Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 21, 1918, Image 7

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Ueber Marlichter.
"von Prof. Dr. Adels Narense.
Der berühmte Physiker und Meteoro.
loge Heinrich Wilhem Dove. der als
rlgentlichn Begründer einer Wissenschaft
lichen ilclj von der Lusthülle 'unsrer
?rde gilt, stagte als prüfender Prosts'
sor vor etwa 40 Jahren einen Kandida
tcn nach der Entstehung des Nordlichtes.
AIS er daraus von dem etwas Prüfung
scheuen Kandidaten die verlegene Ant
wort hielt: ,DaZ habe ich genau ge
wußt, leider ist (3 mir augenblicklich
entfallen." antwortete der als Schalt be
kannte Tove: .Wie schadet Der tbik
Zigt Mensch, der das Nordlich richtig er
klare konnte, hat eö tiu vergessen
Dir Zeiten haben sich geändert; in den
legten Jahrzehnten hat die Lehre von
der Erdphysik so grofze Fortschritte ge
macht, das, man jetzt über Natur und
Entstehung der als Nordlicht auf dev
ördlickien und al! Cüdlicht Hiuf der süd
lichen Erdhalbkugel auftretenden Polat
lichter ganz genau Bescheid Misz. Dazu
kommt, daß gerade in den letzten Iah
ren die Erscheinung der Polarlichter eine
besonders dankenswerte Förderung durch
die Arbeiten norwegischer, dänischer und,
schwedischer Forscher wie Lemström,
Paulsen, Birkeland, Stürmer u. a. er
fahren hat, so daß eö sich verlohnt. ZeneZ
reizvolle Wänomen unserer Lufthülle
,toaS nah zu betrachten. , Wodurch
entstehen die Polarlichter, wie treten sie
uf und waS haben sie uns gekehrt?
Wie das Gewitter die akute Form der
Entladung von Luftelektrizität darstellt,
so bezeichnet daS Polarlicht eine chroni
sche Art der elektrischen Entladung in
der Erdatmosphäre. Daß man es in der
Tat hierbei mit einer elektrischen Licht
scheinung zu tun hat, lehrt, die spek
tralanalytische Untersuchung und daZ
direkte Experiment. DaS Spektrum des
Polarlichts, sowohl des Nordlichts
(Aurora borealis) wie des Südlichtcs
(Aurora australis), besteht aus ein
Anzahl von mehr otyr weniger hellen
Linien, deren stärkste, die hellgrüne, so
Genannte .Nordlichtlime" einem bisher
-ch unbekannten Stoff angehört, wäh
rend die übrigen Linien den in ein
X elektrisches Leuchten geratenen Gasen
Mit Atmosphäre zukommen, insbesondere
dem Stickstoff und Wasserstoff. Es ist
dabei don ganz besonderem Interesse,
daß Polarlichter in hohen Lustrcgioncn
deutlich außer der charakteristischen grü
nen NordlichNinie" mehr die Wasser
stosflinien, dagegen Polarlichter in tie
feren Luftschichten neben der Nordlicht,
linie speziell Stickstofflimen ausweisen,
was uns alsbald noch zu eigenartigen
Schlußfolgerungen über die Natur der
höheren Luftschichten sühren wird.
Aifeer dem Spektrum lehrt aber auch
das direkte Experiment die elektrische Be
schaffenhzit der Polarlichter, die iibri
gens schon aus der ganzen. Form jener
merkwürdigen EntladungZerscheinungen
hervorgeht. Man hat auf einem Berge
des nördlichen Finnlands künstliche
Nordlichter dadurch erzeugt, daß man
in Netz don Kupferdrähien mit Spitzen,
gegen den Boden isoliert, anbrachte und
dann durch einen- gleichfalls isolierten
Draht mit einer tieferen Wasserschicht in
der Erde verband. So entstanden elek
irische Ströme zwischen Erdoberfläche
und Lufthülle, die ein beständiges Leuch
ten über jenem Spitzendrahtnctz her
dorriefeq, indem zugleich eine spektro
skopische Untersuchung deutlich die iuf
fallende Polarlichtlinie zeigte. Man
nimmt an, daß Polarlichter auf söge
nannten !tathodenstchlen beruhen, die
von der Sonne als Energiequelle aus,
gehen und sich alh kleinste elektrisierte
Teilcheit durch dl luftleeren Welten
räum fortpflanzen. Gelangen nun 'jene
Kathodenstrahlen in da? magnetische
Feld der Erde, die ja nur einen winzig
kleinen Raum im Sonnensystem ein
nimmt, so bilden sich um die Pole unsres
Planeten in d höheren, stark verdünn
ten Luftschichten Gruppen von Katho
denstrahlen, die wiederum ' oufs neue
nach allen Seiten ihre Nebenstrahlen
aussenden. So entstehen die als Po
larlichter, besonderZ in der Nähe der
magnetischen Erdpole, aber auch des öf
' leren in tiefen Breiten beobachteten,
prachtvollen Leuchterscheinungen der At
mosphäre.
