Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, July 29, 1919, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    -.-A':KAii.'-,'."JMJilV-'rf.-''J W--.WlWS'i'"-!i''i'-',,".J-'-"-i'
rtitimje Omaylt Trione
'
Kriegsgefangener crnf Aibruttar
ixxxb der Inje5 Wcin.
, ? -.f.'
Tsgeöuch eines Amerikaners. Fon Dr. Eyas. Karimann.
(10. Fortsetzung,) .
23i3 Ich mir Nicht Hüten kann, ist,
baß wahrend meiner ganzen Gefangen,
schaft ich niemals etwa davon gehört,
dah sich bis deutsche Regierung, die (Sirtf
zelrkgikrungkn oder irgend welches Ks
miiee je um ihre Landsleulk hier de
kümmert hätten. Keine einzige- Liebes
gäbe oder Zcicken aus der Heimat.)
AuZ den englischen Zeitungen ersehe
wir, in welch vorsorglicher und selbst
kziravagaer Weise die englische Regie
rung und eine ganz Unglaubliche An
zahl don englischen Vereinigungen und
Komitees für die in FeiNdeZhanden tt
kindlichen Engländer sorgt. Sie erhal
ten wöchentliche Zusendiingkn von eis.
Kleidungsstücken. Lektüre, Lebensmit,
teln, felbst'Brot. Hätten die etwas des
ser situierten Gefangenen nicht Unter
ZtiijllngZsereitte gebildet, zu welchen
auch einige außenstehende begüterte Per
fönen, wie Tir Erneft Cassel, Roth
schild, Sir Edgar Cpeyer, Baron Schrö
der beigetragen haben, so', würden die
mittellosen Gefangenen säst ganz der
kommen.
Natürlich gibt es unter einer solch
großen Ansammlung von Menschen aU
lcr Stände unv Kötcgokien auch minder
wektige Elemente. - Schlägereien und
Diebftäöle gehören jidoch zu den grsgien
Eettinheiten, hiervon ist ollein das
E kehlen von Holz anZgk'.!0MMen. Die
sei ist außerordentlich ansucht, um da
' faiiä : fliri Wandschränkchen,' Tische,
Schubladen ekc. anzufertigen. Setztet!
erden an die Holzmande genagelt und
dienen zur Aufbewahrung deZ Eigen
turn! der Gefangenen. Mehrere profes
sionekle Hazardspielcr unter uns beuten
ihre Mitgefangene durch öllerhand
Miietsspkle aus. Einige wurden schr
ich und sollen über 50 Psund die
Woche verdient haben. Bon Zeit zu Zeit
wird einer abgefaßt und ins Gefängnis
gebracht. Äicht Nut In dt Hütten wird
dem Hazsrdspiel gesröhnt. sondern selbst
auf dett öfsenküchen Spielplätzen, mei
ftens in Form von Kümmelblättchen und
Würfelspielen, auch mit selbstgemachten
Glücksrädern. Mit Recht sind die de
gfsichiigenden Offiziere sehr scharf da
biuier Ijet. Vierzehn Tage Dunkelarrest
bei Wasser und Brot, Konfiskation deS
Gelde! riskiert der Spieler, aber aus zu
rottzki ist diese Plage nicht, schon deZhalö
Nicht, weil die im Spiel HereingefaLenen
sich tiiemalS zum .Angeber pdek Zeugen
hergeben. TaZ ungeschriebene höchste ,
Gesetz der Gefangenen ist: alles unter
sich abmachen, nie sich. Wer andere Ge
fangene bei der Obrigkeit beklagen, noch
gegen andere Lcidksgefähiieii Zeugnis
ablegen: , - ; , '
, Als Disziplinarstrafe wird außer dem
Dunkelarrest auch Zwangsarbeit im
Steinbruch diktiert. Dieser befindet sich
hinter nseretn Camp, liefert Kalkstein,
wichet für Wcgebauien uNS .üüßerör
bNtlich willkommen ist.. Am schwarzen
Brett ist ein Zettel angeschlagen: -
Diejenigen Gefangenen, welche' frei
iklij Atbett annehmen wolle, können
folche im Vteinbruch erhalten. Arbeits
zeit zehn Stunden taglich. Zahlung drei
Penci.'
Eiwä driißiz Pfennige prö Tag.
Seht generös! Und trotzdem finden sich
jeden Tag ungefähr fünfzig Leute, die
ei gerne tini, sämtlich starke Raucher, di
nen das Entbehren deZ Tabaks eine un
erträgliche Pein verursacht. .
Heute wurde im Theater M-HeideZ
beiß gegeben. Die Bühne, Dekotatis
nen, Kostüme, alles vor! den Gefangenen
beigestellt. ES wurde seht gut gespielt,
namentlich die Tamenrollen, für welche
wir einige ganz brillante Darsteller ha
ben!. Zu solche Veranstaltungerz wer
den der Subkommandant unseres Camps
sowie die andeteil Militärs und itt Arzt
eingeladen. In der vordersten Reihe
stehen alsdann sechs gutt Seffet fütdie
sölöe. : Sei deren , Eintritt erhebt sich
alles, ebensS nSch Ende der Vorstellung,
worauf der Subkommandant eine kleine
Speech machte für die Einladung, dankt
ud mit eineut hetzlichen: HQöoi
ftig'k, bci.vs" uns verläßt. Im gern
z:n sind unsere Beziehlingeti zu demftl
. b:n ziemlich zuk.
Sonntag. 16. Oktober 1315. Lok
l'f rt Sagen starb in unserem Eompgund
ei ieutjcher HanblungJgehilse. kaurn 23
Sahst- alt. Er war Jon seinen. Eltern
zu tinem Geschäftsfreunde nach Manche
stet all VoloniZt geschickt worden, um
di tnzNsche Sprache und dkrt dortieZkn
H,indeK-betrieb zu erlernen. Erst icr
zehn Tage im Lande als der Krieg aus
brach, wurde er verhaftet, von Gesang
nis zu GcsänsniS geschleppt und schlich
lich hier interniert, starb an Lungenent
ziindunZ, di, kk sich i den Pferdeftällen
zu Newbury zugezogen hatte. Ein langer
Zz mit Kränzen don allen Camps be
rrgte ßch schweigend nach dem steinen
sZkicdhef. Es kann ja jede tinzet
Ti?n von uns ergehen. Eeine Eltern in
Deutschland werden wahrscheinlich in
einig? Monaten inen trsekene gedruck
Zettck mit der Wiileilung deZ To
dkaöes erhaUen.
