Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, December 20, 1918, Image 7

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Skizze von Josef Laugl.
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Tie Heilten Herrenabende bei
Meyers" zeichneten sich durch Un
' t- gZwiingenheit und Gemütlichkeit
" UNS. Ten alten Herrn plagte das
Podagra, er kam wenig unter die
. Veiite; die Frau des Haujes lieb
fach rthnr rtvn fmrtÄ nrjrtMnti
- l"V JlW W4iVV V JVtht-W f
. i;aiu wliroen ote guten irrcunoe zu
einem gemütlichen Plausch cingela
den. ' Da saßen sie im lustigen Gar
v':l'iipavillgibeisamnlen lind ergötzten
, Viel) beim vorzüglichen Mahl in hei
terem Tiölurse. Zuweilen hauchten
dann auch neue Persönlichkeiten aus,
welche, zumeist von " den ständigen
Gästen eingeführt, ctwaS zu erzäh
len hatten, denn daraus kam es ja
in erster Linie an. Zum Jnventa?
der Gesellschaft gehörten selbstver
stündlich die Honoratioren deö Stadt
chens: beim heutigen Abend aber wa
ren zwei Gäste erschienen, Ingenieur
Meindard, der die neue Anlage sür
'das elektrische Licht in der Stadt ge
, "' baut hatte, und Leutnant Schneller,
der etmaS hochmütig im Kreise her
umschaute, und ein paarmal in ei
nein wenig angenehmen, schnarrenden
: xZon fragte, wo denn die Tamen
,.,..
I V JUl
,U ' Tie Gesellschaft war selbstverständ
' lich über diesen neuen Gast nicht son
derlich erbaut, zumal dessen allzu
. selbstbewußtes Auftreten zum Teil
. wohl komisch, mehr aber verletzend
aufgefaßt wurde. Ta er dann nicht
müde wurde, von feinen Lsebes
abenteuern zu erzählen, waZ die al
teren Herren langweilte, wurde das
Gespräch abgelenkt.
Nun, Herr Ingenieur unter
brach der HaliLherr, wann werden
wir denn unser elektrisches Licht in
der Stadt ausdrehen können?"
, Es ist alles fertig," erwiderte
dieser, in , den ersten Tagen der
. kommenden Woche werden alle
.Flammen losgelassen,
Vravo," darauf der Pfarrer, so
werden wir in der Welt nicht mehr
zu den Rückständigen zählen. Aber
eine Flanime leuchtet schon in der
Stadt, seit Herr Ingenieur herge
kommen sind, viel bewundert von alt
und jung "
; Wüßte nicht?" fuhr lächelnd der
Psarrcr fort, Ihre allerliebste jun
ge Frau. Ein so ideal schönes We
ijST sen gibt cs nicht wieder im ganzen
r j Bezirk."
Das will ich bestätigen." eraänzte
-der Äezirttrichter, selbst die Frauen
sind von dem liebreizenden Madon
neugefichtchen entzückt. Und wie ein
fach und geschmackvoll sie sich kleidet.
ch freue niich auf jedes Begegnen.
Wie lange sind denn Herr Ingenieur
schon glücklicher Gatte?"
- Gerade wird cs nächsten Sonntag
ein Jahr, daß ich sie heimführte. Es
gezieint sich wohl nicht, seine Frau
zu loben, ich kann abek nur sagen,
" wir leben recht glücklich initeinan
der."
Aber, Herr Ingenieur, so genau
nehmen wir's nicht; für ein nächstes
Mal wird sie herzlich willkommen
' fein." '
Der Ingenieur verneigte sich und
antwortete verlegen lächelnd: Wir
werde,: nicht ermangeln, unsere An
jtandsvisite zu machen."
Aufmerksam hatte der Offizier das
Gespräch versolgt. Tas wäre ja
was sür mich." Sachte er und bemerk
le, naiv lächelnd: Nur schade, daß
JL. . ich bei dem nächsten Jour nicht niehr
VY da sein werde: wäre mir ein Bergnu
gen gewesen, eine so bewunderte
Schönheit tenitcn gelernt zu haben."
i ' ' Er drehte sein Schnurrvärtchen
und fuhr etwas zögernd sort: Wäre
cs denn nicht möglich, daß Herr Jn
genicur Ihre Frau Gemahlin noch
. ... zum heutigen Abend holen?"
Ach, das geht doch nicht," meinte
dieser abwehrend, sie ist ja gar nicht
vorbereitet sür einen Besuch."
Beglücken Sie mich mit der Er
laubnis ich hole sie -" jagte der
Leutnant resolut.
Allgemeines Staunen, dann La
chen über die Uülnhcit des Ton
Juan.
Aber wie und wo haben Sie diese
vielbewunderte Blume kennen ge
lernt? Tas würde mich in hohem
- Grade interesjieren," sagte die Haus
Zrau, die ja gern etwas erzählen
hörie. Sie ist .wohl eine Wiene
rin?" .
Ta könnte ich auch was prosi.
tleren, bemerkte oer eutnam.
