Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 24, 1919, Image 2

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    1
NgllU Cmap XtMil
Msbl
Das Gespenst des Bolschewismus.
DcrN?arimalisinusreinrusslsch.asiatisch. Vetätigung des siomnumi'
inus. Brüderschaft zwischen vernichtungswillen und Zerstöruttgsfaila
tisnius. Zeichen an der wand. Der 56?utzwall. Lösung des Probleins.
isyyai Beendigung bei Krieges
lll " gelangt die Beute des Sieges
WL zur Verteilung. Die alte
. Gepflogenheit gilt heute noch.
Zasaugenblicklich am grünen Tisch der
Pzri'er Friedenskonferenz geschieht, ist
jnäi)''t auch nichts andere!. Tem Un
terlegenen werden die Forderungen dik
t crt. Heber dein Tor deS Gebäudes des
französischen Auswärtigen Amt am Pa-
. liler Quaq d'Orsay. in dessen Räumen
dit Ksn?crcnz tagt, ficht heute WZ "Vao
Vktisi" Ter Gewinner diktiert, und
der Berliner muh sich dem Diktat fügen.
,'lVr Krieg ist vorüber, und die Rechnung
muß begüchen werden. Soweit wäre die
-'Cache erledigt.
Aber durch die Tür mit der Inschrift
darüber' treten mit den Staatsmännern
o?c ?)!ächtegruppe, welche der Gewinne,
ist. dem schauenden Auge unsichtbar,
noch audere Gestalten. Sie nehmen am
srünen Tisch, an welchem das Diktat ge
schrieben wird. Platz. Sie mischen sich
in die Besprechungen ein und bestimmen
schlicfzüch die Entscheidungen
Die großen Probleme des Friedens,
welche der Krieg geschaffen, Melden sich
zum Wort. Sie heischen Lösung, und
vor der Riesengroße solcher Folgerung
schrumpft Sie Frage der Verteilung der
Brate ift Zwcrghafte.
. In den Probleme des Friedens sie?
Z.'n sich die Ansprüche einer neuen Zeit
dar. Ihre Lösung öffne! das Tor, tod
i eine ganz neue, Kontinente um
f,:sse:de ilnd lang: Zeitläufte umspan
-nende Phase der Weltgeschichte führt,
lind übet diesem Tor steht als Inschrift
nicht mchr das .Wehe den Besiegten!".
' sondern iai .Wohl der Menschheikl".
Tie Seu'evcrteiler sollen auf ihre flo
fr 5 kommen. Aber die Aufgaben, mit
deren Bewältigung der Friedenskongreß
betmnt ist. sind schwierigere und tief in
d.'z Entwicklungsgang der allgemeinen
. Menschheitsgeschichre eingreifend. Die
Probleme des Friedens sind erstanden
aus dem Kriege, dem in feinem Verlauf
panz neue Ziele gesteckt worden waren.
Un Weltkrieg ist zur Revolution gewor
den," zur Krise von ungeheurer Wucht,
zur Katastrophe. Aus dem Zusammen
fturz dUi Axioms, welches die gesamte,
durch de Krieg zum Abschluß gebrachte
GcschichtZperiode erfüllt und beherrscht...
r.at, aus der Niederwerfung deZ Systems
des Imperialismus trni, feiner Macht
Wie man sich in der guten, alteil
Fei? gegen Seuchen wehrte.
Seuchen sind fs alt wie alles Tier
Und Menschenleben, und je weiter wir
zurückblicken, um so verheerender waren
v. Man nannte sie Massensterben und
Neüsterben. In den ersten Zeiten, aus
denen wir von ihrem Wüten wissen, ver
anstaltct man vielfach große Büß und
Bittgottesdienste und Prozessionen, die
e.l Massenanfammlungen für die Ver
breuung der Seuchen gefährlich wurden.
Erst derhNtmsmäfziz spät kam man da
irx ed. Im Jahre 14G8 erließ Kur
fürst. Friedrich der Sanftmütige für
Sacl.len die ttfle .Pcstordnung", der in
d'N Iachtfn 14L3 und 1474 weitere von
Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht,
dem scinerzeit m Weltbürger Schlosse
geraubten Prinzenpaare folgten. Sie
fs'-xirtn dahin: .Der Plage halber, die
j'dt'vZkchanden. die Tore hüten zu lassen
son.,ie auch sunderliche Samplunz der
Leute za vermeyden."
Nun ging man den Seuchen, wo sie
s h ?eigten. mit aKderen, und zwar bar
bm'cSm Mittel zu Leibe: Die Worte:
Die Tore hüten" deuten schon darauf
hin. Mit allen Mitteln nämlich sperrte
man sie ab von der Außenwelt, und na
'i.enllich Von den schon Kranken. Gas
',:n, in denen solche wohnten, ja ganze
reruchte Ortschaften wurden mit hohen
nubersingbarc Holzschrankcn derna
c:lf die To geschlossen, alle Gewerbe,
denn Ausübung man sich einer
I.ch:d'gunz versah, vor die Stadt
v."'ii't verwiesen und alle Zugänge
V.im bznwcht. Die hinter den Schran
n Wohnenden, auch die noch gesunde
"J.7. -hörigen der Kranke, überließ man
r.s'."z rmhcrziz ihrem Schicksal. S
wurde tA Iah 1533 die Scheffelstraße
l.i TziSUn vor und hinten zugenagelt,
i n Jak,:, 1381 an, Dresden-Neustadt
I ranz-g Wochen lang, und im Jahre
r,l" ganz Radeberg von der Außenwelt
t'. 'wit. Im Jahre 1625 ließ man
n 'Trüben zwe! Jahrmärkte deswegen
ti.zlm, und im Iah IM wurde
L il r'.-M'm Grunde der sachsische Land
: i t?n Dresden ach Torgau verlegt.
