Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 23, 1919, Image 2

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TSMe Omaha Tribüne
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Äei der Mriler
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jiutveusj
Federzeichnungen von den Sitzungen und den
Hauxtakteuren. Von Dr. Akar Zlküller.
Z!k Zürcher Zkltun".) ,
Paris. 20. Fcbr.
Nur einer beschränkten Zahl von Zeit
anicffen ist ei vergönnt, bis ins Allkr
heiligste bei FriedenKtempelS zu drin
pfn. Di TiplsniaKn. die unter bejn
gcfoanntc Blicke per Wc'.t MnfchhcilS
, o:fai:d.;e machen, wissen, daß Distanz
die Stutter dcr Autorität, ist und der
I Papst dort die brünstigsten Gläubigen
f ' zahlt, Wo man ihn nie zu Gesicht U
j kommt. Aber selbst wenn sie alle die de
! moralische Toga umzuschlagen vcrstün
den wie Präsident Wilfon. wäre es ug
,,glich. aus dem Quai d'Crsan ein
tverum zu mcheir. wa daS Volk dem
Richtcrspruche beiwohnte. Um den gru
mi Tifck. an dem die Vertret von
zwanzig Nationen versammelt sind, läßt
sich mit Mühe Platz sur ein paar hun.
dert Zuschauer schasftn;, man vergegen
wältige sich die Zahl der Weltblätter,
die ach Paris Korrespondenten fand,
im. und man ersteht, daß ein gewöhn.
Ufer Sterblicher, der sich nicht als
- Mandator von 100,000 Zeitungslescrn
ausweisen kann, den Friedenskongreß
rrnt in spcktavler Ferne miterlebt.
Nichts wir auf den Eintretenden der.
bliiffmder als diese Scharen Von Iour
Aaliften fremder Zunge und fremder
5kkkunst. die im Oitvavillon des Mini
fierhtm! lQuai d'Orsay) auf den Em
zag in den Sitzungssaal harren. Ta und
dort nur das bekannte Gesiebt eincS Pa
risci Journalisten, vier Fünftel dieser
Nerikanischen. englischen, italienischen,
.- serbischen, polnischen,, japanischen, chine
fischen Preffcdertretcr sind zugereist, und
; ignorieren in einer Weise, stanzösische
Normen, daß man sich Frankreich und
' Pari? weit entrückt wähnt An der
Sal:ütt,. wo ein Einfchr'.iberegister
anfliegt werden die Lcgitimationskarten
geprüft, und ms nachdem die hohe Wer
samrnlung selbst Plai) genommen hat
tut sich vor dem Hen der Federgewalti
rn der Sesam auf. Nicht dn .Salon
de kHorloge", selbst den betreten nur
die Ossizullen, deren Eingang sich im
Weppabillon beendet , Wohl aber ein
nstoßendes Gemach. daS durch 1e
sogenannte .Baies" (Wandelgslerie)
mit demselben kommuniziert. Um do
biet aui den Sitzungsraum überblicke
zu könne,, schwinge sich Journalisten
und Journalistinnen. Graubärte und
Eleven, mit turnerischer Gewandtheit auf
die berci'.stchenden Tische, der Vertreter
de?' Agentur Hnms nicht privilegierter
- clä der Korrespondent de! Tageblattes
von, Haitis Wer nicht in der vordersten
, Reihe steht der wie Saul seine Brüder
um Haupteslänge überragt, muß sich
damit begnügen, die Stimme der Hohe
Priester der Diplomatie aufzusange?
und sick ihre Physiognomie und Gesten
im Geiste vorzustellen. Denn die Wand
bat im Gegensatz zu derjenige in
. Shakespeares .Sommernachtstraum" die
Eigenschaft, undurchdringlich zu sein,
: so sehr sich auch die Späher der öfftnt,
lichen Meinung die Köpfe verrenken.
Der Zcremonienmeister deS Quai d'Cr
say hatte glücklicherweise ein Einsehen
mit den Journalisten, die drei gefchla
jene Swndea ftehend auf eine Tisch
platte gebannt waren, und im Hinter
gründ des SsaleZ ein kaltes Büffett
ausstellen lassen.
Der Saal der Diplomaten bietet mit
hhm grauen Wänden und Pilaftera,
: den purpurnes Draperien, dem Putten
friei und den bemalten Kartuschen, den
,-. brennenden KrisialZeuchtern. dem monu
mentalen EheNinöe ein aristokratisches
cz-zsemble. Aber an Stelle der Fest,
nimmunes. die unsere Vorstellung mit
solche Prschtnsmmern zu verbinden
pNezt. dominiert eine nüchterne Geschäf
rigkeit, eine Atmosphäre der Arbeit und
der geistigen Spannung. An den lan
gen. hufeisenförmig aufgestellten Tisch
j?:htrt tthrn imfitnpiiriiiisrt d 5if!f8tft.
im, die einen übe? ein Schriftstück ge
beugt, dle ander im Ledersessel zurück
gelehnt, schweigsam zuhörend oder mit
- dem Nachbarn sich unterhaltend. Hinter
A ihnen, an Separaitische oder den Wän
x den entlang stehend, die Sekretäre und
Ratgeber, unter denen die geschäftige
Persönlichkeit DutastaZ ausfällt. Je
. nachdem ein Diplomat von Rang das
Wort hat oder der Lebersetze? in Eng
lisch oder Französisch da Gesagte wie
, verholt, herrscht gespannte Aufmerksam
knt oder leiseZ Gesumm auf der einen
Seite bei HauZeZ. In dem Maße.
e''i die Stunden vergehen und der belle
'?cklaq der berühmten Wanduhr über
i-nx FVmin fünf Uhr. sechs Uhr. sie
U:r anze'at, wacht sich auch in
e-r.'m fi ko:rek:e Milieu, wie dem di
f'mzl st'N, Z'rsireuunz und Ungeduld
srli. rd; sb?r die Formen, i denen sie
ich Zundaebe, haben nichts von dem
C lrlafft emeS Parlamentes, an
, Ittn bewahren bis zuletzt den Redner
i ,
i,..
im den Resp?Zt. Denn n unßro
r scher ZVischenruf der eine
t'midm Unaufmerksamkeit könnte ja
d? Keim t.n internationalen Derwic!
