Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, August 12, 1919, Image 2

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    Kviegsgefcrngenev ans , (xbxatiax
T l ;,r -l "xmö öer Inje Wccn.
Vi f. , i Tsgeöttch eines Amerikaners. ' Fon DrCyas. Karlmann.
112. Fortschung.), .
Eines Tagcs, als andere Militärs zu
Vksuch kämm, ordnete der Aom.ncin
dank eine Prozession von sämtlichen
füiishundert Juden an. welche jc vier
in einer Reihe, mit dem Rabbiner im
Tglar an der Spitze. Parademarsch
c umführen müßten. Die Musittcip'.Ue
spielt: dazu ans, und die hohc Herren
schauten sich dies von einer Tribüne an.
Zirei Juden schlugen sich in ihr.'k Ba
racke, sie kamen vor den Ko nn,andan
ten, welcher, nebenbei gesagt, eine Pas
sion für Bojen hat. Tas Urteil lautre:
'Morgen um zehn Uhr kam ne ich nach
eurem Lager. G wird ein Ring ccil
det. ihr z:vei bozt euch bis das Llut
fließt. Der Unterliegende kommt aas
sieben Tage ins Loch.
Tie jüdische Gemeinde Londons mit
Lcro Roibienild leistet bedeutend? wö,
chenlliche Beitrage, damit die .gifa.ig
: Jsraeliten toscl'cres Essen erhalte i
können, und um denselben kleinere Er
leieburungen zu verschaffen. Damit dils
-aber nicht ali reines Almosen ersch nne,
ist die Bestimmung getroffen, i& ,j.'dcr
jüdische Gefangene einen Shilling pro
Woche zu den Kosten beitragt. Najiir
lich suchten die meisten den Besitz von
eigenem Geld zu verheimlichen. Sobald
sie von den anderen Lagern nach hier
gebracht werden, kommen sie vor den
Commandanten, welcher ihnen nach sei
nein gewohnten Speech die Frage stellt:
Sie wissen, es kostet einen Shilling
die Woche; haben Sie Geld?
Um Gottcswillcn, Herr Kommandant,
Nicht einen Penny!
Der Kommandant:
Kein Geld, kein koscher.
Sein Nebenmann dadurch gewitzigt,
sagt, als der Kommandant dieselbe
Frage wiederholt:
Ja, lieber Herr Kommandant, ich
habe ein paar Shilling.
Sehr gut. Korporal, führen Sie den
Mann sofort ob und lassen Sie ihm von
seinem Geld die Haare schneiden.
Kürzlich war das jüdische Neujahr.
Tie Juden sagten, man könne kein Nen
jabr feiern, wenn das Widderhora nicht
geblasen würde. Sie wollten zwei Wid
dnhörner von London kommen lassen.
Es wurde ihnen erlaubt. Zwei der
Leute mußten leben Tag auf sechs
Stunden nach dem Steinbruch," das
Widdcrhorn blasen zu lernen.. Es 'war
fürchterlich.' Der Kommandant gah
ibncn vierzehn Tage Frist, um sich im
Widderhornblasen perfeit zu machen
und ihm etwas vorzublasen. Nach einer ,
Minute svran er von seinem Stuble i
auf und nahm die Flucht. Taraus wer-
den die zwei Virtuosen ihr ganzes Le ;
den stolz fein.
..Diese, und, och in Anzahl ndcnr
Geschichten werden mir von dem Kapi
tan des Judenviertels erzählt. Er sagte
mir:
Bor einige Tagen war fürchterlicher
Krawall unter ihnen. Einer hatte sich
auf einem' koscheren Teller Schweinespeck
gebraten, jetzt ist natürlich das ganze
Geschirr trcioe. Ta unter denselben
nicht nur orthodoxe, sondern auch refor
mierte sind, so nahm jeder für oder ge
gen Partei. Allgemeine Schläge die
Wache muhte einschreiten. '
Religionskriege hatten öfters keinen
besseren Ursprung.
Das sllerunglaublichste Original, das
sich seit gestern in dem Judenviertcl be
findet, ist Keunccke, mit dem ich bereits
früher in demselben Compound ' in
Knockaloe gewesen. Dort ging er den
ganzen Tag in schwarzem, seidenge
füttertem Gehrock, den Spaziersiock mit
goldenem Knopf in der Hans, auf dem
Spielplatz auf und ab, ohne mit einem
deren zir reden. Er hat- ein Glas
auge, das starr und unheimlich auf je
den gerichtet schien. War kein Jude,
ab sich aber als solcher aus, ging selbst
mit zur Synagoge. Dabei rein germa
nischek Typus, blonder gekräuselter
Schnurrbart, hohe Figur, ganz ausge
zeichnete Manieren, und ebmohl er mir
nie viel von seinen Erlebnissen erzählte,
ha! er sicher Viele Jahre in allen mög
lichcn Teilen der Welt zugebracht. Er
ist, was man in England inen
''Gentleman of indepeii'lant means"
nennt. Ich sprach ihn französisch an,
was ihm besonders schmeichelte, denn
er begann sofort eine sehr lcbhaftf Kon
Versalien im reinsten Argot der .Boule
rardö eziLrieurs". ' ,
Gestern kam von Ksockaloe ein weite
rer Transport mit fcchsundachtziz Js
railiic für da? obere Camp. Keunecke
war darunter. Der Kommandant schaute
ihn staunend n und sagte:
Eine Mißgeburt, niemals hSe ich
einen solchen russischen Juden gesehen,
mit gewichster Schnurrbart, gerader
Mse und grauen Augen. 1
Ich war zufällig aus dem Büro, um
die Erlaubnis für die Absenkung eines
ßztrabriefes zu erbitten.
Kommandant:
Man hat Sie mir schon vo Knock
ot aus 51 Judensimulanie signali
siert. Wie kommen Sie dazu, sich als
Jude auszugeben?