Daß die Quelle dieser Energie tat
sächlich in dem Zentralgestirn unsres
Planetensystems zu suchen ist, geht nicht
nur aus der mit dem Stands der Sonne
wedelnden Intensität der PolarliAer,
sondern vor allem auch aus der wichtigen
" Tatsache hervor, daß die Periode der
Sonnenflecken vollkommen übereinstimmt
mit der Periode der Häufigkeit der Po
larlichter. In etwa elfjähriger Periode
treten auf der Sonne jene gewaltigen
Eruptionsöorgänge auf, die sich in der
.leuchtenden Hülle knsres ZentralgestirnS
als Flecken und Fackeln, sowie in der
farbigen Hülle der Sonne als Protube
ranzen oder rfige Wasseisiofferupüonen
äußern . Dem jeweiligen Maximum
dieser solaren Eruptionsvorgänge ent
. spricht nun ganz genau daS Mazimum
in der Häufigkeit der Polarerscheinungen
auf der Erde, und dasselbe Abhängig'
keitsverhältniS' tritt zu den Zeiten der
entsprechenden Minima auf. Wahrlich,
eine wunderbare elektrische Fkrnwir
kung der Sonne durch den Weltraum,
die sich in allen elektromagnetischen
KrastmirkunZkn auf der tzrve widerspie
gelt, insb:scndere in den Polarl'chiern,
in den Siörung-n der T?agnetnad:l und
ia b?n unsern Planeten unaufhörlich
, umkreisenden elektrischen Erd strömen!
Gerade die Polarlichter bilden die Brücke
zwischkn jmen kosmischen Vokgär'gen
auf dcr Sonne uns ven durch sie veran
laßien li'ttromoqnetischen Erscheinungen
auf der Crde. Diese munderbsre draht
lose F:rnwirkung durch den Weltenraum
geht ober gerade für die Polarlichter
noch viel wkilkr; kann man doch su der
Periode 'hrer Häufigkeit sogar auf die
astronomisch ftslgestcllte. etwa 2;tagtcje
Livtationsdauer der Senne schließen!
Besonders auS den Ltobachtungen aus
den Polarstationen zeigt sich mlich,
daß auch die Polarlichter in ihren Sa,
liationkn eine deutliche 2Z'tm- Periode
pufaeisen. ,
Nachdem wir d'.e Entstchung der Po
larlichter betrachtet haben, wollen wir
nunmehr ihr Aäftreten näher erörtern,
das u. a. auch zu sehr merkwürdigen
Schlüssen Lbu die Dcschaffenheit unsrer
Atmosphäre geführt, hat. In wechseln
den, zum Teil äußerst prachtvollen, sar
bigen Lichterscheinungen treten sie vor
zugsweise in den um Nord und Südpol
gelegenen Polarzonen der Erde aus,
weiden aber gelegentlich auch in mittle
ren Breiten wahrgenommen. Aeußersi
mannigfach sind die Formen der Polar
lichter, bei denen sich hauptsächlich sechs
mehr oder weniger abweichende Arten
unterscheiden lassen: Bogen, Faden,
Strahlen, Dunst-, Bänder und Dra
perieformen. Während man in den' po
laren Erdzonen alle Formen dieser Licht
erscheinung sehen kann, kommen in un
fern Gegenden eigentlich nur die drei er
steten als Nordlichtbvgen, ein weißes,
genbogcnartigeö Gebilde, als Nord
lichtfäden, einzelne Strahlen im Bogen
nach oben gerichtet, und als Nordlich!
strahlen, weithin den Bogen durchsetzend
un die Krone bildend, vor. Bon ganz
besonderem Interesse sind die eigentlich
nur in der Polarzone wahrnehmbaren
Nordlichtbänder, .die in dcr , Luft frei
schwebend als Ringe Spirale will
schlangenförmige Gebilde sichtbar wer
den. Aus diesen Bändern entwickeln sich
gelegentlich die schönsten und gewaltig
sten Formen des Polarlichtes, grünlich
gefärbte Draperien, wie faltige Boihänge
m der Luft schwebend, deren Legren
zung scharf nach unten und ganz ver
waschen nach oben verlauft.
Starke Polarlichter, die manchmakso
gar mit knisternden Geräuschen derbun
den sind, treten in den Regionen der
nördlichen und südlichen Erdpole auf.