Das kZetttr war keucht und kalt, us
d! tzeredhos sin tZtkiiZ !er,ig Grä'
ler, sämtlich mit kleinen schwarze
Hetzkreuzm, auf welche der Name und
die Nummek des eerdigieii stehen. Der
ÄearäbNiSpszö wird Wohl da'd verzrö
ßerj werden, dek kommende Winter, wel
i-'.i us dieser Insel besonders rauh ist.
wird mit den Altert find Schwächling'
rasch aufräumen. 83 it haben englische
kkzt.. die in jeder Weise bestreb! sind,
ihr Wglichfüt zu Feste der Gesa
mJn ri tun, aber nicht in ftrnuaeftd
tfMU t den 1(165 bei dek t
lzttkscht SwZee Aerztemangel. , , ,
Csmktaz. 22. Okisb 1AZ Ich bin
l'U f .on siebzehn ?ez, bist und seit
t i öLs5)kn tit Ee'd. Wenn ich bei
'Ttsrtm tk Iff rr..
dem Zahlmeister reklamiere, erhallt ich
die stereotyp Antwort: Die Kassenliste
von Handforth ist noch nicht anäckom
wen. Stets dieselbe Schlampe, und
Planlosigkeit! Da ich ungerne von an
deren Gefangenen auslcihe, obwohl sie
es mir mit Freuden offerieren, kann ich
mir kaum das Allernotmendigste von der
Kaniint besorgen. Glücklicherweise hatte
ich noch für zehn Shilling ungebrauchte
Briefmarken, die mir Tllbbecke, unser
wackerer Postmeister, einwechselt.
Gestern abend war ich im Konzert.
Jrt der einen Ecke unseres Compounds
ist eine ziemlich groke Baracke gebaut
mit Raum für vierhundert Personen.
Bei Regenwetter, alf, fast jeden Tag.
finden wir in ihr Unterkunft. Abends
wird sie für Konzerte oder andere Wer
anstaliungen benutzt.
Mit Ausnahme von London kann sich
wohl keine englische Stadt eines s vor
züglichen Orchesters, wie da unsrigt eS
ist. rühmen. SS ist such ganz natür
lich, denn dek Engländer Ist weder aus
übender noch empfangender Musikek. In
England wird von allen Landern der
Erde am meisten für Musik ausgegeben
und am wenigsten davon verstanden.
Das Auffassungsvermögen der Nation
ist wehr reflektierend als für künstlerische
Eindrücke empfänglich. Die Mitglieder
sämtlicher englischer Symphonie-, sowie
TheaterOrchefter waren stets Deutsche
oder Oesterreich, und diese wurden alle
bei Ausbruch des Krieges interniert. Un
ser Kapellmeister ist 'der frühere Chef
don Ilis Majesty' Theater in Lern
don. ,
Man vergißt für eine Stunde alle
Mühen, Sorgen, Leiden und Sehnsuch
ten.. Wer kann dieser sprühenden Le
benslufl des" Wiener Walzers wider
stehen? Die Marschmusik, mit dem hin
reißenden Rhythmus unserer Musik vor
getragen, läßt dke Pulse rasche! schlagen.
Aller Mißmut ist weggeschwemmt. Ich
zjitieke nicht ger Verse, ausgenommen
sie seien sehr schlecht. Das Gedicht der
Herzogin von Orleans über den Trost
der Musik habe ich ganzlich vergessen,
nur zwei Zeilen davon sind mir noch im
Gedächtnis:
Musik allein hat tiit tln H?r? betrogen
Und taufen Herze hocherfreut.
Ich drückte die Augen zu. ' Ich sah
mich im Geiste im Chkielet-Theater zu
Paris. Colonne dirigierend.
Unsere Hall war vollgepfropfi. selbst
Stehplätze waren, nicht zu haben. Für
den ferbietken Teil, Eintritt drei
Pence, muß jeder seiner! Eluhl miibrin
gen. . Det Hintere größere Teil war frei
zugänglich für .Unbemittelte. Ein auher
erdenllich empfängliches 'Publikum, be
fönders die Unbemittelten. Das ist doch
auch ein Acichert höherer Kultur, wenn
die Bolksmasse für die beste Musik alt
-für Cake-Walks und Ragtime eings
nvmmen ,st. Wir haben . fünf große
Orchester von je etwa fechsunddreißig
ausübenden Musikern in Knockaloe.
24. Oktober 1915.. Auf dem Spiel
platz ist tin Zelt aufgeschlagen, in dem
ein mit ansteckender Krankheit Behafte
ter .isoliert werden soll. Tck er sich wäh
rend deS TsgeS .frei unter uns bewegt,
so ist dies wohl der Gipfel allen Unver
standes. Det Pöllswiz hat an feinem
Zelt angenagelt: Elektrisch geladen,
Berührung: Todesgefahr!" Et sagt, er
hätte es umsgNst" bekommen. Gewöhn
lich sind ja solche Gratisgelegenheiten die
allerkostspieligsien!
. Fast jeder besser Cituierie der Ge
sangenen ist Mitglied eines Komitees.
