Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, August 30, 1919, Image 6

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    ' f
Tägliche Omaha Tribüne,
Ava ft.
Roman in zwei Bände don Fritz Wanthncr.
(12. ffortsktzung.)
Markanne 5,teb stehen und faßte
unbekümmert um einzelne Zeugen seine
recyre Hano. ,
.Wal hast Du. Robert? Sag ti
rntr. feo war Tu doch sonst nicht
. m .Vielleicht ist el der Frühling, mein
ldk Herz. Da regt sich alle Äre
tur, weil sie was werd möchte."
.Gesteh et mir ein. Robert, meine
n gemißt Dir nlcht.
Sie waren wieder weitergegangen
virm tn Arm. Jetzt blteb van Tenius
stehen. Der harte Zug um seine
tun vertieft sich, trotzdem er froh
dazu lächelte.
.Du bist ein Weiö.mem Herz! Wir
körulUl unö darin nicht ganz verstehen.
vcat einen siuyieite' naoen, einen
.Jüngling kann die Liebe ganz ausfül.
len, wie s da? ganze Leben des Wei
beS verschlingen kann. Ein Mann ist
wie ein Soldat im 'Kriege. , Hat er
nicht zu kämpsen, so hat er doch zu
marschiren. und muß froh sein, wenn
der Marsch geradewegS aus Schlacht
selb lo geht, und nicht ziellos in der
Irre. Ich glaube, ich marfchire ge
xadeccuS. Darum habe ich viel Ande
cel zu denken, als die Liebe. Das
koeißt Du und Du nimmst es hm.
Wer etwa? hat , ja wohl auch so ein
Eoldat, val er noch lieber hat als den
Krieg. Sieh, mein Herz, das alte
- Won: ich liebe Dich die meinen Lug
epfell Ich denke nicht immer daran.
daß ich Augen habe. Wer unaufhor
j sich schenken sie mir Schönheit und
E5l2i, unaufhörlich schütze ich sie ganz
instinktiv, und wenn ich an sie denke,
so bin ich froh. Nein, baö Bild ist
falsch. Denn lieber noch als meine
. Llugen habe ich Dich, Marianne!'
Sie waren weitn gegangen, unbe
kümmert um die Welt wie zwei Kinder.
Arm vt Arm und zugleich Hand in
Hand. '
Wieder nach einer Weile sagte Ma
rianne:
.der boch bist Du nicht froh. - List
Du ehrgeizig geworden ?"
.Geworden?" fragte er lächelnd.
.Gewesen. Wie ich zwölf Jahre alt
war. Berge wollte ich versetzen, Mo
narien stürzen und vernichten, oder
wenigstens die Welt verbessern. Ich
bin längst nicht mehr ehrgeizig. Als
Student, im. Hörsaal und in der
Kneipe, da habe ich verglichen. Ich ge
höre zum Mittelaut. Nein. Marianne.
dak versiehe ich besser, und Du wirst
mich auch schon lud behalten als Mit,
telgut. Im bin kein hervorragender
Mensch. Ich will weiter nichts, als zu
dem großen Bau in Steinchen beige
kragen haben. Wma es den Bau
überhaupt gibt. DaZ ist die große
Illusion des ManneS. daß er bauen
mochte. Maurer mochten wrr alle sein,
Freimaurer; , aber faule Maurer, sind
wir. Wenn ich meine Arbeit, Du
weißt ja. die statistische Geschichte, vol
lendet haben werde, dann müssen erst
ern paar hundert ehrliche Menschen in
ganz Europa dieselbe Arbeit noch env
mal thun, und Millionen Knechte müs,
sen um Hilfe schreien, bevor wir öun
dert zusammen einen kleinen Stein
zum großen Bau herbeischaffen können.
Ach was! Ein Sandkorn für den
Mörtel. Vor jeder Ameise hätten wir
uns zu schämen, wir faulen Freimau
ter! .
Zwei Thränen flössen feiner Gclieb
len langsam die Wangen herunter. -
.Du bist unglücklich, Robert. Wa3
haft Du? Kannst Du es mir nicht 1
gen? O. ich weiß, Du bist zu gut!
Diese Vertheidigung regt Dich auf. die
Du übernommen hast. Der arme Pole
regt Dich fg auf. Seit dem Tage bist
Du so."
.EI mag sein.' Aber daS muß ich
durchführen. DaS ist ein Hauptpunkt
in meinem Programm. Ich muß den
Armen helfen lernen." , '
Er zwang sich, ruhiger zu, werden,
und begann ein leichteres Gespräch über
Mariannen'S bevorstehende Dresdener
Reise, über die schwierige Erziehung
WolffS und über ihren alten Plan, sie
einmal nach Dresden zu begleiten, und
dort einen ganzen Tag. von Sonnen
aufgang bis Mitternacht f.ei ' und
glücklich mit ihr zu verbringen. " '
Achtes Kapitel. '
Mehr noch als acht Tage waren der
gangen, bevor ihm bei UnterfuchungZ
richt gestattete, den verstockten, Polen,
der fo dringend deS .MsrdeS verdächtig
war, tn semer Zelle allein aufzusuchen.
Twardki erkannte -seinen Verlheidiger
nicht gleich wieder, behandelte ihn dann
lkber recht kordial. , ' .
