Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 14, 1920, Image 2

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    Tägliche Omaha Tr!tte
ES
Gin IcrHr Jostung fUr
Kochvorrat - Propaganda.
Kommunist Laufenberg i Hamburg wollte die EbertNegkernng
, , - ' , zum Teufel jagen". ' ' . ' " ;
EurOpütscbe posfc(
Wenn einer eine Aeije Ut .
O
Von Willy Nuppel.
...1
2tf außcro:d!liche . Kriegsgericht,
das in Hamourg den Kommunisten Lau
ftuberg prozessierte, hat den Angeklagten
H einem Jahr Festung verurteilt wegen
.Vorbereitung zu bolschewistischem Un
ternchincu". Liusenbcrg agitierte für, den
Sturz der EbertRegicrung und predige
di? Tittatur M Proletariats. Er d
tont? per, r-riß die Kommunisten gezen
eine Putsch seien, wenn sich aber die
Gelegenheit biete, sei auch Veroalt anzu
wenden, und wenn das Proletariat erst
bis Gewalt in Händen habe, werde eS
die Regierung zum Tefel jagen. ,
Die Hamburger Arbeiter hatten zwar
gegen die Verhaftung Laufenbergs pro
testiert und mit einem Generalstreik ge
droht, aber die Behörde ließ sich dadurch
nicht einschüchtern und ri; Arbeiter ja
hen don einem Streik ab..
Die Mehrheit der hamburgischen Be
dölkerung hat das sichere Gefühl, daß
Laufenberg ein gefährlicher Provokateur
ist, der, um daZ Orchester seiner Zu
kunstsmusik zusammen zu stellen, rück
srchtslos daS Bestehende zu vernichten
strebt. Diktatur des Proletariats, dritte
Internationale, alle Macht den Arbeiter
raten, das sind die Schlagworte, mit de '
ruft Laufenberg immer zu blenden streb
tt und auch eine Gefolgschaft fand. Wir
'haben ti während seines Dilettieren in
jier Hamburger Regierung ja erlebt, wie
!r immer wieder die Arbeiter zu bewaff
jltett strebte und wie er mit dem Divisio
tät Siemer die Division Gerftenberg
m bekriegen hoffte.
Die Freunde Laufenbergs nahmen flit
ihn das durch die Verfassung gewähr
leistete Recht der freien Meinungsäufze
rung in Anspruch. Auch der uni
S.Rat in Hamburg gewährleistete in
'seiner ersten Proklamation" vollständige
-Rede und Preßfreiheit und verbot doch,,
Mo eine Tag daraus der Hamburg!
sschen Presst, Aufrufe der alten Partei
;amd Gewerkschaftsöerbände aufzuneh
mcn. Für Zuwiderhandlugen wurden
militärische Maßnahmen angedroht. S.
.sieht daZ Recht dex freien Meinungsäu
erung auZ, sobald die Freunde um Lau
enberg das Regiment haben. Selbst djt
schaßten militärischen Maßnahmen sinI
ihnen dann nicht zu schlecht, um auf ihr
Art daS Recht der freien Meinung z
Unterstreichen.
Gegen das Urteil deS Außerordentli
chen Kriegsgerichts gibt es keine Beru '
fung' es ist innerhalb dierundzwanziz
Stunden zu vollstrecken. Ob Laufenberg
ouf irgend eine Festung oder in Ham,
bürg in die für Fcstungsstraflinge tou
gesehenen Räume kommt, sieht noch da
lins Jedenfalls ist es einstweilen
Ende mit feiner agitatorischen Tätigkeit
der er noch letzthin in seiner Broschüre,
räch; dem Beispie! der ungarischen Bob
fck!?Kisten eine Art nationales Manteh,
chsrj.,AAgkhängt hatte, ohne aber dd,
b:i unserer viel zu vernünftigen Arbeit
t.'rschaft etwas wesentliches zu erreiche.
Int Laufe der Verhandlung hatte La
fev',erg sich über feine Tätigkeit ach der
Revolution zu äußern. Er bemerkt dak
auf. er sei am 11. November auS einem
Lazarett !a Trier .räch Hamburg g?
kommen und hier zum Vorsitzenden des
Arbeiterrats gewählt worden. Die Be
strebunge des Arbeiterrats feien auf
Herbeiführung geordneter Verhältnisse
Die Zukunft der
Kamöurg - Amerikattnie.
ÄTes WgeVtu m feindlichen Ländern ist als verloren zu betrachten.
: VuS Hamburg;' 21. November, wird
ßefchricben: Diedußnordentliche Gens
raloerfammlung der Hamburg-Amerika
Linie, in der ein Aktienkapital von
tl.783.000 M. durch zahlreiche Aktionär
?ertnten war, nahm mm vollkommen
Ilatte Verlauf. Die Anträge auf AS,
Milderung her Satzungen und der 2os
kchlsg auf Erhöhung deS Aktienkapital!
lurch AuSgabevsn S Millionen Mark
Lorzugsakticn wurde ofyne, Debatte ange
Kommen. Vor Eintritt in die TageS
Ordnung widmet der Vorsitzende Bank
Kirekwr Max Schrnckel dem verstorbenen
genialen Generaldirektor Albert Balliu
kine tiefbewegte Anfprack, die die unver
K schliche Verdienste Ballms um die
Damburg-Amerira-Lirrie und die deutsche
Seeschiffahrt beleuchtete. Er gedachte
kerner dankbar der wzwischeu usgefchie
' denen WsrstcmdImitLliedei Dr. Eck und
Dkerck. '
Zur Begründung der Anträge wieS
der Vorsitzende in längerer Ansprache zu
nächst darauf hin. daß der Gesellschaft
im wesentliche alleS genommen fei, was
lhre stolze Flotte ausmachte. Sie habe
ktatt dessen lediglich einen Anspruch an
die Regierung auf Entschädigung für ihr
Echiffsmaterial. sie besitzt fern das
Vermögen, daö au! dem Verdienst der
irften Hälfte deS JahnS 1314 stammt,
somit daS Vermögen, daS vor Kriegs
lusburch nicht in Schiff! angelegt ist;
illel Eigentum in den feindlichen Län
trn ist als verlören zu betrachten.