Gelegentlich dehnt sich ihre Sichtbarkeit
von der kalten bis zur gemäßigten Zone
aus, akr selten bis in die wärmeren
Zonen unsres Planeten hinein. Aus be
ondern Messungen, die über die Hau
igkeit der Nordlichterscheinungen an der
chiedenen Orten angestellt sind und zu
psgiellen Nordlichikarten geführt haben,
ergibt sich,,daß die Sielst der Erde, wo
Nordlichter am häufigsten und intensiv
sie auftreten, in einer nördlichen Zone
liegt, die in Nordamerika von der Bar,
rowspitze über den großen Bärensce nach
der Hudfonbai geht und dann über La
brador zwischen Island und den Für
öerinsekn nahe dem Nordkap zum nörd
lichen Eismeer lauft. Mit dem Erschei
nen der Polarlichter treten mehr oder
weniger schwere magnetische Störungen
oder sogenannte magnetische Gewitter"
auf, die sich in unregelmäßigen Bewc
guiigen der Magnetnadel und in-13
rungen dcr für die Telegraphie so wich
tigen - elektrischen Eidströme sogar an
Orten zeigen, an denen das Polarlicht
selt nicht sichtbar wird. ,
Außergewöhnliches erdphysikalisches In
iercffe beanspruchen endlich die Messun
gen über die verschiedenen Höhen, in de
nen die mannigfachen Erscheinungen der
Polarlichter beobachtet werden sind.' In
den Polarzegenden der Erde ist jene elek
irische, vielfach farbige "Lichtcrschemung
schon in ziemlich geringen Höhen über
dem Boden wahrgenommen worden.
Manchmal hat man Polarlichter z. B. in
Grönland, dicht über dem Erdboden at
sehen, oft sind sie in ondern arktischen
Regionen in etwa 1000 Meter Höhe zur
Beobachtung gelangt. Meistens reichen
jedoch diese Lichterscheinungen in viel
höhere Schichten der Lufthülle hinauf,
indem das Aufleuchten von Nordlichtern
In vertikalen Erhebungen von 80, 150,
20 und och mehr Kilometern gemes,
sen werden konnte. Ueber die äußerste'
Höhe, zu der Nordlichter in unsrer At
mofphäre emporragen können, ist man
überhaupt erst in ganz neuer Zeit durch
die epochemachenden Untersuchungen von
Professor Stornier sich klar geworden.
Auf Grund dieser neuesten Messungen,
die von verschiedenen Standorten aus
phölographisch, also von den beiden End,
punkten einer Basis oder Grundlinie aus
durch gleichzeitige photographische Win
kelausnahmen vollzogen wurden, weiß
man jetztxdaß sogar !Z in Höhen Von
etwa 450 Kilometern daS Aufleuchten
der elektrischen Kathodenstrahlen im
Nordlicht sichtbar werden tönnen. '
Das sind Höhen, wo sicherlich die
äußerste Grenze der Lufthülle unsrer
Erdkugel zu suchen sei dürfte, vielleicht
schon Schichten der Gashlllle unsres
Planeten, die unmittelbar an die den
interplanetarischen" Raum erfüllende
Himmelsluft" grenzen. Bei diesen
neuesten ' Polarlichtuntersuchungen hat
schließlich auch die spektroskopische Er
forschung deS Nordlichts zu denemer
kensmertcsten ErgMisse geführt. Das
Spektrum der Nordlichte.! in ganz hohen
Luftschichten zeigt nur 'die reine grün
liehe Nordlichtlinie; in etwas tieferen
Schichten, aber auch noch über 200 Kilo,
meter hoch treten zu dieser grüne Linie
deutlich noch Wasserstofflinien hinzu,
während beim Nordlichspektrum in den
unteren Schichten unsrer Lufthülle ne
ben der eigentlichen ; grünen Linie haupt
sächlich Stickstofflinie vorherrschen.
So hat denn die streng Wissenschaft
liche Erforschung des Nordlichte uns
nicht nur über die Entstehung der Natur
dcr Polarlichter an sich Aufschluß er
schafft, sondcru zugleich ganz n?ue Auf
Ilarungm über die Zusammensetzung der
Erda'mosphäre in den verschiedensten
Höben gebracht. Man muh jetzt anneh.
m?n, dafj über den eigentlichen, tieferen
Ttickstosf SauerstoZfschichin unsrer
Lusthül!. die etwa 200 Kilometer hoch
gehen mög? svon denen jedoch m?i?vko
logisch nur die untersten 80 wirksam
sind), zureichst eine reine Wasserstoffs!
mosphäre lagert und daß darüber Hinaul
nech in den allerletzten Schichten der
Erdhulle sich ein viel leichteres Gas alZ
Wasserstoff tefinöet, dessen Ntur bis
her och unbekannt ist, und von dem
anzenomme wird, daß eS etwa mit deg
gleichfalls unbekannten KoibkstsndteilkN
der Sonnenkorans Aehnlichkeil haben
kann. '
Ia.
I v Arbeit ist Balsam für daZ Blut.