Er habe fchon zwei kleine Prozesse,
e?eha!t, und Uüt Male recht gute Er
Ehrungen mit seinen RechtZanwälten
gemacht. '
DaS eine Mal zu Hause wegen einer
kZzuferei, da hte sein Lddolat ihm die
sinnlose TrunZenheit so schön herau!
pasfirt, daß eS bei acht Tag'.n Gesang
mß blieb. , WaS wußte so ein Advokat,
trie viel Twardki dertrazen konnte, be
vor n sinnlos betrunken war! Und
tzi andere Mal in Werlin, da war eS
och besser gegangen. Funduntcrschla
pMT. hatte der Präsident gesazt. Ein
Vaar Stiefel. Der Advokat aber
drehte so lange, bis S gar kein Fund
mt W2T, sondern so en Sache, die
Ui?..mjr&mßtlte&'vvb firf k I
IIIIIMt IlttM
z
Yminm
Tw.... v . . ' M
iywun iuui ,watBii Ivorocn. tfrti
gesprochen! Er kam sich damals er
denttich wie wag vor, als ob er eineMe,
daille bekommen hätte,
Er wußte also Bescheid und wußt,
auch, was sich schickte. Er bot seinem
uvvokaten den einzigen Stuhl der Zelle
an. und da van TeniuS sich nicht setzte.
viiev auch der Pole stehen.
.Es ist ganz gut hier." sagte er leise.
naq kmem razchen Blick aus die Thür.
.Das freut mich," erwiderte van Zu
Nlus. denn eS ist möglich, daß ,die Un
terfuchungshaft lange dauern wird.
EimS aber will ich Ihnen gleich sagen.
wardkl. ich vaste Ihnen mit meiner
Eqre dafür, daß Sie freigesprochen
werden. -
DaZ weiß ich, Herr Addokat. Ich
werde wieder sreigej prochen werden,
Bekomme ich dann etwas?
.Nein, aber ich bitte, sich das ganz
klar zu machen, Twardki. Ich bin von
Ihrer unMuw unbedingt überzeugt
und hafte Ihnen dafür, verstehen Sie
mich recht, ich hafte Ihnen dafür: Sie
kommen freu'
Ja. ja. Herr Advokat, das wein ick.
ja schon, ich bin ja auch kein Mörder
nicht. Aber wegen der goldenen Ubr.
da muß ich auch freigesprochen werden.
Die hat Keinem gehört.'
Und er erzählte feine Geschichte mit
den alten Stieseln zum zweiten Mal.
.Ja. Twardki, da inussen wir zu.
eben, sie muzien mir die volle Wabv
heit sagen, damit ich Ihnen besser bei,
en rann, setzen fsvtl Twardki, so
"icher ich von Ihrer Unschuld überzeugt
bin, so sicher glaube ich, daß Sie die
Uhr nicht geraubt, nicht gestohlen, aber
auch gar nicht einmal allein gefunden
haben. Saaen Sie mir ehrlich, in
welcher Gesellschaft sind Sie zu der Uhr
gekommen?' ,
Der Pole blinzelte mit den Augen.
.Sie sind schlau, gnädiger Herr,
Wenn ich Ihnen was sage, so sagenSie
es dem Herrn Präsidenten und dann
habt ihr mich. Nein, dai fällt mir
nicht ein. Hier kst'S ganz gut."
.Wer Mensch, nehmen Sie dochVer,
nunft an. Ich bin ja Ihr Vertheil
ger. EZ ist ja meine Pflicht, zu Ihren
Gunsten thätig zu sein. Und wennSie
nicht die volle Wahrheit sagen, so scha
den Sie Ihrer Sache bei den Richtern.
Wo wollen Sie denn die Uhr gefunden
haben und wann?
.Na, gnädiger Herr, Sie wissen ja.
Aus d?m !KW iwiln ?rwSnnii unK I
-vj givkjMfV JJ H.VVIIU Mktf
Wilmersdorf, fg um Mitternacht." I
.Auf der Straße?" ' ',' j
i. .Na ja, so neben der Straße.". ..' , I
.Twardki, es war stockfinster, und
die Uhr lag nicht auf der Straße, wie
Sie jetzt selbst sagen. Wer hat dieUhr
gefunden und wo ?"
Der Pole blinzelte wieder.
.Herr Advokat werden Sie auch ge
Witz nrchtZ... nein, ich las's nicht,
Dann kriege ich doch was. Dann werde
ich mi-i freigesprochen ..."
So diel van Tenius sich auch be
muhte, den Polen zu überreden.
Twardki blieb bei feiner Weigerung.
Aber auS feinem Zögern hatte d:r
Rechtsanwalt, ebcnfo wie der Untersu
chungsrichter die Ueberzeugung ge
schöpft, daß wirklich ein andernMensch
die Uhr gefunden hatte. Er schilderte
dm Zlmnoch einmal die Folgen sei
neä ..fieugnenl. Der Verdacht bei
Mordes mutzte auf ihm sitzen bleiben.
und die Haft konnte sich in's Ungewisse
verlangern.
.Das thut nichts, gnädiger Herr,
wenn ich nur am Ende freigesprochen
werde."
Van TeniuS durfte für heute nicht
länger bleiben. Er versprach bald
wieder zu . kommen und bat den Häft
ling dringend, das nächste Mal offener
gegen ihn zu sein. Ob er sonst etwa?
für ,hn thun konnte. Ihn freue die
Vertheidigung 'fo sehr, daß er ger et
wag dafür thäte.
