Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 09, 1919, Image 5

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I.
Dokumentarische Widerlegung deS AzkomS, daß Deutschland seine
uichtSahueudkn und völlig unvotdercUötcn Gegner heimtückisch fiBer
fallen habe. Die Borarbeiten für die franzöfisch-btitisch.russische
Verständigung. Militarismus" nd EinkreisungS.Politik".
Die DrlcassEnthüllungen vom Oktober 1905.
W ie Geheimarchiv bet derschie
4 I betten Staatskanzlcien begin
JLJ ntn sich bereits ,u öffnen,
viel früher, all diel bisher
nach iatastropholen Eruptiv
nen für die Ausgestaltung der We':cer
bältnisse der Fall gewesen ist. Aul den
"heimchiven erscheine die geh'mri
Abmachungen und Bertrage, auS feil
chen die Absichten, die mit dem flchl
verfolgt worden sind, deutlich werden.
Die mit so großer Aufdringlichkeit ;
stellte Frage nach der Verschuldung am
Kriege tritt bereits wieder zurück vor
der Beurteilung und Betrachtung der
Erruncienschasten deS Kriege, daS heißt,
vor der sich vorbereitenden Feststellung, in
welcher Richtung und inwieweit die
KliegSkatastrophe die weite Ausgestal
tung der Beziehungen der Völker unter
einander, die Schaffung neuer Zustande
und die Vorbedingungen für den Eintritt
in eine neue Zeit der Weltentwicklung
beeinflußt.
Die Absichilichkeiten Berschlcierun
tjen, Entstellungen, Mißdeutungen und
Verdächtigungen werden von den Tat
fachen korrigiert und von den Wirklich
keilen verdrängt. Immer ist, an dieser
Ctelle. während der Tauer de! Krieges
der Etardhunkt vertreten worden, daß
ti sich gar nicht darum handele, wer den
Krieg angefangen habe, sondern da
ium, wer ihn gewinnen werde. Heute
haben sich derartige allgemein Zustände
lierausgeblldet. daß auch die Bedeutung
des errungenen Siegel für die weitere
Weltentwicklung, verblaßt, denn diese
Entwicklung knüpft 6ri!S lieber da
ran an, waS vor dem Kriege gewesen
ist. das heißt, an di Absichten und Be"
strebungen, welche zu der' gewaltsamen
AuSeinändersedung geführt haben. Die
Auffassung, daß der Krieg lediglich ine
Episode gewesen, wird auch durch die
Erfahrung unterstützt, daß die unmit
, tclbaren Resultate deS Sieges, wie sie
sich in den Friedensschlüssen darstellen,
von imaginärer Bedeutung sind, soweit
der Ausblick in die Zukunftsperspekkiven
einer neuen Zeit und die Eröffnung von
Wegen in diese in Betracht kommen.
Die diametral entgegengesetzte Dar
stcllung der Absichten, deren Erreichung
mit dem Krieg verfolgt, also der Politik,
deren Durchsetzung mit den Waffen als
den anderen Mitteln" gewollt worden
, sei. läßt sich in zwei Schlagworten u
sammenfasscn: .Imperialismus und Mi
litariSmu!" auf der inen und .Politik
der Einrreisung" auf der anderen Seite'.
, Die geschichtliche Feststellung, an welchem
Reibungspunkt zwischen diesen zwei Skz
siemen sich der KricgSbrand entzündet
, hat. wird auch dann noch eine schwierige
sein, nachdem alle Kenntnisse der Tat
fachen vorhanden und selbst die verwor
rensten Wege von dem Gestrüpp der Ne
bensächlichkeiten und der Ueberwucherung
der Heimlichkeiten gesäubert sein werden.
ES wird solche Aufgabe .eine um so
schwierigere sein, als im Verlauf deS
Krieges Wegweiser in der Richtung auf
ganz neue Ziele errichtet Korden sind.
Die geschichtliche Feststellung wird spä
i ter auf Grund der Kenntnisse der Tat
x fachen und deS Verständnisses für die
Verwicklungen und die Entwicklungen so
? manche Darstellungen korrigieren und
diele Auffassungen richtigstellen. Aber
i liegt eine bestimmte Darstellung und
jf;ine ausgesprochene Auffassung vor. für
'Lderen Richtigstellung heute bereits da
erforderliche Material vorhanden ist:
Da ist die Darstellung und Auffassung,
I als ob die Kriegseröfsnung der Akt eine
I heimtückischen UeberfallS gewesen sei.
I Tie Auffassung der einen Seite, daß der
Krieg die Bestätigung deS Jmperial)s
mus und Militarismus, und die der an
- tferen, daß sich in ihm da gewollt Ne
h sultat einer Politik der Einkreisung dar
.'gestellt habe, sindbeide. verständlich, so
lange c noch an der Kenntnis aller Tat
i. fachen und am Verständnis fämtlicher
f inneren Triebfedern mangelt. Aber die
' ' mindestens naive Darstellung, daß e sich
lUm einen ttederfall ine nichtsahnenden
.' und vollständig unvorbereiteten Zeit
, und Weligenossen gehandelt habe, kann
. um so weniger vor der Wirklichkeit bt
' - stehen, als sie die völlige Blindheit und
.eine geradezu stupide Harmlosigkeit der
' anderen, der angeblich heimtückisch libr
Jitletien Seite zur Vorbedingung hat
-ifnb diese andere Seite sich für eine der
! Artige Zumutung gewiß bedanken würde.
r In der Politik der Einkreisung stellt
' ' sich der tatsächlich der Vorbedacht und
- die Voraussicht, wie sie auf der anderen
"f Seite vorhanden gewesen sind, da.
Die Weltgeschichte wird auch gar nlctit
, . die Frage zu entscheiden haben, auf wel
' lütt Seite der ausdrücklich Vorbedacht
f ' . . . . YI . I
der mICnum ooer die ozauriicyi nmj
- möglichen Notwendigkeit ,ur Defensive
verzelegcn hat, sondern sie wird festste!