V r
In einer Stunde, da die Erde erzitiert
unter dem ehernen Tritt von Millionen
und Millionen von Soldaten, da unsere
ganze Lultur einzugehen scheint in die
ungeheure Vision unermeßlicher, nicht
endender Ketten von Soldaten, da solche
Soldatenketten sich als lebendige Mau
ern aufstauen um ganz Grenzen, wo
sonst nur der bunte Strich der Karte
lief, da Land und Luft ud Wassertiefe,
so weit immer des Menschen Reich geht,
wimmeln von Soldaten in solcher
Stunde hat die Frage Reiz, wer kigent
lich zuerst den Soldaten .erfunden"
hak. Nicht der llug Mensch! In fer
nen UrMltZtagen, in der Tertiärzeit,
wuchsen in Europa große paradiesische
Tropenwalder mit Palmen, Affen
und Papageien. In diesen Paradieses
gründen war der Mensch noch im blauen
Geheimnis. Aber um die Abendstunde,
wenn es kühl wurde, regte sich dort
schon ein -seltsames Zwergengcfchlecht
findiger Sechsbeincr, mit denen die
schafsende Natur lange vor menschlicher
Kulturtat einen ihrer wunderbarsten
Erfindertrümpfe ausspielen sollte: daS
Bolk der Termlien. Lange bor Chine
sen, Babylonicrn, Aegyptern bildeten sie
riesige Nationen, ein Muster friedlicher
Volkssorge im Innern, wehrhaft über
alle Maßen nach außen; nd lange vor
Troja erfand die Naturkraft in ihnen
den Festungsbau in vollkommenster
Form '
Ihr Stammesadel war kein besonders
feiner, denn sie gingen auf einen andern
Sechsbeincr alö ihren Patriarchen zu
rück, der noch heute wenig geachtet bei
uns wohnt: die Schabe oder den Schwab
oder Kakerlak, oder wie immer der
Volksabschcu den unliebsamen Gast ge
taust hat. Wenn heute die Schwaben
nächtlich wie Gespenster aus unseren
Kammerwinkeln zum warmen Ofen hu
schen, so habe sie eigentlich ein älteres
Anrecht zu der Steinkohle, die da brennt,
als wir späten Epigonen der Welige
schichte selbst. Der .Schwab" war nam
lich schon dabei, als diese Kohle noch
grüner Farnwald war. In jenen Para
diesesgründen des Tertiär aber, wo die
Fächerpalme auch im Norden ihre Nie
senblätter breitete und die Bernstein
sichte ihre goldenen Tränen weinte, die
heute als Schmuck an schönem Halse
glänzen, hat die Schabe die Termite ge
zeugt als eine Nebenlinie ihres bedenk
lichen Stammbaums. Heute ist die
Termite selber zumeist dem Tropenwaldc
nach in ferne Zonen ausgewandert) Aber '
noch immer sammelt sie dort ihre milli
ardköpfigen Völker in ihrer wunderbaren
Erfindung: dem kolossalen Festungsbau.
, Für uns Menschen hatte einst eine
ganze neue Epoche unserer Kultur be
gönnen, als wir die Burg fanden. In
der Legende, vom Turmbau zu Babel,
der die Burg zum Himmel trieb, lebt
noch ein Abglanz dieser Wende. Heute,
wo dcr stärkste Festungsbau unter dem
Donner der Geschosse zusammen
brickt, erleben wir umgekehrt etwas wie
Abendrot dieser menschlichen Burgpe
riode. Aber bei alledem bleibt wahr,
daß der kluße Mensch mit all seinen
Bauten eigentlich nie die Termite in
ihrer Weise hat überholen können. Wir
waren froh, unsere Zinnen und Türme
auf den natürlichen FelS hoher Klippen
zu gründen. Die Termite baute in ihrem
Waldgrund den' Berg selber erst herauf,
und wenn "der künstliche Gibraltarfels
stand, war er zugleich labyrinthisch
durchhöhlt im Innern selber ihre Burg.
Der einzelne arbeitende Genosse im Ter
mitenvolk. der Ziegeistreicher im Bilde
beltürme, schwankte in der Größe durch
wch in der Grenze eines Zentimeters:
die Termitenscstungen wurden bis sechs
Meter und mehr hoch daS gibt auf
Mnfchenmaß umgerechnet ein Viekfa
ches von Eiffeltürmen. Dabei haben
die Termiten nicht wirklich mit Ziegel
i streichen begonnen, sondern ihre Urme
thode deS Festungsbaues war gleich dcr
eisenharte Betonbau. Jeder Arbeiter
mußte Erde schlucken, immer wieder
Erde, Brocken um Brocken. Durch eine
Art Verdauungsakt verkittete diese Erde
.sich dann in ihm selber wie mit einem
natürlichen Zement, der die glücklich wie
der herau?beföiderte Masse, zum glän
zendsten Material umgcschaffen hatte.
Achnlich wurde Holz -st umverdaut.