Die Zähl derselben geh. ins Unendliche:
Küchen-Komitee, BadekomiNission, We
gekommission, deren Mitglieder mit lies
nen Körbchen herumlaufen. Steine aus
zulesen um mit denselben Futzpsade
herzustellen. Als wir diesen Compound
bezogen, war derselbe noch nicht hall,
fertig. In einigen Tagen hatten unsre
Leu?e mit Schwellen, Ballen, Steinen,
alten Brettern, die zusammengebettelt,
gestohlen, gekauft wüten, öberall Siege
und Wege gelegt. Halte a ein Kom
Mission der Gefangenen mit einem tüch
tigen deutschen Ingenieur ait der Spitze,
und an solchen fehlt es. unter unS doch
wirklich Nicht, mit det Henichiung und
JnftctNdhsltuNg deS Lägets betraut, wir
hätten das Musteklager allet Kriegfllh
tende, Skles wäre bisset geworden,
wenn man uns tuy,g Hai! gewähten
lassen. Dies gibt dem Gefangenen Ab
leitung. Beschäftigung, die Möglichkeit,
sich im Interesse des allgemeinen Wohles
zu betätigen, ein weitere! Beweis des
NnzlSublichett Organisationstalentes die
ser Ration. Würde dieseS Volk deri
KrieeZ derlieren und damit Deutschland
seines ganze Reichtums, aller feinet
rnöikkiellkn Mittel betäubt erde, krs,
könnte es dem 'Gegner nützen? - Die
Intelligenz und gerade diese Wunder
gäbe der Organisation würde in ganz
kurzer Zeit alles wieder ersetzen. Für
eine CozZölöget, ein sehr interessantes
Beoböchtungsfeld, dieset ZZetsuch hiek
einer primitiven GeseLschastsorinunz
auS dem Chaos heraus.
Die Insasse meiner Hlitt sind mir
auhersrdentlich sympathiscr). Jntelli
aente. offene, aufrichtige ,unge Leute,
stets hilfsbereit, verträglich, dabei n
derbesserliche Optimisten. Man nimmt
Bedacht us die AeltereN und Schwäch,
lichen. hat mir sofort rnit Gewalt eine
dek besten Schlaseckett. ws Ich wenigstens
ttroas dk dem Züge geschützt bin, an
gewiesen. Wrede ruhte nicht, bis ich
,seine gesteppt Deck nenommen. Un
fe Hü!t bezahlt dket Lenke, einen
Sieivart mir zwei Gehilsen, frühere
Kellner erstklassige Lsn doner Hoicls.
tirn zu teiiUgen, das Essen abzuholen.
Geschirr zu roaschen. Der Oberstewart
Oilk'lm Sau ist don rnorzen bis
abends sär wich bedacht und dies alles
,Sn, die erwgste Tbsicht t'me Trink
selbes, denn diese fir! streng dklbot'N.
T.'br notwendig, d:n sang würden ein
jelne, welche Geld haben, die Dienste der
Stewarts hauptsächlich in Anspruch
nehmen und die Gesamtheit darunter
leiden.
Einer. Karl Schulze, früherer Baum
Wollwarenfabrikant in Manchester, läßt
sich nicht auf die Wimpern klimpern.
Jeden Tag schreibt er Beschwerden an
den Kommandanten, an den Subkom
Mandanten, an das Ministerium, und
merkwürdigerweise hilft es. Ein echter
Berliner Junge mit trockenem Humor
und Unverfrorenheit, der Schrecken un
seres speziellen Subkommattdanten. Alle
Reglements kennt er auswendig. '
25. Oktober 1915. To Unglaub
lichfte leistet wie immer und überall die
Zensur. Wrede erhielt ein leere Ku
vert. Den Brief feiner Frau hatte man
zurückgehalten: Er wäre zu lang ge
Wesen. . Ich erhielt inen don mit abge
sandten Brief zurück, weil ich zwei
Worte unterstrichen hatte. Gerade die
, Beschränkung der Korrespondenz ist mir
das Peinlichste. Wie kann man alles
in zwei Briefen wöchentlich aus dem of
fiziellen Papier, kleinen Oktavblättern
mit je dreizehn gezogenen Linien, trledi
gen, wenn man an seinen Advokaten,
Bankier und auch an feint Familie zu
schreiben hat?
In unserer Hütte wird es den ganze
Tatz nicht leer. Alle möglichen Hausie
rer mit selbsigeferiiglen Waten. Heiße
Berliner Pfannkuchen, meine Herren!
Ein Pettnq das Stück." Ein anderer:
,Tabak und Zigaretten, nte Herren."
Wieder ein anderer: .Morgen große
Verlosung einer silbernen Uhr zum Be,
sten eines bedürftigen Kranken, sechs
pence per Los."
Die Badeeinrichtung ist endlich fer
tig, vier Wochen waren wir ohne Rei
nigung! Natürlich Steinboden, auf dem
je sechzehn Leute mit bloßen Füfzen
stehen, um von einer Röhre an der Decke
die lauwarme Tusche zu erhalten.
Ei gensurierttt Brief.
Dieser Blies enthielt vier Zeilen,
welche der Zensor insgesamt vernichtete
und nur das Datum und die Unterschrift
übrig ließ.
. ca Llierrnitte II fiue Milton
I'arU.
le 19 Sy rier 1910.
Mon eher Coco. ..
Dr. M. Hnrtrnann.
The Postal Censor regrets that this
letter cannot be passed. Ko rese
rences to the Political, Navol, or I
Military Situation, or to Military
Ofratirni, are pprmiRRiiilf!. Itters !
to Prisoners shouhl deal önly w ith I
private affairs aiid r.eccfssary biLsi
ness matters.
Ich mußte zum Subkominandeinten.
Er ließ uns in Kot und Schmutz im
strömenden Regen vor seiner Hütte war
ten. Nachdem wir don 9,z bis 12 Uhr
dorten gestanden. kclM er heraus. .Ich
habe jetzt keine Zeit, kommt am Nacb
mittag wieder." Sonst, wie ich stets
beobachtete, höflich.
26. Oktober 1313. Zwei unicrneh
wende junge Leute haben einen Kursus
für Tanzunterricht eingerichtet, der sehr
stark besucht ist.- Alle alten und moder
nen Tanze weiden dem Prospektus zu
solge don einem hervorragenden, Wiener
Balletmeister gelehrt, auch Tango, For
trott. Turkeytrott und die allerneuesten
Erzeugnisse amerikanischen Blödsinnes.