"''ine und Familienfeste Wurde
. -. .:i:5frt Einschränkung; unter,
- i, U Freiberg. der frühere
.- -;:.'N Residenz, haben sich noch weit
it 'Z.lii!r mengen dieser Art erhal
C-ne dortige Verordnung' vom
7 .';: b -stimmte, bis Bürger soll.
c? keine fremden Märkte ziehen,
'S iiT.i kie wiederkämen, zwei Wochen
v:r l't Stadt bleiben, fremde
" "l.te sotten iiberSiupt ich! iiber
' i i.i tif Stadt aufgenommen er
t ft-rn !n -rfrnndet krsnk würde,'
,
iIi. für esflffteckt hielten.
1 r d'i Z. :t gestraft werden. Noch
eine
I.
Politik durch die Waffen des Krieges
sind die Probleme dez Friedens erstarr
den. Weil der Krieg im Niederreißen
von Schädlichem und Veraltetem so Un
geheures geleistet, darf man ihn nicht
schelten, soll man nicht klagen. Der
Frieden aber muß aufbauen. Er soll die
Menschheit aus der Katastrophe, welche
im Ziiederreißen auch sö manche Quelle
des Lebens verschüttet Hai, hinüberführen
in die neue Zeit deS Aufbaus. Darum
sollte die WernichtungZpolitik, welche die
äußerste Betatiqung der Machtpolilik
bildet, keinen Plah haben in der ffrie
denskonferenz. Darum muß eS ein Frie
den des Rechts und der Gerechtigkeit wer
den und müssen dessen Probleme eine
Lösung auf solcher Grundlage finden.
In dieser Artikelserie sollen die ein
zelnen Probleme, wie sie sich historisch
entwickelt haben und für deren Lösung
nunmehr die Zeit gekommen ist, darge
stellt werden. Sie alle sind der gleichen
Wesensart wie die des Krieges ge
Wesen, welcher eine Revolution bedeutet.
In welcher Form auch immer die ver
schiedenea Probkeme sich darstellen mögen,
sie sind alle revolutionär. Tie fund
menialen Programm-Punkte Präsident
Wilsons, welche die Probleme des Frie
dcns in sich schließen und welche die
Grundlage des Friedensschlusses bilden
sollen, sind alle revolutionierend. Denn
nicht im Säuseln des Windes, sondern
im Brausen des Sturmes kündet die
neue Zeit sich an,
Es sind heute zwei Kräfte vorhanden,
welche sich der Wicderaufrichtung der
Menschheit und dem Aufbau der neuen
Zeit entgegenstemmen. Di eine stellt
sich dar in der Brutalität des Vernich
tungswillens, die andere in der Chimäre
des Kommunismus. Beide sind bolsche
wistisch, das heißt, maximalistisch. Der
Bolschewismus bildet das vcrwkkeltste
Problem des Friedens als Ausfluß des
Krieges. Das Gespenst des Bolschewis
mus schreitet heute durch die ganze Welt,
und es sihi mit am grüne Tisch der
Friedenskonferenz. Es hockt neben dem
Platz des Lernichtungspolitiker. Es
spricht mit bei der Verteilung der Beute
und diktiert die harten Bedingungen der
Vernichtung. Denn die Zerstörung ist
sein Zweck und aus der Verelendung ist
tt erstanden.
Theoretisch stell! der Bolschewismus
Von Dr. Zshannes AleZnxaul.
dreißig Iah später stieß man dort den
Toten, weil sie in den Gräbern noch
schmatzten", den Kopf ab. wurden
nächtliche Begräbnisse untersagt, .weil
man dadurch kleinlaut, schüchtern und
betrübt würde." .
' In demselben Jahre erlaubte Kurfürst
August dem Dresdener Goldschmied
Jöstell, sein Haus, in dem drei Kinder
und eine Magd gestorben waren, nur
unter der Bedingung wieder zu ossnen,
daß die Betten Und Kleider der Verstor
denen ein halbes Jahr lang vor der
Stadt an die Luft gehffkkat und dann
gewaschen und gereinigt wurden. Zwei
Jahre später wurde verordnet: Alle
Dresdener Kürschner, SchwarzfÜrber
Schuster, Seifensieder, Lichizieher und
die Fischhöken sollten ihr GeWeibe au
ßerhalb der Stadt treiben, die Schmiede,
Schlosser und Sporer sollten keine
Steinkohlen zu ihrer Arbeit gebrauchen,
auch die Schweine sollten vor der Stadt
gehalten werden.
Wie grausam man gegen Fremde ver
fuhr, die aus verseuchten Gegenden la
men, beweise die Auszüge des ehemali
gen Amtmanne? zu Meinersen im Han
növerschen auS den dortigen Amtsakten.
Danach griff man zwei Reisende, die
ans der 5)kergegend vor der Pest g?
flüchtet waren, auf. riß ihnen die Klei
der vom Leibe und warf sie in ein
Siohfeuer. Tann ängstigte man die
beiden armen Leute stundenlang mit
Androhung ibrer Hinrichtung. Schließ
lich wurden sie auf einem Wagen auch
tatsächlich zur Femstätte gefahren, wobei
ibnen der Scharfrichter mit blanker
Wehr gegenübersaß. Tort wurden sie
endlich .begnadigt", d. h. mit dem
Staupbesen außer Landes gejagt.
Erst mit fortschreitender Erkenntnis
des Uebels und seiner Ursachen wurden
zweckdienlichere Maßnahmerk beschlossen.