DaS war ja nicht appetitlich. Aber eS
war technisch glänzend im Kampf umS
Volksmohl, das Festungen aus Erde
oder Holzniasse, oder kombiniert aus
äußeren Wällen und innerer Holzkon,
str'Uktion brauchte. Mas heißt oppetit
lich im Ktiege! Unwillkürlich denkt man
aber auch an die gelegentliche Utopie
eines McnschentechnikerS. der für die Zu
kunft verhieß, es werde noch einmal t
dcr einfachste Bürger auch bei uns sich
durch gesegnete Berdauung und geschickte
Verwertung sein jigeneS Häuslein er
sitzen können. Wir Menschen waren
im übrigen auch froh, wenn am Altan
per
J
(
ES war sein lisch ics Spiel gewesen,
des Brandes Herr zu ,wervcn. Das
Feuer war in einem Äiiethquse dcr dicht,
bevölkerten Vorstadt M. zum Aukbrucke
gelangt und hatte mit solcher Gewalt
um sich gegriffen, daß in kürzest Zeit
drN Objekte in vollen Flammen standen.
Nur der herrschenden Windstille and der
raschkn umsichtigen Aktion dcr städtischen
Feuerwehr war es zu danken daß ein
größeres Unglück verhütet würd?. Wäre
der Brand statt in den Abendstunden
zur späteren Nachtzeit uZgebrochen. so
würde gkwiß auch das Leben mancher
Hautbewohner gefährdet word.'N fein.
So ober hatten alle Rapporte, die ich
. i . X1 T. T. ;LiWfn - in Wahrheit den Vater und
alter menschlicher Pyramiden .oder Ba g5 ',' M !L .,,
Die Lrsindung des
von Wilhelm völsche.
i , '
da? Burgfräukin ein kleines Blumen
gärtchen pflege konnte; di Termite
hat es, fertig gebracht, hinter die eisen
harten Betonwände ihrer Forts den
ganzen Ackerbau zu verlegen, indem sie
In den dunkeln Kasematten da drinnen
gewaltige Mistbreie einbaute in denen
sie daS nahrungspendende Wuchergewebe
eineö Pilzes künstlich züchtete. Sie hat
geleriü, ihre Burgen mit prachtvollen
Schlotfystemen zu lüften, Kaminen., die
sg trefflich ziehen, daß noch heute Re
Wilden solchen Termitenbau mit Bor
liebe als fertigen Backofen benutzen; ja,
als Hochöfen zur ErMwinnung haben
die Tierburgen nachträglich der Wen
schenkunst dienet müssen.
. Aber zur Festung-gehört nicht bloß
der Arbeiter, der sie baute, es gehörte
der Soldat dazu, der sie verteidigte.
Und so stand es nur in der Logik der
Dinge. , daß auch dieser ungeheure
Schritt cerade hier durchgesetzt werden
mu.ßte. Dos, wie gesagt, oft Milliarden
köpfige Volk in der Burg schuf sich ein
stehendes Heer, indem es einen gewissen
Volksteil in eine ständige Truppe allzeit
bereiter echt Soldaten verwandelte.
Nichts ist amüsanter, als bei den Kräf
ten und Obliegenheiten eines folchen ein
zelnen termitischkn Soldaten, diese!
wahren Ur-Soldatcn der Weltgeschichte,
zu verweilen. Famose Beobachter, von
denen Doflein und vor allem Karl
Eschcrich genannt. seien, haben in neue
ster Zeit dieses Stück heroischen Kriegs,
lebens und Garnisonlebens durchforscht.
Allzeit. Tag und Nacht, seit er in seinem
Baterlandsdienst eingetreten ist. bleibt
der Termitenkrieger in Wehr und Was
sen. Wie der: Termitenarbeiter seinen
Baustein sozusagen organisch im eigenen
Bäuchlein sich erst heran verdaut, so ist
auch der Termitensoldat., durch eine Art
Zaubertrank Lon innen heraus fiir's
ganzeLeben bewaffnet worden: in der
Kindcrwiege schon haben sie ihn mit
einim besonderen Futter gepäppelt, das
seinen Leid nicht, bloß an sich so stark
wie einen kleinen Siegfried oder Achill
machte, sondern durch Wecken bestimm-
ter. sonst schlummernder Veranlagung
ihm auch die notige Wasse selber aus
dem Körper herauswachsen, ließ. Da
reckten sich ihm etwa am dick aufschwel
"lcnden Kopf die Kiefern zu ungeheuren
krummen Sarazenenklingen aus, mit de
nen er fortan fchauerlichvherumsäbeln
oder nach Art unserer Geflügelscheren
jeden ebenbürtigen Gegner zerknacken
kann. Oder die zaubcrkräftige Ammen
milch zog ihm, den ganze Kopf selbst
dorne zu einem unheimlichen Horn aus,
wie von einer vornübergcrutschteiMPickel
Haube, mit dem er trommeln und stoßen
mag. Oder in Verbindung mit dem
andern gab ihm der, Zauber die Kraft,
die an die Helden Mister Rabelais' er
innert: nämlich in der Hitze des Gcfcchis
einen solchen wilden Kampffchweik jn
Strömen abzusondern, daß der Gegner.
m der ahen .Flut ganzlich verklebt und
kampfunfähig gemacht wird. Anderem
freilich wehrte dafür der seltsame Trank.