Heute am Sonntag Nachmittag sand
det trste öffentliche Lall der Schüler
statt. Tä die Kasse der Tanzserein!
gung nicht reichte, um ei Orchester zu
beschaffen, ss spielten zwei Leute Zieh
Harmonika. Ein großes Publikum war
nach dek Halle . gekommen und machte
seine kritischen Bemerkungen, namentlich
über einen außerordentlich dicke. kSu
chettden Jsraeliten. der IS .Tame" mit
einem sehr tttageren Schneider walzte.
Wie viele sindtn sich hier wohlek al!
je! Ganz besonders habe ich dies bei
Seeleuten getroffen, Langeweile ist den
selben ganz unbekannt. Alles amüsiert
sie wie die kleinen Kinder. Einet der
Herren vom Schulkomitee erklärte mir,
daß in unsekem Compound nicht weiNgek
als neunzehn verschiedene Spräche ten
den Gefangenen zesprochen würden und
zwar als Muttersprachen, nicht im Laufe
der Zeit erlernte. .
Dienstag. 28. Oktober 1813. Konnte
beute nicht ausstehen, blieb dett ganze
Tag auf meinem Strohsack in Decken
eingewickelt, die wir andere GesaNge'ie
geliehen haben. Ich glaube, ich werde
ernsthast kkaNk. Mein Unterkörper ist
fast ganz gelähmt, ss daß ich mich nicht
erheben kann. Bei einem Alter hab
ich nicht mehr die Widerstandssähigkeit
diesem schauderhaften, Klima entgegen zii
wirken; was macht's auch, ob so oder
so. dann hat die arme See!' ihre Ruh.
Ich werde auf den Rapport sür den
Doktor gesetzt. Er kam um elf Uhr,
zuckt die Achseln und verschrieb mir
Bromkalium.
Der Subkommandant schickte später
seine Ordonanz. um mir mitzuteilen, er
hätte mich auf die Liste sür den sosor
tigen Transport nach Douglas gesetzt.
Tort befindet sich das Privilegiertenla
ger. wo solche Gefangene, di ungefähr
ein Pfut, pro Woche ausgeben können,
eine bedeutend bessere Pflege geni'ß?.
Meine Mitgefangenkn tun alles Miig
liche, um meine Lagt etwas erträglicher
zu gestalten, trotzdem sie wissen, daß ich
weder einet ihrer Landsleut bin, nsch
überhaupt politisch mit ihnen tiberein
stimme. Ich habe, weder die Luft noch
die Fähigkeit, Einiragunzen in mei
Tagebuch zü machen, ür beute genug.
Sümsiag. 1. November VjIZ. Ss
geht mir bedeutend schlimmer. Ti
Beine sind vsllsiandiz gelahmt, und such
die Bewegung der Arme verursacht mir
vtzt bedeutenve Schmerzen. Ich blcib
Tau und Nacht angekleidet liegen, roll
ständig:? Mangel an Appetit. Wenn tl
nur schon vorüber wäre! Der heutige
Tag. Allerheiligen, ganz besonders ge
eignet zu derartigen Betrachtungen.
Meine Bermögensverhöltnisse sind e
ordnet. Kinde, hab ich glücklichermeis
nicht, und meine Frau wird sich schon
allem zurechlsmden.
Monlag. 3. November 1915. Ich
werde benachrichtigt, mich sür morgen
Nachmittag bereit zu hatten, um per
Auto nach dem Privilegierten Camp in
Douglas transportiert zu werden. Es
gibt mir wieder twas Mut, und da
ausnahmsweise heute trockenes Wetter
ist, sühle ich mich auch etwas besser.
Wenigstens aus diesem Kreis dek H'öll
erlöst. Eine Woche langer in dieser, of
senen ungeheizten Bretterhiitte, und
meine nächste ffahri wäre statt nach
Douglas nach dem Friedhof gewesen.
Alle meint Kameraden beglückwünsch:
mick. suchen mir Treft inzurede. t
Dienstag. 4. November 1915. Um
zwei Uhr wurde ich 'in dem Aul deß
Cubkommandants Mit einem Soldste
und Chauffeur quek Über die Insel nach
Douglas gefahren. Unterwegs waren
acht Wirtshäuser als Etappen. Bei dem
ersten hatte ich st gefragt, ed sik etwas
trinken wollten.
Gewiß, ein kleines Glas Ecotch.'
In England werden zwei Arien
Whiskey getrunken, der schottische und
der irländische, beide derschieden ge
brannt und such von verschiedene Ge
schmsck. Meine Leute bleiben fünf Mi
nuten, kommen heraus, sich den Mund
mit det Hand abwischend. Ich zahlte
und es ging weiter zur zweiten Etappe.
Bei det sechsten wurde wir bet etwas
Angst, denn die Kekle waren schon drei
viertel betrunken. Ich war sroh, als
wir endlich in Douglas ankamen. Der
Weg sühtte bei dem yriedhos dek Ge
sangenen vorbei. Meine gemütliche ES
körte tröstete mich:
Oh. Ihnen wird eS hict techt gut fte
fallen! Ein recht netter, kleiner Fried
Hof. eine Masse von Euch Leuten Zins
bereits dorten!
Mittwoch, 5. November 1915. Ob es
die geschützte Lage von Douglas, dit
Sonne, welche für einen Tag zum Bor
schein kommt, oder dkk Czeneriewechse!
macht! kurz tind gut. ich fühlt mich be
deutend besser, kann sogar, auf zwei
derbe Spaziersiccke gestützt, etwa! gehen.
Ts privilegierte Löget in deck ich Mich
befinde, ist "für ungefähr vierhundert
Personen eingerichtet Ein Teil davon
liigt in Zelten, die önderen in neu ge
bauten HiiiteN, für je drei bis vier
?.'!anN.. Die Hütten stehen jü beiden
Seiten von angelegten Wögen, die Mei
sten haben bor der Hütte ein kleines
Gärichen angepflanzt und sich je ach
ihren Bermögensvcrhältnisskn, mehr ddek
minder komfortabel eingerichtet. Es
sind Schreiner. Tapezierer, Möbelarbe!
Ist im Lager, die sich damit befassen.