Jen, in wie weit die offensive Absicht und
die Vorbereitung der Defensive auf bei
den Seiten sich gekreuzt und vermischt
' haben. Da friß, sie wird die Nllstun
, tu für den Krieg, welche auf beiden
Seiten vorgenommen worden sind, in
diesen doppelten Gesichtswinkel einsitllen
müssen. -In
den folgenden Aulsübrungen soll
dies, Toöpelfraqe ganz, bei Seite ge
lassen werden. Die Vorbereitungen für
' die Eventualität einer gewaltsamen Ab.
r'chnung sollen, ganz abgesehen davon,
' o5 zu Offensiv oder zu Defensiv
recken, zur Tarftellung geraten, in
r et, turlio U'dttl iit. Tatsachen
tr,edccgMv:n und in ihrem inneren Z
mmenbang aneinander gescsssen er
den. Ei soN der Uebfall,Theorie da
mit entgegengetreten werden, daß sie
rnf den Prüfstein der früher bereit fest
gestellten und inzwischen bekannt gewor
denen, dokumentarisch belegbaren nd ge
schichtlich ttwt!ibaren Tatsachen gelegt
wird.
Vorbedacht und Voraussicht auf bci
den Seiten stellen sich dar in den Zu
rüstungen zum Kriege. Auf der inen
durch den sogenannten MilitariSmu!
und Imperialismus", auf der anderen
mit der fogenanntea .EinkreisungS
Politik", um diese Schlagworte beizube
halten. Diese Zulüftungen auf beiden
Seiten sollen in den folgenden Äukfüh
rungen zur Darstellung kommen.
Diese Darstellung muß iiö auf die
ersten Iah deS vergangenen Jahrzehnts
zurückgreifen. Ja diesen Jahren bcrei
tete sich der Zuwachs der deutschen
Wehrmacht zu Wasser und zu Lande auf
der einen und die Herbeiführung der
sranzösisch'russischvritischen Verstand!
gung auf der anderen Seite vor. Beide
Vorbereitungen vollzogen sich unter der
Erwägung einer Knegsmöglichkcit. Den
äußeren Anlaß für beide gaben die
Marokkv'Wirren.
DaS franz'ösisch-russisch-britische Ein
Verständnis gründete sich auf daS Kalo
nialabkommen zwischen Frankreich 'und
England über Aegypten und Marokko
vom 8. April 1904 (dessen Bedeutung
an dieser Stelle bereits dargelegt wor
den ist). Diese! britisch-französische, Ab
kommen öffnet bereits den Weg zum
Einschluß Rußlands in die Verstand'!
gungs-Aktion und veranlaßte auf deut
scher Seite die Rusiungsmchrung.
Bereits im Mai 1903 hatte ein Be
such König Edwards VII., der durchaus
kein zufälliger politischer Wegfahrer,
sondern ein Mann mit weitreichendem
Blick und von sicherem Ziclbewußtsein
gewesen ist, in Paris stattgefunden. In
feinem Toast beim Festmahl im Elhsöe
WieS der königliche Gast auf die Rot
wendigkcit hin, die Freundschaftsbande
zwischen England und Frankreich fester
zu knüpfen, um eine Annäherung der
beiden Länder im gemeinsamen Interesse
herbeizuführen. Anfang Juli stattete
Präsident Loubet seinen Gegenbesuch am
Hofe von St. Jame! ab. und am 10.
Juli nahm daö britische Unterhaus die
von der Balsour-Regierung eingebrachte
Vorlage a. welche den Bau einer neuen
Flottensiatio am Firth os Forth vor ,
sah.', ,
AuS der Marokko-KrisiS sinfc die Fä
den gesponnen, welche zum festen Band
deS französisch-btitifch-russischen Einver,
ständnisscS geschlungen und zum Netz der
Einkreisung Deutschlands verweben wer
den sollten. Der Hader 'um Marokko
spornte auf beiden Seiten die auf die
Eventualität eine Krieges sich vordere!
tcnde Nüstungömehrung an.
Mitte März 1905 gelangte im driti
schen Unterhaus daS neue Flottenoudget
zur Verhandlung. ' In der Sitzung vom
14. März entspann sich folgende Debatte
liber die englische und die deutsche Jloite
und um die kurz vorher vorgenommene
Nenderteilung der britischen Scestreit.
räfte mit der Verlegung des Schwer
Punkte? nach der Nordsee: Premier Aal
four erklärt in Beantwortung einer An
frage, daß nach der Ansicht des Reichs
verteidigungS-AukschusseS ein Einfall in
England zum Zweck der Eroberung eine
Unmöglichkeit fei. Yerburgh (kons.):
Der wirkliche Grund für die Aenderung
in der Vertkilung d.r Flotte sei dak
Heranwachsen einer sehr großen Flotten
macht in der Nördsee. DaS sei eine
grotze und mächtige Flotte, und man
dürfe nicht vergessen, daß sie , in der
Nordsee stationiert sei. .Man wird mir
sagen," fuhr der Abgeordnet fort, e!
sei nicht mit einem ruhigen Einverneh
nun zwischen unS und den anderen Län
dein im Einkling, andere Mächte hier
Im Parlament im Zusammenhang mit
der Vermehrung der britischen Flotte zu
erwähnen. In anderen Parlamenten
handelt man indessen nicht nach dieser
Empfindung. Wir sehen, daß im sran
,'ösischen und im deutschen Parlament die
Stellung anderer Länder offta erörtert
wird. Der französische Marineminister
hat kürzlich eine Rede gehalten, in welckier
er die Stärke der französischen und der
deutschen Flotte verglich, und im deut
fchen Reichstag hat der Füheer der sozia
listischen Partei hervorgehoben, die ge
wünschte Vcrmehru.ig der deutschen
Flotte könnt nur als, Drohung gegen
England gedacht sein. Ich bin also be
rechtigt, bei Beratung der Starke der
britischen Flotte die Lage der deutschen
Flotte vor 'dem Hause zur Sprache zu
bringen. E ist nicht berechtigt, daß die
Admiralität hoS dem Hause jetzt vor
liegende kleine SchisfSbauprogramm auf
gestellt hat"... Parlamenttsskretär der
Admiralität Pretyam: Der Vormschlag
sei nach den Bedürfnissen de nächsten
Jahre aufqestct. Falls sich spät:r
größere Anstrengungen olS notwendig
erweisen sollten, so werde k Land
sicherlich die nötigen Geldmittel bereit',
stellen. (Beifall.)