I "".i in fch tragfn! Das ist den
c 3 fctr ausstillkndfte Zug für den
.r'k einer diplgmsiifchen Tagung,
t S i-l) tn eden, mögen dieselbe
v S 3 sch dsrgk!rase,n sein, kein
7,J i und die Stimme des
. ir.mer böflich. immer zerr
ll l'zlt. Diese Versammlung
. - s, z sl'eidetrr StaZmänner.
, d f irgend eine Dekoration
- t ! -u üi tragen, die ei Element
i t V ir:. 1 -ni in Zhre Reihen bringe
! ; 1 : 'i .chen HikUo ton der
. " der Staaten nahzlrete
''s c'-'5t einem antiken Chor, der
- d'? Leidenscheft mit einem
i rL'i werten und EelZeg den
t j r - ::rg be:!et. Des Ein
t 'i i ' ?,,veg am Fenster hm
';!.' 1 ket g-balke werde, do
- ' i solch , Pnsksitzuns.
i - .t c T?:l ?r Tielomate
., , . (.-....:?,! ff-.jf Yft
. . f 'Uui."'U-tL'i-.Vjitt
wnserenz.
vorgegangen ist, beobachtet man eine
starke Fesselung der Redner an das Ma
nuskript und bei den Freisprechenden
eine feierliche Langsamkeit und Getra
genheit in der Diktion. Das Bestreben,
von der fremdsprachigen Hälfte der Zu
hör leichter verstanden zu werden, mag
dabei mitspielen, denn auf den Ueber
frtzcr vertraut ein Schönredner, der auf,
Nuancen hält, nur halb., Ce n'est
paa ccla, c'Gtait niicux!" hörten wir
den temperamentvollen Orlando nach
einer mit italienischer Emphase vorge
tragenen Rede dem englischen Uebersetzer
zurufen, von Sonnino (der bekanntlich
das Englische wie seine Muttersprache
beherrscht) an das .?riZuttore
TraJitore erinnert!
Der Gedanke an eine Bühne, auf der
ein welthistorischer Akt sich zu vollziehen
im Begriffe ist, von dem kommenden
Geschlechter reden werden, drängt sich
dem Zuschauer auf, um so mehr, als es.
sich um nichts Geringeres handelt als
dir Derretierung des ewigen Weltfrie
dens", von dem schon das Mittelalter
träumte. Unbewufzt prägt er sich die,
Dekoration ein, fucht die Atmosphäre zu
durchvringen, das geistige Maß der für
di Völker Agierenden festzustellen. Ein
erster Kontrast fällt ihm auf: die Wem
bare Jugendlichkeit der Grofzzahl der
Teilnehmer,, während er eine sokratische
Versammlung von Graubärten erwar
tete. Ist es. weil der Bart der diploma
tischen Traditionen widerspricht oder
weil wir uns iw einer überwiegend an
gelsächsischen Gesellschaft befinden? Neh
wen wir diese physische Frische für ein
gutes" Cnien der Jugendlichkeit der
Ideen, denn was dir Welt heute braucht,
ist eine Erneuerung, ihres Geistes? Aber
ein zweiter Eindruck folgt diesem ersten:
man hört die Worte Menschheit, Soli
darität, Brüderlichkeit der Völker von
den Lippen derer fallen, die uns bisher
den sacro eproismo" der Nationen ge
wissermaßen officio verkörperten.
Ein Vichon, Balfour, Sonnino. Benize
los, Pasitfch, Bratianu und wenn
nicht sie persönlich, so doch ihr L,Zter
eo am Konferenztische erklären hin
sort de Altruismus der Nationeu",
um mit dem britischen Minister Barnes '
zu reden, als das Gesetz der Welt. Lag
darin nicht ein Widerspruch, der den
Skeptikern reckt zu geben schien?
Aber das ist das Neue an diesem
Friedenskongresse, der ihn von allen
früheren unterscheidet, daß stärker als
die Diplomatie die subtile, mysteriöse,
generöse Kraft des Bölkerwillens am
Werke ist" (Orlando), die die Mauern
des Kongresses überflutet". Ein Italiener
mit seinem feinen politischen Spürsinn
bat diese Wahrheit ausgesprochen. Die
PersönlickMit des Präsidenten Wilson,
der mit der überzeugenden Macht des
Reformators sein Glaubensbekenntnis
ablegte, wog sie nicht die Argu
mente de? zukünftigen Diplomatie auf?
"A living thing is born...!r !s a
äefinite guarantee of peace. It' is a
deünite guarantee against things
which hava just corne near bring
lag the whole structure of Civili
sation into ruin... Aufrecht, mit un
beweglichen Gesichtszügen stand er am
Prasidententisch, mit seiner melodischen
Stimme Artikel um Artikel feines Völ
kerbundplsnes vertragend und erläu
iernd. Seine Hohe schlanke Gestalt im
zugeknöpfte Jackett mit dem weißen
Taschentuch an der Seite und der silber
grauen Krawatte war harmonisch zu
dem energisch geschnittenen, nicht mehr
jugendlichen Charakterkopf abgestimmt.
Wir beobachten Clemenceau. der tief in
feinen Fauteuil gelehnt zuhörte. Auch
er mit sorgfältiger Eleganz gekleidet: die
grauen Handschuhe und die schwarze
Binde markierte die Würde des Vor
sitzenden. Der weiße Schnurrbart
sträubte sich wirr und aus den tiefen
Augenhöhlen des Wongolenkopses (der
fo rundlich ist wie daS Gesicht Wilfons
schmal und lang) zuckten die Blitze. An
der Hingabe an die großen Gedanken des
amerikanischen Fricdensbringers glaub
te wir den alten Idealisten Clemen
au zu erkennen, der in diesem Augen
blick die zweifache furchtbare Erfahrung
.seines langen Lebens vergessen wollte:
3870 und 1914! War er von einer
Vorahnung dessen erfüllt, was wenige
Tage später sich ereignete: wir suhlten ,
ihn umgewandelt milde gestimmt und
sahen ihn vor uns nicht als den Tiger',
sondern als den begeisterten Journali
sten, der uns vor zwei Jahren in der
Rue Franklin mit so glaubensstarker
Seele von der Mission Frankreichs sür
die Menschheit gesprochen hatte . . .
