. -
Auch va die Kleidung anbetrifft,
haben die Weiber, hiet sich unsäglich frei
gemacht. Sie wissen förmlich nicht
mehr, wak sie antun sollen, um sich mög
lichfi entblößt sehen zu lassen! Alle Fes
seln sind gesprengt, alle Schleier gelüstet.
Die Leibchen sind ja so tief auZgeschnit
ten, die Röcke nicht fuß, nicht knöchel,
soeidern schlankweg kniefrei, und so
durchsichtig, so durchsichtig .... Oh!
man sieht, daß da Tuch auch hier sehr
Das Kroße Schauspielhaus
in
von Kaul
In wenigen Wochen wird Mar Rein
hardt sein Mafsentheater eröffnen, daö
über 3000 Menschen zu fassen vermag.
Die Zirkusauffllhrungen des .OedipuS"
uüd Jedermann" erweisen sich jetzt als
Experimente zur Erprobung eines neuen,
auch in sozialer Hinsicht bedeutsamen
Theaterthps. Reinhardt hat aus diesen
Erfahrungen heraus den ehemaligen Zir
kuZ Schumann umbauen lassen zu einer
Buhne, die zweifellos für die kommende
Theaterreform richtunggebend sein dürfte.
Daß dieser Bau, obzmar er unter Heu
tigert Verhältnisse nur ein Umbau sein
tonnte, zugleich zu einem bedeutsamen
Werk der Architektur geworden ist, daß
er als erster Versuch schon die künstleri
fche Lösung zn sein scheint, ist von
außerordentlicher Bedeutung. Mancher
lei Umwege und halbgeglückte Verluche
bleiben so von vornherein dem Massen
theater, da gewiß nicht ein aus Berlin I
beschrankter Sondersall bleiben durste,
ersvart.
Reinhardt hat sich schon einmal bei der
Errichtung seine Kammerspielhauses als
Bauherr von seltener Jnstinkthaftigkeit
gezeigt. Er hat damals dem intimen
Konversationsstück nicht nur den natur
gemäßen Rahmen geschaffen, er hat in
Willi. Müller, an dem die Bauher
nn, als ok daö eine stillschweigende Ver
abredun, gewesen Ware, bis an sein un
glückliches Ende immer achtlos vorüber
gegangen sind, den Wohl begabteste der
Messelschüler herausgefunden und ist so
zu einem Schauspielraum gekommen,
der an sich schon Kammermusik ist. Jetzt
bei der Umgestaltung deS Zirkus Cchu
mann hat d.ese Klugheit, die doch wohl
auch als Jnstlnktaußerung zu nehmen
ist, sich aufs neue und wieder aufs glän
zendste bewährt. Reinhardt ist, um zu
seinem Baumeister zu kommen, nicht der .
Verantwortung ausgewlchen, indem er
zu einem schon zur üblichen Gedanken
losigkeit gewordenen und selbstverständ
lich fast zur Kompromiß-Leistung sllh
renden Wettbewerb gegriffen hat. Nach
verschied nen vergeblichen Versuchen mit
mmeistern. die man bei solcher Ge
legenheit immer zur Hand hat, hat er sich
an einen erfahrenen uno verammor
tungsbemußten Architektenkenner: an
Karl Scheffler gewandt, der ihm in
Poelzig den Mann für eine so große und
neuartige Architekturaufgabe bezeichnete.
Die Wahl konnte nicht schwer, fallen,
den n:btn Van de Beide, der in Köln
da eminent geistreiche Werkbund-Thea
ter geschaffen hatte und der prattilch
wohl nicht mehr in Betracht kam. nach
dem ein geradezu sträfliches Kunst'Pbi
listertum in Weimar ihn au Deutsch
land vertricben hatte, haben wir neben
dielen Baumeister, ja nur diesen einen
Baukünftker ganz großen Stiles.
Wenn schon jede große Architektur
anläge t diffizileb Problem ist, so wa
rcn hic, Schwierigkeiten zu bewältigen,
die, wenn man sie schildern würde. Ines
oer merkwürdigsten Kapitel der Bauge-
schichte abgeben könnten. Sogar, wenn
man absieht von au den Hemmungen,
die i der Zeit liege. Die Aufgabe war
ja die, au. einer an sich schon verbauten
Zirkukrotunde, die ursprünglich ff
Markthalle errichtet und für die Zwecke'
des Zirt.tf notdurstig nur zurecht ge.
macht war, einen FcinmechaniSmuS. wie
er ei solche, in jeder Hinsicht doch un
xewohnliches Schauspielhaus ist, zu ge
stalten, ersteht jich, daß man in einer
Teuerungszeit wie der heutigen bestrebt
war, trotz der Monstrosität de Vorhan
denen mit so wenjgen Veranderungea
und so geringen Eingriffen al möglich
aukzukdmmen. Aber nicht - nur Wirt
fchaftliche Rücksicht verboten jeden
energischeren Zugriff. Durcb die man
chttlei Umbau'Prozedure. iit d
zum Zi.ru gewordene MarKhalle dor
Urne geworden und daran so viel al
möglich gespart werden muß.'