Jawohl, meine Frau ist eine Wie
v'Vin und Tochter einer hochacht
A-vit 'icrtmlpiifrirntlie. stpnni'n l
lernt haoe ich sie auf eine originelle
io ic es wohl selten vorkommen
in cigeinlich bei einer cklatan
i.u Untreue."
.'ta, erzählen Sie," ertönte es
von allen Leiten. Und zögernd
begann der Ingenieur .Ich fürchte
mir die Herrschaften zu langweilen,
denn schließlich bleiben fich ja Liebes,
und HeiratSgeschichten olle fo ziem
lich gleich. Der Herr Leutnant hat
ja ivrat schon f? viele zum Besten
gckn, daß mein Erlebnis dagegen
h.irmloS anZfallen dürste."
:i;t, k?m," rief scherzend der
V::';i:l::-.6iiet, wir wollen einmal
mich eine wahre Geschichte" hören;
,u,r beginnen: also 'der Herr Inge
nieur hat das Wort!"
Und er begann: Ich habe, wie die
Herrschaften ja sehen, ein gewisses
Lchwabcnaltcr bereits eicht in :
angestrengten Studien, Retien und
in der Ausübung eines Berufes.
Ich empfand nun allgemach das Bc
dürfnis nach häuslicher Ruhe und
wollte mich nach einer Lebensgefahr
tin umsehen' Leider entdeckte ich,
daß mir dazu jedwedes Talent sehlte.
Meine Unbeholsenheit und teilweise
auch schuchterni)eil nauoen mir
überall un Wege. Schon gab ich die
Hoffnung auf und wollte mich iil
mein Schicksal fügen, ein alter Jung
geselle zu werden.
Ta kam mir der Zufall zu Hilfe.
EineS Tages führte mich niittag)
der Weg zur Post, einen rekom
mandierten Brief aufzugeben.
; AIS ich um Schaller kam, stand
vor mir ein junges Mädchen, wel
ches niir mit einer gewissen Absicht
den Rücken zukehrte. Mit schlich
terner Stimme sragte sie das alte
Postsräulein, ob nicht ein Brief post
lagernd da sei, unter der Chiffre
Amor 100".
Man sollte sich eigentlich zum Ge
setz machen, die nämliche Cache nie
mehr als einmal,' höchstens zweimal
zu erzählen; denn man gewöhnt sich,
indem man die Erzählung miaschmu
ckcn, oder mit anderen Worten geben
will, unveriilerkt ans Lügen.
Sie erwiderte ziemlich barsch:
Nichts da." ,
Unwillkürlich stand der Drache
aus, durchblätterte flüchtig die Briefe
vom Fache A" und wiederholte mit
überlauter Ctimnie nochmals:
Nichts da.-
Zaghaft wandte sich das Mädchen
um, und nun sah ich erst das un
fchuldvolle, schöne Gcfichtchen und
merkte zugleich, wie sehr cs ihr zu
Hcrzcn ging, daß der erhoffte Brief
nicht eingelaufen war. Tie Augen
wurden feucht, sie trocknete eine her
abrollende Träne mit dem Tuch und
schlich recht traurig zur Tür hinaus.
ArmeS Mädchen," dachte ich, du
empfindest vielleicht zum erstenmal
in deinem jungen Leben eine Ent
täuschung. Hast neben der Liebe
Freuden auch der Liebe Leid kennen
gelernt." Ich empfand tiefes Mit
leid mit dem jungen Wesen.
Der Zufall wollte cs, daß ich auch
den nächsten Tag zur selben Stunde
beim Poslschalter zu tun hatte und
fast wörtlich wiederholte sich die
Szene mit dein Fräulein, welches
wieder erschienen war. Nur daß das
Ämtsorgan noch unwirscher war und
das arme Wesen sast verletzend ab
fertigte. ' Die Anne verließ wieder
recht niedergeschlagen den Borraum.
Ich fertigte meine Post ab und
ging durch den nahen Park meines
Weges. ' Um die Mittagszeit waren
die Wege ziemlich leer. Ta fah ich
auf einer Bank im schattigen Winkel
meine liebe Kleine sitzen und heftig
schluchzen. Mich erfaßte so mächtig
das Mitgefühl, daß ich ganz meck,.
nisch mich ihr näherte.
Sie wollte ihren Platz verlassen,
ich trat ihr aber in den Weg mit den
Worten: Liebes Fräulein, ich kann
Sie nicht weinen sehen. Ihnen ist
schweres Leid widerfahren. Geteil
tes Leid ist halbes Leid, sagt ein
Sprichwort, offenbaren Sie mir Jh.
ren Kummer, ich will Sie zu tröjien
versuchen, Ihnen Hilfe lcitfen, wenn
es in meiner Macht liegt. Kommen
Sie zurück aus diese stille Bank und
offenbaren Sie einem aufrichtigen
Freund, der ich Ihnen sein will, Ihr,
Herz. Vielleicht hat mich der Him
inet gesandt, Ihnen über eine Le
bensklippe hinweg zu helfen ".
Ich nahm sie bei der ,and und
zog sie zur Bank zurück Sie sah
mich mit ihren schönen Augen an,
als ob es ihr willkommen wäre,
durch Mitteilung ihr Herz zu er
leichtern.