Das schon, gnädiger Herr, aber Sie
Werden'S nicht thun."
Stedm Sie nur!
,3ch muß mich nur fo schämen.
Wissen Sie, gnädiger Herr, zu Hause
- U " MJUMI1.II
bin ich nämlich verheirathet. Und
. . - . . I
varum even yave ich ja ganz allem die
Uhr gefunden. Na, und da habe ich
ein Weib und zwei kleine Kinder. Das
keinsie ,ft bierzebn Taqe alt, nem zu
Ostern wird's fchon einen Monat alt
gewesen sein. Darum ist auch mein
Weib nicht mitgekommen. Und ich
schicke ihnen sonst alle Vierzeh Tage
Selb, Masse Geld. Wer wird ihnen
jetzt Geld schicken? Das ist das Ein
zige." i
Wie v:el pflegten Sie nach Hause
zu senden?"
Na, vnadiqer Herr, wie's eben ist.
Alle vierzehn Tage zwei Thakr, oder
drei Thaler, oder manchmal auch fünf
Thaler, wenn ich gleich geschickt hab'."
.Und S.e waren ganz b:ruh:gt.
wenn Ihre Frau alle vierzehn Tage
ünf Thacr bekäme, so lange S der
hasut sind?"
Em schoneS Lachen glitt ub:r die
Zuze des Polen.
.TsS kann ich ja gar nicht verlas
gen. Ader oann geye xq gar nicht
mehr fort von hier. Gut ist'. Wir
haben draußen kein fs gutes Brod."
.Und a!Z eine Schande empfinden
Sie'i nicht. Twardki?"
.Wes,? eng ich fun'dr,ba
werde! Wenn ich freigesproan werde,
so gehe ich hinaus, und alle Polen zah
len mir inen Korn
.Hören Sie. Twardki. ich werde gute
Menschen für Sie gewinnen, und ver
spreche Ihnen, daß Ihre Frau alle vier
zehn Tage fünf Thaler bekommen soll.-
.JesuS. Maria und Joseph, gnädi
gerHerr. DaS soll Ihnen Gott loh.
nen. Und ich will auch vor Gericht
Alle machen, wie sie wollen.'
.Geben Sie mir die Adresse Ihre,
Frau; Namen und Wohnort und
Alles." .
Da müssen Sie zu unserm Meister.
gnädiger Herr. Der bat daS Alles
aufgeschrieben. Katinka heißt sie, aber
willen sie, das llebrkge ist AlleS so
schwer aufzuschreiben. Der Meister
bekommt auch immer fünf Pfennig süx
das Adimisen.
Ban TeniuS verlitß daS Untersu,
chungsgefängniß in heiterer Stirn
mung. Wenn die Familie deS Polen
keinen Nachtheil hatte, wenn der Pole
selbst seelisch so wenig unter demMord
verdacht litt, dann' konnte sich der
RechtSanwalt über den einzigen Men
schen beruhigen, dem er Unrecht that.
SS blieb dann nur noch der Staat üb
rig. das Recht, die menschliche Gesell,
schaft. Große Worte, klangvolle
Worte. Aber Worte nur! Worte,
die keine Nerven und kein Blut hatten,
denen man nicht weh thun konnte, die
keine Schmerzen litten, an denen eine
Sünde zu begehen gar nicht möglich
war. Z)a: Jüsenn van 2en,uS m fei.
nem großen französisch-deutschen Wör
I terbuch irgendwo einen Riß machte.
Worte auseinander riß, wen schädigte
er? Wer schrie auf? Mit Worten
wollte er fchon fertig werden. Vor
Worten fürchtete er, sich s, wenig wie
vor anderen Geipen lern.
Am nächsten Sonntag wanderte dan
TeniuS nacb dem Grunewald binauö,
an die Arbeitsstätte der Wasserpolaken.
Dort wollte er den Meister aufsuchen.
der Frau ihr Geld mitn lassen, ein
I Alibi nachzuweisen suchen und neben
bet über TwarbkrS Frkedenauer Bezie
I hungen Nachrichten sammeln. Er fuhr
I v:s zum BaynHof HalenZ uns uqtt
dann d unfertigen Straßen der B:l.
lencolonie hin und her ab, bis er sich
nach einer halben Stunde auf den rich
tigen Weg weisen lassen mußte.
CrwaS absntS von den grdneien
kratzen der Kolonie waren die poln
schen Arbeiter jetzt daran, drüben nicht
weit don der Grunewald-Bahn einen
der Fenvk, wie die kleinen Moräste hier
heißen, zu einem See suszugraben.
Van Tenius war nicht der Einzige, der
die interessante Arbeitsstätte aufsuchte.
Wo von der Bahnstrecke ein kleiner
steiler Abhang zum Sumpf hinunter
führte, da hatten sich die Polin etwa
zwanzia Erdbütten tTtifäti. fiafi;
V V O 7 " --.- W 1
moosbewachsene Kieferstämme schlössen
daS , Terrain nach Westen ab. Der
Waldbodea war, mit orjähr:g:m der,
gllbtem Windhafer und mit kleinbläit
rigem Crdbeerkraut bedeckt. Dicht am
Ufer des künftigen Sees zogen sich die
Hütten oder Höhlen hin. Ein paar
Pfosten waren überall in die Erde ge
trieben. Von Reisig und dünnen
Stanqen war nothdürftig ein Dach her
gestellt. Und daS Ganze war - mit
Lehm, Sand und Sumpftorf über
schüttet, wie eS die Leute ebkn zur Hand
hatten.