Ueber die Bedeutung dieses verbleibe
nen Vermögens dürfe man sich keinen
Illusionen hingeben, weil ein solche Vn
rn'ifen, wie eS die Gesellschaft in ihren
Sijiptn besass, die tn der Bilanz für
1913 mit 255 Millionen Mark zu Buch
standen, heute schlechthin unersetzlich sei
bei der fabelhaften Preissteigerung der
C5,ifsZbauten. fo daß j. B. für daS
Kauze Altienkapital der Gesellschaft
(180 Millionen Mark) heute nicht einmal
in Schiff wie der .Imperator' gebaut
werden könne. Dazu komme, U unter
den Bedingungen deS FriedenZvertrozek
baldige uns umfangreiche Wiederherftsl
lung der deutsch? Handelsflotte zu einer
' taZsgchlichen Unmöglichkeit wird, denn die
deutsche Werften werden, wen die Er
füLung der Bauden flickwng tsß der
Latente dvRssnne kenfprn wird, kl
gerichtet gewesen, und das sei auch ge
hingen, indem die bewaffnete Masse von
der Straße verschwand. Gleichfalls hat
ten die Verordnungen der Ruhe gedient.
Der Zeuge Wolffheim erklärt, e, habe
in Altona in einer Versammlung über
dasselbe Thema gesprochen wie lausen,
berg und mit diesem vorher den Inhalt
durchgesprochen. Nach ihren Anschauun
Sen tonne er die Inkriminicrte Redemen
ung nicht gebraucht haben. Der Zeuge
schildert dann den Gedankengang des
kommunistischen Programm? und be,
merkt, wenn die Massen sich erhoben, hat
ten die Führer z führen ind die alte
Gewalt zu stürzen. -
Die Kommunistin Eigner hat 'die Re
de im Viktoriagarten gehört.. Laufen,
berg hat nicht von Gewaltanwendung ge
sprachen, sondern davor gewarnt. Auch'
habe er die Massen gewarnt, sich zu
Putschen verleiten zu lassen, fondern zu
warten, bis die Zeit für ihre Bestrebun
ge gekommen fei. L. habe in allen sei
nen Vorträgt vor Putsche gewarnt
und gesagt, man müsse sich in acht ruh
men bor Gewaltanwendung. In der
fraglichen Versammlung habe L. nicht
dato gesprochen, die Regierung mit den
Waffen in der Hand zum Teufel zu ja
gen. Einige andere Zeugen machen die
gleichen Aussagen. Zwei weitere von L.
geladene Entlastungszeugen bestätig:
aber im wesentlichen die belastenden Aus
sagen deS Wachtmeisters Lehmann.
Nach beendeter Beweisaufnahme führt
der Anklagevertreter aus. daß. wenn auch
nicht zu verwerfen sei, waS Laufenberg
gegen die Entente gesagt Haie, der Sinn
feiner Rede der Sturz der jetzigen Re
gierung war. Laufenbergs Standpunkt
sei die Errichtung der Räterepublik und
die Diktatur des Proletariats. ' Er fagt
zwar, daß die Kommunisten gegen jeden
Putsch feien, wen sich abet die Gelegen
heit biete, so sei auch Gewalt anzuwen
den. So habe er denn auch gesagt, daß
die Not deS Winters groß fei,- und wenn
die Kommunisten erst die nötige Macht
hinter sich hätten, würden sie mit der
Waffe in der Hand die Regierung zurit
Teufel jagen. L. fei zugute zu halten,
daß er Idealist fei und an Erreichung
feines Zieles denkt, und nicht aus ehr
loser Gesinnung gehandelt habe. Die
Anklage fei aber in vollem Umfange auf
recht zu halten. Der Anklagevertreter be
antragt eine einjährige Festungshaft.
Das Gericht verurteilte dann den An,
geklagte, wie oben mitgeteilt, wegen
Vorbereitung zu hochverräterischen Ün
ternehmen zu einem Jahr Festung. '
In den Entscheidungsgründen wird
hervorgehoben, daß das Ziel bei Ange
klagten der Sturz der jetzigen Regierung
und Snichtung des Rätesystems fei.
Sein Ziel sei sehr schädlich und geeg
et, eine Katastrophe, herbeizuführen.
sei durch Zeugen festgestellt, daß der An
geklagte zwar zunächst vor Putschen qe
wardnt habe, weil es keinen Zweck habe,
gegen die große Masse der Soldaten an
zulämpfen, er habe aber auch gesagt,
wenn wir aber erst die Gewalt in Hän
-den haben, jage wir die Regierung zum
Teufel. Auch im Ausdruck habe der An
geklagte sich nicht Vergriffen. Eine Alt?
forder,ung zum Hochverrat sei nicht an
genommen, wohl aber eine vorbereitende
Handlung.
einer Weise beschlagnahm!, daß bei der
so stark Zurückgegangenen ArSeltskistung
im deutschen Schiffbau ei nur möglich
sein wird, ein sehr bescheidenls Quantum
von Schiffsraum für deutsch Rechnung
zu lauen.