Früher hatte die Spanierin, man
könnte beinahe sagen, die Bleichsucht,
nämlich die Sucht, so weißhäutig wie
möglich zu erscheinen, und puderte sich
demgemäß. Heute ist die dunkle Haut
Mode. Junge Mädchen waschen sich
alle sichtbaren Teile de Körper (sie
sind zahlreich) mit verdünnter Jodtink
tur, um eine mulattisch braune Farbe
zu gewinnen. Vollfleischige Typen
mit schwellenden Lippv, und Feuerblicken
mag da gut stehen, aber bei mageren,
schmächtigen, mattäugigen Dämchen ist
die Wirkung eher grotesk.
Sonst hörte man in Madrid sehr sel
ten ein fremde Wort: heute ist die'spa
Nische Hauptstadt ein wahre Bbel.'Un
ter den zahllosen Fremden, die der Welt
krieg und seine Folgen hierher verschla
gen hat, befinden sich allerdings auch
viele unliebsame Elemente. Ein ameri
konischer Konsul hat inst in einem amt
lichen Bericht Spanien .da Land ohne
Einbrecher" benamset. Da könnte er
heute nicht mehr tun. Seitdem ftanzö
sische Apachen rudelweise hierher geflüch
tet sind, kommen alle mögliche Berbre
chen vor. und besonder Naubansälle und
Einbrüche.
Nicht nur die Wett, sondern auch die
Halbwelt ist durch den Krieg in seinen,
Grundfesten erschüttert worden Ein
ganze Heer von ausländischen, Venus
dienerinnen ist hereingestürmt und hat
auch im Bilde deS nächtlichen Madrid
viele Züge verzerrt. Der betreffenden
einheimischen sozialen Klasse ist dadurch
ein. sagen wir .sauberer Wettbewerb
entstanden. Und da hat sich der Selbst
erhaltungStrib geregt.' Alle Interessen
ten vereint haben in einer merkwürdigen
Eingabe 'an die Regierung die Auswei
sung der fremden Konkurrenz gefordert.
Die ndtionale Arbeit, auch wenn sie
Nachtarbeit ist. muß geschützt werden.
Im Fall der Nichterhorung soll der Ge
neralstreik eintreten...
Man erlebt eben sonderbare Dinge im
heutigen Madrid.
Aernn.
tvestheim.
genommen Korden waren, blieben, m
ur von einem Beispiel zu den, an
allen mögliche und unmöglichen Stellen
im Zuschauerraum, in fast allen Um
gängen und manchmal sogar mitten in
den Gängen Stütze stehen, die' von
den Sktikern für sakrosankt erklärt wur
den und mit denen die Architektur sich
abzufinden hatte. Als der wirklich ge
niale Baukünftler der er ist. nahm
Poelzig das alles als Gegebenheiten, als
etwas, waZ einen weiter nicht störe
dürfe. Und wenn an dem Bau, (an dem
ihm al. Bauleiter der Architekt Paul
Sydow zur Seite stand), sonst nichts zu
schätzen wäre, so bliebe das allein schon
als Krnststück ' bewundernswert, wie
überhaupt nichts mehr zu spüren ist don
dieser Vertrackkheit de struktiven Gerip
des, wie ällcs sich fügt zu einer planvol
len, scheinbar so und nicht anders ge
wollten Ordnung.
Als kürzlich von Poelzig die Entwürfe
und Skizzen zu einer Reihe neuer, Hir
Dresden bestimmter Großbauten: einem
Stadthaus, einer Feuerwache, einer Mu
feumsanlage oder einem Konzertsaal
veröffenc'.cht wurden, da gab es inner
halb der Zunft mancherlei Kopfschlltteln
und man sprach einigermaßen abschätzig
von dem .Phantasten". Aber das ist
gerade des Besondere und Bedeutende,
was ihn unterscheidet von den heutigen
PseudoÄrchitelten, hie mit literarischen
E'mfällcn auf dem Papier herumvagie
ren: d es Phantasien eines Realisten,
eines Architekten sind, dem Stein und
Eisen z Raumwirklichkeiten sich fügen.
fiC glaube nicht, daß die Papier und
Modellskizzen zu diesem Schauspielhaus
anders ausgesehen haben als die Ent
würfe den Dresdener Bauten. DaS
Charakteristische ist eben, daß Poelzigs
Phantaftik fo ungestüm nach der Aer
wirklickung verlangt, daß die Wider
stände der Materie, wie sie sich ja gerade
bei tUUz . zeigt: ihn nicht läh
men. sondern im Schöpferischen produk
tiv machen mußten.