Es war kurz kor zwölf Uhr, und d?e
Polen bereiteten ihr Mittczsessen. Vor
jeder der Höhlen war im Freien durch
zwei lose Ziegelsteine ein Heerd errich
tet, und da kochten ub:r prasselnden
Reijigfeuern in Töpfen und Kesseln die
fL"l
Elim1 ?Ä"..rumI
einige der starken fröhlichen Weiber mit
rothen Kovnuchern und weißen Schur
zen sonntaglich geputzt.
Das Sonnenlicht lag warm und stm
über der Waldeinssnikelt, die ernsten
Kiefern starrten rubig mit ihren dank
len Wipfeln in den blauenHimmel, kein
Lüftchen rührte sich, und' so eng be
grenzten die kleinen Anhöhen daS seit
same Bild, daß man sich fern von jedem
städtischen Anwesen hat'.c fühlen kon
nen, wenn nicht don Zeit zu Zeit Eisen
bahnzüge dröhnend über die nahen
Schienen gerollt wären und wenn nicht
neugierige Berliner zahlreich genug den
Weg hierher gefunden hätten. Die
einen radaulusiig mit schlechten Witzen,
oie oa uns oorr von om mnsernoen
- . I ...., . I
V mm ooer un laiyig erwwcrr
fHl":n' " 's :VTU
Tii-ritr 4 iv 5Hrhitt Rif- i
'"'X " ""
whi .h w v wutjtuwt
' (Joriizung folgt.)
Sehr wahrscheinlich.
Dichterling: Bor einigen Tagen wur
de ich von einem Straßenräuber über
fnflfn (5r nnfirn mir l!fir mnrifmrrni
naie und was ich sonst an Werthsachen
" -"; r- ..w - I
bei mir trug. 5 ulekt blieb mir nickts
als mein letzter Band Gedichte. Ich
bat ihn sehr, mir diesen wenigstens zu
lassen, aber kaum hatte er die erste
Seite durchgehen, als er ausrief:
.Nehmen ie alle Ihre Werthsachen
zurück ich behalte den Band &t
dichte?"
Schnell fertig. Nun. Herr
Weinbierl, Sie waren ja auch hier zum
Besuch der AuZftellung! Wie hat sie
Ihnen denn gefallen? .Ja missen
bit, als ich angekommen bin, hab' ich
mir gar Nicht au-gekannt: dann lzab'
ich eine alte Frau gefragt, wo die
Abstellung ist; die hat's auch nicht ge
mit: Nun hat,' ich mir gedacht, du
suchst nicht lang 'rum, finden thust du
sie doch nicht, bin dann in ein Wirths
bauS gegangen und am Lbend wieder
teirnaefshren."
Spiritistcn-Koooklltion.
Bon Paul Heinrich.
' BiZ ich an der Spiritisten-Kon
vcntion teilnahm, war meine ßcirni
nis vom weiten 9lciü der Geister ei.
nigermaßen beschränkt, unsicher und
lückenhaft. Ich hatte einmal einer
Teufelsbeschwörung beigewohnt; daS
war Ende März vorigen Jahres in
Chicago. TamalS tobte Äilly un
day in einem Tabernakel, den ihm
die reformbedurmaen Bewohner oer
Stadt am User des 'ichigan-Sces
erbaut hatten. Eines TagcS stattete
ich dem Tabernakel einen Äesuch ab,
und dabei hatte ich Gelegenheit.
Bill, alZ Teusclsbeschworer zu be
wundern. Tcr teiiipcranicntvolle
Gottet-niann mußte wohl über die
erfolgreiche 'Werbetätigkeit des Bo
sen in Zorn geraten sein. Er
schimpjte und tobte in den unflätig
stcn Ausdrücken,- wie ein , nun
eben wie ein Evangelist, und Zchlieb
Ich forderte er Satan offen ziiin
Swcikanipf heraus. ES war eine gräi).
liche Szene, nur stunden die Haare
zu Berge. Lwei-, oreimai rvicoer.
liolte der nnvaltige Gottcs,lrelter
seine Herausforderung; mit dröh
ncnder ettnmte rief er sie tn den
Schwefelpfuhl hinab, der sich da un
tcn irgendwo befindet. In starrem
Entsetzen harrte die vieltausendköp
sige Menge auf die Ankiiiijt des (qöu
leiifürften. Meinen Sie, er wäre
gekommen? Fiel ihm gar nicht ein.
Er hatte Angst, der Feigling; er
wagte es einfach nicht, sich mit dem
ftirchtbarm Billy in einen Kamps
einzulassen. Selbstverständlich l,atte
er Angjt, samt wäre er doch gekom
men. .