Lord Robert Cecil, der Löon Bour
geois Englands, hzt das edle Profil
und die befreiende Offenheit, welche die
großen Staatsmänner der Brite cha
ralterisiere. Mit seinem bartlosen Ge
sichte, der nüchternen Geste, dem warmen
Ton der Rede erscheint er einem As
uith. einem Lord Greq verwandter als
dem impulsiven Lloyd George oder dem
aristokratischen Balfour. Die Hände an
die Revers des Rockes geklammert, hören
wir ihn it Eindringlichkeit an den gu
te Willen der Völker und Staatsleiter
appellieren, vhne den alles Frie
denswerk ei toter Buchstabe bleibt.
"X nstion In luturs kksll go lo
war.. .The prosperity vk the worhi
is the prosTMrrity vk evcry people . . .
Let t do our work for the security
ni the trlory of hurnanity . . ."
Lord Eettli Argumentation lehnt sich
eng an diejenige d'Estournell'Z de Eon
stant an. Er will, daß der Völkerbund
unter keinen UmiiäuSen .eine Sainte
Ailiance sei, die sich ia der inneren An
0,stenSdtni der souveräne Staaten
einmischt. Tk Bild des französischen
Bauherrn der ?nt4 Nation,
Sien Bomgeeis. bs'se wir unser Le
fern gefordert zeuf nen Isanem'
Mancher, . charakteristische Zuz wäre
MÜi'-i AeiZhM
4A I
Zer Wtstanz des Jodes.
von lUtvt
Der Tech ist für unZ ein nachdenkliche
Geschehnis, wenn er uns selbst, trifft,
unsere Eltern und Kinder, ein paar
Freunde, die wir kennen, und ein paar
Große draußen, die wir ehren. Nur
dann fließen die Tränen, weun der Tod
Müller und Schulze heißt. Hans und
Grete. Wir hadern mit dem Schicksal,
wenn in unserem Kreise die gewaltige
Bewegung des Lebens irgendwo erschöpft
versiegt, od?r ',venn die Unfähigkeit des
Lebens sich in jähem, frühem Zusammen
bruch ankündigt. Der Totentanz ist für
uns ein Hausvall des persönlichen, Un
Heils. Die Todesfurcht entfremdet uns
der Wirklichkeit des Lebens, und wir hal
ten für Schicksal, was unser eigen Werk.
Nicht dem Tod, der sankt die Fackel ver
löscht, nachdem die Kraft des Brennen!
und Leuchtens aufgezehrt, sollten wir
bang ins geheimnisvolle Antlitz starren,
der Tod ist ein Göttergeschenk der Na
tur, der letzte Segen des Daseins. Nicht
sterben wollen, heißt begehren, daß man
nicht sterben kann. Es läßt sich aber
keine wildere Qual und Marter ersinnen,
als die Verdammnis des ewigen Lebens,
vor. dem es kein Entrinnen gibt.
Nicht der Totentanz, zu dem Natur
die Fidel süß und sacht streicht, ist das
düstere Verhängnis des Daseins. Des
Todes sollten wir vielmehr gedenkr.i, der
unser eigen Werk, den wir selbst aus
rüsteten zu höllischer Gewalt, den wir
bewehrten mit oll den Grausamkeiten
einer teuflischen Phnntasie. Die Mensch
heit selbst hat dem freundlichen, weich
lockenden Gevatter Tod den Taumel
trank gereicht, der aus dem fodlachdn
den Reigen des Zur-Ruhe-Wandcrns
den wüsten, wahnnnmgen Veitstanz des
Todes geschaffen, der über di; blutende,
stöhnende Erde tollt, die Blüten der See
len gierig zerreißen und die kunstvollen
Tempel der Leiber zertrümmernd.
Wag frommt S. zu weinen über die
Nächsten, die uns starben, dem Tod, den
wir felber schufen, weihen wir den Tag,
vergieße wie die Tränen für die Fern
sten, Fremdesten, die in den durch unsere
eigene Schuld entfesselten Veitstanz des
Todes hincingerissen wurden! Das Un
abänderliche zu beklagen, ist Torenweife.
Der Totensonntag soll kein Familientag
persönliche Leides sein, fondern ein auf
rüttelnder Gerichtstag der schlaffen Ge
wissen.
Jeder Mensch ist unser Ankläger, der
durch die Schuld der Gesellschaft verkam.
Tie unzähligen Millionen, deren schn-
süchtiger Lcbensdrang verkümmert, deren
tief atmendes Bewußtsein immer enger
zusammengeschnürt wurde, bis sie mit
toten Seelen den Weg quälender G?
wohnheitsarbeit wandelten, die Hirne,
der: stürmende Gedanke wir ausdörr
ten nd marterten, bis alles freie Ten
kcn erstarb, die Augen, die wir blendeten
und denen wir ras Licht stahlen, die
fchwellenden Muskeln, ds wir enkkräf
tetcn, die Lungen, die wir vergifteten.
und die Wunder der lachenden Kindheit
und der gehcimnisschwer furchtdämmcrn
den Jugend, die wir erbarmungslos
würgten das sind die ,otk? unserer
Schuld. Das ist der Zug des Wahn
sinns, der unter Tag tobt wie in den Ja'
briken. der die Dreschmaschinen und
Eisenhämmer überschreit, der durch die
Kasernen tollt, durch die Gassen der be
schmutzten Liebe, der auf den Straßen
der russischen Städte rast, der sich in den
Blutfümpfen der Mandschurej wälzt
und aus dem Snde Südwestafritas,
versunkenes Menschendasei schlürft.
Welch harmloser Bursche ist doch der
Knochenmann mit der Sense, wie ihn
die verdüsterte Volksvorftellung bildete.
Der Tod. den die heutige Menschheit er
schuf und als Geisel über die Völker
sandte, ist unerschöpflich in der Entdeck
ung lebenzerreißender Folterwerkzeuge.