So beantragte der Dresdener Rat im
Iah 15C8 die Errichtung eineS Kran
kenhauseS unter Vorführung eines holz
g'fchnitzten Musters, dai ,u bauen 2000
Gulden kosten sollte, und der Landesherr
ließ zu diesem Zwecke eine allgemeine
Sammlung veranstalten. Er selbst stif
tete IM) Gulden, der Graf von Schön
bürg, Glauchau und Waldenburg mußte
U) Gulden, jeder Bürgermeister 10
Gulden, jeder Ratevermandte 3 Gulden,
jede Handwerk 1 Gulden und jeder
Erbgasibof ebensoviel dazugeben. Tie
ganze Sammlung erbrachte 3307 Gul
den, E Groschen, 2 Pfennig. Davon
wurde dann dai .Pestilenzbsus" auf der
Liehweide erbaut.
Im LaJre der Zeit. a'S man einsah,
disz die bloßen Absoerrzn doch aar
ZU grausam waren und nicht zum Ziele
des
die äußerste Konsequenz des Jtoir.mimiS
mus dar. Der praktische Bolschewismus
hat sich zum Terror herausgebildet. Der
praktische Bolschewismus ist rcinrussisch
asiatisch. Der Mazimalismus geht so
weit,, wie die Steppen Rußlands sind,
und er ist so ertötend, wie die russischen
Einöden und Sümpse. Die Grenzen fei
ms Herrschaftsgebiets sind so unbe
stimmbar. wie die deS alten Rußlands
an den Hufen der Kofakcnpferde und in
der Staubwolke vor dem Winde gewe
fen; feine Gcfolgfckaft ist über Die ganze
Welt verbreitet. Der praktische Bol
fthewismus ist geboren in irgend einem
Nachtasyl und hervorgckrochcn aus ir
gend einem Keller. Er ist mitgeschritten
im Zuge des TodeS über staubgeblcichte,
sonnenverbrannte Straßen quer durctz
das Heilige Rußland in die Verbannung
nach Sibirien. In Tolstois .Aufersteh
ung" wird der Todeszug geschildert, wie
er sich endlos weiter schiebt, der Horizont
sich endlos thnt und der Schmerzens
weg endlos scheint. So endlos ist heute
der MazimalismuS. Eine Vision des
Menschensammers. jener Todcszug voll
harter Uncrbittlichkcit und grauenvollen
Gleichmaßes und der düsteren Feierlich
kcit unentrinnbaren Schicksals. So end
los und unerbittlich und wie ein unet
rinnbarcs Schicksal erscheint heute auch
derjmiUifch Bolschewismus. Aus
Hekatomben von kkriegslcichen ist er er
standen, den leeren Kanonen ist er ent
stiegen, die leeren Magen haben ihn von
sich gegeben.
Der Bolschewismus ist en matchc",
wie es die Revanche gewesen. Er hat
mit Deutschland angebändelt, um diese
Schranke, welche sich feinem Sieaeszllge
entgegenstellt, niederzubrechen. Er ist
wie die Hyäne der Schlachtfelder und
wie eiir Peststrafe des Himmels. Was
die westliche Kultur auf ihrem Zuge 'gen
Osten an Rußland gesündigt, das will
er am Westen rücken. Auf dem An
marsch gegen Warschau bödelt er die
Völker, welch: mit dem Recht der Selbst
Bestimmung wuchern gehen. Er ist wie
eine Gottesgeißel. Auch das Nationali
tätenprinzip ist mit der Unermeßlichkeit
seiner Ansprüche maximalistisch gcwor
den. Der praktische Bolschewismus sitzt nun
auch am grünen Tisch der Friedens-Kon
ferenz, und die Vernichtler füßeln mit
ihm unter der Decke. Auch sie merken den
führten, entwickelte sich ein regelrechte!
Pestpersonal zur Pflege und Wartung
der Kranken, Versorgung der Gefährde
ten und Wegschasfung der Toten. Tie
erste wichtige Persönlichkeit, die dabei
eine Rolle spielte, war der .Pestbar
bier". der auf das genaueste gewöhn
lich für mehrere öahre zu feinem
Dienste verpflichtet wuri. Die älteste
diesbezügliche sächsische Verordnung
stammt vom Jahre 157Z.
Einem Pestbarbier, Geord Schneider
von Zwickau. den der Rat am lL April
3580 verpflichtete, bewilligte man drei
'Taler zur Fubre, wenn er sich mit Weib
und Kind nach Dresden begeben würde."
Der letzte Dresdener Pestbarbier. An
dreas Grantz, wurde am Walpurgistage
3534 auf zehn Iah verpflichtet, wobei
ihm erlaubt wurde, während dieser Zeit
Becken auszuhängen und daS Barbier
Handwerk wie ein anderer zu betreiben.
Es scheint, als habe man die gewesenen
Pestbarbiere auch früher schon ohne wei
tereS und mit Erlaß der Kosten als neue
Meister in die Baderinnung eintreten
lassen. ' .Gott gebe, wo unsre Ordnung
und wir neben unfern Weib und Kin
dern, welchen das Brot vor dem Maule
hinweggeschnitten wird, bleiben möch
ten," sagt die Innung diesbezüglich cm
Ende eineS Schreibens.
Neben dem Pestbarbier gab eS auch
eine besondere Pestwehmutter 'und zwei
Einkäuferinnen, die alle tn den verseuch
ten, abgesperrten Häusern od Straßen
Wohnenden mit dem Notwendigsten ver
sorgen mußten, sowie einen Büttner, der
in den geschlossenen Häusern die Keller
berlorgte.
Im Jahre IM? wurde in Dresden
auch zum erssen Male ein Pestarzt Dr.