Der Außenbau verrät überraschend
schon du eigenartige Mischung bei Ele
mente. die Poelzig besonders zu reizen
scheint: formale Kühnheit bei großer Zu
rückhaltung im materiellen Aufwand.
Die Einheit des Innern, die Zuschauer
räum uro Bühne in einem umfaßt,
charakterisiert Poelzig nach außen keck
und zugleich wohl überlegt, indem er die
Fassade, zu einem einzigen, weit aus
schwingenden Giebel macht. Auf plasti
fche Ausladung ist. schon um mit dem
vorhandenen Bestand weitgehend zu
wirtschaften, fast ganz verzichtet. In
den Verputz wurde ein Shstyn von
engen, steil emporgeführten Bogenfor
men eingetieft; im übrigen wurden die
straff rhythmisierten Flächen , durch
Farbe ein lebhaftes, verschiedennuan
ciertcS Rot bewegt.
Wie Poelzig im Aeußeren durch die
Farbe als forciertes Ausdruckselement
zu besonderer Wirkung zu gelangen
suchte, so hat er seine Architektur im In
neren auf ein och weniger beachtetes
Element: 'den Lichteffckt. eingestellt.
Augenblicklich läßt sich,- da durch den
ElektrizitätsarbeiterStreik die Anlage
noch nicht ganz fertiggestellt werden
konnte, lediglich von der Absicht sprechen.
Es ist der Bersuch gemacht worden, das
Hauö, als ob es selbst eine Bühne wäre,
in eine Art Rampenbeleuchtung zu setzen
und Formen zu entwickeln, die durch in
direkte Beleuchtung, vielmehr eine Durch
leuchtung von innen her ein phantastisch
magische? Spiel mit Licht und Schatte
ermöglichen. Säule und Konsolen, die
als lästige Erbschaft don dem Zirku her
da waren, wurden (von Frl. Moesch
modelliert) ausgebildet zu phantastischen
Lichtträgern, die vor allem die große
Mittelsäuk de Vom uxafcuu &U
au sich heran strahlende Lichtbäume
anmuten. Und seltsam unwirklich muß
die Stimmung de Zuschauerhause sein,
wenn eingebaute Lichtkanäle, paraboli
sche und elliptische Spiegel die von der
Kuppel herabhängende Logen und Zac
ken durchleuchten.
Die co.i den Zirkuö-Aufführunge
angestrebte Suggestion einer Einheit von
Bühne und Zuschauerraum war auch
architektonisch zu stützen. Bühne uind
Zuschauerraum sind als eine große Ein
heit behandelt und gestaltet Korden. Die
Bühne, die al technische Leistung a sich
zu betrachte wäre, schiebt sich mit einer
Vorbühne und einer, Orchesterbühne mit
ten in den Zuschauerraum herein. Wie
dieZirkusmanege wird sie von den Zu
schauerryhen umspannt. Ihren tektoni
schen Ausdruck findet diese Anlage in
einer mächtigen, frei fchwebenden Kup
pel. Diese Kuppel wa, die Aufgabe für
Poelzig, an ihr konnte er sein architek
tonische? Temperament, seine Musikali
tät. seine überraschende Erfindungsgabe
erweisen. Er gibt ihr eine sw Zonen ge
staffelte Form, bildet einen Kranz von
konzentrischen Ringen, die umsäumt sind
von hängenden, bogenförmigen Zapfen
auS Rabitz. Diese Zapfen eine in
stinktive Lösung für daS ungewöhnliche
und erfolgreich bewältigte Problem
der Akustik rieseln gleichsam herunter
über die nicht zu beseitigenden Stützen,
umkleiden Orgelcinbau und eine Musi
kantenloge und schaffen die Vermittelung
zwischen den. unteren Kuppclranh und
der flachen Decke de Zuschauerraums.
Diese Kuppel hat etwas Magisches,
MärchenyafteS. In ihrer Mischung von
sakraler Monumentalität und launiger,
erfinderischer Spielerei ist der Sinn deS
Theaters und gerade dieses Theaters
frappa'it getroffen. Durch sie ist der
Ton auch für alle Nebenanlagen gegeben.
Gänge, Korridore, daS Foyer usw. sind
ebenso auj diese einzigartige Mischung
von Monumentalität und Kulisse ge
stellt, wobei der Rabitz sich als ein -noch
längst n'cht in der Vielseitigkeit seiner
Möglichkeiten erkanntes Material erwei
fca 'sollte. Ein französischer Journalist,
der seiner Zeitung über diesen Bau be
richtete, schrieb angesichts dieser Anlage
von orientalischer Gotik oder gotischem
Orient und hat damit etwa sehr Rich
tigcS ausgesagt, über den Nerv dieser
höchst eigenartigen architektonischen Tem
perament-Anißerung.