Ja ein paar Granaten steelt mehr Zerslö
rungskraft als in allen Marterinstru
menteg des Mittelalters zusammen. Mil
lionen von Menschen sind auf der ganze
Erde unausgesetzt tätig, um dem Tode
immer neue, immer gräßlichere Waffen
zu schmieden.
Und diesem sich stündlich mehrenden
ungeheure Heer der Toten weihen wir
keine Empfindung. Die Menschen sind
zu Zahlen geworden. Unerschüttert le
sen wir täglich in dürren Telegrammen,
wie wieder hundert, tausend, zehntau
send, fünfzigtausend Menschen gefallen
sind. Nur wenn die Zahl gar riesig
anschwillt, erbeben - wir wohl einen
Augenblick. Aber niemand denkt daran,
daß von diesen hundert, tausend, zehn
tausend,, sünfzigtausend Menschen jeder
') us dem ?'!n!ii .?ks! r Krt
Tosen, in? Der ki,r,!,ch ermordete rttlftel
let und Mimllenku!,dent !a?Ml dk Mctz
rercn Jsdrea erjcheiuca lieb.
denkwürdigen Tafelrunde zu Lberlie
fern; die Ekizzenbücher der in den Gale
rien postierten Zeichner - der Jllustra
tion", der London Jllustrated News',
der Saturda Evening Post' füllen
sich mit den Silhouette Lord Will
ners, Bonar Laws. Lansings, des Colo
ritl Hous, Jules CambonZ. Andrö.
Tardieus. Robert LordenZ, WeZnitchs,
SalandraZ, Bratianus. Ttaatsmän
ner sind schlechte Modelle", meinte der
englische Portraimal Sir William
Orpen, sie wissen sich nicht einfach zu
geben! Lieber, sind mir die Militärs:
nehme Achtungstellung an und blei
den i ihrer RoLe." Der dunkle Grund
ton der Gruppe wird durch einige
Khakiuniformen und französische Gene
ralsienuen aufgebellt, nicht zu vergesse
auch die bunt? Turbane des Emir Fai
sal und seine! Beoleiters. Vom Rot
der Vorhänge, zwischen denen ein tlei
ches Winterlicht einfällt. ftehsI.die Ge
lichter in alle Nuancen ab: vom hellen
Karnaiton der Europäer über das Gelb
der Chinesen, das Braun der Araber
ur,d Inder b:s zum Schwarz der Neger.
Für das Maleraüge löst sich tei Ganze
in Fstbe und Bewegung auf: große
Männer, kleine Männer ig dasselbe. -Für
uns politisch Chronisten aber trägt
j'de? der h'e? Vszwme'tkn ein Stuck
der Uir.'.i Landes in den Zü
Vl&Ü'.'An "
Umt).
einzelne wrch den Tkd größere? Lridrn
denen, die ihn liebten, zugefügt hat. als
die Toten unserer Nähe den ihrigen.
Niemand durchdenkt die ganze Fülle zer
trümnserten MenschenschicksalS. das -in
den namenlosen Massengräbern modert.
Während wir ob'k den Tod, dermaßen
gegen die Mcnschc Hetzen, suche wir
wieder das Leben eines einzelnen durch
Wälle von- Waffen zu sichern. Wäh
rend die Völker verbluten, während man
ihnen vorlügt, es sei sinn und ehrenvoll
für, ein Vaterland der Schande gemordet
zu werden, verbirg der Schuldige des
mit schweren Füßen Wer die Erde tau
melndcn Totentanzes seine bleiche zit
ternde Todesfurcht hinter denselben
Werkzeugen, mit deuen er den Tod aus
gerüstet "hat. , Er cb dem Tod alle
Wacht und Befugnis, damit er ihn selbst
vor dem Rächer schütze.
Ein Japaner hat unlängst das ent
setzende Wort der Weisheit gesprock?en:
So lange wir den Meischen nur unser:
Kunst gaben, galten wir als Barbaren.
Seitdem wir aber die Wiffcr.fchaf. des
Wordens gelernt haben, sind wir plötzlich
ein Kulturvolk. In der Tat. die ganze
Welt fcnkt ehrfürchtig ihr Haupt vor
dieser Kraft im Töten ...
Der Totensonntag der Kultur wächst
heraus über die kleine klage der Fami
lienalltäglichkeit. Wir stöhnen nicht weh
leidig, daß unsere Bettern und Basen
und am Ende wir selbst sterbe müssen,
sondern wir empören uns gegen die Tö
hing derer, die nicht sterben müssen. Nicht
den Toten des eigenen Hauses und der
nächsten Gasse ist unser Totensonntag
geweiht, sondern den rschlos Getötet?
der Menschheit.
Einer der Führer.
Notizen zur Biographie deZ Tpar
takisten Mührsam.
Eine Berliner Depesche meldet, daß
dem .Achiuhrblatt' zufolge. Erich Müh.
sam.ein bekannter Kommunist und Mit
glied des bayerischen Arbeiter und Sei
datcnraks, 'vom bayerischen Zentralrat
unbeschränkte Vollmacht erhalte hak
und so tatsächlich ine uneingeschränkte
Diktatur ausübt.
Die rote Flut, die sich über Deutsch,
land ergießt, trägt allerhand Persönlich
leiten i's Land. , Menschen, die man
vorher in weiteren Kreisen kaum dem
Namen nach kannte.
Erich Mühsam ist einer von jenen
plötzliche Berühmtheiten. Wer sich sür
die Moderne In der Literatur ruteres
siu!ejcne Modernen,, die nie über das
Stadium der Plänr und große Worte
hinauskommen zur beweiskräftigen Tat,
jene Manana-Größen. jene ewig unein
gelösten Wechsel auf die Zukunft wer
sich mit diesen befaßte, dem war der
Name Mühsam nicht fremd.
In der große Spartakistcnbcwegunz
tauchte der Name Zum ersten ?M bei der
Revolution in Mannheim auf, die aller
dings nicht von langer Dauer war. Und
nun höre wir von Mühsam im Zusam,
menhang mit der Münchener Soviel
Regierung.