Relizioa ist meine PriSaiang'Iesen
heil uns die jüdische Religion fast mir
am meisten, zu. Deren religiöse Ge
brauche find viel vernünftiger und die
G'bote 6'tieffä Reinlichkeit und Speise
,.,bereitunz die. alleihygieAischften. Ich
habe seit m'iner JugenZ, koscher geges
st nd rt-'d es auch m der Gefansn
schuft richt ander, tun.
Kommandant:
Wir Uim in t'mm Lande, in dem
sich pbit seine Reiigig susäsle,
darf, aber hier int Gesangenenlazer be
hbt wir darauf, daß. ? einer ein
jure lchi !'-3. er ti auch in jeder
Veziedunz Irr isick zum r;t herüber
t::.m): Xc':ar. hglen Sie Jbre ia
.vä'mmtt, man hat bei ftimr Geburt
r.'k"ff-n. tvxii abzuschneiden. . Wir
wollen ihn jetzt zum vollständigen Juden
machen. Lassen Sie auch .sofort Watte
und Verbandszeug bringen.
Kcunecke wurde bleich. Er sagte, daß
er vorziehe, nach Knockaloe zurllckzuge
hen. um komplett zu bleiben. -
Mit mir machte sich der Kommandant
stets denselben Spaß. So oft er mich
ab. fragte er:
Doktor, warum schleppen Sie Ihr
Bein?
Ich leide außerorden!?ich an Ischias
und war in Knockaloe fast gänzlich ge
lähmt.
Da kamen Sie hier nach dem richti
gen Kurort. Douglas ist eine ganz vor
zügliche Heilstätte gerade für solche Fälle.
Zwanzig von euch Leuten habe ich be
tut von derselben Krankheit kuriert,
sie werden niemals wieder nach Hause
gehen.
Nachdem ich diesen Witz drei, oder
viermal gehört hatte, wurde es mir doch
ein bif)chen zu viel, und ich sagte ihm:
'Scbön, Herr Kommandant, ich werde
Ihnen ein gutes Heilungsattest für Ihre
Wunderturen ausstellen. ,
Er wurde plötzlich sehr ernst, schaute
mich r.:it zusammengezogenen Brauen
ag und überlegte anscheinend: Soll ich
den Kerl binauvwerfen oder darüber la
chen? Der Arzt. Dr. Robert Mcrshal!.
mit dem ich sehr befreundet bin. w
faßte die Situation und sagte:
Kommandant, lassen Sie sich lieber
ein Honorar von hundert Pfund "von
ihm geben, statt des Attestes.
Alle lachten, auch er. In seiner
Art ist er ein wirkliches Original, doch
haben wir a solcken mehr wie genug.
Eines derselben, Hermann Kalleubach,
ein eztremer Tolstoianer, hätte mich
durch sein Beispiel fast zu feiner Lehre
bekehrt. Er ist die personifizierte Wen
fchenliebe, hat sich als eine große Gunst
die Erlaubnis erwirkt, die kranken Ge
fangenen im Hospital waschen und ver
binden zu dürfen, erricktete auf seine
Kosten eine Werkstätte für über zwan
zig Holzschnitzer und Jntarsia-Arbciter.
Lon morgens früh bis spät abends ist
er im Interesse der anderen beschäftigt.
Nempelt ihn einer an. so lacht er, statt
zu sagen: Können Sie nicht acbt geben,
Sie dummer Junge! bittet selbst um
Entschuldigung und macht sich den au -dere
dadurch zum Freund. , Jeder im
Lager' bat -nhn Zieh und - das Beispiel
der selbklosen ausopferndkn Hmnanität
übt in der Tat auf den Cbaraktei der
Leute hier eine sichtbare Wirkung aus.
Er ist natürlich Bcgetarianer, IM ,
meist von Nüssen, raucht und trin't
nicht, trägt in dieser rauhe Jahreszeit
weder Kragen noch Unterwasche, ober
dabei kerngesund, stark wieei -Auer
ochse. Natürlich schläft er im Zeit.
Hütte sei -ein! perlotterte , Zivilisation.1
Er hat lange Jahre in Südafrika und
Indien gelebt, ist vermögend und hatte
vor Ausbruch des Krieges in England
eine Tolstoi-Farm gegründet. Ganz
unverbesserlicher Optimist, glauht, daß
in jedem Menschen eine edle Seele lebt,
die nur ein bißchen abgestaubt zu werden
braucht, um in blendendem Glorien ,
scheine zu prahlen..
Ein anderes Original läuft im aögc
tragenen Gehrock mit einer Brille auf
der Nase den ganzen Tag den Spazier
platz von oben bis unten im Regen ab,
spricht mit niemand, gibt auch niemand
eine Antwort, wenn er gefragt wird.
Ein Jsraelit schleppt beständig sein
ganzes Gepäck mit sich herum, selbst aus
dem Spaziergange setzt er sich darauf,
um auszuruhen. Wahrscheinlich hat er
lein Zutrauen in die Leute feiner Bude
noch in irgend jemand anders. Biel
leicht glaubt er auch, jeden Moment
freigelassenen werden, und will alsdann
keine Minute kostbarer Zeit verlieren.
Ein anderes hochinteressantes Origi
nal fand ich im oberen Camp. Ein jü
bischer Totengräber, namens Mansche.
Er zeigt, und erklärte mir fein Tage
buch, einen alten hebräischen Almanach,
wo er seine Einnahmen und Notizen, so
wie seine Bilanz verzeichnet hat. Ist
sehr stolz darauf, bei dem Bsterdes ge
genwärtigen Lord Rothschild die Toten
Wacht siehalten zu haben. Der Juli
ist der schlechteste Monat. sagt er. alle
reichen Juden, einfach m mich 4 är
gern, gehen nach Karlsbad un sterben
mir dort weg. Ich verstehe mein Ge
fchäst wie kein anderer, wasche und ra
sicre die Toten, ziehe ihnen den Frack
wenn sie Aesormiuden. sind, das
Totenhemd, wenn orthodox. Einmal
vor Jahren ist mir einer unter der Hand
aufgemacht. Ich wollte ihm gerade feine
Hose anziehen und wahrscheinlich rüt
teile ich ihn ein bißche zn stark. Er
schaute mich erst an und gab mir dann
eine Ohrfeige. Sein Socsii wollte mich
alsdann überhaupt nicht bezahlen." Mit
dem Rabbi Dr. Slberstein steht Mau
sche auf dem Kriegsfuße. Wo er ihn
nur erwischen kann, sangt er eine Tispu
tation an, denn Mausche ist das Haupt
der Ultra-Orthodorm im jüdischen La
ger, welche den Rabbi für einen Ketzer
halten. Selbst di hier gelieferte koschere
Kost ist ihm nicht koscher gknug; er lebt
nu, vo Brot, Obst w trinkt Eier
aus.