Wieweit die Gesellschaft in der Lage
sein wde, zu bauen und in welchem
Umfange ihr Mittel dafür zur Verfü
gung stehen werden, sei heute noch völlig
unklar, da die Verhandlung mit der Re
gierung über die Entschädigung für die
verlorene Schiffe noch geraum Zeit tn
Anspruch chmen werden. Sie erscheine
zurzeit stark belastet dadurch, daß be
hördlich Organisationen deS Reiche sich
eine maßgebende Einfluß aus die Wie
deraufbautätigkeit sichern und der Ree
der nicht die Bewegungsfreiheit einräu
men wollen, ohne die ein Wiederaufbau
schlechthin unmögüch.ifi. Die Vermal
tung vermag daher auch nicht zu über
sehen, in welchem Umfange und wie rasch
der Aufbau dcö ReedereigeschäftZ vor sich
gehen könne. ES sei aber notwendig,
mehr Bewegungsfreiheit zu haben, als
d bisherigen Statute, gestatten, damit
di, Gefellschaft nicht gezwungen, set
ihre Betrieb völlig inzustille. sondern
ihn unter Einbeziehung anderer Ge
schäftszweige fortführe kan., in der Er
Wartung, daß in absehbarer Zeit auch
ei angemessener Reedereibetrieb wieder
möglich sein .oerde. Letzteres bleib nach
wie vor daS Endziel der Hamburg
Amerika-Linie. Weiter fei notwendig, die
Gesellschaft zu schützen, daß sie unter
auswärtige Kontrolle gerate.-Das müsse
geschehe nicht nur zum Schutze der Ak
tionäre und Obligation, sonder auch
derjenige Geldmittel, die d Regierung
aus Koste der Allgemeinheit , der Ree
derei zur Verfügung stelle rnüsse, um
d Wiederaufbau diese wichtig natio
valea WirtschaftöinstrumenteZ zu nnög
lichen. Wen , Hamburg und damit
Deutschland, keine Seeschifsöhrt mehr be
sitze, so fei der deutsch, Siehandek i für
allemal vorbei. Luch müss, di Gesell
schaft bei dem Eintritt tn Verhandlungen
mit auü'Lndische Unternehmungen die
Sicherheit behalten, Herr im igene
Hause zu sein. Die ungewöhnliche Ler
hältnisse forderte von de Aktionären
ungewkMHch, OdserAuch i ihrer heu
Fmikölker Bllittgt -ikkmzW.
Nach kurzem Prozeß um ttit der
- urteilt und rschisse. .
Di Berliner ,Tägl. Rundschau'
schreibt: Wir berichtetenkürzlich von der
Erschießung eines Deutschen in Saar
brücken durch die Franzosen, weil sich
bei einer Spielerei sein Revolver entladen
hatte. Über die Einzelheiten dieses Vor
ganges wird einem i Berlin ansässigen
Saarbrückener Bürger folgende! mitge
teilt:
Am 7. Oktober war der Sifenbahn
schloss Johanne! mit noch fünf bis
sechs anderen Männern in einem Saar
brucker Gasthaus nach der Polizeistunde
noch anwesend. Sie machten sich dort
selbst mit einem Revolver zufchasfen.
wobei sich ein Schuß entlud. Auf sem
Schuß wurde eine in de, Nähe befind
liche Patrouille aufmerksam, die sich in
daö vorgenannte Lokal begab. Unglück
licherweife hatte Johannes in diesem
Moment den Revolver in der Hand. Er
wurde verhaftet. Am anderen Morgen,
den 8. Oktober, verurteilte ihn daS fran
zösische Gericht wegen verbotenen Was
fentragenS und Mordversuchs an einer
französischen Patrouille zum Tode. Awi
fchen Johannes und den erwähnten fran
zösischen Soldaten hatte nicht der ge
ringsie Auftritt stattgefunden. TieS
schreckliche Urteil ist lediglich ' auf die
Aussagen der Soldaten kein andere:
Zeuge ist verhört worden gefällt
worden.
Den 20. Oktober erfuhr einer der An
gehörigen, als er abends nach seiner
Wohnung ging, zu seinem größten
Schrecken, daß Johannes an diesem Tage
von den Franzosen erschossen morde
sei. Diefe Mitteilung wurde den Ange.
hörigen durch den bcj der Urteilsvoll
sireckung auf Verlangen anwesende
Geistlichen. Herrn Dr. Schlich aus Saar
brückn, zuteil, der folgenden Bericht übcr
den Verlauf der Vollstreckung machte:
Um AVz nachmittags wurde ich auf
Verlangen des Johannes ins Gefängnis
gerufen. Als wir ftrtig waren, brachte
man den Johannes rrfit seinem Sarge
in inen Wagen und fuhr unter Be
deckung von ISO berittenen Franzosen
zu den Sch'.efzftänden der Garnison.
Dort wurde I. erschossen. Vor der
Abfahrt bot man ihm noch eine Flasche
Kognak an, die er ablehnte. Auch die
Augen ließ et sich nicht verbinden, k
teuerte vielmehr fortwährend feine Un
schuld und sagte, daß er als Deutschet
frei dem , Tod ins Auge sehen könne.
Nach Vollstreckung deS Urteils würde die
Leiche' unter derselben Bedeckung nach
dem Zcntralftiedhof gebracht, wo die
Franzosen den I. aber nur teilweise in
scharren konnten. Der Friedhofwächter
hinderte sie daran, da sie keine Legiti
mation deS Toten beibringe konnten.
Ei Nkefendiamant gefunden. n
der südamerikanischen Premier-Mine ist
ein großer bläu-weißer, fehlerloser Dia
mant gefunden worden, der gegen 1500
Karat wiegt und dessen Wert auf L 6
Millionen Schilling geschätzt wird. Die
ser wundervolle neue Stein erhält da
durch noch eine besondere Bedeutung,
daß er wahrscheinlich den fehlenden Teil
deS Cullinan-DismcmteN darstellt. Der
Cullinan-Diamant, bekanntlich der
größte Eoelste der Erde, der 3000 Ka
rat wog, wurde mit einem Messer auS
dem Quarz heausgelöft und erschien da
malS zerbrochen. Man hatte aber bisher
den dazu gcSrigen Teil nicht finden
können, und er soll nun in dem neuen
Diamanten ans Licht gekommen fein.
tigea Verfassung und trotz ihrer Verluste
stelle die Paketfahrt aber immer noch
inen Besitz dar, den zu fchütz wohl ein
ungewöhnliches Opfer wert sei.