Wer ist nun eigentlich dieser Erich
Mühsam?
Der sozialdemokratische Berliner ILor,
warts zeichnet diesen neue Staats
mann' nicht eben gerade liebevoll mit
folgenden Strichen: .Jn München Hat
er gesprochen, der Arbeiterrat Erich
Mühsam, i der Versammlungder Ar
beiter, und Soldatenräte. Unabhängig
und radikal. Wolsfz Telegraphenbureau
meldet das der Welt. Wer ist der Ar
beiterrat Mühsam? Ein Arbeiter? Nicht
ganz, lieber Leser. I Berlin hat man
ihn gekannt. Im CasS deö Westen! t.ar
er vor dem Kriege häufig und bis ia die
frühesten Morgenstunden zu sehen. Ja.
er war zu sehen, er bildet, mit seinem
Tisch sozusagen di Sehenswürdigkeit
des Lokals, Nachtschwärmer aus der
Provinz drängten sich um ihn, denen der
Hgtelportier derratcn hatte, daß im CasS
deS Westens die letzten lebenden Be
hkmien! zu sehen seien. Und d paun
te denn Herr und Frau Pefke aus Neu
ruppi über die Jünglinge mit langen
Wähnen, wehenden Schlipfen und knall
gelben Hosen. Erich Mühsam aber war
der Interessanteste: denn niemand wollte
glauben, daß ein Mensch na sagen
wir so wenig gewaschen und g'kämmi
sein konnte! Aber Erich Mühsam hat
gearbeitet, sonst wäre er ja nicht Ar
beiterrat'. Zwischen der vierten Tasse
Kaffee und dem fünfte Absinth meist
uf Kredit!' öffnete der Rätselhafte
die Lippen und dann wurde die deutsche
Literatur um einen jener unsterblichen
Schüttelreime bereichert, wie: Sie wür
den mir e.:ne große Freude bereiten, wenn
,S!e meinen Hund von der Räude be
freiten'. Um des Bild diese! eizenarti
gen Staatsmanne! vollständig zu ma
chen, fügen wir hinzu, daß der Mann
heimer Rvolutionsgeneral srkiher in der
Naturmenschenkolonie auf dem .Berge
der Wahrheit' in Ascona bei Locarno
zg Hause war; ma hat ihn mit langer
Mähne, in Sandalen und schmutzig
weißem Kaftan in den Straßen Lo
'csrnoZ herumlungern sehen. Und was
euch erwähnt werden mutz: Herr Ehrlch
Mühsam hatte seinerzeit mit den Zürcher
Gerichten Wege Tiebstahl! Bekannt,
schüft gemacht, der ?eftkafunz sich aber
durch Flucht entzsg'n. s? daß nur ein
Asntumazurtcil suszesxrkche - werden
fcjvr.it,' ' v
Die geheime Wjsion.
Skizze von Charles Verennes.
Fru Süfanne Prili n Frau
Renei Lohdne.
Wie sehr bedauere ich, liebste NenSe,
daß ei mir vor meiner Abreise unmög
lich war, Dich noch zu treffen. Anstatt
eines langen, reichlich überlegte Briefes
würden ein paar Worte genügt haben,
um Dich über meinen Geisteszustand
und .die Gesälligkeit, um die ich Dich
bitte mochte, aufzuklären.
Du weißt ja. was für ein außerge
wohnliches und bewunderungswürdiges
Wesen Du in meinen Augen bist! Du
bist schön nd nicht stolz auf Deine
Schönheit; Tu bist schön und bist den
noch weder falsch noch untreu; Tu bist
schön. Witwe und frei, hast nichts in
Deinem Lebe zu verbergen und bist
stets liebevoll und unglaublich nachsich
tig gegen die Fehler anderer ... Ich bin
stolz, daß ich mich Dein Freundin ncn
ncn darf; Tu bist für mich die Oase in
mitten aller Unruhen und Kachxfe! Tu
allein bist imstande, mir durch einige
Briefe ein wenig Vertrauen und Sicher
heit zu geben, ohne die eine Frau, die
ihren Man so eifersüchtig liebt, wie ich,
verurteilt wäre, das bemitleidenswür
digste Geschöpf der Welt zu sein.
Seit vier Jahre verlasse ich meinen
Mann zum erstenmal auf längere Zeit.
Die Sache ist um sa ernster, da es vn!
unmöglich ist, die Zeit dieser Trennung
anzugeben. Meine arme Mutter verur
facht uns große Sorge, und die Aerzte
verlangen von mir, daß ich mich dem
Wunsche meiner Mutter füge und bei ihr
bleibe.
Reinhold ist augenblicklich in eine Ge
,schäftssache verwickelt, wobei er eventuell
unser Vermöge verdoppeln käu. Es
wäre Torheit von mir gewesen, wenn ich
ihn gebeten hatte, mich zu begleiten, um
so mehr, da ich eine verneinende Antwort
erwarten mußte... Ich muß übrigens
zu feinem Lob anerkennen, daß er über
meine Abreise, wen nicht sehr traurig,
doch wenigstens gelangweilt ist . . .
Du wirst nu sagen, daß ich sehr an
spruchsvoll bin. Die meisten Frauen
würden sicher nicht mehr dcrlc,ngcn, a
wiß! . . . Aber es handelt sich hier nicht
um irgendeinen Mann, sondern ' um
Reinheit?.
Klug wie Tu bist, haft Du gewiß seit
langer Zeit den Charakter meines Man
es erkannt. Sehr ernst, sehr tätig und
geschickt und sehr stark, wenn es sich ums
Geschäft handelt. Sonst ist er wie ein
Kind, wie ein armes, kleines Kind, lie
benswürdig und naiv und leicht zu lei
ten . . . Wie es den wirklich orbeitc-F
samen Menschen geht, fo nimmt alles,
was außer dem Bereich seiner Tätigkeit
ist. in seinen Augen einen größeren Wert
an. was mich manchmal in Erstaunen
gefetzt hat.
Also, wie gesagt, er ist ein Kind . . .