In dicfer Tebalt wurde also der
Flottengegensatz zwischen England und
Deutschland in den Vordergrund und
rie Nctwenrkigksit größerer Änslrcngun
gen. d. h. Rüstungs'Arsirengüngen,, in ,
Aussicht gestellt.
Gelegentlich eine Festmahl in fnn
von am 1. Juni 1:05 stellte der britische,
Auünndminister Londsdomne fest. sß'
e nie wen Angntlick gegeben, da th
guten 'Beziehungen. Crglantl zu Lrank
t
ich fester gegründet gewesen, al zur
vorliegenden Zeit. Er fügte hin?: .Da,
Einvernehmen mit Frankreich ist für sei
nen selbstsüchtigen Zweck ukgedkicht und
auch ohne jeden Wunsch, andere au dem
Besitz de ihnen Gehörenden zu verdrän
gen."
Inzwischen hatte sich die Marokko
Kontroverse weiter zugespitzt. Sie führte
am 6. Juni zum Stürzte frznzösi,
fchen Auslandminifter TelcassS. dessen
Marokkopolitik vom Kabinett mißbilligt
wurde. Am 15. Juni schreibt der Pa
riser TempS' Über die Beziehungen
zwischen England, Frankreich und
Deutfchland:
.Man hat die Frage ausgeworfen, ob
England unS die Regelung unsere!
Streite mit Deutschland erleichtern oder
ob eö im Gegenteil durch seinen' Wider
stand oder seine Obstruktion diese Re
gelung erschweren werde. Auf dies:
Frage kann man zweifellos antworten,
daß ein Teil der britischen öffentlichen
Meinung vielleicht einen baldigen Krieg
gewünscht hatte, um Deutschland zur
See noch vor seiner vollen Entwicklung
zu schlagen, und daß die Unterstiitzunz
feiten Frankreichs in einem solchen
Kriege für England nützlich wäre. Abck
wenn England eine solch Plan wirk
lich gefaßt hätte, müßte e sich doch
sagen, daß eine große Nation wie Frank
reich Hcrrin ihrer Entschließungen ist
und sich nicht in einen Krieg einlassen
könnte, um die Geschäfte einer dritten
Macht zu besorgen. Darüber kann S
in Frankreich nur. eine einzige Ansicht
oeben. Und wenn wir über die gütliche
Regelung unserer koloniülen' Schwierig
leiten mit England erfreut waren, so
konnte doch dieses genau umgrenzte Ab
kommen un! nicht weiter fortreißen, da
ja überdies ein englische Allianz nach
dem Geständnis der Engländer selbst
nicht imstande wäre. unS kontinentale
Bürgschaften zu leisten, welche wir an
derwärts. suchen mühtenl Uebrigenö ist
England keineswegs berechtigt, un
Schwierigkeiten' zu bereiten. Man kann
unmöglich gestatten, daß England un
auf dem ohnehin schwierigen Wege zu
einer friedlichen Regelung der marokka
Nischen Angelegenheit och Hindernisse
auftürmen sollte."-
In diesen Ausführungen deS Temp!"
sind zwei Momente bedeutsam.
Einmal die Annahme, daß die briti
sche öffentliche Meinung damals bereit!
einen Krieg mit Deutschland gewünscht
haben könnte, und zweiten? der Hinweis
auf .kontinentale Bürgschaften", welche
z leisten England nicht imstande sei.
Mit diesem Hinweis ist die Richtung der
französischen Politik angedeutet, derar
tige kontinentale Bürgschaften sich zu
verschaffen, ist der Wunsch auLgespto
chen. das Einverständnis zwischen Frank
reich und England aus die Aktionen auf
dem Kontinent auszudehnen.
In vielen französischen Blattern wurde
damals die Besorgnis vor einem Kriege
mit Deutschland Marokko wegen aus
gesprochen.
Am S. JuN erfolgte der Besuch einer
britischen Flottein Brest, welcher durch
eine französische "in PortZmouth vom
7. bis 14. Oktober erwiedert wurde. Bei,
diesen Gelegenheiten wurde folgendes
Programm aufgestellt:' Schutz, gegen
Deutschland durch die Entente Frank
reich-England und durch die Herbeisüh
rung besserer Beziehungen zwischen Eng
land und Rußland. ,
Am 12. Juli erschien im Gaulois'
eine Aussprache Dclcassöö über 'seine
Politik und seinen Rücktritt vom 6.