Angesichts dieser zwingenden Gefial
tung, die sicherlich zu den Dokument
rionen gehören wird, die einmal unserer
heutigen Generatio als künstlerische
Leistung zugerechnet werden dürfen, mutz
man mit einiger Wehmut gedenken der
großen Dresdener Projekte Poelzigs, die,
weil wir eben ein verarmtes Bolk ge
worden sind, dazu verurteilt sein dürs
ten wie SchliUers Berliner Schloßplan
und die größten Konzeptionen Schin
kels auf dem Papier zu verbleiben. Ein
drastische.' Beispiel für den uns bevor
stehenden Kulwrsturz. über dessen ganzes
Ausmaß wir, wie es scheinen will, uns
noch längst nicht klar geworden sind.
Schließlich ist daS Brachliegen einer so
großen architektonischen Schöpferkraft
wie sie jedem Volk in Jahrzehnten im
mer nur einmal beschert sein kann, kei
neswegs nur Dresdener Angelegenheit.
Män muß, teifct -l)i mit so ausge
zeichnet .m Erfolg geschehe ist. an einen
Man wie Poelzig denken, wo immer
eine ganz große Bauausgabe zu bewal
tigen ist. Weniger al je können wir
un den Luxus erlauben, schöpferische
Kraft zu verzetteln; auch mit dem
Talent werden wir ökonomisch zu Wirt
fchaften haben. Deshalb können wir unS
auch nicht dabei beruhigen, daß die gro
ßen Dresdener Projekte Poelzigs Pro
jekte bleiben sollen; was im Fall Wag
nerBayreuth möglich war, müßte hier,
wo es sich um' Baukunst von sicherlich
viel größerem AuSmaß handelt, ebenfalls
möglich feirt.
Sme Geschichte vsnAant
und dem abgerissenen .
Ansxf.
Kant hatte auch in jüngeren Jahren
eine ziemlich leise Stimme, und je älter
er wurde, desto weniger weit trug beim
Vortrat sein Organ. Die Studenten
strebten daher, ihm bei der Vorlesung so
nahe als möglich zu sitze, denn in einer
Entfernung von fünf Schritten mußte
man schon alle Aufmerksamkeit anwen
den, um ihn zu hören, und in einer Ent
fernung von acht Schritten war es fast
unmöglich, ihn 'zu verstehen. Die Stu
denten, die nachschreibett wollten, setzten
sich immer auf die vordersten Bänke, und
Kant hatte die Gewohnheit, seinen Blick
insbesondere auf einen zu heften, der ihm
gerade gegenüber saß. DicS war eine
Zeitlang ein junger Mann, dem ein
Knopf a seinem Rocke fehlte und der
diesm Mangel aus Nachlässigkeit nicht
abhalf. Während deS Vortrage? blickte
der Professor unverwandt auf ihn, und
zwar waren feine Augen auf die Stelle
gerichtet, wo der Knopf fehlte.
Schließlich aber ließ sich der Student
den abgerissenen Knopf an seinem Rock
durch emen neuen ersetzen , und erschien
so auf seinem gewöhnlichen Platze.' In
dieser Stunde aber war Kant auffallend
zerstreut, verlor öfter den"Faden seines
VortrageS, und iu seinen Beweisgrün
den herrschte weniger Zusammenhang.
AIS die Vorlesung zu Ende war, ging
er aus den Studenten zu und sagte zu
ihm, ,er habe seit geraumer Zeit bemerkt,
da ihm ein Knopf an seinem Rocke
fehle. Der junge Mann wurde über
und über rot, weil er sich auf dieser Un
ordentlichkeit ertappt sah. bat um Ver
zcihung und erklärte dann, daß er sich
den Knopf nun habe annähen lassen.
.Aber nein." erwidert nun Kant etwas
unwillig, .das möchte ich ja eben gerade
nicht. Ich wünsche vielmehr, daß Sie
den angenähten Knopf wieder wegneh
men lassen, denn der ftört mich!"
EinkModeme.
- Satte: .Möchtest du mir nicht diesen
Weftenknops annähen, liebe Rosa?"
Junge Frau: .Da verstehe ich nicht,
Han v- aber ei Auto kann io) repa
rtcttc,! -
Aeiz und Jetäuöung
Gin Veitrag zur Krankheit unserer Zeit.
Von San.'Rat Dr. Max Gdel (Ckzarlottenburg)'.
(Berliner kageblatt.)
Die ungewöhnliche seelischen Anspan
nungen der Weltkriege und seine für
die Gesamtheit wie für die einzelnen so
fühlbaren Folgen haben mehr al je da
Bedürfnis nach Anreiz und Betäu
bungsmittcln für einen großen Kreis
von Menschen mit sich gebracht, "welche
bi dahin weder solcher Mittel bedurf
ten, noch ein Verlangen danach hatten.