Noch immer mit Tränen kämp
send, begann sie nach kurzer Pause
zögernd mit abgebrochenen Worten:
Ach, niein Herr, mir ist nicht zu
helfen. Mir bleibt nichts übrig, als"
und wieder hielt sie krampfhaft
das Tuch vor die Augen "als
mich von der Welt zu verabschieden."
Wer, aber," siel ich ein, wer
wird denn fo mutlos sein! Aus je
dem Unglück findet sich ein Ausweg
und jeden Schmerz heilt die Zeit.
Fräulein sind ja noch so jung und
unerfahren in den Wechfeljällen deö
Lebens; vertrauen Sie sich oem Rate
eines bereits gestählten Mannes an;
Sie sollen wieder ausgerichtet werden
und die Welt soll Ihnen wiebcr so
schön und freudvoll erscheinen, wie
Sie sie in Ihrer Jugend gewiß ten
nen gelernt."
Und sie begann zu erzählen
eigentlich eine recht einjache, schon
hundertfach dagewesene Geschichte, !
nurFaß die Heldin in dem kleinen
Roman, bei allem Aufgehen weibli
chen Empfindens, eine bewunde,
rungswürdige Charakterstärke osfcn
barte, wa? denn zur glücklichen Lö
sung ihres Schicksals führte.
Als einzige Tochter eines hochacht,
baren Hauses hatte sie eine sorgsäl
tige Erziehung genossen und besuchte,
um sich im Gesang weiterzubilden,
eine höhere Musikschule. Täglich
ging sie denselben Weg durch den
Park und da kam es. daß sie rezel
mäßig einem schmucken Leutnant be
gegnele.
Und wie dies schon ergeht, erst
kreuzten sich die Blicke, dann folgte
einmal eine Ansprache, dann ein
RendexvouS iin Park, in einer Gale
rie und Amor hatte hundert Fesseln
lim sie geschlungen. Zum erstenmal
war Grete verliebt und schwelgte in
namenlosem Glück.
Bor den Eltern bliebeil die Zu'
sannnenkünfte Geheimnis. ' Briefe!
holte lic sich stets von der 'Post unter
Amor 100" ab.
Ter Leutnant liannte seinen ade
ligen Namen, erzählte von feinen
Gütern ;' Grete fühlte sich schon als.
Braut und ihr gauzeS Sinnen und!
...r... ,.k.".,. ... ;r,...
-iuimi ycijuai- iiut uiuji iiiuui
Arthur. Wiederholt legte' sie-ihm
nahe, sich bei ihren Eltern vorzusiel
len. doch sietö wich er auS und ver
tröstete sie auf später. So vergingen
glückliche Wochen.
Wieder saßen sie einmal bei einem
ZlendeivouS beisammen, alS Arthur
schweigzanier wurde. Sie war dies
nicht gewohnt und sragte nach der
Ursache. Nun kam er mit den: An
trag, sie möge zu ihm kommen, er
werde ihr in seiner Wohnung etwas
Wichtiges mitteilen.
Grete erschrak ob dieser Zumutung
und lehnte ganz entschieden ab. '
Er drang aber immer energischer
in sie, ihm zu folgen. Sie aber
blieb bei ihrer verneinenden Ant
wort. , '
Wenn du mich lieb hast, so ver
lange solches nicht, von mir."
Und er: Wenn du mich lieb hast,
so solge mir." . -
Zum erstenmal gingen sie ernst
auseinander. Bei der nächsten Zu
samenkunst wiederholte er noch un
gestümer sein Verlangen. Grete bat
ihn slehentlich, wie könnte sie einen
solchen Schritt ihren Eltern gegen
über verantworten?
Tu liebst mich also nicht?" fragte
er ganz entrüstet. Sie lieb sich aber,
trotzdem sie ihr Herz an ihn preis
gegeben, nicht bereden. Sie der
sprach ihm, ihre Gedanken aussühr
lich brieflich mitzuteilen, beteuerte
ihm ihre Liebe und beschwor ihn,
ihren Ruf und den Ruf ihrer lieben
Eltern nicht aufs Spiel zu setzen,.
Er aber war plötzlich wie umgewan
delt und verabschiedete sich recht
kühl.
Sie durchwachte Nächte in Knm
mer und Sorge; schrieb ihm einen
langen Brief voll. Hingebung und
Liebe und bat ihn, ihr wie sonst bal
digst unter der gewöhnlichen Chiffre
Amor 100" zu antworten aber
es kam kein Brief mehr und auch
keine Begegnung mehr.
' Schmerzerfüllt saß daZ verlassene
Mädchen neben mir aus der Bank;
es wogte in ihr''' Brust; sie war ans
dem Himmel iT? Vielic in die mich
terne Alltag v.ihiI wieder zurückge
kehrt. ,
Niin setzte ich mit aller Beredsam
keit ein, die arme, so rauh angefaßte,
aber nicht geknickte Blume wieder
auszurichten. Ich schonte anfangs
des Wüstlings, der sich dieses engel
reine, unschuldige Wesen zmn fpon
tane Zeitvertreib ausgefucht hatte,
denn eS hätte sie vielleicht noch mehr
verletzt, aber in düsteren Farben
malte ich ihr den Charakterlosen, der
mit dem Empsinden einer schönen
Seele frevelhaftes Spiel getrieben.