Trotz dieses Sieges des guten
Billy über den bösen Feind empfand
ich das negative Ergebnis dieier Be
Zchwörnng immer als eine Enttäu
schling. Ich war daher gespannter
Erwartung voll, als ich mich zum
Besuch der Spiritisten.5ionuentiozt ii
Eedar Psint entschloß. Es war die
Konvention der Spiritisten von
Ohio; sie dauerte vier Tage. Tie
Erledigung der Geschäfte nahm nur
kurze Zeit in Anspruch: das Pro
gramm veirano lianpliaazllch am
Bortrögen und spiritistischen Vor
jührungen. Für die letzteren hatte
sich daS Komitee John later ver,
airieveu. tue 3tat Uoyn , wie er
ich gern nennen hott, das Chain
pioii'Äediiim der &cU,
later , ui ein,, ziemlich großer
Mann mit grauem Haar, grauen.
Lchnurrbart und gesunder rötlicher
Gejichtsfarbe. Er tiit absolut nichts
geisterhaftes oder ätherisches an sich;
man tonnte lyn eher sur einen
Grocer vom Lande halten. Aber
daß er ein charfer Beobachter ist.
sieht man auf der Stelle. Hinter
den Brillengläsern hervor blicken die
Augen scharf und lebhaft in die
Welt, und wenn Slater auch Stun
den lang fast teilnahmslüs auf der
Plattform sitzen sann, so v-nvandelt
er sich sofort in einen hochgradig ner
vösen, sensitiven und teiiiperrnnent-
tollen Menschen, sobald er zu .ar
beiten" beginnt. ' '
Er sangt gewöhnlich daniit an.
P h
Er reistt das aaine Vnblikum ber.
daß er seinen Ziihorem eine un
Er reiht das ganze Publikum her
unter und verfehlt dabei nicht, den
Leuten klar zu machen, das; er, der
große John Slater, sich da,zu her
beiläszt, ihre blödsinnigen Fragen zu
beantworten und in ihrem Interesse
mit dem Geisterreich in Berbindunz
zu treten.
Jeder Bemcher der Konvention
hat das Recht, Fragen zu stellen
Man schreibt diese auf einen Zettel,
den man in einen Briefumschlaa
steckt und beim Betreten des Saales
an der Tür abgibt. Slater beant
wortet keineswegs alle Fragen. Ab
und zu erklär. ,c: ,&'itM eine der
aloernen Fragen". . Ritsch, Ratsch
wird der Zettel aerri en und n den
. " V ""'
apierkorb geworfen.
Slater gibt die Botschaften ans
. " ' 1
Dem Geisterreich mit geradezu fabel
haftec , Geschwindigkeit. MeistenZ
nimmt er irgend einen Briesum
schlag vom Tisch, verliest den Na
men oder die Initialen des Frage,
stellers, soröert diesen auf .sich zu er
Heden und beantwortet dann die
rage, ohne diese gelesen zi, haben.
(.;; . ... . V... '!....
'""' s nn mn umma
luu u üie "cn3e i0UI vor ww er
gänzt seine Antwort. Selbswer
stündlich sind die Fragen manchmal
so einfach, daß jeder intelligente
Mensch sie ohne Schwierigkeit beant
warten kann. In anderen Fällen
lässt sich die Nichtigkeit der Antwort
nicht feststellen. Indessen gibt Sla
tcr auch Botschaften, die tatsächlich
cn das Wunderbare grenzen.
So erklärte er einer deutschen Jü.
ein, das; ihre siimtlichen Geschwister
m Teutschland noch am Leben seien.
Aber damit nicht genug, zählte er die
Zameq ,der sämtlichen Gefäjrraster, es
waren acht an der Zah., auf. Er
teilte der Fragestellerin mit, dasz sie
selbst nach der (Zrosmiutter benannt
jei, und all diese Angaben würden
don der Frau o!Z vollkeuimen kor
rekt bezeichnet. ',
Slater machte Angaben liber Er
eignisfe im Leben der Letlte, die sich
vor vielen Jahren zugetragen hat
tm, über Schicksale ihrer Verwand
tcn. die er beim Namen nannte, und
zwar oft genug Aornam.' und Fa
milienname, 'obwohl ihm diese nach
menschlicher Berechnung unmöglich
bekannt sein konnten. Da5 betont
er denn auch sehr nachdriickiich, in
denl cr jedesinal, wenn er seine Aus,
lunft gegeben hat, die betreffende
Person fragt: 'ölenne ich Sie? Habe
ich - Sie jemals vorher gesehen?
Konnte ich das möglicherweise wi
sen?" : Selbstverständlich lautet die
Antwort in icdem Falle Nem!,
, Ob man nun an Spiritismus
glaubt oder nicht, man muß zugv
den, dan die Llusknnfte John Sla
ters vielfach derartig find ,daß man
die litivirkung übernatürlicher
cträfte garnicht von der Hanö weisen
kann.
Trotz alledem kommen einem wie
der Bedenken, wenn man sieht, dasz
der grolze John sich in der Person
des vlelgeivanoten Charley einen
Ässisteillen zugelegt hat. Charley ist
nämlich kein anderer als Charles
Ender, früher ein proienioneller !Ka
gier und allen Tarnen und Herreu
vom Bariete wohl bekannt als einer
der besten seiner Zunft, Man fragt
nch unwillkürlich .Warum hat Sla
ter die Hilfe dieses professionellen
anberknn'ilers nötig, wenn ihm die
Genier alles zutragen, was er wis
sen wlllk" Und Charley ist Slaters
iinzertremilichei, Begleiter. Er ist es,
der die Briepimichlagc mit den Fcc,.