Juni, in welche eZ hieß: .Frankreich
muß mit England, seinem besten Käu
fer. ein Bündnis schließen. Frankreich
kann England die Herrschaft zur See
nicht streitig machen, deshalb ist eZ daS
klügste, sich vor der Vernunft zu beugen
und in Rechnung zu ziehen, welchen Wert
der britische Beistand in gewissen Fällen
für nS haben kann. Dieser Beistand
nun hätte den Wert für unS, daß
Deutschland in die Unmöglichkeit versetzt
würde, uns den Krieg zu erklären. Denn
waS vermöchte im Fall eines Krieges,
in dem England mit un ginge, die
deutsche Flotte? WaS würde auS den
Häfen und der Handelsmarine Deutsch
lands werden? Eine vollständige Ver
nichtung derselben wäre die Folge. Die
Entente mit England bedeutet zudem
die Anbahnung besserer Beziehungen
zwischen Rußland und England. .DaS
war eine Ueberraschung., welche daS gute
Einvernehmen Englands mit Frankreich
der Welt bereiten konnte." DclcassS
schildert darauf den Verlauf der Mini
sKr.Sitzung, in welcher er seine Ent
lassung gab. Darnach hat er in dieser
Sitzung sei, auf da BündniS mit
England basierenden Plan auseinan
dergesetzt, worauf die anderen Ministet
erschreckt erwidert hätten: Aber dann
wird unS Deutschland angreifen." Hier
auf habe er, Delcassö, erklärt: Nun,
so mag es un angreifen; wik sind In
der Lage zn antworten." .
i AIS die .große Ueberraschung", welche
der Welt bueitet wurde, wurde also die
Anbahnung besserer Beziehungen zwi
schert England und Rußland infolge der
französisch britischen Entente prokla
miert. Es wurde zugleich die Bereit
schaft Frankreichs, einer Kriegserklärung
Deutschland! entgegenzutreten, fcstge
stellt. 'Auch diese Feststellung sieht de,
Auffassung, daß eS sich neun Jahre spä
ter um einen heimtückischen Uebersall auf
NichtSahnende und völlig Unvorbereitete
gehandelt habe, entgeaen.
Den großen Knalleffekt aber brachte
die DelcassS'Enihllllung vom 7. Cito
der 1905. An diesem Tage brachte der
Pariser Matin", da! Organ deS frühe
ren AuSIandministerS, folgenden Art!
kel: .
.Schon Im März war der SlurdkZ
Minister Ui A,!. mutigen entschieden.
Gkwifz gab eS in-der Kammer einige
Schva,ikk!ide, und der Vorsitzende einer
der wilhügk Kammersraktienen lies in
den .Gängen: .Wir sönnen doch nicht
DelcasiS dem Kaiser Wilhelm unter die
Füße werfen." Aber für die Mehrheit,
ftr da Kabinett, für alle Welt schien der
Rücktritt Dlcasse olle ,u bereinigen,
alle zu retten. Da galt al ein; natio
nale Notwendigkeit, denn sonst hatte
die Deutschen in vier Togen in Chalon
gestanden. Alle sollte desorganisiert,
die Ostfront nicht betoniert sein, eine
große Anzahl Batterien keine Schnell,
feuergeschutze haben. Ter Rücktritt galt
al unausweichlich, um den Krieg und
da Unglück zu vermeiden." Ueber den
Ministerrat vom 4. Juni, in dem Del
cassS zum Rücktritt gezwungen wurde,
sagte der .Matin": Delcassö habe zu
feiner Verteidigung mitgeteilt. England,
Spanien, Italien, Rußland md die
Ver. Staaten würden die Ma kkoKon
feenz ablehnen, fall Frankreich sie ab
lehne. England hab sogar der französi
fchen egieiüng da mündlich Bcrspn
chen gegeben und fei auch bereit, e
schriftlich zu wiederbFen. daß e im
Falle ine deutschen An
griff gegen Frankreich
seine Kanal.Flotte mobil
machen, den Kaiser Wilhelm
Kanal besetzen und 10,000
Mann in Schleswig Holstein
landen werde. Au diesen Grün
den sei DelcassS für die Ablehnung de
deutschen Konferenzvorschlags eingehe
ten. Darauf habe einer der Minister
erwidert, Herr DelcassS fei ' in seiner
Politik gegen Deutschland zu rfolgreich
gewesen; ek habe Spanien und Italien
abspenstig gemacht, England mit Be
schlag belegt usw. Da fei ihm Delcassö
mit der Erklärung in Wort gefallen,
als französischer Minister deS Aeußern
habe er es für seine Pflicht gehalten,
Frankreich! und nicht Deutschland
uölandpolitik zu führen. Darauf hab
man sich darüber geeinigt, daß Frank
reich zur Konferenz gehen könne, ohne
sich zu erniedrigen, falls es im voraus
Bürgschaften erhielte, und Herr DelcassS
habe sich von seinen Kollegen mit einem
Händedruck verabschiedet, wobei einer
von ihnen die Worte gesagt habe: .Die
Zukunft wird Ihnen vielleicht -recht
geben." ,
Diese Enthüllung wirkte wie ein Ton
nerschlag und war zugleich ein Griff in
in Wespennest. Am 7.' Oktober kam
dft .Depesche de Toulouse" mit einer
Ergänzung der Enthüllung heraus,
welche als Bestätigung dienen sollte.
DeS weiteren zählte die .Libre Pa
wie", TelcassS habe berciiS am ZL
April fein EntlassunqZgcsuch eingereicht
und sei von seinen Minifterkollcgen tip
mals nur deshalb um da! Verbleiben im
Amt ersucht worden.' weil der König von
England erklärt habe, er käme cm ?,0.
April nicht nach Paris, wenn DelcassS
nicht mehr Minister deS Aeußern sei.
Der Botschafter Bertie hatte DelcassS in
dessen den Affront angetan, mit demPrä
sidenten Loubet zusammen zwischen Pa
riZ und Picrrcfitte in den Salonwagen
de durchfahrenden BritcnkönigS einzu.
sieigen, ohne den Auölandminister auf
zufordern. dasselbe zu tun. Dafür habe
sich, sagt die'.Libre Parole". DelcassS
durch sei Enthüllung gerächt.