Ich entkleidete ihn der fchmikcken
Uniform und aller sonstigen beste
chenden Aeußerlichkeiten und machte
ihr klar, daß zum dauernden Eliten
glück eines Mädchens der lautere
CHarakter eines Mannes die alleini
ge Grundlage bildet. Und ich fuhr
beiläufig fort: Ihnen, liebes Iräu
lein, die Sie der Himmel mit fo
viel Aninut und Schönheit beschenkt
hat, liegt die ganze Welt zu Fu
ße. . Sie werde den finden, den
Sie beglücken und der auch Sie be
glücken wird. Bergefj? Sie die klei,
ne Episode, die Prüfung, die Sie
durchgemacht und glänzend bestan
den haben; blicken Sie freudig in
die Zukunft, Sie haben noch nichts
verloren, aber Sie haben die Ueber
zeugung gewonnen, wie schlecht auch
die Welt sein kann. Freuen Sie sich
des Lebensfrühlings eine Blume
unter Blumen. Sehen Sie die No
sen hier auf der Wiese, sie blühen
sür Sie und freuen sich niit Ihnen,
daß Sie einem Unheil entrounen
sind; und die Bäume haben - ihr
Laubdach für Sie gebaut, und so
heiter wird er Ihnen bleiben, wenn
Sie einst mit einem Würdigen zum
Altar wandeln werden!"
Siex hatte mir aufmerksam zuge
hört und drückte mir innig die Hand.
Ich danke Ihnen, mein -Herr,, für
die schönen Worte, die Sie nur ge
widmet, ich will sie beherzigen."
Wir verabschiedeten uns. Das
Mädchen war sichtlich ruhiger ,ge
worden. , Ich sah ihr lauge nach,
dann verschwand sie in einer Seiten
aller.
Und wir fanden uns öfter an:
selben Plätzchen und stets freute ich
mich aus die Unterrichtsstunde,
denn fo faßte ich mein Beisammen
sein mit Grete aus. Ich hielt ihr
förmliche Vorlesungen über die
Pflichten des,Lebeuö, seine Freuden
und Leiden und über die guten und
bösen Menschen. Grete war meine
ausmelljaine Schülerin.
So waren drei Wochen vergangen.
Ta wurde mit dem Ban des biesigen
Elektrizitätwerkeö begonnen und
ich mußte hierher übersiedeln. Bei
einet Zusammenkunft in unserer
Gartenlaube erzählte ich meiner be
reits vollständig genesenen Patien
tin noch allerlei heitere Geschichten
und znin Schlüsse cs war für sie
allerdings eine große Ueberra
schnng nahm ich in schönen Wor
ten Abschied und gab ihr die besten
Wünsche für 'ihre Zukunft mit.
Eine leichte Blässe überflog ihr
liebes Eesichtchen; sie reichte mir
die Hand und dankte tft stockenden
Worten für all die schönen Stunden,
die ich ihr gewidmet, sür die innige
Teilnahme an ihrem Mißgeschick
und noch cm Händedruck und wir
gingen jedes seiner Wege.
Ich mochte beiläufig hundert
Schritte gegangen sein, als ich mich
umwandte, um noch einen Blick nach
unserem Nendezvous-Plützchen zu
werfen. Wie war ich jedoch über
rascht Grctc stand hinter mir.
Fräulein Grete?" sprach ich fra
gend. Und sie, indem sie mir die
Hand entgegenstreckte: Herr Inge
nieur, wollen Sie mich wirklich ver
lassen?" In ihren süßen Blicken
las ich mehr als bloße Freundschaft.
Wir standen uns einige Augen
blicke" stumm gegenüber. . Tann
sprach ich: Fräulein Grete, holen
Sie sich morgen 'ans, dem Postamt,
wo wir uns keimen gelernt haben,
einen Brief uiücr der Chiffre Amor
100" ab. ,
Ta leuchteten ihre schönen Augen
verklärt auf wir sprachen kein
Wort mehr hielten uns an bei
den Händen und gingen dann be
glückt voneinander. In acht Tagen
darauf waren wir Verlobte. So,
jetzt haben die Herrschaften gehört,
wie ich zu meiner Frau kam."
Ein allseitiges Bravo, Bravo!"
belohnte den Erzähler und die Frau
des Hauses hob das Glas aus die
Frau Ingenieurin: Ten Jahrestag
der Hochzeit, wollen wir nächsten
Sonntag hier festlich begehen."
Die ganze Gesellschaft stimmte bei
fröhlichern Gläferklang ein.
Ter Ingenieur dankte verlegen in
schlichten Worten sür die feiner Frau
erwiesenen Ehren.
Ader," bemerkte dcr Vczirksrich
ter, wo ist denn der 'Herr Leut
nant hingekommen?"
Er ist plötzlich verschwunden."
Gerade beim interessantesten
Teil der Erzählung bat cr den Tisch
verlassen," ergänzte der Pfarrer.