Alle Leidenschaften sind wach geworden:
die Tanzwut, der Spielspleen, der Film
fimmel, der Konzertraptus, de? Thea
terkoller. DaS wahnsinnige Rauchen
wurde nur durch Knappheit an Roh
stoffe tmaS eingedämmt: die Trauben ,
des so beliebten Alkohol sind duh die
für viele unerschwinglichen Preise hoch
gehängt, auch teilweise durch Verwässe
rung an ihrer Wirkung als Rausclzmittel
illusorisch gemacht. Dies hat wenigstens
dem Alkoholismu als Volkskrankheit
mit seinen schlimmen sozialen und hygie
Nischen Folgen einen großen Teil seine?
Schreckens genommen, und so sind er
freulicherweise wenigsten! die alkoholi
schen Geistesstörungen ganz erheblich zu
rllckgegangen.
Ein Ersatz für den Alkohol wurde
aber in berauschenden Mitteln wie Mor
phium und Kokain, gesucht und gefun
den, da die äußerst abgespannten Ner
nen nach Auspeiischung und Betäubung
verlangten. Denn die Nervenerkrankun
gen, die nach dem Kriege häufig beob
achtet werden, bringen außer anderen
schlimmen Erscheinungen auch Störun
gen deS Schlafes mit sich. WaS Wun
der, daß bei seelischen Aufregungen un
serer Zeit diese Giftblume de? Mor
phinismus und Kokainismus gedeiht und
daß der Trosttropfen Vergessenheit be
gierig geschlürft wird! Gewiß sind
Morphium und Kokain anerkannte und
vorzügliche Mittel zur Schmerzbetäu
bung, die in der Chirurgie, beim Zahn
arzt, bei unheilbaren inneren und Ner
Denkrankheiten sehr woh? am Platze sein
können, bei gewissen psyckiischen Stö
rungen sogar in Form des OpiumS
außerordentlich beruhigend wirken. Aber
der Krieg hat eine ganz andere Anwen
dung mit sich gebracht, die sich zu einer
Gefahr auszuwachfen droht. Bezeichnend
ist, daß w der jetzigen Zeit dem Hange
nach diesen Mitteln nicht nur, wie
früher, Menschen verfielen, die von HauS
aus nervenschwach erblich belastet, min
derwertig waren, sondern daß von vorn
herein gesunde Menschen unter der un
günstig veränderten Lage ebenfalls in
dieses gefährliche Fahrwasser gerieten.
Offiziere und andere Leute in verant
wortlichen Stellungen griffen zu Reiz
Mitteln, um sich künstlich aufrechtzuerhal
ten. Geistige Arbeiter, die durch ihren
Beruf gezwungen sind, nachts aufzu
bleiben, Schauspieler, Kabaretklünstler
und dergleichen unterliegen, um so leich
ter der Versuchung, als das subjektive
Gefühl des leichteren Gedankenablau
fes und der beschleunigten Produktivität
sie veranlaßt, immer wieder zum Rausch
Mittel zu greifen, ohne zu bedenken, daß
dadurch der objektive Wert ihrer Leistun
gen immer mehr sinkt. Wie manche
Aerzte, Apotheker und Krankenschwestern
sind leider selbst dieser Leidenschaft durch
ihren Beruf und die Leichtigkeit, mir der
sie sich die Mittel verschaffen konnten,
verfallen. Und jetzt ist die Gefahr um
so größer, weil auch weitere Berufs
zweige zu diesen Reizmitteln gelangen
können, denn sie sind bei dem Sinken
des allgemeinen , Moralzustande? heute
leider viel bequemer zu haben als sonst.
Junge Morphinisten und Kokainisten er
zählen lachend auf die Frage, wieso sie
zu ihrem Laster gekommen seien, eS sei
doch Mode, außerdem sei ine Dosis
Kokain immer noch billiger als ein guteg
Abendbrot in eiem besseren Lokal.
I der Tat sind diese Mittel form
lich Mode geworden; es ist ein offenes
Geheimnis, daß sie in Nachtlokalen heute
feilgeboten werden, und daß in 'vielen
Bars und an ähnlichen Stätten ächt
lichen Vergnügens namentlich Kokain
zum Schnupfen serviert wird. Es ist
wohl nicht zu viel gesagt, wenn man
den Umsang des Mißbrauchs von derar
tigen Betäubungsmitteln, besonders von
Kokain, soweit eö sich um Grvß-Berlin
handelt, in eine gewisse Parallele zum
Opiummißbrauch in China und Indien
setzt. ' Frauen, die .spritzen", verführe
ihre Männer, und umgekehrt Junge
Leute werden von ihren Freunden zu
einem Versuch mit dem Mittel bewogen,
und schon hält der Rausch ihre Sinne
gefangen. Was die Gefährlichkeit dieser
Mitkil anlangt so ist noch nicht genug
bekannt, daß sie zwar augenblicklich an
regend wirken, daß aber immer größere
Air alle haöen gejündigt!