Auch Italien wurde in den durch Del
rassö verursachten Wirbel in den bereits
aufrzewühlkn Gewässern der großen Po
litik hineingezogkn. Ueve da geflü
oclt gewordene Wort de damaligen
französischen Ministerpräsidenten Rou
vier an Delcassö: "I.'XlIei,5rns vom
i'pprochc d'avoir debaiicliö lltalle"
"Deutschland macht Ihnen den Vorwurf,
Italien verführt zu haben) gab der
sozialistische Abgeordnete GSrould
Richard Mitte Oktober in der .Petite
RSpublique" eine Auskunft, nach mU
cher daS Wort bneitS vor der historischen
Sitzung deS MinisterratZ am 4. Juni
190?. in der DelcassS gestürzt wurde,
gefallen sein soll. Ter Deputierte er.
zählt: .ES war im Verlauf eincS der
Empfänge, die Im Elyss zu Ehre deS
König; Viktor EmaNuelS III. gegeben
wurden (Oktober 1903). Hell Rouvier
war damals yinanzminisier. DelcassS
unterhielt -sich mit einem Botschafter.
Nouvicr ging auf ihn zu und sagte:
.Kennen Sie nicht die neueste Aus
rssuna Kaiser Wilhelm. über unS?"
.Nein," antwortete der Minister de
Aeußern. .Ich gebe sie Ihnen. Sie
wurde jüngsthin w Gcaenwart de Herrn
v. Bülow getan, dkr sie geflissentlich so
ziemlich überall ' herumträgt: .Frank
reich," sagte der Kaiser, .spielt entschie
den mit Erfolg den Don Juan. ES hat
bereit Englands Cchamhc!st,!gZeit be
zwungen. Es hält Rußland Mit seinen
Keilen von Rosen und Gold gefangen.
Jetzt verführt cl mir noch Italien."
Her? Rouviek hat seitdem diese Phrase
ohne Zweifel nicht mehr wiederholt. Aber
Herr DelcassS hatte ein bessere Gedacht
ni und deklamierte sie jedermann Vor,
gewissermaßen al den Tribut der Be
wunderung, der seinem Verdienst vom
Deutschen Kaiser gezollt worden sei."
Die Aeußeruig des Kaiser wurde da
mals auf den geheimen Beitritt Italien
zum SudllN'Abkommen Zlvifchen Frank
reich und England vom 1. März 1399
bezogen, von welchem Schritt der römi
fchen Regierung die Bundesgenossen
Deutschland und Oeflerreich-Ungarn erst
Ende 1901 in Kcnntni gesetzt wurden. I
r n , ... 1 n.isi . 1 1 ', rrv r . . rr . . ' l
AM o. uii gerne a.tita!ie nu
eine Anfrage drS Abgeordneten Ebastk
nel in der französischen Deputierlcnkam
mer erklärt: "Que, cn &ucun ca et
ton Aiicunfl forme l'Italie ti pour
mit devenlr l'ouxiliaire nl .'Instru
ment d'une fljrresslon contra
rtotre paj's." (WaS denn? In keinem
Fill und In keiner Form würde Italien
ein Gehilfe oder da Werkzeug eine
Anqrisfs geg?n unser Land werden kön
nen.) -?lm Vt Ollobtr ließ Judet im
.Eclair" folgende Enthüllung über eine
weitere italienische .Extratour" ersche!
ren: .Tommafo ?ittoni ider damalige
und Mm italienisch, ZluSlandminister)
scheine rnltVin sonderbaren Gewandt
hcit daran gearbeitet zu haben, Frank
reich in eine gewagte Aktion hinein zu
kompromittieren. Nachdem er mit un
screm Botschafter beim Ouirinal von
einer doppelten Eventualität gesprochen,
der de Einzug französische, Trupve
In Marokko, dem sofort der Einzug deut
scher Truppen in da Departement
Weurthe'Moselle gefolgt wäre, drängte
er un zu den äußersten Entschlüssen,
indem er den Wunsch England mit
teilte, ein Einvernehmen mit Frankreich
herzustellen. .Wenn dem sa ist," sagte
r zu Herrn Bnrröre (dem Botschafter
Frankreich am Ouirinal), so haben Sie
nicht zu 'fürchten; ein französischeng
lischcS Einvernehmen stellt die beste
Bürgschaft für die Sicherung de Frie
denz in Europa; Deutschland würd eö
nie wagen, Sie anzugreifen."
Zu gleicher Zeit hatte aber Tittoni in
der vssiziösen Agenzia Jtaliana" fol
gende Erklärung abgegeben: ,McN kann
dessen sicher sein, daß Italien, waSiuch
immer geschehen mag, fclne Pflicht mit
der gleichen Entschlossenheit zu erfüllen
wissen wird, mit der e den Frieden der
teidigi hat. Man darf aber nicht r
gessen, daß Italien durch Lcrpflichtun
gen noch ine lange Zeit gebunden ist.
Diese Erwägung genügt, um die Orien
iicrung der auswärtigen Politik zu zei
gen, welcher Italien treu bleiben wird."
AuS dieser Erklärung kam dem genann
ten Judet die Witterung, e könnte sich
seitens Tittoni um eine Falle handeln.
Er schrieb im .Eclair": .Hatte Jtalkn
eö auf Verwicklungen abgesehen?, Dachte
e daran, sein:n Verbündeten zu ver
raten, oder diente e al Llufreizer zu
inem Kriege, In dem inen gewöhn
lichen Schlachtenplatz bewabrte. um au
nstrem Unglück Nutzen zuziehen und
beispielsweise im Mittclmenbecken unsere
Kolonialerbschaft anzuerstreben?" (Die
Mittelmccr-Konkurrenz zwischen Frank
reich und Italien, welche heute Berwick
lungen heraufzubeschwören droht, spukte
also damals schon). , Man kann nur
schwer glauben, daß Herr DelcassS, ein
.sehr naiver Don Juan. eS wirklich ver
führt habt. Welch eine Illusion! Welch
ein Erwachen, wenn er, nachderg er sich'
gründlich über den Wert der Allianz mit
England geirrt, der Unabhängigkeit Jta
licns, Deutschland gegenüber getraut
hätte.",
DS große AuSrusungszeichen hinter
allen diesen verschiedenen Enthüllungen
setzte der Pariset .Figaro" mit eine:,
allerdings prompt dementierten Ber
öffentlichung vom 13. Oktober 1905. t?N
dieser hieß es: Dreimal habt das britische
Auswärtige Amt bei der französische.:
TSiplomatie angehorcht, ob Frankreich
wohl für den lilbschluh eines definitiven
Allianzvertrages Zu haben sei. Dreimal
habe die sranzösische Regierung solche
Andeutung zurückgewiesen, augenschein
lich mit Rücksicht auf die Gefühle Ruß
land. In dem Augenblick aber! in wel
chem der französtsch'deutsche Gegensatz
einen akuten Anstrich erhalten, sei di&
Frage von selten der französische Diplo?
matie selbst wieder aufgenommen worden.