Wen er , zum ewigen Krieger 'geweiht,
der denkt nicht mehr wie ein Menschensol
dat an ein treues Mägdelein. Wie wir
von der Jungfrau von Orleans hören,
daß sie dem Herzen entsagen mußte um
ihres Schwertes willen, so kennt dcr
Termitensoldat keine Liebe mehr. Da
für aber winkt seiner ewig angegürteten
Wc.ffe und unermüdlichen Tapferkeit
unendliche Arbeit. Im, innersten Hei
ligtum der großen Termitenfeste muß er
das ehrwürdige Königspaar verteidigen
saßbarem Patriacchensegcn wird dieses
Volk hier immerfort gemehrt und er
gänzt. Alle zwei Sekunden legt die
Termitcnkönigin ein Ei. im Tage drei
ßigtausend, im zehnjährigen Leben wohl
an hundert Millionen. Rings herum
aber steht geordnet aufmarschiert i-'-Leibwache
von Termitensoldaten, str
im Kreise gestellt, die Sarazenenschw. .
ter olle blank nach außen, bereit, sich auf
jeden zu stürzen, der diese Stätte natio
naler Verjüngung roh zu entweihen wa
gen sollte. Wenn eS die Hand des Nie
senüngiims Mensch ist, die da kommt
diese Hand, die zur kleinen Termite
allein schon wie ein greulicher Kraken
dräut und Angst wecken sollte , so gilt
auch ihr sogleich die verwegendste Ab,
Wehr, blutig schneiden' die winzigen,
aber haarscharfen Säbelklingen sich ein
oder sic,verbeißen sich so fest in die Haut,
daß jeder der hitzigen Kämpen die unver,
glcichliche Bravour mit dem Tode zahlen
muh, da er sich 'selber nicht mehr heil
herauszuziehen vermag. Diese Wacht,
Postenkette in der Königs.zelle ist aber nur
die letzte, intimste Palastwehr. -Gleich,
zeitig harrt Posten um Posten einzeln in
alle Kammern, Gängen Und- Pforten
der ganzen Burg. , Jy den engen Laby,
rinthschachten oder wo winzige Türen
sich nach außen öffnen, hat der Soldat
Hrand von
Skizze von Zsef Erler.
bisher bezüglich der Sicherheit der be,
trosfenen Mietpartcien erhalten, erfreu,
licherwcise beruhigend gelautet. Nachdem
alle erforderlichen polizeilichen Borkeh
runitn nm NrandIak, n?rnffcn waren
konnte ich nun zu den Näheren Erhebung
gcg der nie ENtNeyunkMriMe ve,
Brandes schreiten. Ich stieg mit dem
Nevierinspektor die Treppen des Hauses
Nummer 24 empor, in dessen drittem
Stockwerk nach den allgemein Lbcrcin
stimmenden Aussagen daS Feuer zum
Ausbruche gelangt fein mußte. Nicht
ohne Mühe und Gefahr gelang es uns,
auf den wasskrüberfluteten Cteinstusen
zwischen, rauchenden und noch glimmen
r
meist seine ganz besonder, Dicnstvor,
schritt. Mit gereckter Weife steht er da.
indem er zugleich mit seiner ganzen Per
so wie ein Schild den Durchgang deckt.
Von weiland König Teja lesm wir. wie
er in dcr Schlacht am Vesuv zuletzt daS
ganze Golenvolk mit feinem eigenen Leibe
schirmte: dem Termitenkricger ist das
nur eine alltäglich gewohnte, treue
Pflicht. Naht sich verdächtig irgendein
Skchsbeiner aus anderer Burg oder gar
von ganz anderer Sippe, so senkt dcr
Posten, wie ein Stöpsel fest i seinen
Schacht gestemmt, dräuend die Waffe.
Durch lolbenhaftes Aufklopfen mit der
lange Pickelnasc' oder ein vernehmliche!
knackendes Revolvergeräusch der Kiefern
schere gibt er ein Alarmzeichen. Es wird
sogleich von Posten zu Posten gehört
nd 'weitergegeben, bis die ganze Burg
von rasselndem Spektakel schwillt. Und
dann geht'S je nach Art dem Feinde zu
Leibe. Im mildesten Falle packt ihn die
Gcfliigelschere blitzschnell um den Leib
und wirst ihn 'einfach weit hinaus,
in sanfter Andeutung, daß er hier min
bestens unbeliebt sei. Wie eine Ma
schine funktioniert das, wupp, fort
bist Tu und Du und Du
Aergerpack, raus mit Euch. Wenn es
aber Ernst gilt, dann hauen die Messer
dcr eisernen Jungfrau ebenso automa
tisch z, köpfen, schlitzen, zerfetzen oder
die Nasenstoßcr und der klebende Riesen
schweiß überschwemmt wie mit Stink
töpfen. Am besten liegt die Situation
dabei für die aufwärtshauenden Klin
gen, wenn der Gegner etwas größer ist.