Ich habe die Gewißheit, daß meine W
Wesenheit ihn aus der Fassung bringt,
und daß er sich langweilt. Und . die
Langewele ist bekanntlich die Quelle
alles Uebels. Unser Geist und unser
Herz können sozusagen durch sie aus dem
Gleichgewicht gebracht werden.
Welche von den Zerstreuungen, die sich
ihm bieten es werden derer zahlreiche
sein wird Reinhold wikhlen? . . . Alle
Vermutungen sind erlaubt ... Er kann
sich ebenso gut zu' einem raffinierten
Spieler w;e zu einem !v!adcheniagcr aus
bilden! , . . Beides wäre mir nicht an
genehm; ich bin eifersüchtig, und ich er
trüge es nicht, wenn er noch andere Göt
ter neben mir haben wollte. Ich habe
daS Glück gehabt, einen seltenen Vogel
zu fangen und ihn im Käfig sefizuhal
ten. Jetzt ist der Käfig offen. Damit
er eZ aber nicht merkt, dazu sollst Du
mir helfen. Und daß Tu mir meine
Bitte erfüllst, davon bin ich überzeugt,
denn eine Frau wie Tu wird stets bereit
sein, ein guieS Werk zu tun und da!
Glück einer Herzenssreundia zu schützen.
Also, ich bitte Dich, meide auf keine
Fall mein Haus unter dem Vorwand,
daß ,ch nicht da bin. Laß Dich von
Reinhold einladen und lade Du ihn so
oft wie möglich al! Gast zu Dir . . .
Uebrigens weiß ich. daß Du ihn schon
mir zuliebe ein wenig gern ha t, uns
von ihm weiß ich. daß er große Sym
pathie und Verehrung tur Dich hegt.
Kümmere Dich um ihn. zerstreue ihn...
Erzähle mir. was er macht, was er
denkt! ,
seine Briefe sind so kurz und
so ungeschickt abgefaßt! ... Da wirft
vielleicht über mich lachen, daß ich als
eifersüchtige Frau einer onderen solche
Mlizwa anvertraue . , ,
Die Wahrheit ist, daß Du vollkommen
bist, und daß man auf Dich bauen kann.
Dir sind auf Deinem Lebensweg andere
Versuchungen entgegengetreten, als wie
mein armer Reinhold sie Dir bieten
könnte. Und selbst, wenn die Bewunde
rung. die Reinhsld Dir zollt, die Gren
zen überschreiten und die ehelichen Pji,ch
ten verletzen sollte, ich kenne ihn zur Ge
nüge, um Dir zu garantieren, daß seine
angeborene Schüchternheit Dir den Aer
ger ersparen wird, ihn grob abweisen zu
müssen. Eure Kameradschaft wird durch
nichts gefährdet werden. Davon bin ich
felsenfest überzeugt! Schreibe wir
schnell ei paar Zeilen, die mich beruh!
gen . . .
.
Frau Renöt Lohöne an Susanne
Prklin.
Abgemacht, mein Liebling! Ab
zuerst laß mich Dir sagen, daß ich beim
Lesen Deines Briefes ein wenig chokiert
war. Du willst Deine Liebe bewahrt
erhalten, und ich möchte unsere Freun
schift schütze; ich bin nicht so sicher, daß
letztere viel dabei gewinnen wird. Was
Tu von mir verlangst, ist so delikater
Natur! Und wai wird die Welt davon
denken! ... Ich fürchte, daß meine Re
putation einen harten Sloß erleiden
wird, wen,, man sich erzählt, daß Rein
bald und ich während Deiner Abwesen
.heit sie! zusammen sind! Denn man
wird un! zusammen sehen! . . . Wenn
ich essen sein soll, es lßt mich kalt, ir!
die Leute sagen. 23a! schlimmer ist,
daß ick,, der nichts so verhaßt als der
Flirt ist, mich genötigt sehe, aus Pflicht
, u ilisj'.si . , , ?i!
in mi für eine Situation Du mich
bkliigst. Es ichkinl mir namiich un
denkbar, daß Reckhold sich nicht der
pflichtet fühlt, mir den Hof zu machen
... Unter solchen Umständen wäre mir
daS nicht gerade angenehm . . . Oder
ober, er wäre zufällig das naive Kind,
wie Du ihn schilderst, und würde mich
wie eine alte Gouvernante behandeln.
Das würde mich auch nicht gerade m
Entzücken versetzen.
'' Nachdem ich Dir nun meine Meinung
darüber gesagt habe., teile ich Dir mit,
daß ich Dir zuliebe mich darübe, hin
wegsetzen werde. Ich ergebe mich und
werde mich Deinem Wunsche fügen, was
auch daraus entstehen möge. Ich kann
Dir heute auch gleich über die ersten
Schritte in dieser Angelegenheit berich
ten. Also, gestern habe ich Deinen Mann
in seinem Bureau aufgesucht, unter dem
Vorwand, mich nach Dir zu erkundigen
... Er sagte mir. daß er sich sterblich
langweilte okuie Dich, und da es mir
gerade so geht, machte ich ihm den Vor
schlag, unsere Langeweile miteinander zu
vereinigen, um uns zu zerstreuen und
am Abend zusammen zu diniere. Er
hat mit großer Höflichkeit angenommen,
aber es gibt ein aber. Wein Vor
schlag, der aus der besten Abficht ge
macht wurde, schien ihn in Verlegenheit
zu setzen. Vielleicht hatte er etwas an
dereS vor . . . Und daS glaube ich auch
nicht mal, er war wohl nur erstaunt,
daß ich mich ihm fo an den Hals warf.
Tu kennst ihn ja besser, und ich" über
lasse es Dir. den Grund feiner Bcftür
zung herauszufinden, die er in dem
ersten Augenblick nicht demeiftern konnte.
Er hat sich jedoch schnell gefaßt und
war in jeder Hinsicht entzückend. Wir
haben ziisamme diniert, dan waren
wir im Theater, und da Neinhold feit
Deiner Abreise nicht allein sein Frau,
sondern auch fein Auw entbehren muß,
habe ich ihn ia meinem Wage nach
Hause gebracht. So, bist Tu zusrieden
mit meiner Fürsorge . . . Die Tür
schloß hinter ihm, bevor mein Chauffeur
angekurbelt hatte. Ich kann mir natur
lich nicht denken, daß er noch mal weg
geganzen ist, um sich zu amüsieren.