Die Folge sei die mündliche Zusicherurig
eines effektiven Beistands England für
den Fall eine Kriege gewesen, die der
britische Auslandminister Lansdownt
dem britischen Botschafter in Paris.'
Paul Eambön, gegenüber abgegeben und
die schriftlich zu wiederholen England sich
für den Fall deS Eintreten des casus
foednris" bereit erklärt habe. , Davon
habe der deutsche Botschafter Wolff-Met
ternich Wind bekommen und die Berliner
Regierung sich beeilt, die italienische da
von in Kenntnis zu setzen, daß sie den
Abschluß eine derartigen Bündnisses
zwischen Frankreich und England als
esus bolli würde ansehen müssen. Da
habe die italienische Regierung am 4.
Juni dem französischen Botschafter in
Rom Barröre wissen lassender sich un
verzüglich mit Paris in telegraphische
Verbindung gesetzt habe. Der Beschluß,
DelcassS deshalb fallen zu lassen, sei be
reit! am nächsten Tage (am 6. Juni)
vom Ministerrat gefaßt worden. Zum
Schluß dieser .Figaro"Darstellun4 heißt
eS: Im Verlaus des am 6. Juni abge
haltenen MinisterratS wollte DelcassS
mit der Erklarustgi .Ich habe Überdies
eine formelle Zusicherung de englischen
Beistandes", eine Urkunde auy seinem
Portefeuille nehmen; jedoch siel ihm Rou
vier (der Premier) sofort inS Wort und
sagte: .Ich habe eine Depesche BarröreS.
die besagt, daß Ihre Politik den Krieg
herbeiführen würde", und alle Minister
sprachen sich einstimmig gegen DelcassS
aS."
Die Quintessenz au diesen verschiede
nen Enthüllungen, auch wenn sie sich zum
teil widersprechend und stellenweise frag
lich sind, läßt sich in folgende drei Punkte
zusammcnzichcn:
1. Delcassö glaubte den Zeitpunkt
für die Durchsetzung seiner Politik gegen
Deutschland sür gekommen.
t 2. Er hielt England sür dazu ke
reit, Frankreich In einem gewaltsamen
Konflikt mit Deutschland effektive Hilfe
zu leisten.
3. Frankreich fühle sich damals
selbst sür den Fall einer efsektivcn Bei
Hilfe Englands nochnicht stark genug.
Dieser Stimmung hat der Sozialisten
sllhrcr Jean JauröS in feiner .Hu
manitö" mit dem EntfetzenSruf Ausdruck
gegeben: .So haben wir das Einver
ständnis mit England nicht verstanden!"
Die unmiitelbsre Folge der Enthül
lungin zeigte sich in einer weiteren An
spannung der RüflungZmzhruklg 'auf
allen Seiten. Nur da Habsburgerreich
wurde in die militärische Lähmung sei,
ner Wehrkraft, wie sie sich au dem
Streit zwischen Wien und Budapest Lbek
die Kommandosprache, die Fahnen und
die Embleme der Armee ergab, immer
fester verstrickt. Diese Lähmung hat sich
denn auch bitter gerächt. .
Im Steigen der TelcsssS'EnthülluNS?!,
schwebt, ganz Eurxp, der. flaiarevhe
Wn,r Giri
' Bot langen Jahren, in ferner glück,
licher Zeit, fubr ich mit meinem tun
l, sten SLbnchen in Ecbirze: beim Pa
sicren der ersten Tunnel glomm in sei
nen großen, blauen Augensternen ein
sorgenvoll gespannter Ausdruck auf, und
al ich ihn fragte, ob er sich fürchte,
meinte der kleine Märchenkundige: .Oh
nein, ich hab' nur Angst, daß in einem
der Berge, durch die wir kommen, Kaiser
Rotbart fitzt und wir Ihn Überfahren."
In folch kindlicher Auffassung liegt der
Keim zur Legende, begnadete Künstler
Naturen formen da! Volkslied daraus
und in dem erklingt, wa die Volksseele
erfüllt. Aber wa mag von künftigen
Geschlechtern überhaupt gesungen wer
den? Denn die alten Lieder taugen nun
nicht mehr., ' .
Wem kann die Strophe sich nun au
,de,r Kehle riNgen: ,Wa ist de Deut
schen Vaterland? ... So weit die deut
sche Zunge klingt und Gott im Himmel
Lieder singt: ... DaS ganze Deutsch
land muß eS fein.', Und auf die irotzi
gen. jubelnden Verse: .Sie sollen ihn
nicht haben, den freien, deutfchen Rhein'
paßt nicht mehr Heine! Spott:
Tn magst nun rühm, arbrn. trSn,
Tu brkt tn wulmd ar.floiri'ns
.Ei, soN,n, sollen idn nickt hgS!" .
oi Tllslt 6t nrn Mcmel Ichrei'
Kein Chor begeisterter Stimmen läßt
brausend mehr erschallen: .Freiheit,' die
Ich meine, die mein Herz erfüllt!' Wo
hin ist sie geraten, unsere Freiheit?
Nicht einmal die Trostesworte. die die
deutsche Jugend in Zeiten vergangener
Knechtschaft fand:
DS Hau? maa rfnNkN,
WaS fat'i kenn tiir Rot.