Ein a'nderer ist Tchnorr-Korrespon
dent von Beruf. Er hat die Listen al
ler reiche? Jude on ganz England.
Ein ?Litzlied des jiidi:ch:n Komitees
ließ wich diefekb? einfsken. Hinter je
dem Namen standen drollige Bemertun
gen. Bei Sir Srneft Cassel: .Sehr
reich, aber raucht Zigirre, das ganze
Kiftche von hundert Stück für nur fünf
Shilling. Nich'.s zu holen.' Er schient
täglich tUU, indem er die Namen von
ander Ge'anaenez benutzt, und bei der
Verlesung der Liste aü:kzmm:7,er E'k?-.
st.r:iö?bi!kfe ist f?ia Name imener oben
an: siedet einer snz'biK" ...
m aS glich, 31:.' 2;e m
Hund mw wsr u?.se,ahr
sten sorgen für ,die Schaffung neuer
MisckpÄasscn.,.
12. November 1913. Habe heute
Daudet TEranRclUto" wieder ein
mal beendet; vorher Abel Hermant I.
ContWiona l'un lioinine d'an
jornllnii" gelesen. Wie gekünstelt und
unaufricbtiz der Stil des letzteren mit
seiner prätentiäscn'Pscudo Psychologie,
wenn man ihn gegen die Klarheit, den
einfachen und präzisen Ausdruck, die
Hcrzensgüte desjenigen stellt, den man
dummerweise mit DickenS verglichen hat.
Wie kann man nur die fincwe !'olrit.
Daudets mit der vulgären Mechanik der
Typen des letzteren auf dieselbe Stuse
stellen!
Aber um zu lesen muß man ,,lange
suchen, um einen versteckten Platz zu
finden, wo man dem ewigen Samp
quatsch der Friedensaussichten, der Ge
rüchte und besonders den nie endenden
Begrüßungen und HöflüZzkeiten entgehen
kann. Für mich ist in der Gefangen
schast das Allerpeinlichste. niemals allein
zu fein, stets ander? um sich hemm zu
haben, den ganzen Tag nicht zur Ruhe,
zur Besinnung kommen zu sönnen und
dabei die stete Frage, die man sich nicht
aus dem Kopf schlagen kann: (Zuousiuo
tlI,-m wie lange noch?
' Man wird dadurch in einen atoni
schcn. nervösen Geisteszustand versetzt
d.'n ich nickt besser beschreiben kann, als
durch den, Cchmcrzensschrci eines meine:
Leidcnigenossen in der Knockaloe Lager
Zeitung:
Rastlos laufen die Gefangenen am
Stacheldraht hin und her. Auf und ab
treibt sie die Ruhelosigkeit, die in ihnen
wohnt. Man sollte denken, es müßte
still geworden sein in den Herzen von
Menschen, die so viel Zeit haben. Nach
so langer Gesangenfchast sollten sie rn
hig, phlegmatisch geworden sein. Gerade
das Gegenteil ist der Fall. Was man
auch anfängt, tragt den Stempel hoher .
Nervosität. Nichts scheint uns zu ge
lingcn, nichts kann uns zufrieden siel
leg. Schon so lange zum Nichtstun
verdammt, haben wir jeden Maßstab
verloren. Wenn wir früher ein Buch
lasen, verglichen wir uns gern mit die
scm oder zenem Helden. Äir versuchten
die Frage zu ergründen, was wir in
ahnlichen Lagen getan hatten und das
Buch regte , uns 'dadurch -zu kritischen
Vergleich an. Hier sind wir tatenlose
Gefangene.' die ihre Selbstbestimmung
verlöre, haben. Woran tonnten wir uns
wohl in unserer Abgeschlossenheit von
der Welt messen? Ist unsere Jndioi
dualität nicht beinahe untergegangen?
Unsere Phantasie schläft. Tie ehemals
große Freude am Lesen ist uns genom
nun. Wenn man bedenkt, daß die Wehr
heit von uns draußen durch ihre beruf
'Ziehen Pflichten 'einseitig geworden war
und ihr deshalb hier als einzige Zu
flucht die Lekiüre offen stand, so kann
man ermessen, was der Verlust für sie
bedeutet. ' Man lungert herum, verliert
sich in Nörgeleien und' einem nur auf ein
paar Themen befchränkten Unierhas
tungsstosf. Diejenigen, die hier ihren
Beruf, wenn auch vur in sehr geringem
Msße, ausüben können, sind etiraS
glücklicher haran als die anderen. Aber
deren gibt es wenige. Leute, die drau
ßen. neben ihrem Geschäft einer Liebha
berei fröhntcn, wie. Musik oder Malerei,
kommen ym besten über schwere Stun
den hinweg. Sie. belfen im Orchester
odn pinseln und zeichnen in der Hütte.
Die Sorgen um die Lieben draußen
quälen uns immer' noch, aber die stan
dige Seelenangst stumpft doch allmäh
lich ab. Große Mächte, über die wir
keine Kontrolle ausüben konnten, haben
vns in die Ecke geschleudert; wir sind
wie, Geröll am Ufer des Meeres. Das
Bedauern vieler über ihre Sorglosigkeit
vor dem Kriege, über ihre Leichtsinnig
keit, die das Gute nahm und verzehrte,
wo, sie es fand und nicht um ein Mor
gen bangte, wird schwächer. Zmci Jahre
ist eine lange Zeit . . . Tie Angehörigen
vieler haben sich , in ihre traurige Lage
hineingefunden und schlagen sich schlecht
und recht ohne, den Ernährer durch.