Brief eines Franzosen an einen Schweizer.
8TI8 Antwort aus Paul II olfc
nen Briel' an Romain Rolland (er.
Imrr Tagebialt) sendet ein in Berlin
lebender Franzose d folgend Er
tvidcrung.
S.chr geehrter Herr Paul Jkg? ,
Nach so viele offenen Briefen hake
ich auch den 'Ihren gelesen und frage
mich, waS er Wohl nützen könnte! Ein'
sichtige Leute in Frankreich wissen alles,
wa Sie da gegen unseren Militaris'
mu anführen, sehr gut. Solche Leute
leiden felbst darunter, sind aber macht
loS. Ebenso machtlos ist Romain Rol
land, und auch er vermag a der Tat
fache, daß linse Ritterlichkeit Schiff
bruch gelitten hat, mchtS zu ändern. Er
lauben Sie mir,' en paant, die kleine
Bemerkung, daß man mit solchen Stich
Worten die ' Völker immer über ihre
Eigenart tnegefülzrt lzakj in Voll ist
Dosen erforderlich werden, um die gleicht
Wirkung hervorzurufen, und daß schließ
lich zu hohe Dosen gegriffen wird, die
giftig wirken und die Gesundheit völlig
untergraben. Da schlimmste ist aber,
daß nicht nur der Korper angegriffen,
sondern daß auch der Charakter verdor
ben wird. Hat man eS auch fertig ge
bracht, davon frei zu werden, so verfällt
man bei der ersten Versuchung wieder in
den alte Hang, wenn man nicht durch
sachgemäße strenge ärztliche Behandlung
einen dauernden Halt gewinnt. Sonst
ist man rettungslos verloren und der
schleichend Giftwirkung ausgesetzt.
Die Erkrankten vernachlässigen sich, be
kommen, soweit sie das Mittel in
spritzen, Hautverdickungen, Geschwüre am
Körper, werden schwach und hinfällig
und altern vorzeitig. Die Persönlich
keit ändert sich. Da ganze Denken
und Trachten wird auf die Erlangung
des Mittels gerichtet, und dabei wird
skrupellos vorgegangen: gelogen, gestoh
len, Rezepte werden gefälscht und rn
dereS. In einer Gesellschaft, in der Mor
phinisten und Kokainisten teilnahms
los und müde erscheine, verschwur
den sie auf kurze Zeit, um nach Einöer?
leibung des Mittels höchst angeregt und
aufgeheitert wiederzukommen. Bei Ko
kainmißbrauch kommt es zu Sinnes
täuschungen und Versolgungswahnvor
stellungen. ' Unangenehme Hautempfin
düngen und Jucken treten auf, und die
Kranken wähnen, daß kleine Tierchen
unter der. Haut sitzen, nach denen sie
suchen. ' ' ''
Der Mißbrauch mit diesen Mitteln
ruiniert nicht nur den Charakter, son
dern untergräbt auch daS Familienleben.
Zum Beispiel mußte eine an Morphi
nismus erkrankte Witwe nebst ihrem
. minderjährigen Sohn, den sie zum Mor
phinismus verführt hatte, kürzlich zur
Behandlung fortgebracht werden, wäh
rend das. jüngste Kind in ein Erziehungs
heim kam. Aber auch die wirtschaftliche
Existenz wird zerstört. Die Möglichkeit,
an diesen im Preise hochwertigen chemi
schen Produkten viel Geld zu verdienen,
und die Vorteile, welche die Beschaffung
wegen der geringen Gemichtsmengen dem
Schleichhandel und dem Schiebertum
bieten, bilden einen besonderen Anreiz,
harmlose und unwissende Menschen zum
Gebrauch der Mittel zu verführen und
pekuniär zu ruinieren. Neben' Mor
phium unS Kokain werden noch andere
Mittel als Anreiz und Betäubung viel
fach angewendet, wie Aether, Baldrian,
Paraldehyd, Heroin. Pantopon, Holo
pon, Chioral und Bromural, welch letz
teres bei längerer Gewöhnung und stör
lerer Eiftwirkung der Paralyse ähnliche
Krankheitsbilder hervorzurufen vermag;
schließlich auch daS Verona!, das jetzt
beliebtes Mittel geworden ist, um sich in
ein besseres Jenseits zu befördern.
. Alle die genannte Mittel und noch
manche andere sind geeignet, Raufchzu
stände hervorzurufen, sie haben aber bei
längerem Gebrauch eine äußerst gefähr
liehe und gesundheitsschädliche Wirkung.