Johann Kerstenberger aus Großenföm
mern bei Erfurt, angenommen, im dar
ouffolgenden März aber, nachdem daS
Sterben aufgehört hatte, wieder entlaf
fen. Er rühmte sich, daß er in dieser
Zeit 53 Pestkranke behandelt habe, von
denen nur 1? gestorben seien, beklagte
sich aber, daß er an diesen Kranken nicht
mebr als 14 Gulden verdient habe.
Damals gab eS auch in Dresden einen
besonderen Pestxfarrer, und zwölf
Schüler unlr dem Schulmeister Sankt
Vartholomii mußten die Pestlichen hin
usgeleiten. Ost freilich ging auch der
Pfarrer allein. Eine rührende Schilde
rung dieser Art gibt Theodor Fontäne
von dem Pfarrer zu Fraustadt in
Schlesien, Valerius Herberger, dem
Dichtet del beute r,ock vielaesunaenen
GesanzbuchliedeS Vale! will ich dir
geben" in seinem Nomag Quitt: .In
neun Wochen starb die Ttadt a.:t. urd
rn-fcr a!S 300 hat persönlich unter
Schulzens, mit !:statt:ki:lf:n. man
AlFriSnA
Jj ilwvS V
Teufel nicht, bis er sie am Kragen hat.
Er wird auch sie packen, sobald mit der
Durchsetzung ihrer Gewaltpolitik die
Verelendung, wie sie in Rußland herrscht,
auch über andere Völker hereinbricht. Der
praktische Bolschewismus weiß dies und
schätzt die Bundesgenossenschast der Ver
nichtlcr, und er lächelt nur grimmig,
wenn er von denen als Vogelscheuche
aufgerichtet wird, welche die eigenen
fetten Aeckcr gegen den Einbruch schützen
wolle.
Der Kommunismus, dessen äußerste
Konsequenz der theoretische Bolschewis
mus darstellt, fordert die Beseitigung
des Privateigentums auch an den Ver
brauchsgegcnständcn. während der So
zialismus für die Aufhebung des Pri
vatcigentumZ nur an den Produktions
Mitteln eintritt. Zur praktischen Be
tätigung der kommunistischen Lehre war
der Jakobiner FrancoiS Nocl Babocuf
zu Ende der großen französischen Revo
lution übergegangen. Der erstrebte den
Sturz der, Tirektorialregierung. Ein
Ziehung allen Besitzes zugunsten der Na
tion und Herstelluna. eines kommunisti
schen, in Gütergemeinschaft und nationa
kr Arbeitsteilung organisierten Staa
tcs. In dem BaSoeufsckcn Experiment
stellten sich die letzten Zuckungen der da
maligen Revolution dar; er wurde am
27. Mai 1797 guillotiniert. Eine Wie
dcrholuiig des Experiments bedeutete die
Pariser Kommune nach dem Kriege
1870 bis 1871. Tie damalige blutige
Schieclenshcirschaft in Paris vom März
bis Mai 1871 bildet einen Vorläufer des
heutigen Aolschcwisten.SchrcckcnI.
Der Bolschewismus aber ist. sowohl
in seiner kommunistischen Theorie wie in
feiner terroristischen Bctätigung, rein
russisch. Er hastet in urrussischcn In
flitutioiicn und in der russischen Volts
seele. Er ist der Erbe, Peters des Gro
ßcn, des Zarentums, des Ncoslawis
mus, der echtrussrschcn Männer und der
bürgerlichen Revolution. Professor Tho
mas &. Masaryk, heute Präsident des
neuen 'Tschecho-slowakischcn Reiches, hat
in einem seiner verdienstvollen Bücher:
.Soziologische Skizzen", und zwar in ei
ner Besprechung des Lebens und des
Wirkens Iwan Wasiliewitsch Kire
jcwstij, des .ersten Slawophilen", die
inneren Zusammenhänge zwischen der
russischen Volksseele und dem Bolsche
wismuS dargestellt.
Tie kommunistische Lehre des ihcorcii
fchen Bolschewismus beruht aus der In
stitution des .Mir", der Gemeinschaft
lichkeit des Eigentums, auf welcher sich
das gesamte Bauernschastsleben Ruß
lands gründet. ttircjew:!ij sagt: In
Rußland ist das Eigentum qemcinschaft
lich. weil die Person als Person Wert
hat; in Europa ist die Person wertlos,
denn der europäische Privatbesjtz bcdcu
tet, daß der Mensch dem Boden zu?,:
schrieben itt. Die PikfSn, nicht der Bo
den hat Wert." Im .Mir" stellt si5 mit
Das jüdische Iroölem.
'Von Professor Otto warburg.
(Lcül'che Leilung. 33. November.)
Tr. Paul Nathan hat eine neue TiS
kussion über die deutsche Judenfrage be
gönnen, indem er zu der Resolution
Stellung nimmt, die die Berliner Zio
nistische Vereinigung letzthin in einer
großen Versammlung proklamiert und
seither in weiteren Massenversammlun
gen vor der gesamten Oefsentlichkeit der
treten hat.
Es ist notwendig festzustellen, auf
welchen Grundanschauungen diese Rso
lutionen beruhen.
Tie Ersahrungen des Weltkrieges
haben die deutsche Oefsentlichkeit be
lebrt, daß die Juden mehr als eine Re
ligionsgemeinschaft, daß sie ein Volk
sind. Das jüdische Volk zählt gegen
wärtig etwa 14 Millionen. Es ist in
allen Erdteilen und Ländern zerstreut
und doch wieder in einzelnen Ländern
che Leiche begrub er mit dem Totengrä
ber allein. Er ging voran und sang,
der Totengräber aber fuhr ihm die
Leiche auf einem Karren nach, an dem
ein Glöctchen hing, damit die Leute der
Gefahr ausweichen konnten".