Tie Zeit verrinnt in' der Oede des
Lagerlebens, das keinen Markstein
kennt, mit fast pathologischer Schnelle.'
Sie rauscht dahin mit ihren gewaltigen
Flugelschläzen, nimmt uns in ihre Arme
und trögt uns einer besseren Zukunft
entgegen, einer Zukunft, in der wir
wieder fudig Körper . und Geist b
wegen können,-in der wir wieder herz
lich laclien werden. ' Denn das haben
wir in der Gefangenschaft verlernt. Tie
schrille Lacke, die sich hier zuweilen en
linseren Lippen löst, hat mit dem glück
lichen Lachen der Freiheit nichts ge
meinssm. Sie ist eine Entladung der
ewigen Spannung, in der wir uns be
finden. Man kann im Gewirr des
Stacheldrahtes den glücklichen Ton
nicht finden. Unsere eifrigen Theater
vereine und wackeren Musiker versuchen
manchmal, uns aufzuheitern, und wirk
lich gelingt es ihnen zuweilen, unsere
starren Züge zu entspannen. Aber ist
der Vorhang gefallen und die Musik
verrauscht, ergreift uns doppelt das Ge
fühl der Einsamkeit. Jmmet ebie
tender wird der Wunsch nach Fnihüt.
die Sehnsucht ach der Heimst.
Mittwoch. 10. November 1W. Wurde
heute van einigen der Herren zu einem
Diner eing:1adtn. Wir hztte einen se
paraten , mit Tlumen geschmückten
Zisch, blendend eißeZ Gedeck. Weine,
eine gebratene Martinsaank mit Kasts
nien, PZ'im.Puddina. und dreierlei Des
sert. Für arme Gefanaene nicht so
schlecht.
Einer unserer Tischgensffen. welcher
on Knsckaloe ankommen, brachte uns
die !'i da 5. dort v?r..elmzkn Ta
ge drei .'sanzene sck.r ver.ounr.i
mim; Ein Soldat war pkölich irr
sinnig ae!ksrd:a. Uk in der tfiafee M ,
i StschelvrahttH mehr: Kult ruhig zu
fammenstehkn und schoß blind daraus
los. Der Kommandant ließ sämtliche
Gefangene des Lagers zusammentreten,
erklärte ihnen daS Geschehnis, bedauerte
dasselbe von Herzen und tat Abbitte im
?!amcn der gesamten Obrigkeit des La,
gers. Ein Gentleman!
Dienstag. 1. November 191?. Ich
ging heute zu einem Bortrag des Herrn
Dr. H. S inner über Erotik und tünst
lerifche Wirkung". Ter Vortrag ist ein
Teil eines Privatkursus, an welchem
fünfzehn Personen teilnehmen, und der
in einer unserer Hütten abgehalten
wird, da öffentliche Borträge der Zen,
sur unterworfen sind. Dr. Siemck
hatte bereits früher mit der letzteren
feine Unannehmlichkeiten. Tag Pro
gramm und die SynopsiS aller öffent
lichen Vorträge müssen erst dem Kom
Mandanten zur Begutachtung vorgelegt
werden. Siemck hatte in einem sein
Borträge auch den SoziglismuS be
riihrt; die Erörterungen desselben sind,
wie die aller poliiischen Fragen, vcrbo
ten. Ein im Saale anwesender
geant hatte stenographische Notizen ge
u,ackt. S inner rcuue zum Rapport be
foblen und erhielt vierzehn Tage Tun
kclarrest. Nach z,rei Stunden ließ ihn
t.t Kommandant wied.r heranholen.
Jas Hlucli.
Von Dr. l, NicslaF, Vern.
ch war noch t; Knabe, als ich mich
zum ersten Male mit dem f.-ge.ibasien
Wegrisse deS Glücks intensiv b'sch''lia!e.
Wie so viele, die die Pflege Mrlvrrllft
Eltern genossen haben, war ich bis dz?
hin ziemlich wunschlos gewesen; alles
schien mit zu meinem besonderen Vor
teil eingerichtet zu sein; ich dachie nicht
daran, daß jemals andere, neue, unbe
kannte Faktoren eine Rolle in meinem
Leben spielen würden. ' Ein Roman er
öffnete mir plötzlich ungeahnte Hori
zonte. Manche derartige Bücher waren
mir schon vorher in die Hände gefallen,
ich hatte sie aber ohne Ausnahme lang'
weilig gefunden, nur die wirklichen Ju
gcndschriften mit abenteuerlichem Bei
acjchmack hatten mich für sie gewonnen.
Einmal, eö war während der große
Ferikn. q sah in unserem arten aus
einer Bank, wo meine Mutter sich öfters
des Nachmittag? auszuruhen pflegte;
die aroke H,ge des Taqes war vorüber,
die Vögel ließen wieder ikne. Stimmen
boren, mich iidersie une ielt an, ja
schmebtendk . StilMnungp ich griff nach
einem Buch, das tie neben iqrcr vanv'
arbeit batte liegen lassen, und vertiefte
mich darin. Ich las es zuerst ohne gro
ßes Interesse, dann begannen allmählich
die Schicksale deS jungen Schotten
Ouentin Turward, den fein Lands
mann Walter Scott mit so viel ein
gchendex Liebe aus dem Festland deglei,
tct. auf meine erregte Phantasie zu wir
ken; ich setzte meine Lektüre biS in den
tiefe Abend fort, und als die schöne
Gräfin Jsabella erschien, stand ich voll,
ständig in dem Bann der Dichtung. An
den anderen Tagen las ich weiter und
immer wieder; ich fand 'aber, daß die
Erzählung viel zu früh aushörte, ich
hatt nicht genug an. einer .Aussicht",
wie Goethe sagt, sondern malte mir die
Begegnung der beiden Liebenden' nach
der mörderischen Schlacht aus, ihre Ver
lcgcnheit. ihre heimliche Wonne, dann
die Hochzeit und endlich, ihr Leben in
einem schönen Schloß inmitten eines
prachtvollen Gartens, die ritterliche Zlj
vorkommenheit des jungen Gatten,' die
schüchterne und zarte Wilde der Gattin,
die Spaziergänge durch die Baumalleen
d'S Parks. Sa etwas, dachte ich, ist das
Glück, nur das ist erstrebenswert, und
ich nahm mir vor, in die Welt, auszu
zieben und nicht eher zu ruhen," bis ich
in dem schwarzen Auge einer Geasi
Jsabella meinen Pglarrn gefunden
hätte. , :
Seitdem sind lange, lange Jahre ver
gangen. BunteS und Mannisfaltiges
haben sie mit sich gebracht: ich wb diele
Länder und Menschen gefthe, die, mich
entzückt der abgestoßen haben, das
Schloß und der Garten aber, wo man
wunschlos lebt und eine ewigen Feier
tag genießt, rückten immer in eine we!