Redner betont ferner, daß ein flnan
zielleS Opfer den Aktionären eigentlich
nicht zugemutet werde, da die Vorzugs
akrien mit einer befreundeten Gesellschaft
(eS handelt sich offenbar um eine Ham
burger Reederei), die eine gleiche Maß
nahmt beabsichtigt aukgetaucht werde
sollen, so daß aller Voraussicht nach der
gleiche Betrag, den die Verzinsung d
Vorzugsaktien fordert, der Gefellschaft,
auch wieder pffaßre werde. : ,
In der folgenden Aussprache griff
nur ein Aktionär daS Wort, um den Vtr
waltungsrätea voll zuzustimmen. Ein
anderer Aktionär (ein bekannter Ham
burgtr Spediteur) fragte an, welche Ge
schäftszweige denn die Verwaltung neu
aufzunehmen beabsichtige. Der Vor
sitzende rwiderte, man wolle sich zunächst
Verkehrsunternehmunge zuwenden und
habe daS deritS w gewissem Ausmaße
getan. Ferner fei die Verwaltung nicht
abgeneigt, bei sich bietender günstiger Ge
legenheit sich an Unternehmungen zu be
teiligen, die ihr inen maßgebenden Ein
fluß gewähre würden.
Hauptsächlich käme solche Untcrneh
münzen i Betracht, die notwendige
Rohstoffe liefern könnten (hauptsächlich
an Heizmaterial für Schiffe. Oele usw.
ist. hierbei zu denken). Die Gesellschaft
beabsichtige nicht, sich an fernliegenden
Unternehmung zu beteiligen oder aut
der Hapag in Trustuniernehme zu
machen.
Schließlich wurde durch Zuruf die
Zahl der AufsichtSratsmitglieder auf
zehn erhöht und neu in den AufsichiSrat
gewählt Heinrich doa Riedeman in
Hamburg (Direktor der Teutfch-Ameri
kanifchen Perrokeum-Gefellschaft). Der
Vorsitzende betonte, daß diese Zuwahl
vorgenommen werde solle infolge der
Anknüpfung einer diel versprechenden
Geschäftsverbindung mit der betreffenden
Gesellschaft. Wiedergewählt wurde Max
jSWnckes OTd j8a von SSrödez,
6rmttM oii bkn
M Wer.
In der nächste Nummer don Sieg
frier JacobsohnS .Wettbühne' setzt i
höherer Stabsoffizier seine Erinuerun
gen an dal alte Heer fort, wobei er auch
auf den großen Haesel zu sprechen
kommt. DaS Bild des alten Haefeler
erhält hier einige neue und fesselnde
Züge. ES heißt da: Wär'S nach ihm
gegangen: ke! Kompagniechef, kein
Bataillon! oder Regimentskommandeur
wäre je fortgejagt worden. Ich kenn
sie ja. ich werd sie im Ernstfall schon
verwenden, wie eS ihren Fähigkeiten ent
spricht pflegte er zu sagen. Sein In,
fanterieRegimenter waren kein fei
nen" Regimenter im Gegenteil: eS
wimmelte dort don Offizieren, die straf
versetzt waren; aber er wollt gar kein
andern, er wollte nur Soldaten, und
zwar moderne, keine Paradetruppe.
Seine Musketiere waren meist West
falen. waren daS, waS man früher
schwierigster Ersatz" nannte: drei Vier
tel der Leute hatte hinter dem Namen
das ominöse kleine rote Kreuz, daS
.zielbewußter Sozialdemokrat" bcdeu
tctc. Wer zwei Kreuze hatte, war
.Führer' gewesen. Wie Graf Haefeler
zu diesen seinen Leuten stand, daS zeigte
sich, wenn er, oft und herzlich eingeladen,
schließlich einmal nach Westfalen, kam.
Da tauchten sie alle auS den Gruben
und Fabriken auf, um ihrem alten Gott
lieb nach langer Zeit wieder in die Augen
zu sehen. Zum' Kaiser hatte Haefeler
kein rechte? Verständnis. Verstehen
konnten sich zwei so erschiedenartige Na
turen begreiflicherweise nicht. Sein
Einfluß in Berlin war minimal. Er'
erreichte nichts beim Kabinett, und wenn
der Kaiser in Metz war, so mußte Hae
sei wohl oder Übel auf ihn eingehen,
wog ihm im Grunde so garnicht lag.
Dann fanden Uebungen statt, bei denen
den nüchternen Soldaten Haefeler die
Haar zu Berge standen. Man wußte,
daß der oberste Kriegsherr Bilder sehen
wollte, und so grifj sogar einmal ihm
zu Ehre ein Regiment mit schlagen
der NegimentSmusik a. " Ein kleine
menschliche Schwäche deS A.lten war,
daß er sich nn photographieren ließ.
Wnr er krank, w,i eigentlich nur vor
kam, wenn er wieder einmal mit einem
sck?r billigen Pferde gestürzt war, dann
lag er in Uniform zu Bett.
SSicberprozcß in
Mainz abSeschlöges.
Mehrere Offizier nd Zivilisten don
Kriegsgericht verurteilt.
Mainz, 26. Dezember. Der Pro
zcß gegen die 17 Personen, welche ver
haftet worden waren, weil sie amerika
Nische Armeevorräte,' die von der fran
zösischen Regierung ' angekauft worden
waren, an die Deutschen weiter verkauft
hatte, hat seinen Abschluß gefunden.
Unter den Angeklagten befanden sich .
ein Hauptmann. vier 1 Leutnants, in
Kanonier, zwei Deutsche, welche geflohen'
sind, und neun Zivilisten, darunter auch
ein Amerikaner namens Lepman. DaS
Kriegsgericht erklärte alle für fchuldig,
mit Ausnahme eines Leutnants, welcher
frei ausging.
Lepman erhielt 2 Jahre Gesängnil
und eine Geldstrafe von 000 Francs.