Die Totengräber hatten euch die
Pflicht, die verseuchten Häuser zu schlie
ßen. Im Jahre 1583 erhielten die
Dresdener Pest-Totenzräber vom Rate
eine besondere Tracht; lange, schwarze,
tuchene Herzklappen und einen Hut mit
einer Trauerbinde. In ähnlicher Gc
Wandung sieht man heute noch bei der
Fronleichnamsprozession in München die
Guglläufcr vorbeiieben, die noch genau
solch düstere Kopshüllen tragen, wie sie
einst ihre Vorfbren während einer
.Eontazion" als Sckzutz egen Ansteck
ung anlegten. Auch in Machen anderen
Städten konnte man ähnliche Aufzüge
an bestimmten Tagen sehen. Sa singen
in dem oarqauischen Städtchen Rhein
seiden alljährlich am Weihnachtsabend
und in der Silvesternacht zwölf bejahrte
Männer das Sebastianslied. Tort wird
erzählt: Als In Rheinfelden eine Pest
wütete, deren man sich auf keine Weise
erwehren konnte, schloffen zwölf gottes
fürchtige Männer einen Bund, besuchten
die Häuser, in denen Kranke lagen,
pflegten sie nach bestem Können, und
von Stunde an soll die Seuche zurück
gewichen sein. In Erinnerung daran
hat sich dieser ehrwürdiae Brauch erhal
ten. Vermutlich auf etwas Ähnliches
wird auch der Umaanz der .Advents
Mütterchen" in Elbing zurückgehen, die
in der Zeit bor Weihnachten milde
den für die Krallen sammeln. Ein
Glöckchen und ein Körbchen in den Hän
den, einen Stroihut mit rotem Bande
aus dem Kopse und ein Bettlaken um d:e
schultern, pilgern sie von Hau!
Haut. So bat ras und .fia werk
tiitifl. kr,!ill:a; Me?5chenlilbe die
lÄürssrge übn die einst Verfemte liier
r.ommcn.
der Bewertung der Person der Jndivi
dualisinus dar. Der praktische Bolsche.
wismuS ist der Anarchismus, welcher die
unbeschränkte Selbständigkeit der Jndi.
viduen in rechtlicher, sozialer und Wirt
schaftlichcr Beziehung einführen will und
in der Beseitigung des Staates die not
wendige Vorbedingung einer befriedigen,
den Lösung der Frage der gcscUschaft
lichtn Ordnung erblickt. Die Revolution
des Weltkrieges hat den Sieg auch der
individualistischen Idee über den Obrig.
Kitsstaat mit seinem Militarismus uns
PalriarchalismuS erbracht, und insofern
hängt sich der theoretisch: Bolschewismus
in diesen Sieg ein.
In der Darstellung des Wirkens Kire.
jcwskijs, wie sie Professor Masaryk gibt,
ist Rußland mit einer Mcssias-Mission
Europa gegenüber betraut. Alle euro
päischcn Völker bätten ihr: Aufgabe bc
endet, Europa sei schon ein kulturelles
Ganzes, das die Selbständigkeit der ein
zelnen Nationen verschlungen babe. Eben
daruin brauche Europa, um als Ganzes
organisch weiterzuleben, ein Zentrum,
und dieses könne dos rutsche Volk fein
Rußland werde quasi die Hauptstadt, das
Herz der anderen sc?n.. wie es vorher der
Reihe nach Italien, Spanien, Teutsch
land zur Zeit der Reformation, England
und Frankreich gewesen, 'eben Ruß
land ständen die Vereinigten Staaten
von Amerika als ebenso jung und frisch,
aber sie seien von Europa zu weit ent
fernk, auch sei die englilck,e Bildung zu
einseitig. Rußland habe die Grundlage
seiner Bildung voi allen Völkerq erhal
ten. sei darum allgemein europäisch und
deshalb, auch wegen feiner geographi
scheu Lage, berufen, Europa zu denn
slussen.
Auch diesen mystischen Messianismus
hat der Bolschewismus als Erbschaft
übernommen. Auch er fühlt den Beruf
in sich. Europa und die Welt zu beein
flussen. Der praktische Bolschewismus
ist der Fanatismus.
Tie größte Gefahr für den Aufbau der
neuen Zeit liegt in der Brüderschaft der
Apostel der Vernichtungspolitik und der
Fanatiker der kommunistischen Weltbe
glückung. Sie beide haben die Flagge
der Zerstörung und Verelendung ausge
zogen. Tos Rußland der Bolschewik!
hat sonst keine Flagge, es hat kein Na
tionaliied und kein Symbol. Paul Mil
jukow hat einmal ein Lied von der Mis
sion Rußlands gesungen, und es wurde
ihm der Mund gestupst. Alezander Fco.
dorowüsch Kercnsti bat dann die Flagge
der kleinen Leute gehißt. Die Partei
der .Trudowiki". deren Führer er war,
setzte sich aus Kleinbürgern und Klein
dauern zusammen. Trud heißt auf
deutsch Arbeit. Es waren die von der
Arbeit des Tages Niedergedrückten,
welche Kerensky um sich sammelte. Die
Duldenden und lange Geduldigen, von
denen man gesagt hat, daß sie den Staat
nicht tragen, sondern ertragen. Tie
so gesammelt, daß sich dort ein gemein
famcs starkes Wollen durchsetzen konnte,
und daß es in diesen Ländern auch an
bestimmt ausgeprägter nationaler Ei
genart nicht fehlt. Im ganzen Osten
ist die große Mehrheit der jüdischen Be
völkenrng national gesinnt, was sich
überall gezeigt hat. "wo demokratische
Wahlen veraltete Notabelnvcrtretungen
ersetzt haben. Die ssNajorjtät der jüdi
schen Gemeinden Rußlands ist nach der
Revolution in zionistische Verwaltung
gekommen. Tie Wahlen zum zionisti
schen Kongreß in Rußland haben eine
große Mehrheit von zionistischen Tele
gierten ergeben. Tas gleiche gilt für
die Ukraine, wo in diesen Tagen ein
allgemein jüdischer Vertretungskörpcr
unter zionistischer Leitung getagt hat.