tere Ferne, so weit, dsb sie unerreichbar
scheint und daß man sich manchmal
müde an den Rand deS Weg'S fetzen
möchte. Sonderbar: ms fetzt sich nicht,
aber je länger der Weg wird, je undeut
lichcr das Ziel sich in den unbestimmten
Umrissen det Horizonte? auflöst, desto
weniger denkt man daran, desto mehr
läßt man sich von den Bildern fesseln,
an denen man früher achtlos vorüber
ging. Und, findet man eine nette Her
berge, einen Tisch unter einer grünen
Laube, eine Wiesenecke voll Blume,
Sonnenschein und summenden Bnnen,
sa weilt man darin s gerne, ach, sa
Herne. dergißt di Anstrengung und die
staubige Landstraße, vergißt vor alle
Dingen, daß man rigentUch eine Reise
unternommen hatte, die dahin führen
! sollte, K9 die blauen Berge den Himmel
berühre, un wo r-cl cnua, ri mf
süchtig erstrebte Glück, ns mit allem
seinen, Zaub:r erwartet. Wie hübsch
und anmutig spielen dik armes Eon
nenstrahlen durch die Ranke dek wilde
Weines'. Wie lieblich lächelt d Wirtin;
wie froh bewegen sich die winzigen Ge
fckpfe. kür die da! kleine Rasenstück die
ganze Welt darstellt! Die Nacht wird
zm: bald kommen, aber wie Märchen
kalt ist idr dunilee Sternenrnant:! mit
seine geheimnisvollen Falten! Und ist
sie nichi -rle Vtrlj'ißukia eines' .
TegeZ. wa uns and'r, Eindrücke enk
'N!Wi:!', fil'Dttf iT,'fUW;U ? u uno
l fs tief wie die. die uni gestern entzückt
Eine sehr interessante Persönlichkeit,
scharf geschnittener Nomertopf mit
dunkelblondem, gelocktem Haar. Man
hört sa selten sclbstgcdachte Ideen, stets
des Wiederkauen von Zusammenlese
nem, das hundertcmal von anderen Ge
dachte, nur in etwas anderer Form.
ES war mir daher eine wahre Wohltat,
dem wirtlich interessanten Vortrag bei
uvhne. Sicincr ist 1S3G zu Oldcn
bürg geboren, war Mönch gewesen, dann
aus der Kutte gesprungen und ist Ver
fasscr einer Anzahl gegen den Katho
liziimns polemisierender Werke, wie:
.'.vmisch.katholische Unmoral" (1911),
Meine fünf Klosierjahre' (1913). Er
ist einer derjenigen, mit welchen ich In
tlmcr verkehre. In seinem Bortrag kam
natürlich die ganze Psyche des Ex
Mönches zum Durchbruch. Das läßt
sich nicht mit der Kutte abstreifen, nicht
einmal die segnenden Handbewegungcn,
die salbungsvolle Spracke des früheren
Predigers. Erotische Anklänge, in de
nen der Geist gerne wühlt und zwar
ganz unbeabsichtigt, durch die jähre
lange Zurückdrängung sexueller Triebe
veranlaßt. Das beste Beispiel in der
Kirchengcschichte: Alfonso di Liguri.
I der darauf folgenden Diskussion
vertrat ich die Ansicht, daß die Askese
vielleicht mit noch mehr Recht als kunst
fördernd betrachtet werden könne. Lippi,
Eimabue, die lange Reihe großer
Künstler bis auf Overbeck, den letzte
der Puritaner, welch ihre Eingebung
in der Askefe gefunden hatten. Vielleicht
vertrat ich diese Ansicht weniger aus
voller Ueberzeugung, sondern als wen
tale Gymnastik, meinen Verstand nicht
einrosten zu lassen, waö gerade hier ss
not tut. um nicht geistig zu verkom
men. '
Jli!ey!mz solzk.Z
haben.': Jst wirllich das Glück so weit?
U'icri es nicht viel mehr an jeder Bie
anzg des Weges, hinter diesem großen
Baum versteckt, sitzt es nicht vor jenem
alten bemeo?:n Meilenstein? Hat es
nick't wie ein Schalk mit seiner Silber
stimme gelacht. c.lS ich stolz und steif,
wie mit blind? Aii-ikN an ihm vorüber ;
marscyikrte ohne es zu erhäschen, mich
ihm zu g:!?llen und i.iit ihm tiurzwcil
zn ircin? So trügcris ist die ferne
Zukunft, so erlahinend die Betrachtunz
der Vergangenheit, und so wahr, so
lebendig, so reich an Schätzen all.r Art
die Gegenwart! .
Die alten Mönche i geschlosse
nen Klostergäeten. d sich vor der Welt ,
und ihren" Gefahren geflüchtet hatten,
die hjntrr hohen Mauern ihr Leben Pn
bargen, auf daS Paradies hofften uns
die Hölle fürchteten, kannten stc das
Glück'? Sie glaubten. ,S in der Bcfchan
kichkeit gefuden zn haben, sie wollten
von dem tätigen Leben nichts wisse!?,
von der frischen Abenteuerlust, von. deiz
n von, äieiaea-a
dem Suchen nach einem Lrugvi! Wia
von der Bitterkeit der enttäuschten Hoff
nuz?gen. Eie wähnten sich im sicheren
Hafen, gegen die Stürme geschützt; der
Wind konnte blase und pseisen zrnr
alles niederreißen, er .vermochte doch
nicht di, starken Tore umzuwerfen und
in die laufchieen Gange einzudrinoen.