Jedenfalls habe ich ihn heute beim
Frühstück danach gefragt, denn Tu mußt
wissen, daß ich die Gelegenheit des
Sonntags benutzte, Deinen tugendhaf
ten und arbeitsamen Gatten zum Früh
stück einzuladen. Er schien entzückt, nicht
allein bleiben zu brauchen. Noch mehr,
er hat mich zum Diner eingeladen, was
meia aufrichtiger Wunsch war. Mein
lieber Reinhold,' habe ich in ziemlich ein,
fältigem Ton gesagt, ich sürchte. Ihre
Aufmerksamkeiten können kompromitiie
rend werden.' "
Er hat mir geatnwortet. daß ich nicht
das Recht hätte, ihm eine Gunst zu vcr
weigern. Und er fügte hinzu: Sie ge
hören zu jene Frauen, die kein Mensch
zu verdächtige wagt würde." .
Weißt Tu. daß es mir auf die Ner
den fällt, nicht nur den Frauen, sondern
auch den Männern ein solches Vertrauen
einzuflößen? Jedenfalls ist es kangwe!
ligl...
Ich hoffe, Du bist mit mir zufrieden.
Dein Mann duldet meine Ueberwachnng
ebenso wie er Deine ertrug. Wenn Du
ihn als seltenen Vogel behandelst, so
hattest Tu vollkommen recht! ... Du
hast eine Glücksnummer in ber Ehelotte
rie gezogen, liebes Kind! Dein Mann
ist ein Wnnder von Ruhe, Fügsamkeit
und Gelassenheit ...
.
Susanne Vrali aa RenSe Lohöne.
Keine Nachricht, gute Nachricht, sage
ich mir. .
Und ich bin -glücklich, daß vor meiner
Rückkehr kein Grund zu einem traurige
Ereignis vorliegt . . . denn meine Rück
kehr nach Paris steht näher bevor, als
ich glaubte. Meiner Mutter geht's wie,
der gut. Ich kann spätestens in einer
Woche in Paris sein, w ich dank Dei
ner treuen Aufopferung einen liebens
würdigen Gatten wiederfinde, der un.
fähig ist, sich auch nur eine einzige Mi
nute von mir zu entfernen, kurz, den
einzige Mann, der mich glücklich ma
chen kann ... Du bist meine geliebte
Je . . . wie fall ich Dir danken? . . .
, Renöe Lohöne an Susanne Plättn.
Meine liebe Suse, warum ich Dir
keine Nachricht gegeben habe? Lieber
Gott, dieser Brief wird Dir genügende
Ausküirung bringen. Er wird Dir auch
sagen, warum ich e! nicht für nötig finde,
diese Nachlässigkeit zu entschuldigen.
Tu haft recht, wenn Tu mich stet!
für aufrichtig und ehrlich gehalten hast.
Und selbst wenn die Enthüllungen, die
ich Dir so brutal mache muß, Dich in
tiefsten Schmerz stürzen, so bist Du den
noch gezwungen, meine Aufrichtigkeit'
und Ehrlichkeit anzuerkennen. Ausrich
tig und ehrlich, ja, und ich bin es um so
mehr, da ich diese Eigenschaften eiser
süchtig und Überlegt gepflegt habe, sozu
sagen mit Egoismus. Und der Egois
mu! ist die Basis' deZ edlen Charakters,
den man bei mir im allgemeinen cnju
nehmen scheint. Er ist'S gewesen, der
mir in allen trüben und schmerzlichen
Situationen beigestandea hat, in welchen
die meisten Frauen und seDst Männer
ihr Leben verpfuschen. Ihm verdanke ich
eö. daß man mich mit Recht für eine
tadellose, unbescholtene Frau hält. Einen ,
Geliebten i gewöhnlichem Sinne, einen
Geliebten, de ma nur km aehelmen
sehen und empfangen kann! Pfui
Ich bin für Verhältnisse, die klar sind,
ich ziehe Ruhe und Frieden dem Glück
vor . . .
In einem Worte, weine liebe Suse, ich
bin seit acht Tagen Reinhold! Geliebte.
Ich habe erst geglaubt, wir hätten uns
beide in vorübergehender Leidenschaft ge
funden und würden leicht vergessen kän
nen. Aber nein. Wir liebe un! auf
richtig und tief ... Er ist überzeugt da
von und ich auch . . . WaZnicht wieder
gutznmschm ist, ist geschehen.
Wirf Dir keine Ungeschicklichkeit und,
mir keine Falschheit vor. Du konntest
n'cht tnmiWijtv,, was gesehen ist, und
3 Uln Dir. issj , trtng H wtinex
nicht ganz sicher gkwcscn wäre, dir Mis ,
ston. mit welcher Du mich so unüberlegt
betrautest, zu übernehmen abgelehnt
hätte.
Ich habe weder die Absicht noch die
Anmaßung, Dich zu rühren. Aber wenn
ich Dir ssgehaß ich empört über mick
selbst bin, daß mir da Herz bei deut
Gevank? bwirch. daß ich durch- meinen
Entschluß Deine E.istenz, Dein Leben
vernichte, so hast Du kein Recht, e! nicht
zu glauben . . . Ueberlege: was sollte ich
tu?' Du kommst bald zurück, früher'
als Du glaubtest . . . Wir hätten schmei
gend leiden müssen. Reinhold und ich
., . . und stillschweigend verzichten . . .'
oder un! weiter lieben im Verborgenen. .
in Luge und Verrat.- Das niemalsl tz
Du kennst meine Prinzipien .... i
io:-n fTv.. r jr: j, r.:,.
lr W.IJJV
Werden wir immer glücklich bleiben,
Reinhold und ich? Taö sind Fragen. '
m llligrnoiiaiicq zu oeryanokin lliiiiug
sind. Was sicher ist, wir waren alle drei
kreuzunglücklich gewesen, wenn ich ge
schwiegen, und, nachdem ich meine beste (
' Freundin verraten, sie hinter ihrem Rük .
tvn mis ihrwn s!)rtTt nasser Tv4rn(Vrt
hätte.