Die Gefahren sind so groß, daß solche
Mittel nur in der Hand eints erfahre
nen ArzteS bei dringend angezeigten
Fällen angewandt und nicht wahllos
einem jeden zum Gebrauch überlassen,
auch nie dem Kranke selbst in die Hand
gegeben werden dürfen. Eine sehr mich
tige Aufgabe der Polizei dürfte s sein,
sich einmal bestimmte Dielen und Nacht
lokale, in denen Kellner verartige Mit,
tel servieren, genau daraufhin anzu
sehen und überhaupt alle Quellen zu
verstopfen, auf denen ine solche bedroh
liche Schädigung der Volksgesundheit
erwächst. Sehr wünschenswert wäre es
auch, wenn die in ihrer großen Mehr
zahl durchaus zuverlässigen Apotheker
sich selbst zusammenfinden, um der n
setzewidrigen , und höchst gefahrvollen
Abgabe differenter Mittel, welche unter
Umgehung der Apothken geschieht, einen
Riegel vorzuschieben. Sache der Juri
sten endlich wird es sein, die strafrecht,
lichen Bestimmungen, von deren An
Wendung in solchen Fällen nur seilen
etwas zu hören ist, daraufhin zu prüfen
ob sie zum Schutze der Bevölkerung aus
reichen, die stch über die Tragweite der
Benutzung dieser Mittel keine Rechen
schaft geben kann. Aufgabe der öffent
lichen Gesundheitspflege, der Behörden
und der Presse schließlich ist es, in die
sem Sinne das Publikum auf da
schärfste gegen gewissenlose Verführer zu
schützen. Ein Trost: wenn die Zeiten erst
ruhiger werden und wieder gesundere
Verhältnisse eintreten, wird auch da
Verlangen nach derartigen Reiz und
Betäubungsmitteln wieder in den Hin
tergrund treten zum Segen unserer
Bolksgesundheit.
nicht ritterlicher als ein andere, und kein
Volk hat eine desondere Tugend für sich
allein gepachtet. Die gleiche Fehler und
Irrungen finden sich bei allen Völkern
und Menschen leider!
WaS mich persönlich am meisten wäh
rend deZ ganzen Krieges angeekelt hat,
war dieser Ausfluß redseliger Rechthabe,
rei und tugendhafte Getues, daS eine
iible Gewohnheit der angelsächsischen
Welt ist, und zu unserem Bebaun ge
rade von der Entente in abgSschmaSter
Weise gepflegt wurde. WaS. kamt da
gegen, aber Romain Rolland tun? Sie
gehen von einer falschen Voraussetzung
aus, fürchte ich, nämlich: von der Vor
aussctzung, daß der Einfluß vo Ro
main .Rolland in Frankreich f groß ist,
wie ma ihn sich in Deutschland vor
stellt. Ek dürfte Ihnen aber nicht un
.bekannt fei, daß die Art diese große
Schrsftsiellcr schon a sich den Fran,
zosen fremder ist all der germamschtii
Welt, und daß die Intellektuellen, dereki
Krei er angehört, auf diese Masse keinen,
nennenswerten Einfluß haben. i
Schon vor dem Kriege existierten gros;,
Freundschaften zwischen Deutschen v.nt
Franzosen, ge Gesellschaften zur Ar
bahnung eine besseren BerstehenS. wo
bei aber stet die Teutschen viel za!,l
reicher und benirek Mren al die Fran
zoseril Immerhin konnte man die bcs'in
Hoffnungen hegm und der Krieg fcr.l
alle fo gut wie weggefegt. Warum l
Weil e un allen an Mut gefehlt hat.
Man hat un die Ohren oollgered: vom
sogenunrkten Heldentum, sie waren aber
keine Httdengenerntion, sonrn Horden
menschen, die die Staaten zur Schlackt
dank geführt haben. Heldent,im wäre
gewesen: Wut zum Äckenne der
Wahrheit. Wer hat ihn gehabt Die
diesen Mut gehabt haben, sind in der
ganzen Welt ,zu zählen, und e waren
meist Männer, die im Banne nner poli:
tischen Anschauung standen, kaum solche,
die der infachen, in menschliche
Wahrheit wegen bereit gewesen wäre
ihn Kopf zu wagen. Der Bürger hak
rerigt die Mensche waren feig?,
und bleiben feige. !