Einige wenige Bei Hütten sind sögat
luxuriös mit Draperien. Bildern, Basen,
guten Beleuchtungskorpttit üftd tragba
ren Petroleumöfen ausgestattet. Die
Wände und Dächer dek Hütten sind Mit
Asbestplatten gedeckt, so baß dieselben
gegen die Kälte einen bedeutend besseren
Schutz gewahren, als Holzbarscken.
Heute früh neunllhr kam ich vor den
Gouverneur mit einigen anderen Neu
angekommenen. Er liest iin3 das Regle
ment vor, und macht einen kurze
Speech. Dieser gipfelt darin: Laßt
mich in Ruhe und ich lasse Euch in
Ruh?!" Er war frühe! Holizeichef der
Insel gewesen: eine burschikose, sich bru
tal gebärdende Figur mit rauhet Außen
seile, dabei, wie mir jedet sagt, hktzens
gut und stets auf das Wohl jedes Ein
zelnen bebacht. " Außer dem Ptidile.
giertenlager ist ihm noch das aus det
anderen Seite der Landstraße liegende
und durch einen Tunnel, mit ns ver
bundene Upper Camp unterstellt, wa sich
nahezu dreitausend Unbemittelte besin
den. Man hak dokk ein KonzenhaiionS
lagek sür fast sämtliche Jude errichtet
und dirigiert diese von ollen englischen
Lager dahin, U denselben die Mög
lichkeit zu gewähren, unket sich zu sei
und ihren Religionsgebräuchen evtspre
chend zu leben. t ' - ' .
Nr dreitausend Personen sorgen,
das verlangt beständige Aufmerksamkeit,
und der Kommandant beschäftigt sich
persönlich mit den geringsten Elnzelhei
ten. statt dieselben seinen Uniekaebeneü'
zu überlassen. Ich erhielt meine Schlaf,
stelle in einet Hütte, kn der bis jetzt nur
zwei Internierte waren. Dek eine, ein
alter, seht kuhig Herr Mit weißem
Schnurtbart, welcher den ganzen Tag
die Hütte nicht verläßt, sich Karten legt
dek ein Buch liest, der andere in außer
ordentlich dicker Butterhändler von Lon
don. sehr redselig und großer Patriot.
Bevor et schlafen geht und sich bis aus
die Unterhose entkleidet hat. kniet er vot
seinem Bett nieder, ruft dreimal laut in
feierlichem und Völlig überzeugtem Ton!
.Gott stttse England! Gott strafe
England!" egsNkdun feia.)
Tie Wolken. '
Wolken, Ifife Schisset, fahre
Ueber mir und rühren mich
Mit den zarten, wunder bare
Faibenschleiern wunderlich.
Aus. der blauen Luft entquollen
Ein farbig schön Welt,
Tie mich mit geheimnisoolle
Reizen oft gefangen hält.
Leich'.e, lichte, klar Schäume.
Alles Irdische besreik.
Ob ihr heimwebschör.e Traum
Der befleckten Erde seid! .
tertfiK! He"e.
Was man schon hat,
. . Das inat nicht satt.
Man zählt und ,Zb't
Wieviel noch tq'il
Die Denkschrift der
beutfdjcn ittictculattticr.
Volksabstimmung iibtt die AugkhSrigkrit deS deutscht Tndrtkngkbie
U, Fntkrnationalisirrung dkr österreichisch-schlksischrn Kohsrnrkvicrk.
St. Gttmaln. IS. Juni. Staats
kanzler ReNner sandte im Namen der
deutsch österreichischen Friedenkdelcga
tion der Friedenskonferenz in Note,
durch die die von den Delegierten der
deutschen Sudeienländer ausgearbeitete
Denkschrift vorgelegt und eingeleitet
wird. Die" don den Vertretern der deut
schen Gebiete in Böhmen. Mähren und
Schlesien an den Kongreß gerichtete
Denkschrift legt das Unrecht dar. das
durch die vorgeschlagenen FriedenSbedin
gungeil 35 Millionen Teutschösterrei
chern drohe. Der don den wichtigsten
Interessenten der österreichisch-schlesischen
Kohlenreviere gemachte Vorschlag der
Jnternsiionallsierung diese Reviers,
den die Note vorlegt, verdiene angesichts
der dort herrschenden Wirren die höchst
Beachtung. . .
: Di Begleitnote setzt Weiler ouSeinan
der, wie schwer das Unrecht ist. daö die
Enlentt ön dem deutschen Volke der Su
detcnländer und an den Deutschen Oe
stcrreichs begeht, indem sie. waS die
Deutschen und Tschechen veiriffk. zwei
zur unaufhörlichen gegenfeitigIN Feind
schaft verurteilte Kleinstaaten und dan,!t
einen KrieqLherd im Herzen Europas
schasst, der für die Welt und ihre sozial
Reorganisierung vielleicht noch verhäng
nisvoller werden kann als der Kriegs,
Herd des Balkans. Tiefe Ueberzeugung
vor allem hat dem deulsch-öflerreichischen
Volle die Patole am meisten nahegelegt:
Heraus aus diesem brennenden Haus",
und .Anschluß anS Mutterland".
Es wird in der Antwort daran erin
nett, daß hier ein zweites, doppelt so
großeS Elsaß Lothringen geschaffen
werden soll, das noch dazu nicht im
Kriege, sondern im Zustand der Weht
iosigieit annektiert wurde, bei welchem
Loruangc ein Teil einer großen und al
ten Nation in die Gewalt eines kleinen,
weitaus jüngeren VolkeS gerät. Tiefe
Herrschaft kenne dort der einen Nation
niemals triragen, von dett andern Nie
mals wirklich ausgeübt werden. Der
neue Stand det Dinge sei für den Frie
den noch bedrohlicher als dek alte. Die
Deutschen der Sudeienländer hatten ihre
vreiheit in dem Augenblicke wieder ein
gebüs.t, als sie in begeisterter HinZabe
an die von der Entente verkündeten sieg
reichen Ideale der Demokratie und der
Nationalen Selbstbestimmung daran gilt
gen. sich selbst zu befreien. Der Frie
denSentwurf , heißt diesen Gewaltalt
zinterher gut. Ein solcher Friedens
chlüß könne weit weniger als der Frank
urter Fried: für die' Beteiligten dauern
des Recht schaffer!.