Die Stunden flössen in regelmäßigen
Abstünden hin, gestern und heute und
r- 1 t Cr , 1..,
morgen na) gicicy, rr aus wai iaum
eine Unterbrechung d:s gewohnten
Ganaes. denn nach wie vor sollte man
den Schöpfer loben und preisen und sich
an seinem Anblick i Wonne uswsen.
Und dennoch! Dir Mauern konnten noch
so dick sein, die Tor: noch so sest, das
s t-,ntf (n fibnrfenrn' die Skbnsucklt
kam doch, schlich in die Seelen hinein,
verbrannte und verzehrte sie. Bon der
Monotonie wurde die Langeweile gebo
ren, diese TodkeindlN des menschlickcn
Geschlechtes, djest Quelle allen Unglücks.
Die Narren, die 'b dem. Schöpfet; die
Schöpfung vergaßen., die sich kasteiten
um nicht von. der .Versuchung erlegt. 5
werden, von der Versuchung, die mcht
draußen in dn Welt, sondern nur ' in
ihren gepeinigten Gemütern eristierkZ
Nein, sie. wann njcht in eiuenr Haseu.
in einem stille Heim, sondern wanvcr
ten unaushöklich. vander Hoffnung -fcf
leitet auf einem steinigen Wege, wo sie,'
die Augen nach dem fernen Ziel, gcrich
tet. bei jedem Sckritt stolperten. "
: Ti? anderen. ' die ' der EhrgM dder
'die Genußsucht. ' oder? der Durst nach,
Rcicktum und Macht pcitlcht. die alles,
für sich besitzen wollen, was sich ihnen
zeigt, sind sie etwa glücklicher? Sie be
Häupten zwar, da! Leben in vollen Zu
gen zu genießen, sie stellen über allet
das Bewußtsein des SiegeS. sie betrach
ten das Dasein als einen ununierbrochk
nen Kampfe der jede Morgen wieder
geginnt, und dessen Wechsklfälle. das
beste Mittel gegen Berslachung und öde
Langeweile sein sollen. WaS wollen sie,
wonach streben sie! Kaum ist ihnen ein
Wunsch erfüllt, so meldet sich ein neuer.
gebieterischer alS der frühere. Kaum
haben sie von einem Gegenstand Besitz
ergrifsen, daß er für sie reizlos wird,
und doch leben sie in einer fortwähren
den Angst, ihn wieder zu verlieren. Sie
ringen sozusagen nach rückwärts und
vorwärts, einmal, um daS Gewonnene
zu behalten und van, um ei zu der
mehren; sie zittern vor dem Verlust und
erbeben von der Hoffnung, sie wehren
sich noch links und nach recbis. denn sie
befinden sich in einer Gsellschaft von
gleichcsinnten Raub und Macktnatu
ren; sie sind von einem heißen Wirbel
wind weggetragen, und die Eeschwin,
digkeit ihreS Fortkommens verhindert
sie. eine ungetrübte Freude zu empfin
den, denn sie denke immer an den rnög
kicken FaZ oder an den Stoß d?I Fein
des. Sie inner sich on gestern, sie
fassen auk meraen. dak Heute kennen ne
nie. Sie sind Sklaven. EliieZZfalle haben
, 1(111 illU.
r.. .! v..,4
! Wann werden endlich die Menkchen
kerne, da nu? die Segenwart ihnen
e'dsn: ieu:n vt ct ca um
aa-i eeniefn. ' wie sie kernrrt n wie
siz 'fch giN. Unfect Leide stammen
Nieistenk von unseren vergeblichen Ein
griffen in die ewigen Gesetze der Natur,
die alle hinfließen läßt, nach einem
Ziel, da! sie allein kennt und dai wir
wed verstehen noch andern tonnen.
Wollen wir un dagegen stemmen, so
müssen wir unterliegen, und dann lla
yen wir und sprechen von Unrcckzt.
Warum wollen wir schneller ali der
Strom gehen, warum wollen wir an
gewissen Stellen bleiben, während unser
Boot immerfort weggetrieben wird?
Nehmen wir die Augen voll von der
wechselrcichcn Landschaft, pflücken wir
eine Blume, die un, eine Zeitlang Lab.
sal und süße Erinnerung sein wird,
seien wir aber immer dankbar, und für
die kleinste Gabe am meisten, Alles ist
schön nd ant. was wir mit einem, un
getrübten (Sinn ansehen. Nur wenn
wir unsere Unruhe und unsere Leiden
schaft und auch unsere Sehnsucht, die im
Grunde genommen nicht! ander als
Undankbarkeit ist. hineinlegen, scheint
uns die Welt häßlich und trübe.
Unter diesen Blumen, von denen ich
sprach, ist die Kunst die duftigste nd
die lieblichste. Sie ist nicht! anderes und
soZ nichts anderes fein, als eine vcrge
aenwartigte Vergangenheit. Wir haben
in ihr die Mittel, alles, waS uns je ent
zückt oder erfreut oder guch betrübt hat,
wieder leben zu lassen, so daß wir es
noch einmal unmittelbar genießen kön
nen. ohne die Gefahr zu lausen, daS
inst Besessen und unrettbar Verlorene
mit unerträglichen Schmerzen vermissen
zu müssen. Wir besihen eS noch, in
Tönen oder in Farben, i Formen: es
lebt, es ist d, wir dürfen unS daran
lgben und erquicken. Um aber die Kunst
zu verstehen, müssen wir sie vorher er
Jaljrt durch Haris.