Gen entgegennimmt, er überbringt
ie seinem grosien Geister, er beivegt
sich fortwährend im Publikum, nnc
wenn Slater einmal einen Frageslel'
Irr, der besonders klein ist, oder sich
nicht von seinem Sitze erhebt, nicht
finden kann, so macht Charley ihn
mit einer Handbewegung oder ein
;aar Worten ans den betreffenden
ausmerksam. Ta' alles kann , ja
ganz'harnllos sein. Es sann aber
auch alles seinen tieferen Sinn ha
den, der dem Publiknm verborgen
bleibt. Man hat i:. Exempel von
Beispielen.
"Bon der ungeheure:, Ausbreitung
deö Spiritismus machen sich Leute,
die der Beilegung sern stehen, kann,
einen rechten Begrijs. Es gibt heute
fast in allen größeren Stäoten Spi
nliftengemeinoen, die regeliiiäfng
klljungeik veranziallen. In vielen
Fällen snngiert der Pastor oder die
Pastorin gleichzeitig als Medium.
Tie Spiritislen yabei, zwei Zeit'da der Kaiser ihn sichtlich bevorzugte
jchriften von nationaler Berbreitnng. I ""d nur durchihn mit dem Zaren
Len Peogreiiwe Thwker", heraus
gegebei, von Fräl, Caloivalader in
Chicago,' und den National Spin
tuulift",' heraliögegeben 'von Tr,
George B. Warite, oem Nalianalprä.
side,iten der Spiritisten. Aufzer Ler
Konvention halten die ' Spiritisten
Ohio in diesem Jahre nicht iveniger
als drei sogenannte Camps oder
Sommerlaaer ab. ma sie mährmh
ivr iiciiv.i hru-it zs.....
lommen, um im) gegenwartig ,m
r . I
Glauben zu ' starten. Tas Haupt
quartier der Spiritisten aber ist Lil
lyöale in der Nahe von Tunkirk im
Staate Neio Dort. Hier strömen im
Juli und August alle wohlhabenden
p, muten des ganzen Landes zu
summen. Medien von Ruf , jinden
sich ein, und fogarohn Slater weilt
sast während der ganzen Saison ln
vmyoaie.
Troß alledem scheint es, als ob dem
Spiritismus kein dauernder Bestand
l'Clchteüen ist. .Es fehlen ihm näm
lich zivet Elemente zu einer erfolg,
reichen Entwicklung, erstens das
Dogma und zweitens die Disziplin.
In Glaubensfachen find die Spiritt
stei, sehr weitherzig, sie gestatten il.
ren Anhängern sich ihre eigene Ne
ligion zurecht zu, machen, llnd das
ist bekanntlich ein Fehler, denn da!
Volk hat gern ganz konkrete GIau
benssäye, Dogmen, die auf, alle Fra
gen Aiiuvort geben.' Wie diese Ant.
Worten lauten, darauf kommt es we
niger an.
llnd dann der Mangel an Tiszi
plin, das ist auch ein schwacher
Punkt. Tie Mdien sind alle aus
inander eifersüchtig, sie reifzen sich
kc,gem.eitig nach Noter. herunter, und
das mujz natürlich .der guten
a;e Det den Glaubigen schaden.
Als ich diese Jden 'eine? spiriti.
jiijch veranlagten Freundin mitge
teilt hatte, entggnete sie:
In der Theorie haben Sie recht,
in der Praxis aber nicht. Sie über,
sehen, daß die Spiritisten sich in drei
UlasZen scheiden, .iänüich erstens
solche, die felsenfest und ehrlich an
een Spiritismus glauben, zweitens
jene, die die ganzis Geschichte für
e-nen Ulk oder einen Zeitvertreib
halten und die Sitzungen und Eamps
um purer Langeweile beslichen, und
rriltens die große Schar der Lauen,
Zweifler und Gleichgültigen, die sich
u keiner entschiedenen Stellungnah
me durchringen können oder wollen.
Tie erste blasse ist numerisch om
sl,ächften, und, die beiden anderen
lUaisen in eine straffe Organisation
hineinzupressen und ihnen genau sti
pulietteGIaubensdognten vorschreiben
?,u wollen, wäre sehr unklug, weil es
sch einfach nicht durchführen labt
Cis würde der vierten lcste, den
'orrroizsrcdnern, Pastoren und Me
dien den weitaus größten Teil ihrcsj
Einkommens entziehen, denn, wie'
Sie wissen, lassen diese sich für ihre
vortrage und ihre Botschaften 'auS
ter Geisterwelt recht anständig bezah
len.' : - - -
Da ich einer Dame grundsätzlich
niemals widerspreche, so kam unsere
Debatte damit zu Ende. Wir Wandel
ten nach dem Ratskeller. DaS ganze
ungeheure Lokal, fu recht geschaffen
für eine 'feuchtfröhliche Sitzung in
bierfideler Nädaustiinmung lag ver
ödet. Wir ,nippten an unserem
Nearbier und kehrten bald in die
Konventionöhalle zurück. Hier ver
kündigte John Slater gerade eine
Botschaft, die er von Carrie Nation
aus dem tteisierreich erhalten hatte.
Carrie beglückwünscht Ohio zur Ein
führung der Prohibition und, sagte
o,e Morgenröte cmcs goldenen Zeit
alterS voraus. . .