Tie Hansfrau klingelte dem Mäd
chen. Dieses kam und ' berichtete,
daß dem Herrn Leutnant plötzlich
nnwohl geworden.' Es sei ein
Schwindelanfall," habe cr bemerkt,
und das Haus vetlafsen. Er lasse
sich bei der Gesellschaft hoflichit cnt
schuldigen.
Albcrt SaUins Glück und
Ende.
In den sechziger Jahren des vori
gen Jahrhunderts ereignete es sich
gar nicht selten, daß Otto v. Bis
marck durch ' Gerson v. Bleichröder
und den Pariser Rothschild wichtige
Mitteilungen an Rapoleon Hl. ge
langen ließ. Pflegte fich doch der
Kaiser der Franzosen nicht nur über
die politische Lage in der denkbar in-
tun ten Art mit Baron James Roth
fchild zu unterhalten, und der Ban-
kier fand die Tllr zmn Arbeltskabl
nett des Monarchen jederzeit offen.
Auf der anderen Seite gab es in der
inneren wie in der auneren Politik.
im privaten wie im c'fsentlichen Leben
kaum etwas halbwegs Wichtiges, was
Bkmarck mit seinem lieben Bleich-
I roder nicht besprochen, hatte. Selbst
vor seinen Kollegen Mon und Moltke
ljt der erste Kanzler des Deutschen
Reiches niemals so sehr aus sich her
ausgegangen, wie vor seinem . ver
trautesten jüdischen Freunde.
Was der Freiherr James v. Noth
schild bei Napoleon, was Bleichröder
bei Bismarck gewesen, das war Albert
BaUin bei Wilhelm II. Seit Alfred
v. Krupp und der Frhr. v. Stumm
Halbey physisch tot waren und der
Fürst Philipp zu Eulenburg-Herte-seid
für den deutschen Kaiser mora
lisch nichj. mehr lebte, erreichte keiner
Albert Ballins Einfluß auf den da
mals noch mächtigsten Fürsien der
Welt.
Und nun hat Bullin selbst seinem
erfolgreichen Leben ein Ende gemacht,
als ,er die WaffenstiUsiandsbedingun
gen erfuhr, während Wilhelm II. als
abgedankter Kaiser und König auf
fremder Erde in der Verbannung
weilt.
Bier Eigenschaften dankte Wert
Ballln die Dauerhaftigkeit feiner Be
Ziehungen zu dem als launenhaft ver
schrieenen Monarchen: seinen fchier
unendlichen Personenkenntnissen, sei
nen märchenhaften Erfolgen bei der
Hamburg-Amerika-Linie, feiner Be
weglichkeit und feiner Uneigennützig
keit. Ballin kannte die. Mitglieder der
Berliner Hau)e finance und die Groß
industriellen in ollen Teilen des
Deutschen Reiches ebenso genau wie
die wichtigen Personen in Paris und
in der Londoner City, wie die bedeu
tendsten Kapitalisten Amerikas. Aal
lin wor eine nicht ganz unbeträcht
liche Talsache eng befreundet mit
Sir Ernest Gaffel, den man einen
der allerreichsten Bankiers Londons
nannte, und der ' in ebenso hohem
Grade das Vertrauen Edwards VII.
befaß, wie Ballin da Wilhelms II.
Cassel war oft als Gast des deutschen
Kaisers in Berlin, und der Monarch
hatte mit dem Freunde feineS Ohej.'
manche geheime Unterredung, von der
sogar die Kanzler nichts hören durf
ten ... .
In der gesamten deutschen Jndu
sirie gab es keinen Mann, der für die
Entwicklung des Reiches auch nur an
nähernd fo wichtig geworden' wäre,
wie Albcrt Ballin. Emil Kirdorf
und August Lhyssen haben für die
Eisen und Kohlenindustrie Großes
vollbracht, Emil Rathenau hat in
Berlin eine riesenhafte Elektriziläts
industrie, auS dem Nichts hervor
gezaubert, rhre Lebensarbeit reicht an
die Ballins nicht heran.
Er kam aus ganz kleinen Verhält
nissen und arbeitete sich durch die
grandiose Organisation des Zwischen
decktransports in die Höhe. Erst in
dem Augenblick, als er. (mit 23 Iah
ren) bei der Hamburg-Amerika-Linie
in den Vordergrund der Gesellschafts
geschäste trat, ging das Unternehmen
mächtig vorwärts.
. Bj
In feinen Schilderungen über
Deutschland widmete der Franzose
Huret Herrn Ballin einen langen Är
tiiel, und bezeichnete ihn als eine der
markantesten Figuren des modernen
Handels und Unternehmungsgeistes.
Der französische Schriftsteller schrieb
damals: Wer ist dieser Herr Ballin,
der Freund des Kaisers"? Woher
kommt er? Jude von Geburt, ist er
der Sohn eines Auswanderungs
agenten. das heißt, eines der Men
schen, die von der Gesellschaft in arme
Gegenden ausgeschickt werden, um die
Bauern oder Arbeiter zur Auswande
rung zu ermutigen, sich zu ihrer Ber
fügung zu stellen, ihnen die Verwick
lungen und Lertegenheiten der Reise
zu sparen und sie schließlich nach
dem Hasen zu lenken, dem sie atta
chiert sind, um der Gesellschaft, in
deren Dienst sie stehen, Profit zuzu
führen.