IN dek Antwort wirb ferner ansge
führ!, daß gerade dieses Vorgehen der
Nachbulsisükn die Alp-ndeuischen irt
einen Zustand der Hilflosigkeit und ttt
Lebensunsähigleit versetzt hat, weil man
sie ihrer wichtigsten Industrien und des
Uksptunosgebietes ihre! wichtige Na
klirpkodulie beraubte. Die gesamte
Nriedensdclkgsiion sei daher mit den
Berfassern det Denkschrift durchaus
eines Sinnes, wenn sie die! Wicderbesrei
ung der deutschen Gebicte in den Sude
lenländekn fordert und verlangt, daß je
rin konstiluierendcr'Län'otag für Teutsch
böhmkn und für das Sudctenlanh Nach
dem Abzug det tschechoslowakischen
Truppen fr:i gewählt werde und übet
das Schicksal dieser Länder souverän
entscheidet.
Die in des Note erwähnte Denkschrift
det Vertretet der deutschen Eudetenlan
dkr untersucht zunächst die Erüno'agen
des Friedens und stellt fest, daß die Be
tingungen betreffend die Einverleibung
der deutschösterreichischen Gebiete in den
tschechischen Staat im Widerspruch zu
den don der Entente selbst verkündeten
Grundsätzen stehen. Der Kernpunkt die
ser Grundsätze besteht darin, daß als die
siastsbildcnde Kraft für di? Gegenwart
und die Zukunft det souveräne Wille dek
.Regierten' bnzusehcn ist. SS hat sich
die Richtung des deNtschösterreichischen
Staates und die Neuordnung seiner
Provinzen auch tatsächlich vollzogen.
Die beutschöstetttichischen, der National
Versammlung angehötenden Abgesrdne
ten des geschlossenen deutschen Eiede
lungsgebictes im nördliche Böhmen.
Mähre und Schlesien haben di Errich
tung der Provinzen Deutschüöhmen Nnd
Sudetenland verkündet und si als ine
Teil Teuischösterreichs erklärt, dessen
Gesetzen unterstellt und Lantesregierun
gen eingesetzte Weiter haben sich der
deutsche Böhmerwald dem Lande Ober
Lsterreich, das als selbständiger Kreis
konstituierte Deutschsüdmährc. der Be
zirk NkU'Bistrig und deutsche Teile des
Bezirkes NeuhauS dem Lande Nieder
ksterreich angeschlossen. Ferner wurde
di Sprachinsel JglauSiecken xleichsalls
Niederöslerreich zugewiesen. Den Ab
schluß dieser Entwicklung bilden die
fceutschösterreichischen Gesetze vom 12.
und 22. November 1913 iiber den Um.
sang dk! dcutschösterreichischen StaatZge
lieies, sowie die Lollzugsanweisung dock
S. Januar 1913.
Bei allen diesen Bezirken kandllt ts
sich kinogradhisch Um geschlossen uk
sprünzliche Siedlungsgebiete, die Mit
Ausnahme der Sprachinsel. Jqlau
Stecken rril dem uropäischen Siede?
lungZzebiete des deutschen Lottes zusam
menhängen und deren fremdnationale
Vevölk?rliNg nur wenig Prozent darstellt.
Deutlicher und schärfer noch als aus den
Ziffern der Satistik geht di GrSß der
oelanten Bergewaltigung aus fulaenden
Vergleichen hervor: Das geschloffen
deutsche Sprachgebiet in Böhmen, Mäh
ren und Schlesien ist nahezu doppelt so
groß wie ElsaßLothringen und feine
deutsche Bebölkerung ist mehr als dop
pelk ss zahlreich wie diejenige Elsaß
Lothringens im Jahre 1871. Tie Ab
gnnzung folgt tiberall den klar erkenn
trntn ethnographischen Linien, die Im
Jahr, 1907 M der Bestimmung der
tschechischen und deutschen ReiöiSrsl!
Wahlbezirke vnr Vertretern beioer Na
tionen einvernehmlich anerkannt wurden.
Dies ethnographischen Linien eignen sich
vorzüglich zur Abgrenzung von Staaten,
di sich auf Grund der nationalen Idee
der Selbstbestimmung gebildet haben.
Die Klarheit und Schärfe dek Naiürli
chcn ethnographischen Linie zeigt aber
auch, daß die Deutschen Böhmens, Mäl
rcne und Schlesiens, nicht wie von
tschechischer Seite behauptet wird, ger
manisiert Tschechen sind. Die fciiiigc
deutschen Siedelungsgebiele sind seit
Jahrhunderten alter deutscher Besitz.
Die tschechischen Minderheiten stammen
aus der allerjüngsten Zeit des induflrizl
len Aufstieges. Di deutschösterreichische
Nationalversammlung und die Landes
Versammlungen haben allerdings die
Festsetzung der Grenzen einem Kongresse
vorbehalten, wobei es sich höchstens um
die Ueberpriisung durch ein allgemeine
Volksabstimmung handeln kann.
Die Denkschrift stellt fest, daß die
tschechische Regierung. daS Selbstkstim
mungsrecht ' mißachtend, das Land mit
Krieg überzogen hat, daß sie untck dem
Verwand des Waffenstillstände-! deut
scheS Land besetzt und entgegen den
Grundsätzen des Völkerrechtes da?
deutsche Gebiet unter ihre Souveräniiät,
gezmungeir? die bestehenden gesetzmäßigen
Gewalten beseitigt, neu eingesetzt, un
ser öffentlichen Beamten unter Bedro
hung ihres wirtschaftlichen Lebens auf
dem besetzten Gebiet vereidigt, vertrieben
rder eingeker.?crk, die freie Willensmei
nung des Volkes unterdrückt und dadnkch
jegliche Anksicht auf eine friedliche Vcr
ständigung geradezu vernichtet hat.