Das ärgerte uns nun ganz gewa
tig; wir gingen hinaus an den B&
destrand. Er war sast ganz verödet.
denn das Wetter war kühl und st
misch. Die See ging hoch, und zor
nig knurrend sprangen die weißkäm
migen Wogen ans Ufer.
Der ewige Postillon.
Merkwürdige Laufbahn eine russischen
Leutnants.
ewigen Postillon" zwischen
Paris und Petersburg , hat Josef o
Äaistre den Obersten Alerander
Iwanowitsch Tschernischew genannt,
der in den Verhandlungen zwischen
Napoleon und dem Zaren Alezander
in den Jahren im bis 1812 eine
bedeutende Rolle spielte. Aus den
bisher veröffentlichten Berichten, die
dieser Liebling des Franzosenkaisers
an feinen Herrn sandte, entwirft Ar
thur Chuquct m ber Mttnie" ein
fesselndes Bild von Napoleon und
den ihn umgebenden BerhältnisM
jener kritl chen Zeit. Unter allden
russischen Offizieren, die beim'teri
rcichischen Fcldzug von WÜ'J i'Ä,Ge
olge des iiai ers waren, war der
einzige, ocr seine Aufmerlsamke,
und Sympathie erregte, der junge
Tschernischew, den daraufhin der
Zar 1810 als Militärbevollmächtig
ten nach Paris sandte. Ter ele
gante, liebenswürdige und ritterlich
kecke Russe, eine vollendete Tiploma
tenerscheinung, wurde nicht nur der
Held der französischen -Salons und
der verhätschelte Liebling der
grauen, sondern er war nach einem
Wort Savarys eine kleine Macht",
verhandelte. So trug cr denn di
plmnatische Sendungen hin und her
und hatte ' längere Unterredungen
mit Napoleon, übev die er in seinen
Briefen ausführlich Bericht - erstat
t:h . ' '.; '
Napoleon gefiel' sich in der ersten
Hälfte des Jahres 1811 noch darin,
den Zaren als fernen treuen Bruder
imö ervunoelen zu varachien,
Aber die strenge Sperre, die in
l?irissrX' nnnfty
Rubland gegen französische Waren
durchgeführt wurde, krankte ihn
sehr. Ich bin immer der erste
Freund und intime Verbündete
Ihres Herrn", sagte er zu Tscherni
schew; wir müssen zusammen han
dein und vereint marschieren; ich
kann in ein?nt Kampse gegen Rufe
land, das über ungeheure Mittel
und tapfere, für ihren Herd cnt
schloffen fechtende Sosdaten besitzt,
nur Schläge bekommen. Aber der
nichtet ihr alle Waren, die aus
Frankreich kommen? .Ich vernichte
die Waren Englands, weil ich mit
diesem Lande einen Krieg auf Leben
und Tod führe. Sie aber tun mir
damit die größte Beleidigung an
und, um Gleiches mit Gleichem zu
vergelten, habe ich Befehl gegeben.
alles zu vernichten, waZ aus Ruft
land kommt. Wahrlich, das ist ein
reizendes Bündnis und eine sehr
wohlvegrundete Freundschaft!"
Tas, was Rustland fürchtete, war
die Wiederherstellung Polens, und
über desen Punkt suchte der Kaiser
den jungen Colonet gehörig auszu
holen. Er nahm ihn beim Ohr.
was, wie Tschernischew schreibt,
ne große Liebkosung" ist, und sagte:
Also reden wir als zwei Soldaten
von der Leber weg miteinander,
ohne diplomatischen Hinterhalt."
Und als er trotzdem nichts aus ihm
herambekommt, nimmt er ihn wie
der beim Ohr und zieht kräftig dar
an. Immer wieder versichert er, er
wolle keinen Krieg mit Rußland,
und doch ist Tschernischew der An
ficht,, daß er fchon im Herbst 1811
losgeschlagen hätte, wenn er sich
nicht an Pullusk erinnert hätte und
fürchtete, seine Infanterie zu ermu
den und feine Kavallerie aufzurei
den in dem furchtbaren Schmutz von
Polen". Einen grimmen Feind
hatte der rusnzche Oberst an dem
Polizeiminister Savary, der wohl
auch persönliche Gründe zu diesem
Hast hatte, denn Tschernischew mach
te seiner Gattin, der Herzogin von
Rovigo, sehr den Hof. Es gelang
Savary schließlich, nachdem der
Oberst zunächst noch längere Zeit
die unbedingte Gunst des Kaiserö
genossen, ihn alZ gesährlichen Spion
zu verdächtigen.
Am 25. Februar 1812 kiatte
Tschernischew seine Abschiedsandimz
und wurde mit einer volitiichen
Mission don PariS fortgeschickt, um
dahin erst nach dem Sturz deS Kai
serö zurückzukehren. Die Jnforma
tionen und Ratschläge, die Tscherni
schew seinem Zaren übermittelte,
find für die Gestaltung der Zukunst '
von Bedeutung gewesen. Auf seine
Berichte hin rüstete Alerander und
machte sich zum Kriege bereit, der
trotz aller gegenteiligen Versichern
gen Napoleons unvermeidlich schien.