Herr Ballin trat ebenfalls in den
Dienst der Carr-Gesellschaft und ver
stand es bald, sich unersetzlich zu
machen. Als diese (Sie Carr) von der
Hamburg Amerika" ausgenommen,
wurde, ging auch Herr Ballin mit in
den Dienst der letzteren über und
wurde Direktor des Auswanderungs
bureaus. Nach und nach verstand er
es, zum Generaldirektor ernennen
zu tijien, anstelle eines Mannes, der
übrigens für diesen Posten nicht be
fähigt genug gewesen war.. Seither
entledigte sich Herr Ballin aller, die
ihn genierten, und machte 'im Laufe
von zwanzig Jahren aus dcr Ham-burg-Ämerita"
das, was sie heute ist,
Ich kann hier fein arbeitsreiches
Leben nicht schildern. ' Aber seinen
letzten streich, der einer der gelungen
sten war, will ich erzählen. Die Ge-
sellschast besaß drei alte Schiffe,
deren sie sich gerne entledigen wollte;
sie waren zu alt und fraßen zu viel
Kohle. Alle Welt fragte-sich: Was
wird Herr BaUin mit diesen Schiffen
anfangen? Aber Rußland suchte
eben eine Flotte, um sie nach Tsusima
zu. führen . . . Herr Ballin verkaufte
der russischen Regierung diese drei
schwimmenden Baracken für .teueres
Geld, wobei cr sich dachte: .Was die
Japaner damit anfangen werden!"...
So strich die Hamburg-Amerika im
Jahre 1304 nicht weniger als,34 Mil
lionen Gewinn ein. Es heißt, daß
Wilhelm II.. der sonst nicht boshaft
war und feinen russischen Kusin sehr
uevte, uver dieses Gefchichtchen vielge
lacht hat. . .
, Ballin war ein feiner Höfling, aber
gleichwohl vefaß er dcu Sinn für
seine eigene Würde und hochachtbaren
Mut; Jude von Geburt, ist er Jude
geblieben. Man erzählt, der Kaiser
habe Herrn Ballin vor Jahren das
Ministeriurn für öffentliche Arbeiten
angeboten, ein Gerücht, dessen Bestä
tigung noch ' immer fehlt. Sicherer
aber ist, daß Wilhelm II. ihn in 'den
Adelsstand erheben wollte und daß
er unter höflichen Formen dem ,Km
ser zu verstehen gab, er' verzichte auf
den Adelstitel. Man fagt ihm so
gar ein Wort nach, das unvergleichlich
wäre, wenn er es wirlkich ausgespro
chen hat. Als ihm der Kaiser ein
Ministerportefeuille anbot unter der
Bedingung, daß er sich vorher taufen
lasse, erwiderte Herr Ballin: Maje,
siät, ich bin Jude aus U e b e r z e u
gung!"
Eine Farmrrbcwegung.
Der bekannte Soziologe 5Zev. Dr.
John Nyan hat seine Ansicht über
die FarmerBemegung, die im Ver
laufe des letzten Jahres im Nordwe
sten sich ausgebreitet hat, folgender
niaßc ausgesprochen: Die NonParti
san LigaBcmegung wird, während
sie nickt bestimmt mit der sozialisti
schen Idee in Verbindung zu setzen
ist, zu stark, um ignoriert werden zu
können. Merkwürdigerweise findet
man, daß die Farmer eine Organ!
sation von solcher Stärke zustande
bringen konnten, obwohl wenig
Zweifel darüber besteht, daß. wie
die Liga stärker wird, sie weniger
radikal und weniger dem Sozialis
mus ähnlich werden wird. Das ae
gcnwärtige Programm der Liga ist
indes viel zu radikal, um praktsich zu
sein.
4.W.
Z M-MN. '
.
I Ans Ziilierritiin nd Cinnalime
f der ivlichUliten rosie Ge
. wicht gelegt.
Bon Ernst Eckstein.
.4.,..4.i.,'..'Z"il"i'"
Je schlichter die Lebensweise einer
Epoche. l,m so welliger nUüicheiden
sich die einzelnen Mahliten.
gibt Törser in Teutsclftand, wo man
dreimal am Tage Uartosfeln um
Butterinilch aufträgt; anderwärts
ebenso oft Fische, wenn auch mit ei
Niger Abwechslung in der Form.
Tiefer These entsprechend, kannte
denn auch das alte Rom das
Rom dcr Königsepoche, der puni
schen Kriege und so weiter keine
wesentliche Differenzierung zwischen
der Morgen. Mittags und Abend
mahlzeit Tiefe Trennung vollzog
sich erst mit dem Srulen des Frei
staats unter dem Einslusse der hel
lenischen uiid asiatischen Ueppigkeit.
Im republikanischen Rom luuc
Nationalgericht der auch später noch
vielgenannte Puls", ein Brei aus
Speltmehl, der ansangs sogar die
Stelle des Broteö vertrat ähnlich
wie in Alt-Hellas die Gerstengrütze.