Die Offiziere wurden zu Gefängnis von
fünf Monaten bis zu zweiJahren ver.
urteilt. Auch die Zivilisten erhielte
Gefängnis und Geldstrafen. . - Die
Hauptanllag gegen die ' Offiziere lau
Lei, daß s sich bestechen ließen und den
mit gestohlenen Waren beladen? Wag
gonS gestatteten, inS Innere Deutsch,
landS zu gelangen.
Gins neue ReZchspslkzek.
Berlin. 16. Nov. Mit dem alten
RegierungSMem ist in den Wirren der
Revolution auch eine seiner Hauptstützen,
fei? - nlte Polizei, vnschwunde. Daß
daS geschah, war nach Lage der Dinge
angeblich selbstderfiändNch und . wurde
vielfach mit einer gewisse Befriedigung
begrüßt, stand doch der ganze Geist, der
die Polizei belebte, nur allzu oft i
schroffem Widerspruch mit dem Volks
empfinden, so daß ek immer wieder bal
hier, bald dort zu entschiedener Aufleh
nung gegen daS Verfahre polizeilicher
Organe kam. Die Revolution hat indeS,
wie in so viele andere Fällen, bisher
andi Stelle dessen, was sie beseitigt hat,
auch hier nichts Neuei zu sehen vermocht.
Der Rahmen der alten Polizeiorgani
Totion blieb notdürftig erhalten, und di
Hauptaufgabe der Polizei, die Aufrecht.
Haltung der Ordnung und Sicherheit,
wurde einstweile von der Reichswehr
schlecht und recht wahrgenommen. Daß
sie hierzu indeS nicht ausreichte, hat die
Entwicklung im Lauf deS letzten Iah
reS nur allzu deutlich gezeigt. Die Lf
fentliche Unsicherheit hat in alle Teilen
S Reiches in geradezu erschreckendem
Maße zugenommen. DaS Verbrecher
tum erhebt überall frech fein Haupt, und
daß die Zustande sich verschlimmern wer
den, wenn die Kopfzahl der Reichswehr
den Anforderungen deS FriedenSver
tragS entsprechend noch weiter vermindert
wird, unterliegt keinem Zweifel. Um
fo dringlicher wird die Aufgab der Er
richtung eigr neuen Polizei mit auSrei
chend vorgebildeten und geschulte 0t
ganen. Der Artikel 9 der NeichSverfas
sung weift die Lösung dieser Aufgabe
dem Reich zu, daS sich ihr kaum noch
länge, ntziehcn kann. Soweit wir u
terrichtet sind, hat man denn auch in der
Tat die entsprechenden Vorarbeiten !'
reit! in Angriff genommen. Dabei
fcfcint d PMl. l J&?MVIia
östhölllUllikll"
öbtt Zlitßll.
Angeblich indirekte HindelSbezicljun.
ge it Deutschland während dcö
Krieg.
Sens. 27. November. Trust Judet.
der. wie bekannt. deS Hochverrates an
geklagt ist, sich aber in der Schweiz in
Sicherheit befindet, macht jetzt einige
Enthüllungen, von denen allerdings mit
Vorsicht Kenntnis genommen werden
Muß. Es war zu erwarten, daß dieser
geschaftSgewandte Journalist, der über
jeden Politiker ein Dossier interessanter
Auskünfte besitzt, sich irgendwie an fei
ne Anklägern rächen würde. WaS er
jetzt hervorbringt, ist der Beginn dieser
Rache, und schon deshalb mit einigem
Mißtrauen aufzunehmen. Aber diese be
stimmten Anklagen lassen sich nicht mehr
verschweigen, um fo weniger, alS sie auch
Deutschland angehen. Herr Judet er
zählt also in der Genfer Zeitung
.Feuille' folgendes: .Die Gesellschaft
.Bern Milk Co.', deren Sitz in Thun
in der Schwel, ist, befindet sich seit sie
ben Jahren tn französische Händen.
An der Spitze deö Unternehmens steht
der Schweizer Kammermann, den Judet
all Strohmann bezeichnet. Sonst zeigt
die Liste des AufsichtsratcS nur franzö
sische Namen. Der wichtigste, dieser Na
men ist der deS Herrn Paul Duiasta, der
später, französischer Botschafter in der
Schweiz, noch später Sekretär der Fric
denstonjerenz wurde. , Um gleich zu zei
gen, wohin sich Judcts Angriff richtet,
muß gesagt werden, daß Herr Dutasta
der natürliche Sohn Clemenceaus sein
soll. DaZ wurde schon seit langem be
haupiet. Judet spricht eö jetzt offen
aus, und so peinlich das auch sein mag,
man muß dieses persönliche Detail wie
vergeben, da eS jetzt in den Mittelpunkt
einer internationalen Angelegenheit rückt.
Die Gesellschaft Berna Mill" machte
vor dem Kriege mäßige Geschäfte, nahm
aber mit KnegSsusdruch einen großen
Aufschwung. Der Jahresgewinn betrug
1914 130,000 Francs. 1910 anderthalb
Millionen. Merkwürdigerweise wurden
nach Kriegsausbruch die Namen' der
sremzöstschen Mitglieder i den Ge
schästsberichien nicht mehr genannt.
Herr Dukafta verschwand also. muß
aber noch beteiligt gewesen sein, denn
erst im April 1913 wurde mitgeteilt, daß
Dutasta seit einiger Zeit nicht mehr der
Gesellschaft angehöre. DaS war gerade
zu der Zeit, in der er zum Botschaft
in Bern erannt wurde. Und nun
kommt JudetS großer Streich. Ec der
Lffentlicht einen dewiMerten Auszug auS
den Geschäftsbuch, aus dmen hervor
geht, daß diese französisch Gesellaft
in den Jahren 1S14 bis 191? an Oester
reich 2,084.009. an Deutschland 4.194.