Bers'aillck. Au, allen Türen d:S
alten, grauen NordbahnhofS drängen,
schieben, stoßen sich die Mensch?, die
mit den Vorortzllgey ankamen und in
ihre Geschäfte ilen. Sie kommen aus
St. Tenis oder Enghien-les.Bain oder
Montmoian. Kanz wie einst. Habe
ich geträumt? Ich steige aus dem I
ua KölaVaris. Die Nacht hatte
ihren samtenen Mantel über das wunde
Land bei Saint-Quenli gevrcitti, icy
sah nichts von den Zerstörungen.
Drauken wartet das Auto mit der gel
ben Fabne. auf der in schwarzen Buch
.staben C. ?. steht t CoMrerc Ao
la Paix. Ach ia, es war ja Krieg:
Boulevard Denain heißt du kurze
Straße, die vom Bahnhof nach der Rue
Laianeiie führt, und aus d:r linken Seite
das zweite Restaurant kenne ich, Hier
gab es früher Kulmbacher Bier, und hier
ließ ich am 1. August INt meinen
rre'ww Koffer kür kurze Zeit ir Aufbe
Wahrung, um wenigstens selbst noch in
den legten Zug nach BruNel zu iprm
!. Ob rr och da ist? Wr winpen
ui'i unter Tuten ins Belle durch
Karr? und Elektrische. Lastautos und
fjnffti:ti... tts ill .8 illlt moiafnä. Tik
'Schaufenster werden geössnet. di Kell
ner mit der Serviktu um den tQaii ge
kmlpft. stellen Tische un, Stühle heraus.
Sonnenschein liegt hinten aus der
grauen Mass der Große? Oper. Ein
Blick m die Schaufenster der Galene
Lafayette, Tie Preise sind aich ge
siieaen. ?A Frank ein Herrenonzu.
An der Oper biegen wir links ab. Wie
irfst steht hier die Reih der Mieteautos;
die Avenue d l Opera liegt ,m Kschat
ten: a ikrem Ende, weik ich. liest die
Eomichie Fran?aife. wo ich so manches
mal Mounet-Sully i raffelndes, macht,
geS Organ hörte. Cafö de la Paix,
früher dir Treffpunkt aller durchreifen
den Deutschen; der Boulevard des apu
eines olles wie einst. Die Stufen
der Madelein steigen elegante Beterin
nen empor, deren Auto! warten. Rue
Royale. Und. wie eine Biston. die Piace
K In ffotiffirbf. Cit bleibt emia scbön.
dieser Platz grandioser Raumverschwen
dung, mit dem weißen Ausruilurigszki'
chen des Obelisken von L'.'lsor. mit den
klaren, graziös einfachen Linien deZ Ho
iM riffflit ni, fef Marinkminiitcri
mi, mit de Ausblicken auf die klassi
Krsf. Dr. Eduard '
S'i' ii: wlepen töt.
Der 'kürzlich in Köln dahingeschiedene
ebliae LeÄrer der Nealickuk und
Fozschee aufdem Gebiet Mnischen
nd rheiniichen, Gclchichte, Pros, su
Eduard, Wiepen. wa, bei, aller Tüchtig'
keit und' ShstaNerfestigleit doch ein so'
teschridener und zurückhaltender Mann,
daß' außerhalb der Schult und Vr Ge
lehrtenkreise nk wenige ihn kannte und
ih z schätzen Gelegenheit fanden. Ge,
boeeu m 18. August 1W2 ,u Brilon.
erhielt er seine. Aoibildung dort am
Gymnasium unö besuchte die Univcrsttä
t:a Bonn, Berlin und Münster. Noch
nicht ganz 24 Jahre lt. erwarb er die
Lehrbesähigung für höhere Schulen in
einer Reih von Fächern und wurde kurz
darauf in Bonn zum Doktor promoviert.
Zuerst unterrichtete er am Progymna
sium in Walmedy. wurde 1873 in Bier
se Oberlehrer und kam 1881 a die da
niglige Höhen Bürgerschule", die jetzige
Realschule ia Köln. Hin wirkt r mehr
alS 3 Iahn und trat am 1. Oktober
1913 i den wohlverdiente Ruhestand.
Obschsa an seiner Eesuadhüt geschwächt,
pellte er sich gleich zu Beginu deS Krie
geS arbeitsfreudig und von Opfergeist
für dai deutsche Lind beseelt, seiner
alten Schule wieder zur Bersügung und
leistete noch zwei volle Jahre die sprieß,
lichste Dienste. Ein Vorbild von
Pflichttreue nd Gewiffenhoftigkeit, war
er bemüht, seine Schüler feste und ge
biegen Kenntniss zu übermitteln. Von
ihne selbst verlangt, r ernst und
gründlich Arbeit. Bon ihne habe
es ihm später, denn au& meist
nur im stille, sicherlich gedankt. Ne
den der Schule n,r Ihm die Wissen
schüft alles. Seine Frei. und Muße
stund, verbrach er zumeist enif dem
Stadtaech'?-. Seine" Ekho!skt!st
wühkeno der Ferien waren, etnmi tx
fichtst, Studienftiirtkn. Mochte er in
Rom. Bern. München oder Bketl.,. in
, 2ii.es ode in einer nordischen Stadt wei
i m 5 I. . Ist Itck nTW fll&.
Zkvl yaven,, venn rie ,! "
ein Spiegel, in dem wir unsere eigene
Seele ryahrnchmen. Ebensowenig w!z '
der Künstler in sein Werk etwa, hinei?
setzen kann, da, et nicht besitzt, sei S
Intelligenz oder Gefühl, ebcnsowkiug ist (
der Beschauer oder der Zuhörer im
stände, au dem Kunstwerk twat her
auszuholen, da er nicht vorher hinein j
projiziert hat. Darum werden wir un
irren, wenn wir mktntez'm,l ver num
allein unser Leben ,g nschönern und e
dadurch glücklich zu machen. Wir wür
den höchstens eine gewisse Virtuosität in
der Beurteilung ..Handwerklichen er
langen. Die Menschen, die blind an dem
Leben vorbeigegangen sind, Jet t, daß
sie sich in einer unstillbaren Sehnsucht
nach dem Jenseits verzehrten, sei es.
daß sie alS Sklaven ihrer Leidenschaften
keinen Sinn für die freigebige Natur
hatten, werden wohl diese Virtuosität
erreichen können, aber nie wird sich ihnen
die Tiefe der Kunst offenbaren. Sie
werden die Blätter und tnt Staubfaden
der Blume zählen können, ihren füßen
Duft werben sie niemals fpiden.