D seift UM in un Ne
Und imsr m tlt Gt
vermögen, un mehr aufzurichten, denn
welcher Geist lebt in un allen?
Wer nennt ihn? Wer kennt ihn In den
unzähligen Formen von Zersplitterung,
Widersprüchen und Fehden de. Bürger
kriegeS. des Klassen und Rassenkamp
fe!? Einstweilen ist der Geist dei Has
seS, der Verzweiflung und der Zerpo
rung der herrschende, der nur niederzu
reißen, aber nirgends aufzubauen ver
steht. Oder können wir un in die Frei
heit der Natur retten? DeS alten, lieben
Liedes gedenkend: .Gluck zu ihr grünen
Bäume, ihr HauS der Sicherheit, Schatz
aller Fröhlichkeit!" Jene Verse klingen
heute wie Spott und Hohn, und Simon
Dach, der sie vor dreihundert Jahren
niederschrieb, ahntenicht, wie weit eS
jemals mit un kommen kiinne: Eine
eiserne Kette inschnürender ' Vorschiif
ten, Erlässe und Verbot? trennt unS von
aller Wald- und Wassersreude, von Wer
-Hcshöhen und Wiesengrlln. und ws Man
inmitten solcher Herrlichkeiten in wohl
vertraute Helm besessen, da einst daS
Paradies glücklicher Ferienwochen gewe
sen. starren unS nun gehässiger Wider
stand und rauhe Abweisung entgegen.
Wir singen der freien Natur keine Lie
' der mehr nd die erste FrühlingSsonne
erweckt nicht wtc sonst froyttcye som
merpläne. '
Aber die LiebeLlieder sind n zum
Glück doch noch geblieben? Gewiß,
denn .die Liebe, sie hört nimmer auf"
nur werden sie, sich wandeln müssen,
In demselben Maße, In dem die Frauen
sich gewandelt haben; al daS Volks
lied: ' '
! Zewe iinh die Zartk.
TI edcl Rnskniicr, . v
Rcckit nn dtt enflrt ffrte.
v.P0t Schein ISn.it weit.Verlüe
verliebter Huldigung' galt, hat noch icrn
Fräulein und keine Frau auf der Ratio
nalverfammlung schneidige Reden ge
führt, sich nicht in d,en wüsten Kampf
um politische Machtfragen gestürzt; da
wußte man noch nichts vom großen Ge
biet der sozialen Fürsorge, auf dem die
Frau tüchtig und arbeitsfreudig, mit
männlicher Kraft und Energie wirken
würde; Ihr poetischer Reiz war noch
nicht getrübt durch ihr ehrgeiziges Rin
gen nach äußeren Ehren und AuSzeich
nungen im öffentlichen Leben, im Wett
lauf mit dem Manne. Bor' einem Jshr
hundert -schrieb eine deutsche Fürstin.
Luise von Preußen, deS Prinzen Radzi
will Gemahlin, in Ihr Tagebuch: Der
König hat mir di Neue Dekoration ge
schickt, die tr den Damen gibt, die die
Verwundeten gepflegt haben. Die weib
lichen Tugenden sollten im Verborgenen
wallen. Ich liebe die Auszeichnungen
nicht, die Empfindlichleiten und Neid er
wecken." Ob sich heute noch derlei Ta
gebucheintragungen finden - würden?
Auch da rührende Treuebekenntnis,
Aennchen von TharauS Lied:
3' NeS ttttrs,U& ans IM II schlaZk,
'-ir sind nchnitt, fictdnnnbn nu sl,ihn,
ftrnttsftf i. Sftfplnutt, tfttlSni nN (gellt
Coll' unsrer Liebe etlitiitfliitia lein ... .
dürfte leider immer seltener mehr stim
wen. .Krankheit, Verfolgung, Betrüb
nil und Pein'' sind freilich ärger denn je
über up hereingebrochen, aber .der
Liebe Verknotigung" wird oft ebensa
leichsinnig gelöst als geknüpft. So Mag
selbst das deutsche Liebeslied nicht un
berührt bleiben vom unholden Geist der
Neuen Zeit, der uns da! Singen einer
scheinbar harmlosen Weise: So diel
Stern' am Himmel stehen, so diel'
Grüße send' ich dir!" bereits verleiden
will, denn 'wer weiß, was sogar die
Sterne nun gegen un! im Schilde füh
ttrt. Man kann nicht mißtrauisch genug
sein, seit behauptet wird, Marconi habe
auf dem Wege der Funkentelegraphie
durch den Acther wunderliche, Signale
erhalten, die ihm von einer Stelle'
außerhalb der Erde, dielleicht von einem
Planeten zuzukommen scheinen und ihm
näher. In Inem weiteren Artikel fol
dargelegt werden, wie sich die öffentliche
Meinung der verschiedenen Länder jenen
Enthüllungen geheullber veshielt und wie
sie zugleich die G5Undlage einer eiteren
.AuZgestaltuna der Jd? einer französisch
'briti'ck'kussischcn LtkstSndigunz abZ'gk
ben babea, '
die Möglichkeit vorspiegeln, sich mit
einem derDen in Verbindung zu fetzen.
Hoffentlich war da ein Aprilscherz und
kein ernst zu nehmendc Problem, denn
niemal ist eine große Entdeckung oder
Erfindung der Menschheit Stolz gewe
sen, ohne zugleich auch ihr Fluch ,u wer.
den. Hat die jüngste Vergangenheit
nicht itwiese. daß die an Wunderkrast
grenzenden Wirkungen unserer Ge
schösse, unserer Luftschiffe. Unterfee
boote, elektrisch geladener Drähte, der
Tank, der Giftgase und so weiter den
Krieg ,u nie vorher dagenxsenen Un
Menschlichkeiten und Scheußlichkeiten!
steigerten, mit ebenso gigantischem Mas
fenunglllck im Gefolge, da! nicht blos;
di Besiegten treffen wird? Sobald die,
Sterne mit unS sprechen können, werden ,
sie unS auch noch den Krieg erklären!