Valerianus Maximus und Plrnrn
berichten uns übereinstimmend, daß
selbst die Aristokraten der Urzeit
mehr Brei als Brot" genossen; Ju
venal erwähnt die dampfenden
Speltbreitöpfe" als Hauptmahl der
vom Pfluge heimkehrenden Bauern
söhne; ja, Plautus, der alte Komö
diendichter, - gebraucht zur Bezeiaj
nung der Römer schlechthin das
Wort 'Breiesser", etwa so, wie heut-
zutage der Franzose den Teutfckzcn
Sauerkrautesser" oder . der Deut
sche den Engländer Beefefser"
(wenn nicht gar Beefsteak") nennt
Außer dem Speltbrei -verzehrte
man Hlllsenfrüchie und zwar vor.
nehmlich Kichererbsen, grüne Gc
müse und Obst. Fleisch dagegen
wurde nur ausnahmsweise genossen
im Gegensatz zu dem heroischen
Zeitalter Griechenlands, das sich an
Brakfleiich zeglicher Art nicht genug
tun konnte. Beiläufig eine gläu
zende Widerlegung gewisser vegeta
rischer Lehrsätze: denn ans da:
sleischvertilgenden Zeitgenossen Ho
niers entwickelten sich die Zeitgenos
sen des Perikles, reich gesegnet mi:
allem, was menschlich edel, schön
und harmonisch ijt, während sich aus
den ehrbaren Speltbreiessern der
SiebenhUgelstadt die bestialischen
Gladiatorenfchlächter, die Biktnofen
der Grausamkeit und Brutalität ent
wickelten. Ten Aposteln er na
tnrgemäßen Lebensweise" znfolg.
hätte das Umgekehrte der Fall sein
müssen. . .
Im letzten Jahrhundert der Ne
publik hatten sich die Mahlzeiten
beinahe durchweg so gesondert, wie
dies früher bereits in Hellas neschc
hen war: in da? erste Frühstück, das
zweite Frühstück und die an den
Schluß des Arbeitstages verlegte
Hauptmahlzeit.
Diese Einteilung gilt bekanntlich
noch heute in allen romanischen Län
dern; durch die rornanisierten Nor
mannen kam sie auch etwas mo
disiziert nach England, während
die Länder germanischer Zunge, nicht
eben zum Vorteil ihrer wirtschaftli
che Entwicklung, beinahe durchweg
dabei verharren, die Hauptmahlzeit
in die Mitte des Tages zu verlege
und so die Leistung der zweiten Ar
beitshälfte durch das Verdauungsge
schäst zu beeinträchtigen. '
Tcr erste Imbiß hatte den Namen
Jentaciilum".
Ta die Römer von jeher Frühauf
steher gewesen selbst die feierli
chen Empfänge der Imperatoren
fanden kurz nach Aufgang der Son
ne statt so fiel das Jentaeulum,
wenngleich eine bestimmte Stunde
dafür nicht feststehen mochte, oft ge
genug in die kaum erst beginnende
Morgendämmerung, wurde also, da
sich die Wohnräume der alten
Quirlten ohnedies nicht durch große
Helligkeit auszeichneten, vielfach bei
künstlerischer Beleuchtung genossen.
Der oben erwähnte Spcltbrei,
der sich auch als Mittags und
Abendgericht bis in die spätere Epo
che einer großen Beliebtheit erfreute,
bildete bei den Römern der Kaiser
zeit vielfach den Grundstock dieses
Jentaculums, namentlich auf dem
Lande.
In der Stadt genoß man seit E
richtung der ösfentlichen Backstuben
ebenso häufig Brot, etwa in Milch
gereicht, während die Griechen ihr
Frühftücksbrot bekanntlich in unge
mischten Wein titim...
Tie Bäcker, die ihre dampfende
Ware von Tür zu Tür tragen oder
auf offener Straße feil bieten, wer
den ebenso oft genannt wie die;
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den Sklaven (Pädagogen): beides
charakteristische Typen für die Mor
gendammerungsphysiognomie der cä
sarifchen Siebenhügelfkadt.
Je nach Bedarf und Geschmack ge
noß mag zum ersten Frühstück auch
Eier, getrocknete Weintrauben, Oli
ven, insbesondere auch Käse.
allgemeinen jedoch blieb das
Jcntaculum selbst itz Schweiger und
Schlemmer vergleichsweise einfach
vielleicht schon' aus dem zwingenden
Grunde, weil man mit Rücksicht auf
die gleich zu TageSanfang sich auf
drängenden gesellschaftlichen Ver
pflichtungen wenig Zeit dazu hatte.
In der sechsten Stunde, daZ heißt
also nach unserer Zeitrechnung um
elf Uhr vormittags, nahm man daS
zweite Frühstück. daS Prandinrn",
ein. Ter Name wie Ne Sache hat
sich s2 italienis Pranzo" et'
tutm. Tas Verhältnis de; Pniu
iium z der am Nachmittage statt
findenden Haupt Mahlzeit , der
Coena" italienisch' Cea"
ist vollkommen das gleiche wie das
zwischen dem Dejeuner", und Ti
uer" dcr Franzosen. Tas Prandhu.'l
.bestand, je nach Umständen, ans
warme oder kalten Gerichten; sehr
häufig wurden die Ueberbleibsel der
vorlägigen Hauptmahlzeit dazu her.
gerichtet. Fijche, Eier, Hummern
und andere Schaltiere scheinen als
Prandiumgerichte sehr beliebt gewc
sen zu sein; auch servierte mau die
oben erwähnten grünen Gemüse, be
sonders die hundertfältig erwähnten
Kohlsortcnncist nach Art der italie
nifcheg Broccoli" in Oel oder Fett.