Solch Wunden heilen niemals. Der
beste Beweis ist die Geschichte des tsche
chischen Volkes selbst. Ein so ausgebau
ier Staat kann nicht gedeihen. In Ver
bindung mit anderen nicht tschechischen
Gebieten wZre dieser Staat nicht ein
tschechischer Nationalstaat, sondern ein
Nationalstaat wie da alte Oesterreich,
somit eine bloß W!edekhokun.z des end
lich übcrmundenc Uebels. Dl geplante
Zuweisung von Gebietsteilen Nieder
österreichs und Preußisch Schlesiens
würde die Verhältnisse noch weite zun
guttsteit drt tschechische Nation verschie.
den. , Andererseits würde Teutschöster
reich, seiner vollswirtschasilich und lul
turcll wichtigsten Gebiete beraubt, als (in
selbständiger Staat keineswegs bestehen,
und somit d! ihm zugedachten Vkrpslich
tungen schon aus diesem Grunde nicht
erfüllen können. Der tschechisch Staat
abet bedarf keineswegs fremden Gutes,
um als ein burchatls keben?fah!geS Ge
bilde zu bestehen. -
Von der Ueberzeugung ausgehend,
daß die Friedenskonferenz blt Aufgab
hat, auf dem Baden d? ehemaligen Mcl
narchi slle gtnsu umschriekinktt ation
nalcn Ansprüche zu befriedigen, ohn
neue oder fortdauernde alte Elemente dct
Zwietracht lind det Gegensätze tinzusüh
ren, die geeignet wären, den Frieden zu
stäken, stellt die Denkschrift feierlich fest,
daß der vskliege'de Entwurf deS Ver
träges dem souverünen Willen tet St
deiendiuischci, absolitk Ividersleichk unk:
'don ihnen als schwerstes Untecht em
Pfunden wird, und beantragt, die staat
liche Zugehörigkeit der deutschen Sude
tengebide durch Voll'abstimmnng zu
entscheiden.
Franlsurter Brief.
Zwischen Freund nd Feind. D!t
Franzose irt der alte Römtrstadt.
Nenttdle Zoite. Die BtrgnÜ
gullsucht kennt keine Naiiönalitöt.
FranzosenliebchcN.
Frankfurt. M., im Juni. Man
hat es wahrhastig nicht nötig, sich bis
Mainz durchzuschlängeln, um zu ersah
ren, wie es eigentlich im besetzten Gebiete
aussteht unv zugeht. Matt stelle sich vor:
Hiniet dem Hallesche Tor mitten in der
Belle.AUiance.Straße ende deutsches, be
ginne französisches Gebiet - und man
hat eine Vorstellung von der Umwälzung,
der heute in deutsches Stadtgebiet aus
gesetzt ist. .Jn de inneren besetzten OtU
schalten, in denen die Besatzungstriippen
zu den Alltagserscheinungen, di Maß
regeln und di Maßregelungen der f eind
tichen Behörden der AlltagsMNg sind,
deck man sich beugen MUß. mag da t
fühl dort Scham und Entrüstung zur ab
stumpsenden Gewohnheit gtworde!, few,
ober in einer fiele deutschen Stadt, in
deren Getriebe man nichts von diese
Erscheinungen, diesen Maßregeln und
Maßregelungen Werken soll, hat man die
fes Gefühl desta tiefet, ist matt erschreckt
von dem jähe UebetgaNg vom Hreund
zum Feind.
Man ist noch in Franksukt, die elek
irische Bahn hält, und mon ist plötzlich
in einer anderen Welt. Rechts der
Flugplatz, links der ehemalig riesige
Ezerzierplatz, den man klugerweis zu
einem weiten, ergiebigen Gemüsefeld um
gestaltet hat.' Teutsche Arbeiter bebauen
es, und die fleißigen, kernigen Leute fg
gen nur: .Es ist ine Schande, wi weit
wir in Teutschland g'kommen sind, wenn
wir ein paar Schritt weitergehen, pack.-a
uns auf unserem Gründ und Loden die
IraNzdseN.' Tom tiourönt kli-g
ccuuV ist aus einet Tasel zu lesen.
Eine Drohung, ine Warnung. dh auch
dies Zone besetzt werden kann. Am 24,
April haben die französischen Behörden
diese Zone angeordnet, sind sie don
Griesheim weiter vorgedrungen, haben
sie sich dem inneren Sladtgeländ Frank
furts um 3ÖQ Meter genähert, ganz un
ausfällig. gZinz fclbstSikflandlich. in
Widerspruch ist ausgeschlossen. Eigent
lich wvlltea sie nur Grietheim. das sich
örtlich ,u Frinksurt verhält wie Neu
köll zu Berlin, besetzen, aker nun sin
sie bis zur Bellkalliance'Sttsße vsrgei
drungen. Sik lassen die Zjsne, die. wie,
sie offen ankündigen, besetzt werden kann,
als .rms jif-utr" gelten, die man ohne
Ausmeis vassteren kann, in weniaen Mi
nuten ist man vor Griesheim, dori hat de
. r . . . sll M L . f T" A fti nf
3euiicne icrn tca;i uenoitii. v
cs aus Französisch und Deutsch
scim ü phrit Durchgang verbo
ten". da stehen die französischen Schilder
Häuser, da bummeln Zigaretten rau
chknde französische Soldaten umher, da
durchstöbern sie Pflichtgemäß jeden Korb,
jedes Päckchen, schütten seinen Inhalt
auf den Bvden, studieren si jeden Fetzen
Papier. Mit eir.-r gnädigen Handbewe
gung lassen sie jene passieren, deren Aus
weis sie sür richtig befunden haben, mit
freundlichen Mienen fertigen sie Frauen
uftd Mädchen ab, besonders, wenn si
jung und hübsch sind, und hier erkennt
selbst der ZufaUsbeobachtek einen Zu
sammenhang, der in widerlicher Weise
das gemeine Treiben einer gewissen Sorte
von Frauen und Mädchen enthüllt. Das
ist ein besonders trauriges Kapitel.