Auch in Polen sind die jüdischen Massen
durchaus nationaljüdisch, was sich über
all herausstellt, wo nicht, wie in War
schau, Lemberg und Krakau, ein verrat
tetes, von der Verwaltung geschützte?
Wahlsystem den Willen deS jüdischen
Volkes verZälscht. Auch in Lemberg und
in Krakau haben gerade in diesen Tagen
die jüdischen Nationalräte die Verwal
lung der jüdischen Gemeinden übernom
men.
Eine gleiche Entwickelung vollzieht
sich jetzt auch in Teutsch-Ocstcrrcich. in
Ungarn und im tschecho-slowakischen
Staat.
Daß da amerikanische Judentum zur
Vertretung der nationaliüdischen Norde
rangen bereit ist. ist ebenfalls in
Teutschland bekannt. Der Führer der
amenkinischen Zionisten. dessen Tat
krast die jüdisch-nationale Kongreßbe
wcgung ihre politische Bedeutung ver
dankt, ist Bundesoberrichtek Louis D.
Brondeis, der mit der Behandlung der
auf der Fricdens-Konferenz zur Er
örierung gelangenden Probleme bei
europäischen Ostens und des nahen
Orient vertraut ist.
Tie sinnfälligste Anerkennung der na.
tionaljüdischen Forderungen liegt jedoch
in der Stellungnahme Englands, das
sich osfizicll verpflichtet hat, mit ollen
Kräften für die Errichtung einer nati.
nalen Heimstätte für das jüdische Volk
in Palästina zu sorgen. Ter englischen
Regierungserklärung haben sich Frank
ketck, Italien und Amerika angeschlossen.
So kann daS jüdische Volk dank der
von der Zionistischen Organisation ge
leisteten Arbeit mit Recht erwarten, daß
t'e Erfüllung seiner Hauptforderung
nahe Wozihthi. Tie Zionistische Oraa
nilaiion ist sich natürlich durchaus be
wußt, daß die von der Friedenekonfkrenz
rlA-z'UMn xglüilchkii Voraussetzung'!,
nicht einreichen, um die jüdische Heim
s'.ä!!: iu errichten. Dies
wird die bobe
uns ftoirna: Ausgabe
des jüdische.
l'O'A i f
! iktk:, mir.t ui vvm
slra'l fein
Sh,:m sich bereücn soll, wo
ti ffieier in nsüensUm Lehen feine
: ' y y y 'T T T T T f T T T T T T T T T T T T T V Jf
'Don Ui K WönTlßcllcntbin.
L-
-
.Kreuzträger", die .graue Masse", bei
welchen man an die Heiligen aus Tr
gcnjews Skizze .An dr Schwelle" denkt.
Die Heiligen sind ,die, welche Kälte und
Hunger Haß und Hohn, Acht und
Schande, Ketten und Krankheit kennen
und geduldig geblieben sind. Im Bol
schewismus ist die Geduld explodiert,
kommt der Haß. den der Hohn erregt,
und die Kranklcit. welche der Hunger und
die Ketten hervorgerufen, zum Ausbruch.
Darum ist der Bolschewismus rcinrus.
fisch, weil er empfangen ist von dem un.
heiligen Geiste des zarischen Rußlands
irnj) gehören von der Revolution des
Hungers und der Verelendung.
"An den Wänden des Sitzungssaales
der 'Friedenskonferenz, über dcsse". Tür
das Worl: .Wehe den Besiegten!" steht
und unter dessen Tisckbie Fanatiker der
Gewalt und die der Zerstörung füßeln
erscheinen warnende Schiistzeichen.
Schon hat sie einer der Weisen, die um
den Tisch herum sitzen, gedeutet. Daß
man den Bolschewismus, welcher aus
dem Hunger erstanden und sich mit der
Gewalt zum Sicgcszug durch die Welt
gewappnet hat, nicht mit Gewalt be
zwingen kann, fondern nur dadurch, daß
man mit der Darrchhung von Nahrung
zu: Verhütung der Verelendung ihm den
Näbrboden entzieht. Dem, rdings
apokryphen, Wort Maria Antoinettcs.
warum die Leute, wenn sie kein Brod
hallen, nicht Kuchen kauften, stellt sich
als ttegenpart.das Wort Wilfonö von
der , Notwendigkeit ' der NahrungS Tar
rejchung entgegen. In diesen zwei Wor
ten steht sich die Erundverschicdcnheit
der Anschauungen ganzer Zeitperioccn
gegenüber.
Die hungrigen Mägen haben den Bol
schewismus ausgespien. An die Satten
wird er nicht herankommen können.