SI4 Ms. kondensierter Milch geliefert
habe. Wenn sich diese Aussagen Beste
tigen sollten, wäre daS ein sehr schwerer
Fall deS Handels mit dem Feinde.' Aber
bevor man ein Urteil fällt, muß man die
Antwort des angegriffenen Teils bören,
die allerdinaS wegerl deS Zeitungkftreiks
und deS Wablkamvfes einige Zeit aus
sich warten lassen könnte.
Eine emseirsfsene -
5)rsxhszemng.
Vor hundert Jahren kam, wie das
.Jouryal de DöbatS' schreibtein Ler
treter der damals gerade auskeimenden
Literatur der Ver. Staaten. George
Ticknor, nach Europa und setzte sich mit
seinen Berufsgenossea daselbst in Ver
bindung. Auf feiner Reife hatte Tick
nor eine Begegnung, von der man nach
einem Tode durch ine in Boston er
olgi Veröffentlichung rfuhr und die
,eute des Interesses nicht entbehrt. Lei
einem von Frau Stael gegebenen Diner
traf er Chateaubriand und hörte diesen
im Lause eines Gesprächs ausrufen:
.Ich' habe keinen Glauben an die euro
paische Gesellschaft! In 50 Jahren
wird eS keinen legitimen Souveraa mehr
i Europa geben; von Rußland bis Ei
zilien ,nblicke ich nur noch militärische
Monarchien! Und in 100 Jahren!
I 100 Jahren erscheint der Himmel zu
dunkel für menschliche Blicke, die Wolken
sind zu dicht, alS daß eine Prophezeiung
sie durchdringen könnte! So groß wird
unfer Elend fein, daß wir nicht nur dem
Untergänge Europas, sondern vielleicht
jenem'der ganze Welt beiwohnen müf
fen!" .ES schien,' sügt Ticknor hinzu,
.daß für alle, ebenso wi für mich die
Zukunft furchtbar unsicher geworden
war.' Und dennoch, wer konnte im
Jahr 1817 ahnen, wie prophetisch die
Worte Chateaubriand; gewesen waren!
Schutz der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit allgemeine Bestimmungen für
daS snze Gebiet deS Reiches zu treffe,
ebenso auch für die Tätigkeit der mit
der Wahrnehmung dieser Aufgabe be
trauten Organe. Dagegen scheint nicht
die Absicht vorzuhicgen. etwa eine ein
heitliche Polizeitruppe mit zentraler Lei
tung zu errichten, vielmehr scheint ge
plant zu sein, di Bestellung der durch
führenden Organe den einzelnen Glied
staaten zu überlassen und diese von
Reichs wegen hierbei nach Möglichkeit
zu unterstütze. Man huldigt als of
fenbar dem Grundsatz der Dezentralisa
tian .in der Jrae der Organisation,
während di Einheit durch die für alle
Gliedstaaten in gleicher Weise geltende
ReichZnormen gewahrt werden soll. Ge
plant Ist danebe noch der einheitliche
Aufbau einer Kriminalpolizel für daS
ganz Gebiet deS Reiches. Ei bestimm
te Urteil über die Zweckmäßigkeit der
in Aussicht genommenen Maßnahmen
wird sich natürlich erst gewinnen lassen,
wenn die betreffenden Entwürfe mit al
4 lm ViMMiwl tmMsrMnt.veM4
Nie war die LandeSgrenz so sehr wie
jetzt Trennung im schärfsten Sinn; die
Geldentwertung, die außer und innern
Schicksale haben Schrankn ausgerichtet,
deren Höhe man staunend erkennt, wenn
men davor oder dahinter sieht. Der
Ucbergang ' von der Südgrenze ' bei
Reiches an den andern wird'S genau
so sein ist schroff, obwohl er zunächst
in bäuerlich ruhige Land sührt. Mit
einem Schritt gch't'ö inS harte Leben dek
besiegten Lande!. Ein Blick auf die
Kleidung der Leute, in di, sorgenvollen
Gtsichler der Frauen, auf die Ladenfen
ster, hinter denen Waren liegen zu Prel
fen, die der Käuferwelt deS flachen
Landes unerschwinglich sind, lehrt S.
Man erkennt eS bitter, wen mag sich
die Lebensmittelkarten holt, wenn man
um die Aufenthaltsbewilligung i dem
kleinen badischen Städtchen bittet
Teutsche in Deutschland! So ruhig das
Leben hier fließt, seitdem - das mili.
täusche Treibe der Kriegszeit ausgehört
und seitdem der Niedergang des Mark
werte! die trüb Flut der Schieber ver
trieben hat, die an der Grenze auf
Beute lauerten, einmal hat in diesen
Tagen da? GrengstädtchcU doch feinen
Feiertag gehabt. Einen Feiertag deS
Verkehrs mitten in der Wartezeit der
Verkehrssperre, - die zahlreiche Reisende
hier festhielt. Die erste elektrische Bah,
die Lörrach mit Basel verbindet, wurde
mit viel schönen schweizerisch-deutschcn
Freundschafisreden eingeweiht, und man
vergaß sogar die Weinpreise, die auch
im trunkfröhlichen badischen Weinland
d:m Zecher die Flasche fast unerreichbar
hcckgehängt haben. In dem behäbigen
geräumigen Landhotek. daS im badischen
Aufstand eine Rolle gespielt hat. feierten
zeuischer Wein und deutscher Sang ein
Fricdensscft. Hier in Lörrach hat man
jahrelang die Kanonen donnern hören,
man hat daS Aushören und nur be
Ichränlt, Wiederaufleben des gemütlichen
Erenzverkehrs ertragen, der die im
Dialekt - deutlich hörbare alemannische
Siammverwandschaft lebendig hielt. Der
kleine Grenzveikchr ist durch den schlich
te Stand der Mark für die Ladener
unwirtschaftlich geworden. Nur die
Baslcr kommen noch herüber und holen,
us sie drüben vorteilhaft weiterverkau
ftn können. Wen sie bei der Gelegen
heit zu Mittag essen und da?, kann
,an im Gasthaus immer noch recht gut
und den guten Markgröfler trinken,
krauchen sie fast nichts ,u zahlen. Den
übrigen Siegern, hat sich der schweize
rische Franken gesellt. .