Man höret Aus der anderen Seit
Frankfurts, am Ende des vornehmsten
Stadtviertels, das nach Niederrad führt,
beginnt, angrenzend an die Prunkvilla
des berühmten Rennstallbesitzers von
Weinberg, ebenfalls französisches Be
satzungSgebiet. In Nicderrad veranstal
ten die Franzosen Tanzabende, zu denen
sich die Mädchen und selbst Frauen drän
gen. Für sie gibt's hier keinen verböte
nen Durchgang, sie werfen sich den Fran
zosen in die Arme nicht nur beim
Tanze. Dieses schamlose Treiben ging
so weit, daß die deutschen Polizeitruppen
keinen Franzosen ohne Ausweis durch
ließen. Was taten diese Weiber, die den
Tiefstand unseres Deutschtums noch tie
ser hinabdrllcken, uns noch mehr erniedri
gen und besudeln? Sie besuchte im
Besatzungsgebicle die Franzosen, don
denen sie natürlich ohne Ausweis durch
gelassen und erst in den Morgenstunden
verabschiedet wurden. DaS Frankfurter
Mittagsblatt berichtete seinerzeit hierüber
wörtlich folgendes: Am Ostermontag
griff die Polizei zu einem neuen Mittel.
An den einzelnen Uebergangsflellen Wut
den Posten von der Polizeitruppe ausge
stellt, welche die YraNzosenliebste am
Uebergang verhinderten und zur Anzeige
brachten. Den Franzosen paßt daS
nicht. Obwohl die Posten dek Polizei
truppe sich streng an die Grenze hielten,
versuchte der fraiyösische Posten, durch
Drohung mit der Wafse die Polizei
Posten, die hier jedoch auch inen Revol
der tragen, zu vertreiben. Die Polizei
Posten nahmen jedoch die Drohungen
nicht sehr ernst und versahen weiter ihren
Dienst. Es hätte nicht vlel.gefehlt, so
hätte sich hiek in unangenehmer Zwi
schensall ereignet. Ein französischer Of
fiziek brachte schließlich die Posten zur
Raison. Die schamlosen Frauen wurden
bestkast." Bei einer weitere Razzia
wukdc noch fünfundzwanzig dieser r
bärmlichen Frauenzimmer verhaftet.
Ein Bravo der wackeren PoliZeitruppe,
ein Brave, auch den beiden Soldaten, die
ein det .Zera poütarit fttro occttipcft"
treue Wacht halten, denn auch in Zeitt
heim, das die Franzosen wobl weniger
auS militärischen alS aus .Wissenschaft
liche' Gründe besetzt habe, um Such
dort wie in Höchst von der deutsche che
mischen Produktion zu profitieren, gibt
es deischämt Zitt! Sott Lon LNverschäm
tt ' Franzosenliebchen. Die Soldaten
stehen ili zwei SchilderhSuschen,- beten
schwatzwtißet Anstrich nl vor Augen
führt, daß hier noch Preußerl ist, aber
leider auch Preußen aufhört, Sie der
langen auch von ihren französischen Ka
meraden, obgleich sie sich tameradschast
lich begrüßen, wc'nn diese die üllch dkr
Möglichkeit einer Besetzung ausgesetzte
Zone passietkn wollen, den Ausweis
schein, und sie verjagen Unke kernigen
Worten die Weiber, die man muß es
doll Wut und Wehe zugestehe den
.Poilus" förmlich nachlaufen. Es wirkt
befreiend, wenn man hört, wie btefei So!
da ten. wie di Arbeitet, die . in dieser
Zone tätig sind, über dieses ÄeibSzesiN
del schimpfen in Worten, die uns künden,
hatz trotz allet Uns Umgebende SchMSch
doch im Volke daS Gefühl, für deutsche
Ehrenhaftigkeit, für deutsch Ehre Kien
big 'st. ,
Es muß betont wekden, daß die sran
zösischen Offiziere, die die Verbindung
zwischen dek neutrale Zonk.Lnd dem
französischen -HauptiZuartiek in Mainz
bilden, bemüht sind, Härten und Ableh
nungcn, zu denen sie durch ihre den Aus
schlag gebende Behörde in Main, der
pflichtet sind, durch freundliches Wesen
zu mildern. Die Offiziere haben ihr
Heim im EarlionHo!el, sie bewegen sich
dort Zwischen Freund und Feind, denn
als die Unruhen in Frankfurt autbra
Sett, verschrieben sie sich eigene milita
rischett Schutz. Marokkanische 'Sölda
ten. die saubek unisormiett find, sich
friedlich tfUn, aber auch mit Maschinen
gewihren Bescheid wissen, sizid in dem
Hotel untergebracht) sie sorgen für di
Sicherheit der französischen Gaste, die
Watt beherbergen mutz. Ttöd ihriö
sreundliOen Wesens sind diese Offizier
zurückhaltend, bewahren sie im Lußett
Verkehr eine Würde, d jede plump
Vertraulichkeit von sich stößt, stet an
den Sieger gemahnt und jenen National
stolz offenbart, der für jede ihn m
schmeichelnde deutsche Weibsperson inner
lich Verachtung empfindet.
Hiek, hart an der harte' Grenzt zw!
schen Freund nd Feind, wa deutsch
und französische Oberhoheit räumlich in
eiiiandersließen, erscheint die Tafel:
t7,mw finvant tn oecup6e" tot tu
Mene Tekel. ?. -
Er kennt sie.
P.-o5,!ser fzil feiner Fkaii. welche auf
t:t Cirie fcwn Arm Aehmen Kill):
Nein, lcfj mich allein gehe, sonst
fährst Du mich, wenn ich gerade SZek
etwas latteule, wieder i ein Vode
irarcngeschäsi!"
Tie Hausfrau.
nta, Nachbarin, wa kaufe Et, iH
Milch?"
dri.ben !'! d'r Meierei!' '
.st sie such gut?''
0 Nein, s chlecht gbek viel ke,kogtM
man!"
- - iii - - - -ni
W,r genau wissen Kill, ttfil ts)
teliVt wert ist, brsutt Nu, , ieobach
ten. wa! er tut und denkt, . Ken li
mit sich QVi ilt ---
i