Der Oberst ist auch bereits 1811 der
Ansicht, dasz die Russen den Krieg
n die Länge ziehen, eine grobe
Schlacht zunächst vermeiden und Na
poleon durch lange Märsche schwä
chen und verwirren müstten. .So
handeln, heißt den Korsen verwir
ren, sein System vernichten, seine
OperationSpläne zerstören." Der
Zar werde allein stehen gegen den
Unterdrücker der Welt", aber er
werde der Retter und Held ganz
Europas sein. -Besonders mußten
den russischen Kaiser die Mitteilun
gen über die Unzufriedenheit am
Hofe und die Mißstimmung in
Frankreich interessieren. Ter Krieg
gegen Spanien ist äußerst unpopu
lär; er' hat den Glauben an die lln
besiegbarkeit der französischen Was
sen erschüttert. Wir haben unsers
Feinde kämpsen gelehrt", sagten die
aus Spanien zurückkommenden Of
fiziere, und sie zeigen sich ihrer
Lehrmeister würdig. Eine' starke
Opposition machte sich in Paris gel
tend. Tas Volk ist erbittert wegen
der Teuerung, der Konskriptionen,
wegen deS Mangels an Arbeit. In
der Umgebung Napoleons selbst find
zahlreiche Gegner feiner Politik, die
ihn nicht verraten, aber vor den
Aufwallungen feiner Leidenschaft be
schützen" wollen.
So tritt aus diesen Berichten Na
poleons Gestalt bereits etwas iso
liert und bedroht hervor, doch in
vollster Lebendigkeit. Tschernischew
zeigt uns den Kaiser, bald mit einer
Miene von Güte und Jovialität,
bald unfähig, seine Eindrücke zu
verbergen, mit großen Schritten den
Raum durchmessend, mit Leiden
schaft sprechend, dann wieder in ab
sichtlichem Stillschweigen. Sein
Ehrgeiz ist unermeßlich. Er hat
nur ein Ziel, die Herrschaft über
Europa, und .er duldet keinen an
deren Willen als den seinen. Es
lohnt nicht der Mühe, zu regieren",
sagte er einmal zu Tschernischew,
wenn man nicht die Lande frei hat.
Bernadotte zum Beispiel wird der
Sklave seines Volkes sein... Ich
aber kenne die Franzosen, meine
Maßregeln sind getrosfen, und ich
werde sie stets marschieren lassen mit
dem Rufe: Es lebe der 5kaiscrl"
Er will mit Gewalt und durch Ge
walt herrschen: er ist düsterer und
mißtrauischer als , je; alle. Welt
fürchtet' ihn: keiner wagt, vor ihm
ret zu sprechen: keiner liebt ?yn.
Man weiß wohl, daß es, solange er
ebt, kein Gluck und keine ruhige
Ordnung $eben wird: aber man
empfindet auch, wie Tschernischew
als ein Wort Murats mitteilt, daß
eine einzige Niederlage ihm Krone
und Leben kosten würde.
Ter Tistclfalter.
Große Wanderzlige im Rheintal ie,i
achtet.
Der Tistclfalter, ein buntaefärbter f
Taaickmetterlina. bat die Eiapn. ,
tümlichkeit, zuzeiten in ungeheure, t
nach Millionen zählenden Schwärs'
men, große Wanderzllge über weit,
Landstrecken zu unternehmen. Eink
olcher Wanderzua wurde im Ma
dieses Jahres im Ehurer-Nbeint
beobachtet. Herr Direktor Han5,,
Thoman von der landwirtschaftlichen
Schule Plantahof bei Landquart
berichtet darüber ,m neuesten Hest
des .Bunöneri chen Monatsblattes"
und versucht dabei in interessanter
NZk fZr J,u.i i. ri.tr v ... I
43cijc nie U)ujjug uct Jllyt oer
Falter jenes Heerxua.es. der über I
zehn Tage lang andauerte. In der
Minute kamen da nach seinen An
gaben vurchichmttllch 20 Tiztelfalter
gegen die 30 Meter breite Front des
Plantahofes geflogen. Daraus be
rechnet Thoman für die aame ZJä
Kilometer vretre Zuuioyie, über bis l
sich der Wanderzug gleichmäßig aus t
dehnte, 140,000 Distelfalter in dcr !
Stunde. Tie tägliche Fluadauer ',it
7i fi?fl,Srt v. ,i . u u . . j.iS:
n ""vni utiatiiuiiuuKii, jnuaji
das im Tag über eine Million und
für die 1012 Tage, vom 7. bis
19. Mai. über zehn Millionen Distel
salter. Und alle kamen in 'rasenden,
Fluge nordwärts geflogen, und zwar
nur wenige Meter über dem Erd
bodcn. so daß sie bor dem Haüfg.
em sie nach rechts und links aus
weichen mußten, ziemlich genau aik
."t.1L . V ...,. "
juyu uetücn tonnten.
Schon der alte Brchm, in dem
jetzt von Richard HeymonS neu
bmrbeiteten Bande über Vierfüßler,
Insekten und Spinnen, erwähnt diese
eigentümlichen Wanderzuge des
TiftelfalterZ, der hier als ein Aller
Weltbürger" bezeichnet wird, weil
er, mit Ausnahme von Südamerika
und einigen Jnselaruvvn. auf akln
Teilen der Erde, im hohen Norden
wie m den Tropen, vorkomme.
S i e d a r f sich über einen neuen
Hut oder ein ncueö Kleid freuen,
wie ein kleines Mädchen über feine
vuppe, ohne vag eZ jemand ein
fallen würde, si für kindisch m bal
ten. '.,
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