Dr erste Tag der Wiedereröffnung
des Verkehrs brachte gleich mehre tau
send Deutsche über die Grenze und
füllte den Schnellzug zum Bersten. So
ging'S auch am zweiten, und in Frei
durg gesellten sich de Männern, die
vurch! Fenster einstiegen keck und ge
wandt junge Damen. DaS Ewig-männ
liche zog sie hinan. So drängte man sich
sozusagen nach Karlsruhe, Und alS Zum
lclerfluß unterwegs eine Achse heißlief
und ein Wagen zu rauchen begann
es war natürlich ein Rauchwagen
und seine Insassen auf die Nachbarwa
gen verteilt wurden, zeigte sich, daß die
Zufammendrllckbarkeit deS menschliche
Körper? bisher sehr unterschätzt worde
ist. In Karlsruhe ragt der schöne neue
Bahnhof als Erinnerung an die üppigen
Zeiten in die dunkle Zukunft. In Hei
delberg jedoch paßt der Bahnhof in die
Zeit, alS wäre er in diefem Iah gebaut.
Die Kneipen sind voll, Studentenmützen
zahlreich; mit der Hingebung der Frie
denSzeit trinken die jungen Herren mit
dem vorgeschriebenen Ritual daS dünne
Bier. Man ißt eö ist fleischloser
Tag einen ausgezeichneten Felchen.
Daß dal Viertel Wein über drei Mark
kostit, hätte, ebenso wie die zahlreichen
den kZenI loc! störenden Kinos,
Scheffel wohl einem zornigen Sang
an und aufgeregt. Im Personenzug
geht'S weiter. Auch ein ungeheizter
Wage kann einem den Angstschweiß
austreiben. wenn im Abteil dreimal so
viel Menschen sitzen, stehen, lehnen, kle
ben. als es fassen kann. Wer stand,
konnte nicht fallen, wer saß, mußte sitzen
bleiben, um so mehr. alS auch die Be
leuchtung fehlte und der Klumpe Men
fchen im tiefsten Dunkel blieb. Ein
Zmifchenfall voll Schwierigkeiten trat
ein. als der alte Herr am Fenster plötz
lich freie Bahn nach einem stille Ort
verlangte und sich die Notwendigkeit der
schwierigen Ortsveränderung um keinen
Prei ausreden lasse wollte. Die
schwer Zeit hat die Menschen hilfsbereit
gemacht. So wurde r geschoben und
gehoben, gereicht und gezwängt, über
Fuße, Knie, Schöße hinweg, uiter Ar
men durch, an allen menschlichen AuS
buchtungen vorbeigedrückt, über einen
Gepäckberg bugsiert. Im tiesen Dunkel
empfand man die Note und Drangsale
deS armen ManneS mit, und ein ge
meinsomer Seufzer der Erleichterung
löste sich auS jeder Brust (soweit zum
Seufzen Raum war) da zeigte sich
In ungeahnte Hindernis: zwei Lebens
und Reisekünstlcr hatten sich in dem
illen Ort verschanzt, um hier diese
Genießer! bequem zu reisen. Sie
weigerten sich, daS besetzte Gebiet zu räu
men. Lange würd verhandelt: aber
erst empörte Drohungen bewogen sie zum
Abzug... Man glaubt nicht, wie er
lösend nach solcher Fahrt im Dunkeln
ein großer, heller Bahnhof wirkt! WaS
hatte dagegen die blasierte Rcisenmethode
der Frledenkzeit zu bieten! Wann bat
je der Reisende so viel für sein Geld
gehabt wie heute, o er einen Tag von
Karlsruhe nach Frankfurt brauck)t! .
In der alte Mainmetropole hat die
Revolution von 43 mehr Lärm gemacht
alS die von 1918. Die Stadt teilt zwar
die Kohlennot deS deutschen Süden,
der die alte Preußenfeindi weift eine
geradezu preußische Ordnung und
Sauberkeit auf. Lebhaft, wi immer,
pulst der Verkehr um die Haupiwach.
und den nach längerer Abwesenheit aui
dem Ausland Heimkehrenden überrascht
die Fülle der Waren in den Schaufen
ftern. Die Verpflegung in Hotels und
Restaurants, kMnt W.öWS-kL.
1
obachler guL In einem altbekannte,
stets als hervorragend gerühmte Gaftt
Hofe kostet eine reichhaltige Flcischmahu
zeit bester Beschaffenheit 7.50 Mark
In einer vielbesuchten . Bierwirtschafi
gibt'S schon für 3 Mark eine allerdingt
kleine Fleischspeise. Wal beweist dos?
WaS in Wirt bitten kann, kann sich die
Hausfrau nicht beschaffen; in den Fa
milien, die nicht reich sind, singt die Not
ihr altcö Lied, und man erschrickt ob bei
Abmagerung und den 'müden Linien in
den Gesichtern derer, die man vor Jahren
wohlgenährt gekannt hat. Trügerisch
ist der Glanz deS Lebens und VerdicnenS
derer, die am verhängnisvollen großen
Ausverkauf Deutschlands beteiligt sind!
Zu den ganz besondere, Reizen deS
RcisenS gehört die völlige Ungewißheit
der Verbindungen und der Ankunft.