Ist er dagegen kleiner, so besteht Gefahr,
daß er unter der Waffe weg dem Käm
pen um den Leib greife, worauf der
meist verloren ist. denn dort ist er schütz
los. Darum aber wird in solchem Fall
rasch und sinnreich die Methode gewech
seit. Der Posten selber geht etwas zu
rück, dafür aber hetzt er auf den Kleine
ren drüben ein noch Kleineres, Vielfäl
tiges, Tückisches, das umgekehrt dem dort
unter den Leib kriechen soll nämlich
das, was schon Schillers trefflicher Held
in feinem berühmten Kampf mit dem
Drachen verwertete: eine Meute bissiger
Hunde. Ihre Rollen spielen dann
winzige Volksgenossen vom Arbeiter
schlag, die plötzlich neben dem zögernden
großen Soldatenbruder vorbrechc und
dem Feind in die Weichen fallen. Dej
für übt der Soldat aber auch wieder
im gewöhnlichen Tagewerk an diese"
schwächeren Kleinen unablässig Hilfe un
Schutz. Sie. die in der Größe zu ihm
meist wie Kinder find, abir das Gros
des unablässig arbeitenden Volkes bil
dcn, haben in der Jugend auch ihren
Zaubertrank genossen, der sie zu ewigen
Arbeitern in unscheinbaren, meist wei
ßen RLctteln gemacht hat, wie jenen zum
ewigen Krieger. Jn der Burg sieht man'
nun immer einzelne Soldaten (manch
mal ist' es eine besondere kleinere Sorte
rieben den großen Waffenträgern)die
sich zwischen dem wimmelnden Arbeiter
Heer eifrig herumbswegen, Polizei und
Auffchcrdienste tun. drängeln und fam
meln und dirigieren am rechten Fleck.
Wo repariert, wo neu gebaut wird, da
sind sie dabei als Pioniere, als Inge
nieure. Ist irgendwo eine Bresche in
der Fcstunz erstanden, so stellen sie zu
erst eine geschlossene Postenkette darum,
r- dann erst werden die Arbeiter zugc
lassen. Kein Zweifel, daß die Solda
tei dabei außer ihren lauten Alarmsig
nalen auch noch eine raffiniertere Mit
tcilungsart verwerten. Während des
Bauens 'selber 'bilden sie dann Richt-
linien der Arbeit, stecken dur ihren ge,
nau bemessenen Stand gleichsam als le
bendige Pfahle das Feld ab. Geradezu
großartig aber wird ihr militärischer
Hilfsdienst, wenn Arbeiierheere die Burg
verlassen, um Proviant zu holen. Viele
Termiten bauen auch zu solchen Zügen
stets besonders oberirdische Schutztunnels
auf die ganze Länge aus, gedeckte Gale
rien, mit denen sie sozusagen sich immer
!r Stück Festung über den- Kopf mit.
nehmen, auch ins zweite hinaus.
Einzelne aber Wagens' auch offen, und
auf Hunderte von Metern zieht sich dann
die wimmelnde Schlange, in der sie in
enger Kdlonne marschieren, dahin. Je
derseits aber, solange die ungeheure
Kette hin und her wogt, sieht man t
deutlich flankiert von Soldaicnpostcn,
die in regelmäßigen Abständen, oft
jederseits alternierend, die Wacht halten,
während andere Militärs ebenso erficht
lich das Arbeiterheer selber anführen
oder als Pfadfinder selbständige Erpedi
tionen in neue und besser Wege hinein
unternehmen. ,
Wie aus dunklem T:aumesauK schaut
uns das alles auf fo tiefer Stufe der
Natur schon einmal an. Dem Menschen
aber sollte e! vo'beyalte sein, das, was
da unten als reine Tatsache schon ein,
mal stand, zu wiederholen auf der Stufe
höherer Vcrgelstigung und geläuterter
sittlicher ZZerantwvrtung.
-t-
Pom.
dem Balkenwerke die drei Treppen em
wrzudringen. Im dritten Stockwerke
anden wir alles ausgebrannt. Am mei
ten schien daS Feuer in einem großen,
teilweise von einem Glasdache überwölb
ten Raume gewütet zu haben. Nur die
rauchgeschwärzten Wände, an denen
einige verkohlte Fetzen hingen, waren
erhalten gcblkben. die übrige Einrich
tung war ollständig zerstört.
Um uns davon zu überzeugen, be
nötigten wir gar nicht die Sicherhcits
laternen, die wir mitgenommen hatten,
der Raum wurde vom Flammenschein,
der vom brennenden Nachbarhause her
überfiel, ohnehin zur Genüge erhellt.
Pioguch stieß der Inspektor eine
.Schrei aus. . .
Ein verorannter Vchaoei. err om,
miffär, eö ist also doch nicht ohn Un.
glück abgegangen
Sofort war ich nebe dem Inspektor,
der über eine Anhäufung verkohlter Ge
genstanhe gebeugt stand. .
ein eioynamk' sragie icn icnreai,
Gott sei Dank. nein, ich hab mich
getäuscht. Hie, ist allerdings ein Kopf,
aber nur aus Holz."