Will doch Lucian mt Samosata vo
siebzehnhundert Jahren derlei vorauLge
sehen haben, indem. eine Luftschlacht
zwischen den Sonnen und Mondbewoh
nern zur Entscheidung von Kolonial
streitigkeiten auf dun Morgenstern
schildert, mit einer Millionentruppen
zahl und einer Kambfeöweise, bei der er
die unsere geahnt haben muß; besonder
ein leichte! Infanterieregiment das mit
Bravour vergiftete Riescnrettiche in die
feindlichen Reihen schleuderte, wodurch
seder Getroffene an einer schauderhaften
Wunde sofort starb, mahnt stark an die
modernen Handgranatenwerfer. E ist
alfg besser, wir halten die Sterne auch
fortan, wie eS im Volkslied heißt, für
.die schönsten Schäfchen", die der
.gold'ne Mond" hat, und verlangen
nicht, ihre nähere ' Bekanntschaft zu
machen. - j
Der geistreiche griechische Satiriker
hatte kein Vertrauen zum Sternenfrie
den. erst daS Evangelium erhob inen
Stern zum Wegweiser nach der Krippe
de Heilands, zum Symbol deZ Frie
den auf Erden, da mehr verheißend
als erfüllend auf die hoffende Mensch,
hcit strahlt und seinen zarten Schimmer
auch übet unsere eigenen lieben Erinne
rungen gießt, da wir in der Jugendzeit
da alte, ergreifende . Lied: Stille
Nacht, heilige Nacht gesüngen und
diele Iahn später wiederum unsere Kin
der und dann die Enkel. Aber zur
letzten .Heiligen Nacht" wollte der
Weihnachtsstcrn nicht mehr recht leuch
ten, dem Tannenbaum mangelte der ein,
stige Kcrzenglanz. das Blinken de En
gelhaarS und all der liebe Tand roter
Aepfel und goldener Nüsse, der feinen
Zauber ausgemacht, und waS das
Schlimmste war, die Festesfreude fehlte
und die Zuversicht, wir sahen mit fcuch
tem Blick in die grünen Zweige und daS
alte Lied: Oh Dannebom, oh Danne
bom, dein Kleid foll mich was lehren,
die Hoffnung und Beständigkeit gibt '
Kraft und Mut zu jeder Zeit." fand kci
nen Widerhall in unseren Herzen.
Unser Leben ist nur noch ein Ab
schiednehmen. darum sind, Scheidelieder
die einzigen, die unseren harte Schmerz
in Wehmut lösen, und gar in vertrau
teste? unter ihnen läßt sich träumend
weiter spinnen: .Es zogen drei Bur
sche wohl über den Rhein, bei einer Frau
Wirtin da kehrten sie ein" und fragten
nach dem schönen Töchterlein, aber ach,
de Rheinck liebst Tochter liegt auf der
Totenbahre und gleicht der einst so stol
zen Germania. Deutsche Jugend aller
'Gaue, naht ihrem schwarze Schrein, der
erste, der eintritt. weint,.und wendet
sich ab; derLndere wollte sie lieben von
dieser Zeit, wenn sie noch in voller Glo
rie lebte, der dritte aber küßt sie auf den
bleichen Mund und schwört: .Dich liebt'
Ich immer, dich lieb' ich noch heut' und
werde dich lieben in Ewigkeit!" und
der solch unverbrüchliche Treue hegt in
tiefstem Herzensgrund, wird der Trost
und die Hoffnung fein, unserer dunklen
Zeit Nd auf umflorter Fackel einen ver
heißenden Lichtstrahl tragen in unsere?
Kinder düster verhangene Zukunft. -
Ae alie Tänzen.
Berliner Blätter veröffentlichen eine
interessante gerichtlich Entscheidung. An
gestellte Versicherte, die zur Ausfüllung
ihrer bisherigen Berufsstellungen nicht
mehr Imstande sind, können auf andere
Tätigkeiten Nur dann verwiese werden,
wenn diese ihrer bisherigen Tätigkeit im
wesentlichen gleichartig sind und annä,
hernd gesellschaftlich gleichstehen. Diese
wichtige grundsätzliche Entscheidung hat
da Oberschiedsgericht neuerding ge
troffen. Eine königliche Tänzerin im
Alter von 51 Jahren war entlassen wor
den. Sie erhob als Berufsunfähige An
fpruch auf Ruhegeld. Die Reichöver.
sicherungsanstalt war der Meinung, daß
die erprobte Tänzerin einet ersten Bühne
m einem kleineren Theater eint annehm
bare Stellung finden könne. Sie könne
auch auf eine Bureautätigkeit der die
Stelle einer Wirtschafterin derwiesen
werden oder alt Statistin gehen. Daz
Overschiedkgericht entschied aber, daß di
Berufsunsähigkeii sich nicht auf irgend
eine andere, von dem bisherigen Berufe
völlig verschiedene Tätigkeit erstrecken
müsse. In der Begrüntzung zum Ber
sicherungsgesetze für Angestellte werde die
Gewährung von Ruhegeld nur dann
ausgeschlossen, wenn der Versicherte noch
in der Lage Ist, die Hälfte seine! bis.
herben Einkommen in Stellungen zu
erwerben, die Im wesentlichen die gleiche
Ausbildung voraussetzen. Eine Bcschof.
tigung al! Statistin kön der Zänzeriz
nicht zugemutet werden. . ' "
'''' i
- Schönheit und Liebe.
Schon bin ich Nicht, mein höchster H:r
ray Fch da, nicht entgelten!
Lieb gilt für schön an manchem Ort,
7
nry
Liev toll vor aller Schönheit gelten.
Schön bin ich nicht, acht das gar lkni
Lies tut all Ding bezwingen. - j
kleb zwipzi die SchönhkiMMff
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