Man steht eine oder mehrere Stunden
im amtlichen Auskunfsbureau und hört,
daß eö unmöglich fei, in einem Tag von ,
Frankfurt nach 5i,Lln zu kommen. Man,
fragt allwissende Bahnhpfspförtner, frag!
diesen oder jenen, der amtlich etwaS
wissen sollte, müßte oder könnte, und hat .
schließlich ein halbe? Dutzend Auskünfte, .
die einander, widersprechen wie die Mei
nungcn übcr die Hebung deS deutschelk
Markkurses. Endlich gerät man in die
Stimmung des Spielers, der den letzten
Hugdertmarlschein setzt, steht noch ein
Stunde, bis man die Fahrkarte hat, eine
zweite, bis das Gepäck aufgegeben ist,
eine dritte, bis man in den Zug kommt,
und fährt nach einer wettern Stund? in
die Welt hinaus. Nun rollt man fachte
weiter, gelangt allmählich aus dem
ober oder mitteldeutschen Gebiet über
Gießen mit einem von ratlosen Menschen'
wimmelnden Bahnhof ins rheinische,
niederrheinische. Bleibt die Frage: wo
und wann bleiben wir liegen? Häufiges -Umsteigen
zerstreut, und als der Abend
herniedcrgcsunkcn, ist, hat sich auch die
Pniunn hff 'SrtipiMäfrftn ntnm'ffjflf In!
,.", ...u..-.,
kommen sicher bis Betzdorf, wahrschttn
lich bis Haigcr und möglicherweise bis'
Eitorf, und wenn wir GM haben, mor
früh, am Sonntag, fogar nach Köln. .
Also geschah's; wir haben nicht, wie ge
fürchtet, in Eitorf die Nacht im Warte
saal verbringen müssen, sondern fanden
trotz später Stunde noch ein gutes Bett,
einen guten Min und Wirtsleute voll t
rheinischer Freundlichkeit.
Wenn der Leser glaubt, diese auf
regende Beschreibung einer Heimreise auS
fernem Land sei nur erzählt, um ihn zu
unterhalten und um die heroische Tapfer
keii deS Schreibers ins helle Licht zu
rücken, so irrt er sich. Natürlich spielt
auch dieser Gmnd mit, wie bei allen
Schilderungen gefahrvoller Reisen. Aber
eS soll auch eine Moral und Nutzanwen
Wa(.i 5,! k?i:
vutlg lUUU WUUb tlUt U)lblJt.
Nämlich erstens: Die Verkehrsnvt hat
ine Hilfsbereitschaft in den Megfchen
entwickelt, die rührend ist. Man erteilt
einander unermüdlich Avökünftt, Wenn
auch .meist falsche. ES wird., von er
fahrenen Reisenden versichert, daß auf
der Strecke Bafel Frankfurt (oder war
es auf einer andern Strecke) ein belegtes
Brot unter Wildfremden geteilt worden
sei. Ich hab selbst gesehen, daß eine ,
Dame nicht zu stehen brauchte, und eine
Frau Oberdaurat hat glaudwurmge
Versicherungen zufolge in der zweiten
Klasse freiwillig und mit freundlichem
Gesichtsausdruck zuerst zuerst! das
Won an inr t MiniMven gerlMl. ,
Also die Not hat un einander näherge
führt. Zweitens: Daö Reifen ist nach
weislich kein Veranüac mehr, und wenn
auch Tante Minna einen Apfelkuchen
aus weißem Mehl mit (2) Eiern gebacken
oder Onkel Martin noch ei paar Fläfch
chen Rüdesheimer hat; vermeide eS, lieber
Leser, sie zu besuchen. ES ist. wie ge
sagt, kein Vergnügen. , Drittens und
innitdt'A4)1t& rö. (nff muft i.mW Wm
tyUUf.UUfWUf . M9 UfrUQ UUU VUIJ
jetzt niemand reisen als derjenige, der
eS unbedingt und absolut nötig hat.
Und auch der soll zu Hause bleibe. Um
so eher kommt dann wieder die Zeit, wo
die Eisenbahnverwaltung selbst mit
freundlicher Handbewegung einlädt, von
ihren Beförderungsmittel auSgiehigm
Gebrauch zu machen. ' t
Aus einem Astkzbuch.
Von Hugo von Hofmannsthal. ,
Hugo von Hofmannsihal veröffentlicht
in der neuen, im Jnsel-Verlag erschein
enden Zeitschrift .DaS Jnfelschisf" eine
Anzahl tiefsinniger, feingeschliffener
Aphorismen, von denen wir einige wie
vergeben. ...
Eine Flaumfeder kan eine Kiesel
siein rund schleifen, wenn sie von der
Hand der Liebe geführt wird. ' t
Die Menschen sind oft die Sklaven
ihrer Willkür, auch in sich selbst; aber eZ
ist erstaunlich, wie selten sie ihren Willen ?
anzusetzen wissen.
Menschen unserer verworrenen Epoche
erleben ihr Eigentliches in Zwischen
erlebnissen, unaufgeklärten Mißverstand
Nissen, Konfusionen, Zerstreutheiten.
Autorität übcr sich erkennen, ist Zei
chen höherer Mensä lichkcit.
Wahre Sprachliche ist nicht möglich
ohne Sprachvcrleugnung.
Jede neue bedeuth.de Bekanntschaft
zerlegt uns und setzt unS neu zusam
men. i
Die ahnende Jugend weiß die Welt
von Kräften erfüllt; aker e! kommt ihr
nicht bei, welche Rille in der Welt die
Schwäche in ihren verschiedenen Forme
spielt. . ' -
DaS eigentlich, Dichterische hält sich
gleich weit vom Herzlosen wie vom Emp
findsamen.
Selbstliebe uns Celbsthaß sind die
ticfjlcn von den irdischen produktiven
Kräften. ' - ' ' '
- Der Mensch wird in der Welt nur da?
gewahr, waö schon in ihm liest: aber ek
braucht die Welt, um gewahr zu werden,
wS In ihm liegt; dazu ober sind Tättz.
Ulk unv Leide jicttg.
. Wal man in der dichterischen Darflel
lung da! Plastische nennt, hat seine
Wurzel in der Gerechtigkeit., v.t. ,
Wal Geist ist, erfaßt nur dek Se, ,
" rv,