Zum Prandium geiioß nian auch
geistige Gelränke: leichtere Weine,
mit Wasser verdünnt, oder Mul
sinn" den römischen Wemmer
eine Mischung aus Wein und Honig;
ferner, was unserem Geschmack nicht
gerade entsprechen würde, eine Alt
Punsch oder Glühwein, Calda" ge
heißen, der, wie alle Tafelgetränke,
vermittelst der Schöpfkelle ans der
Bowle in die Gläser gegossen wurde.
Zwischen dem Frühstück und der
Hauptmahlzeit sanden so ernste und
gewichtige Dinge statt, daß wir nicht
annehmen können, cs sei bei dem
Prandium wirklich gezecht worden.
Eine Verordnung bestimmte, daß die
gesetzgebende Körperschaft nach Son
nenuntergang keine rechtsgültigen
Beschlüsse mehr fassen könne; schon
hierans erhellt, daß die hohe Ver
sainmlung mit Vorliebe in den Tuiiy
Mittagsstunden, also Wischen Pran
dium und Cocna, ihre Sitzungen, ab
hielt. Auch Gerichtsverhandlung,
öffentliche Vorträge, zum Beispiel
die . Reflationen neu vollendeter
Tichtwerke und so weiter, fanden
am Nachmittag statt. Zu all diesen
Obliegenheiten sonnten die Römer
die Frühfchoppenfchläfrigkeit, wie sie
ans einem Mißbrauch des Prandium
erwachsen wäre, unmöglich gebrau
chen. Frühstückszecher sind dahe
nur in den Reihen jener vornehmen
Nichtstuer zu suchen, die sich bis ein,
halb zwei Uhr im Speisegeiiiachc
gütlich taten, dann ein Bad nahmen
und sich schließlich in ihrer seiden
verhangenen Sänfte hinaus in die
Vaumgänge des Campus Martins
tragen ließen, wenn sie nicht vvi.w
gen. ein füdhifpanifches oder kappa
dorisches Pferd zu besteigen. Heim
gekehrt verfügten sie sich dann in das
Ankleidezimmer, , warfen anstatt dr
Toga die farbige Synthefis über
und harrten der Coena, die für sich
nur eine gesteigerte Fortsetzung des
Frühstücks bedeutete.
Tie Hauptmahlzeit fiel wie ge
sagt, aus das Ende des Arbeitstages,
durchschnittlich halb drei und halb
vier, was der Sache nach mit dem
Sechsuhrfpeifen der modernen Spa
nier, Italiener, Franzosen e!c. iden
tisch ist, da ja die Römer, ihrem
Frühaufstehen entsprechend, sich in
der Regel zeitig zu Bett begaben.' ,
N Im Spinnier, too man im Süden
überhaupt weniger Arbeit zu leisten
Pflegt, scheint man früher gespeist zu
haben als in der kühleren Jahres
zeit; je nach den Obliegenheilen, die
man zmior noch erledigen mußte,
schob man im Winter die Eoeua bis
gegen vier, ja halb fünf Uhr hin
aus. Wollte nian ganz befdndcrs
schwelgen und zechen, so setzte man
das Diner früher an; daher denn
ausschweifende Tischgelage von den
römischen Schriftstellern zeitige" ge
nannt werden, was sür uns einen
Widerspruch zu enthalten cheint.
Wie . noch heutzutage dem, Roma
nen und vor allen übrigen dem
Franzosen die Hauptmahlzeit als der
Glanz- und Gipselpunkt des Tages
erscheint, nicht nur zur leiblichen Er
quickuug, fondern auch zur geistige.
und gemütlichen Erholung geschaf
sen, so beging anch der klassische Re
nter die Eoeua mit einer breiten Be
haglichkeit und Feierlichkeit. Ter
Teutsche, der sein Hauptmahl zir'
schen zwei Arbeitsepochen einnimmt,
ist schon vermöge dieser unglückfeli
gen Anordnung zu einer gewissen
Hast genötigt. Seine Gedanken wei
len schon, während er noch zu Tisch
sitzt, bei den Obliegenheiten, die ilui
bald nachher wieder in Beschlag eii
men werden es fehlt ihm ds im
Sichgehenlassen, das Bemnsiiie'.
mit alleiiZorderiingen der Püiü'i
geschloffen zu habe,, ,,d nvu
"' Seinen völlig Mensch
zu dunen, .
Rauchen mit Unter.'
schied. So sind die Frauen
Wenn der Küchenosen raucht, sinoen
sie es ganz in der Ordnung, weil
doch auch so ein Ofen gelegentlich
fein Vergnügen haben will; wenn
aber der Mann rauchen will, gleich
schlagen sie Lärm.