Ja. das Glück umgibt uns, 'S ist
immer da. allgegenwärtig ud allum
fassend. Wir brauchen es gar nicht zu
suchen', wir dürfen eS auch i$t, denn
e will nicht erzwungen werden. Es
lächelt uns, wenn wir unS mit frovnmen
Kindkraugen an die Natur, unsere gu
tige Mutter, voll und hingebend an
schmiegen. Wie warm ist es in ihrvz
gütigen Arm zu ruhen, wir friedlich H
zu schlummern, in dem Bewußtsein, iah.
sie für uns sorgt und niemals mit den
Gaben ihrer Liel geizt! Glück ist, mit
offenen Sinnen bewußt zu leben.
schcn Tempclbauten der Kammer und
der Wadeleine und mit dem Blick die
Champs Elysöek hinauf, die .Pracht
strgße des Vergnügen einer Welt".
Man hat die zarten, grauen Töne zer
stört, indem man buntbemalte deutsche
Beutegcschütz: hier ausstellte. Auch in
den Champs Elysöes hat man sie ausge .
baut, zu Hunderten, auf beiden Seiten,
immer eines neben dem anderen.
Die Straße ist frei. Wir sausen nach
dem großen Triumphbogen hinauf. Im
Fluge grüße ich alte bekannte Stätten:
Lcdoyen. wo man nach der Vcrnissage
im Grand Palais essen ging, die Ambai
sadeurS, wo ei die lustigen Stücke gab,
das liebenswürdig-elegqnte Hotel Pawa.
dessen Gitter noch immer die Donner!
rnsrkschen Initialen mit der Krone Im
gen, das plumpeprotzige Haus deS-Mö
belfabrikanten Dufagel. In rasender V
Fahrt drehen wir um den Triumphbo
gen. stürzen un in die Avenue du Bois
de Boulogne. Reiter und Rciterinne.
legante Autos, wenig Equipagen. Der
kühle Tust des Boi umfängt uns.
Schwarz und glatt die Chaussee. Lonz
champs mit der Rennbahn. DaS letzie
Mal war-ich hier gm lt. Juli, 1914
zur Parade. Schon war die Stimmung
vorbereitet. Pc'iaröS und Millnemds
Wtirrt iä nnt'-nnnUn ffrmai'n8 . war
AAiV . Vf l-f" .r-
in voller Blüte. Vorbei. - Die
Seine entlang, bei SaintE!oud über v:?
Brücke, die steile Straße hinauf. Oben
von der Terrasse einen Blick noch auf '
Paris, ehe wir in die Schatten des
Parks versinken. Da liegt unter einem
violett schimmernden Schleier, rauschend
und unentwirrbar. Tie schlanke
Siibouette de Eiffelturmes bohrt sich
in den hellen Himmel; fern hinten stehe
wuchtia. dunkelgrau die stumpfe Türme
von NötreDame; dort linkZ oben grüßt
die weiße Fatamorgana von Sacrü
Coeur auf dem Montmartre. Vorbei.
Es war eine Visioon. Wir sausen t
bergab, flitzen durch Ville d'Avray, wo , ,
ßnrni mnUr "in bcm Keinen stirefilfin t f
links der Straße hängen ein paar Bil
der von ihm. -
Und wieder Versailles. Holzgalter und
Gendarmen. Pariser Zeitungen und
deutsche Journalisten. Noten. Denk
fchriften, Gegenvorschläge. Hafj und
Hohn und Nachsucht. Es war Krieg.
JritzStkin.
h
len. stet suchte er die Archive und B
theken auf und durchforschte ihre Sa,
nach rheinischen und 'olni chen Gelcb
vergangener Jahrhunderte. Die Gek
iengeschichte des 13. und 16. Jahrs;
deits war ein levlingsgevikt. . Ade
war doch wieder nur eins von den di,
Ihn zog auch die Kunst und Musi
schichte an und dann vielleicht doch
am meiste die Kulturgeschichte im
gern Sinne und die Volkskunde, rhc'
sche und lölnische. Sein Sammele
kannte in die er Hin icht um Gren
Aufzeichnungen aller Art von Siitf
titeln, vergrabenen Stellen von Mit
lungen aus Büchkrn nd Instituten le
Zeugnis ab von diesem Eifer, desgleü
seine Liichersammlunki, die viele schätze
werte Buer entmeik. et dieser k.
fassenden Tätigkeit konnte I nicht 0. i
bleiben, daß er in Fülle von Einzelw , t
sen mit sich herumtrug, aber auch bere '
willigst auS diessk Füll spendete, we-, k .
ihn jemand anging. "
kir wiedkrgkfundene alte Lübkkker
Urkunde. Im Lübecker Staatsarchir .
verschwand im Jahre 1838 eine Ur
künde.' di zu den wertvollste Stücken i
der Sammlung gehörte. Es handelt '
sich um eine AblaßbuLe, die von 12 Kar
dinälen der römischen Kirch im An
sang de, 10. Jahrhundert dem ehema
ligen St. Annenkloster ausgestellt wor
den war, und zwar in einer künstlerisch
hervorragende Form. Jetzt ilt nuii
dem Lübecker Staatsarchiv diese Ur
kund wieder zum Kauf angeboten wor
den. und zwar on dem Berliner Ati.
quarlat I. A. Stargnrdt. Gefordert
werde 12m M. I Anbetracht dessen,
daß eS sich hier um in ungewöhnlich
kostbares Stück handelt, haben Senat
und Lürgeraukschug die geforderle
.Zum bewilligt, so daß nun, endliit
die s, lange vermiß!: Urkunde wiedei
in den Besitz del Lübecker Staates z:
rüclkihikn wird.
M
e
i.
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V.
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