Die ausübende Gewalt des bolsclewi
pifchen Regimes liegt in den Händen der
Sowiets. Auch diese sind einer alten
urrussischcn Institution, den SemstwoS,
nachgebildet. In den Scmstwos war
die Gesamtheit der Bewohner einer
Landschaft nnt dem Recht der Selbftvcr
waltung zusammengefaßt. Die Selbst
Verwaltung wurde ausgeübt von den aus
Wahlen hervorgegangenen Kreis und
Gouverncmcnts-Vertrctungen. Auch das
Scmstwo wurde von der Bureaukratie
verschluckt. In ihm hat sich dann die
erste schüchterne Fre'cheitsreaung geltend
gemacht, welche zur Errichtung des
Scheinkonstitutionalismus in der Form
der .Aossudarstwennaja Duma", des
Abgeordnetenhauses dcs Reichsparla
mcnts, gesllhrt hat. Mit der Duma
sind auch die SemstwoS vom Bolschewis
mus der Sowiets überrannt worden;
auch diese Erbschaft hat der Bolschewis
mns angetreten. .
Immer dringlicher wird die Frage, wie
es denn möglich sein könnte, daß die
Sowiets lediglich mit dem bolschcwisii
fchen Schrecken ihre Macht ausüben und
eigene Kultur entwickeln und wahrhaft
im Dienst der Menschheit wirken kann.
Tie Zionisten sind allerdings, soweit
die Zahl der organisierten Mitglieder in
Frage kommt, nicht daS ganze jüdische
Volk. Niemals war eine nationale Bewe.
gung. so demokratisch sie auch aufgebaut
war. sobald sie sich feste organisatorische
Formen schuf, die Gesamtheit eines an
zen Volkes. Aber die Legitimation der
zionistischen Bewegung besteht darin,
daß sie die Idee deS jüdischen Volkes
vertritt und an der Lösung der Frage
des jüdischen Volkes arbeitet, dessen Ur
Problem in seiner Heimatlosigkeit und
seiner Entwurzelung ruht. Weil diese
innere Legitimation vorhanden ist', fällt
der zionistischen Bewegung überall auch
die Majorität der jüdischen Bevölkerung
eines Landes zu. sobald nur die ent
sprechenden äußeren Bedingungen ge.
schaffen werden. Tie Vorgänge in Ruß.
land und in der Ukraine, in Amerika
und in England, in Galizien und in
den letzten Wochen erst in Ungarn, in
Deutsch-Oesterreich und im tschecho
slowakischen Staat beweisen dies.
Gewiß hat Dr. Nathan recht, wenn
er feststellt, daß im deutschen Judentum
augenblicklich die Zionisten der Zahl
ihrer 'organisierten Anhänger nach nur
eine Minorität darstellen. Trotzdem
haben die Zionisten Deutschlands den
Mut, eine Kongreßbewegung zu begin
nen. die iuf demokratischer Grundlage!
fv..i. ...i. t. r n ' ... T
auen ,zuoen euiiaMno, oie luiogucn
kcit geben wird, zum jüdischen Problem
Stellung zu nehmen. Erst die Ergeb
nisse dieser Kongrcßbe!gung werden
zweifelsfrei zeigen, ob nicht auch das
deutsche Judentum der jiidisch-nationa
len Auffassungsweise näher gekommen.
ist.
Daß von der zionistischen Bewegung
eine schädliche Rückwirkung auf die
Stellung der deutschen Juden oder gar
der Juden der zivilisierten Welt über
lliipt ausgehen könnte, muß durchaus
bcstritien werden. Ter Umstand, daß
das jüdische Volk kroß seiner Zerstreu
ung den Wunsch hat, sich eine nationale
Heimstätte zu schaffen, in der ek natio
nale Kräfte schöpferisch tntsalten kann,
kann ebensowenig die die Forderung
nach Sichcrstcllung seiner nationalen
Rechte in den Ländern starker jüdischer
Siedlung Folgen haben, die in irgend
einer Weise auf jüdischer Seite Besorg
ni, hervorrufen könnten. Tie Achtung
der Kulturwelt vor dem erneuerten jüdi
schtN Lolkstum und seinen Söhnen kann
nur wachsen, wenn sie in Selbstachtung
und Offenheit bekennen, daß sie sich alt
Teile deS jüdischen VolkeS fühlen. Und
daß der bürgerlichen Stellung der Iu
den, welch sich auf den Boden dieser
Norderungen stellen, kein Abbruch ge
schehen kann und darf, daZ z'igt schon di:
Begeisierunz, mit der sich die enztischen
und am'rikanischen Juden zum natio
tialjüdischen und zionikifche Pro
gramm bekannt haben, Juden, die sicher
lich nicht weniger als die Juden Tesch.
landS ihre bürgerliche Freiheit und ihre
Ttellunz im Staate zj schätzen ein Recht
hfc"ü.
. cii B'dtunz jj u5. isi i;e
'A A A A. ! A AjL..'
aufrecht erhalten könnten. Die Antwort,
daß im heutigen Rußland sich eine bol
schcmistische Bureaukratie ganz nach dem
Muster der zarichcn gebildet habe, welche
durch Verteilung - fetter Aemtecr das
ganze Land mit einem der Sowiet-Rc
gr,irz ergebenen Beamtenstabe durch
zogen habe, kann nicht als ausreichend
betrachtet werden. Eine wie immer ge
staltete Bureaukratie würde heute vom
Ansturm der Massen weggefegt werden.
Daß die Regicrungsmaschinerie, trotz der
entsetzlichen Notlage, trotz der furchtbaren
Verelendung der Massen, immer noch
, arbeitet, geht schon daraus hervor, daß
das Sowjet imstande ist, Armeen aus
zubringen, also militärisch aktiv zu wer
den.