Es bleibt uns also weiter nichts übrig. .
als uns einig zu werden, damit Du und
Reinhold so schnell wie möglich und auf
anständige Art geschieden werdet.
t. ..... t..wi mt t. .c.. ...vjj...
Keinem von uns dreien ist in dieser
Anaeleaenbeit die Schuld deizuleaen. das
lim UI.JCI J.isi cin. , vsa i uu
hängnis, würde ein gewisser Charles
Bov'ary sagen . . .Und wo das Verhäng- ,
nis allein schuldig ist. müsse wir. uns.
Mühe geben, uns gegenseitig zu der
zeibm . . . ;
5 i
Frau Susanne Pnlfm an Frau -;
Renöe Loh5ne.
Meine liebe Renöe. ES gibt im '
Leben schmerzliche Stunden, aber
dem Himmel sei Dank ? auch manche
köstliche Minute ... das ist. wenn ge
wisse kleine, lange vorbereitete und weise '
überlegte Experimente, vollständig und
großartig gelingen! ...
in bist aufrichtig und ehrlich wie im
mer gewesen, und ich will mir Mühe ge
be, auch Einmal aufrichtig und ehrlich
zu fein.
Beschuldige nicht daS Verhängnis. Di
Schuldige bin Ich allein. Erlasse mir.
unnütze Einzelheiten; es se! Dir nur ge,
sagt, daß ich meinen Mann nicht mehr
liebte.' daß er mir vollständig gleichgül
tig war. als ich zu meiner Mutter reiste.
Ihre Krankheit war nur ei Vorwand,
meine Freiheit, a der mir viel liegt,
vorzubereiten und . . . wiederzuerlangen.
Du kannst ruhig fein, ich habe meinem
Mann nichts vorzuwerfen; er ist in je-
tt. Ck!n tnitA!. .in. ?fi. Afi'isfrfc
r rr ,' r- :l r rc :zl V - (p . ,
rnb yuqiuji .uuiuit. um j.uu jjtuun
zn machen. Ich liebte ihn nicht mehr,
sagte ich Dir schon, er fiel mir auf die
Nerven, das ist alles! . . . Nicht, daß
mir ein anderer Mann im Sin läge;
nein, ich erwarte nur vom Lebe etwas
Besseres. Schöneres, als was eS mir bis
heute gegeben hat. Ich bin keine ruhige,
harmonisch gleichmäßige Frau wie Du,
. c . -. m i . : . r.Ui: i.s ...f.
la) om im wcgcnttu ir.uimtn.ui, ejat
tiert und romantisch.
Mein Mann und Tu seid tur
ander geschaffen. Wir habt Ihr es zu
verdanken, wen ein Irrtum deS Schick
sals wieder gutgemacht wird. Wenn ich
in meinem ersten Brief von der Sym (
pathie sprach, die zwischen Euch bestand,
so hatte ich eS ruhig mit dem zarten
Wort Liebe' nennen können.
Also, meine liebe RenSe. klage nicht
da! Verhängnis an. danke mir liebe?
für meine Hilfe.
Tag eine Eheicheivung aus anuanvigi
Art und Weise und so schnell wie mög
lich eingeleitet wird, ist auch meine Mei
nuna. UcbriaenS wird Dein Brief, der
tien Dir und meinem Mann unteizeich '
net ist. die Sache lächerlich öereinfacheli
. . . Ich danke Dir ... Suse. .
Tkx Wald deö hl. Franz ein Op
sr dcS Krieges.
In Italien hat sich ei lebhafter
Streit der Geister entsponnen, weil die
Absicht bekanntgeworden ist, bei dem
außerordentlichen Mangel an gecigne
tcm Holz sür die Zwecke der Flugzeug
industrie den schönen altberühmten
Wald abzuholzen, der de Alverno bedeckt
und in dem der heilige Franz. von As
sist die Wundmale empfing. Künstler
und 'Gelehrte sind einmütig im Ein
spruch gegen diese Entweihung eines nei
tionalen Heiligtums. Giovanni Rosadi,
der Abgeordnete do Florenz versucht
sein möglichstes; aber es bleibt Zweifel
haft, ob nicht das Urteil der kompe
tenten' Sachverständigen den Sieg er
ringen wird. Zugunsten deS bedrohten
Walde! führt man außer ber gefchicht
lichen Erinnerung, die ihn allein unver,
letzlich mache sollte, und der Tatsache,
daß es sich um eine der größte land
schaftlichen Schönheiten Italien! han
delt, auch praktische Gründe in! Feld,
die vielleicht in diesen Zeitläuften mehr
Aussicht auf Berücksichtigung haben.
Wenn man nämlich den Wald niederlegt,
so ist es auch um den Berg geschehen, der
zweifellos, fobald er feiner Bäum, be
raubt ist, einen Bergruifch nach dem an
der erleben und in dsS Tal de! Cor
falone niedergehen wird. Die Kunst
freunde denken mehr daran, welch ei
Verlust eS sein würde, wenn die kleine
Kinder de! Schmuckes der grünen Um
gebung, der ihr einen so eigenartigen
Reiz verleiht, beraubt werden würde.
Die Stätte. ,u der sich der heilige Franz
in die Einsamkeit zurückzog, würde,
wen eö nicht gelingt, die Flugzeug
erbau von ihrem Plane abzubringen,
vom Erdboden verschwinden, und mit
ihr der Ort der Erinnerungen. ,ie in
der Kunst de! ausgehenden .Mittelalters
eine so große Rolle gespielt haben.
.Doppeldeutige Ablehnung.
tm t. man i'l M ein ptam'.nt niif f.
tli et lich ittnm w,a. btmtitt tu
HauS'rau, Uutj it taugen regnet n miiuti
Ach, bleiben Sie doch noch. Herr
Doktor, bi! e! aushsrt. Meine Töchter
werden Ihnen inzwischen etwa! dorspie
len!'
,O danke so arg i'gnel'! dcch
nichts I...
Jemand seufzte: Ei gk Ukb:
.ZngZzeitzn, tu, kein End tiiimtni
k