ES wäre man5e anzvführen UUi
sonstige Gründe, die die jetzige Menta
lität in. Frankreich erleichtern, begünsti;
genx-zum Beispiel die Ignoranz der
Masse, die Abhängigkeit der öffentliche
Meinung von einigen üblen Pariser Zeij
tungen usw. . ßl würde mich der hiek
zu weit führen, gegen alle falschen Auf!
fassungen der französische Psyche B
weise aufzuzählen. Man hateine vorl
gefaßte Meinung und größtenteil ein,
falsche Meinung über ein Volk, und ich'
könnte Zum Beispiel iiecr'Jhr igene
Volk, über die Schweizer, Manches aus
sagen, daS in die Desfentlichkeit selten
gedrungen ist: über den militärischen
Geist bei Ihnen, die Illusion der demo
kratischen Fassade, die Herrschaft der
Plutokratie. Ich könnte das Mäntelchen
der Nächstenliebe, 'in daö di Schweiz
sich zu gern hüllt, etwaö lüften. Ihre
Regierenden sind nicht fanft mit den
Verstoßenen umgegangen. daS Geld ist
dort zu schr angesehen worden, und die
geldlose .Ueberzeuzung zu schmählich be
handelt. Sie werden mir entgegnen:
Wir wann nicht Herr im Hause! Ja,
leider, daö weiß ich. Ist Jb Regie
rung bet nicht in wenig selbst schuld
daran gewesen?
Glauben Sie mir, verehrter Herr, und
eS soll mein letztes Wort sein: ich möchte
nicht irgendwie die Fehler der französi
schen Machthaber vertuschen. Meine
Meinung ist im Gegenteil, daß sie sich
beim Friedensschluß sehr unpolitisch, sehr
kurzsichtig benomnien haben, und daß
diese Kurzsichtigkeit sich an Frankreich
einmal bitter räihen wird. Frankreich
wird eines Tage? allein dastehen, wn
seinen Helfern verlassen, die jetzige poli
tische Konjunktur kommt nie, wieder
wehe dann dem armen Volk! Man hätte
sich eine sorglosere Zukunft gesichert,
wäre man mäßiger und vornehmer in
seinen Ansprüche- gewesen, hätte man
den Feind nach den'Regeln, die Peguy,
der alte Freund Romain Rollands. so
schön aufgestellt hatte, behandelt! Nein,
ich will nichts beschönigen, nichts ttt
tuschen, ich bin mit Ihnen ins in der
Verdammung des üblen Benehmens deS
Siegers ober ich frage mich immer
wieder: wag kann ein offener Brief an
Romain Rolland daran ändern? Und
ich meine auch, daß wir nicht nur in den
Augen deS Nächsten den Splitter fchen
fallen.'
Im übrigen -möge die diele AnsLtze
zur Verständigung wirklich zu Macht
faktoren werden, und da bin ich ganz
der Meinung Kurt HillerS: E i h k i t
und weg mit jedem persönlichen Ehr
geiz und Konventikelgeist!
Demütig sollen wir alle anS Werk ge
hen. denn wir alle habe gesündigt gegen
die heilige Wahrheit. '
Ketrus als Theaterkrk
t!ker.
Der Äomiker Beckmavn, der Schöpfer
du Figur des Eckensteher Rante". r
regte nicht nur auf der Bühne Lach
stürme, fondern war auch in der Gesell
schaft wegen feines WitzeS berühmt.
Einst wurde r bei einem fröhlichen Zu
fammenfein von feinem Kollege Pohl
aufgefordert, doch einige Witze loszu
lassen. Er habe gerade nichts auf La
ger, erklärte er, aber einen Traum, den
er diese Nacht gehabt habe, wolle er
zählen: .Mir träumte nämlich, ich sei
gestorben, und kam an die Himmels
Pforte. Bei meinem Anpoche erschien
PetruS und fragte mich, wa ich wolle
und w: ich sei. Ich antwortete: Ich
bi der Schauspieler Beckmann und will -in
den Himmel." PetruS zuckte die Ach
seln und sagte: .Tut mir leid, aber
Schauspieler darf ich nicht lassen.
Damit verschloß er die Pforte und kiei
mich stehen. Da war nichts zu machen,
und-o legte ich mich ruhig wieder iu
mei Grab. Nach einigen Tagen r
zählte ir ti Tot, den man nebe
mich leg',,, mei Kollege Pohl fei ben
falls gestorben und in den Himmel ge
kommen. Darüber entrüstet, steh ich
au', fließe noch einmal zur Himmels
Pforte, klopfe Petrus heraus und, frage
ib tief beleidigt, warum er den mich
nickt eingelassen dabe. d doch der '
Schauspieler Pohl hineingedurft hätte.
Lieber Mann!" antwortete Petrus und
klopfte mir auf die Schulter, bernhiaen
Sie sich. Der Pohl ist nie ei Schau
spiel gewesen !'
Unangenehm.
' .Ich habe meine Brille zerbrockie
sagte, während einer Gesellschaft ein Herr
zu einem Diener, .wer ist denn der kleine
Mann da mit der großen Glatze?"
.Ich sehe ihn nicht," antwortete der
Diener.
Na, der Herr, der da neben einem
andern sieht, der Kleine, du sieht za wie
ei Affe aus!" , ; , -
Verzeihung, Herr." sagte de, Diener
höflich, .da find Sie WA,'vi? gefc
vor einem Evie nr -t.
-'s - i