Tie russischen Massen sind' die Träger
des bolschewistischen Geistes. Die waren
von den .Leuten in den guten Röcken"
in der ersten Zievolution nach dem japa
nischcn Kriege hinter das Licht geführt
worden. Denen hatte die bürgerlich:
Republik nach dem Sturz des Zarentums
die Mägen nicht füllen können. Tie Ver
elendung ist so groß geworden, daß sie
nicht nur kein Brot kaufen könnten, son,
dcrn ' Mihanpt kein Brot zum kaufen
vorhanden ist. Das war die Vcrziveif
lung. und aus ihr sangt der Bolschewis
mus seine Stärke. Die hat zum Terror
als der ultinrn ratio der Massen gegris
fcn. Der Bolschewismus, welcher den
einen ein Schreckgespenst ist. ist den andc
rcn, der Masse der Verelendeten, eine
Verheißung. Er ist gar kein System,
kein Axiom, keine Lehre, er ist eine Ehi
wäre, wie das fabelhafte Ungeheuer der
griechischen Mythologie mit den drei
Köpfen und dem Toppelleibe. Ein
Phantom, welches man nicht .greifen
kann, wie man den Staub vor dem
Winde, der die Grenzen des alten Ruß
lands zog. nicht festhalten kann.
In dieser Ungeheuerlichkeit und der
Unangreisbarkcit besteht die Wirklichkeit
seiner Gefahr, und die Verzweiflung der
Massen ist feine Kraftquelle.
Der Bolschewismus stellt daZ schmie
rigßz Problem dcs Friedens dar.
Vuleant; consules! Die mit der
Toga der Fricdensdclegatcn Bekleideten,
welche mit der Lösung oller der Pro
blcme betraut sind, sollen darauf fehcn,
daß nicht ans der Quelle, aus welcher
der, Bolschewismus feine Kraft schöpft,
ein; Flut entsteht, die sich über die ganze
Welt ergießt.
Man sollte den Tamin, welcher sich
solcher Flut entgegenstemmen könnte
nicht einreisten. Der Damm ist das neue,
für die Wcltdemokratie gesicherte Deutsch
land.
Tcr Krieg ha! niedergerissen, und das
ist sein Ruhm. Der Frieden soll aus
bauen. TaS soll die neue Wirklichkeit
Verheißung werden, welche der chimären
des Bolschewismus entgegentritt. Darin
liegt die einzige möglich Lösung dieses
schwierigen Problems d:S Friedens.
fozialdemokratisch PcPtei in den Län
dern der Entente und die Programm
kommission der Stockholmer Soziali
sien-Konferenz das Reckt deZ jüdischen
Volke! auf die nationale Heimstätte in
Palästina anerkannt haben und sich nicht
von den Zweifeln schrecken ließen, die
Tr. Nathan hegt.
In zweiter Reihe beunruhigt Tr.
Nathan die Forderung nach der Um'
Wandlung der jüdischen Kultusgemein
den in jüdische Volksgemeinden auf d?
mokratischcr Grundlage und der Schaff
ung eines Reichsverbandes dieser jüdi .
schen Volksgemeinden als Vertretung -
der jüdischen Volksgemeinschaft in
Deutschland mit dem Recht der auto
nomen Regelung aller jüdischen Angele
genheiten. An diese Forderung knüpft
Tr. Nathan die Frage: .Was sind jü
dische Angelegenheiten !"
Eine erschöpfende Antwort auf diese ,
Frage gibt Tr. Nathan nicht. Immer
hin deutet er an, daß auch er darunter
die Frage dr Erziehung jüdischer Kin
der rechnet. Tatsächlich dürfte die Er
Ziehung der Juvend eine der wichtigsten
Angelegenheiten der jüdischen Volksge
meinschast in Teutschland sein.
Tie Bedenken, die Tr. Nathan gegen
eine den jüdischen Forderungen ent
sprechende Neuordnung des jüdischen
ErziehungsmesenS zu haben scheint, sind,
soweit man aus seinem Aufsatz erken
nen kann, hauptsächlich darin zu suchen,
daß er eine Entfremdung zwischen Iu
den und Nichtjuden befürchtet. Wir
glauben, daß eine vertiefte jüdische Er.
Ziehung einheitliche und selbstsichere
Menschen schaffen wird, die gerade durch
die Selbstverständlichkeit ihrer jüdischen
Art und hie Offenheit ihrej WcscnS der
mchtjüdifchcn Umgebung willkomme
scin werden.
Ter nationalen Autonomie der Juden
des Ostens scheint auch Herr Nathan
nicht unbedingt ablehnend gegenüber zu
stehen, da er Wert darauf legt, daß die
Juden vor allem iiber dai. waö sie wol
len und nicht wollen, selbst entscheiden.
Wenn ihnen aber dicseS Recht zuerkannt
wird, so ist nach allen Erfahrungen kein
Zweifel darüber möglich, in welcher
Richtung sie sich entscheiden werden.
Allein die nationale Autonomie ge
währlcistet in diesen Ländern ein kür
diges Zusammenleben der verschiedenen
Völkerschaften.. TaS von Tr. Nathan
gebrauchte, mit einer ganz bestimmteil
politischen Bedeutung verknüpfte Bild
vom Staat Im Staate kann niemals
auf die nationale Autonomie nqewen
dct werden, die, wo sie erforderlich ist.
dem Staate nur größere Festigkeit der.
lnb'n kann, da sie daS beste Mittel pan
die Unzufriedenheit der Minderheiten ist.
Verfehlt ist es daher, in der Forderung
nach nationaler Autonomie den Anlaß
zu Ausschreitungen geg'n die Juden ja
"blicken. Wo immer Pogrome statlge
funden baben. sind sie aus Gründen tu
solo,?, über die sich die Kenner der Ge.
schichte deS Antisemitismus keine? TZu
schunz hirigeben können. Der Beweis
daß irgendwo in der Welt ein, Judenl
Verfolgung durch jüdisch-nationale For.
derungen herdsrrusen wurde, jJ r!
Zu erbringen. "---F. vz
3fW.fs!