.Ein Kopf aus HolzZ-
.Jawohl, sehen S nur selbst, die
Flammen haben ihn merkwürdigerweise
ziemlich verschont."
Der Inspektor hatte recht. Es war
ein zwar schon teilweise verkohlter, aber,
idie man noch bemerken konnte, gut ge
schnitzte Holzkopf, den er mir reicht.
,,Wcr hat diesen Raum bewohnt?"
fragte ich.
.ES war daS Atelier des WalerS Wer
icher."
.Ah. dann begreife ich.- Der Kopf
gehörte zweifellos zu einer Modellpupp.
Da liegen ja auch noch einige Ucberreste
der Gliedmaßen derselben."
- .Ja. ich ganz richtig, spüren Sie aber
nicht den merkwürdigen Geruch, den daS
Zeug da hat. gerade so wie nach Pech,
oder besser nach Teer." .,
.Ja, mir ist es auch bereits aufgefal
len. Dies ist allerdings eigentümlich."
.Man bemerkt es, ganz deutlich, daß
von dieser Stelle das Feuer seinen Aus
gangspunkt gehabt haben muß. - Herr
Kommissär, ich sürchte. wir haben es
hier mit einer Brandlegung zu tun."
.Im Atelier- des MalerS Werther?
Dies scheint doch schwer glaublich."
. Wenigstens .schwer erklärlich, aber
Lcrdachtsumstände sind entschieden da
für vorhanden."
Der Nevierinspektor war, mir als de
dächtiger und erfahrener Polizeibeamter
bekannt, dcr sich gewiß nicht durch den
äußeren Schein sofort beeinflussen ließ.'
Der Gedanke, dcn er ausgesprochen hatte,
durfte daher nicht ohne weiteres zurück
gewiesen werden.
.Welchen Leumund genicßt hier der
Maler Werther?"
.Einen ziemlich guten. Seinerzeit er
fteute er sich auch als Maler eines nicht
unbedeutenden Rufes, feit aber vor etwa
drei Jahren seine noch junge Frau ge
storben, scheint es mit seiner Kunst rasch
bwärts gegangen zu sein. Er mußte
fein Stadtatelier aufgeben und zog her
aus in die Vorstadt. In letzter Zeit soll
er mit feinen beiden Kindern nur mehr
von 'dcr Hand in den Mund gelebt, da
gegen aber manchmal mehr getrunken
haben, als ihm zuträglich war
Und er befand sich beim Ausbruche
des Brandes im Hause?"
.Wie die Zeugen versichern, war er
einer der ersten, welche das brennende
Haus verließen. Er stürzte mit feine
beiden Kindern an der Hand fort, ohne
sich zweiter um das Schicksal seiner Hab
seligkeiten zu bekümmern. Seitdenf
ward er auch nicht mehr gesehen."
Dies ist allerdings seltsam. Lassen
Sie den Mann durch .Ihre Leuie aus
suche und mir sodanw vor Amt stel
len.", t
Als ich zwei Stunden später in mei
nem Bureau mit dcr Abfassung des Be
richtes über den Brand beschäftigt saß,
wurde mir der Maler, Werther, vorge
führt. Man hatte ihn außerhalb der
Vorstadt auf der Warte aufgefunden,
wo er mit seinen beiden nur notdürftig
gekleideten Kindern .cmf einem Steine
saß und von dort dem unheimlichen
Schauspiele des Brandes ruhig zusah.
Er war noch im sarbenbeklecksten Ma
lerkittel und ohne Hut, als ob er gerade
von seiner Arbeit ausgestanden wäre.
Er zeigte keinerlei , Ueberraschung, daß
man ihn vor Amt geführt hatte.
Sie wünschen mich zu sprechen, Herr
Kommissär, da bin ich. Die Polizei in
trassiert es wohl, zu wissen, wie der
Brand bei mir entstanden ist? Darüber
kann ich Ihnen vollständige Auskunft ge
bcn. Nur bitte ich Sie. daß Sie meinen
Kindern erlauben, sich zu setzen. Die
Kleinen sind totmüde und vermögen sich
vor Schlaf kaum mehr aufrecht iu er
halten."
Der Mann dachte zuerst an seine Kin
der. DieS verfehlte nicht, auf mich, der
ich ja selbst Familienvater war, einen
günstigen Eindruck zu machen. Mitlei
dig bot ich den beiden Kleinen, einem
Knaben und einem Mädchen im Alter
von fünf und sechs Jahren, daS Leder
föfa an. daS mir selbst bei Nachtinspek
tionen als Schiaslager diente und sor
bette dann auch den Maler auf, sich nie
derzulassen.
Werther setzte sich mit einer leichten
Verbeugung. Wir sind uns noch nie
begegnet. Herr Kommissär. Dies ist be
greiflich. , Daß Sie mich in de; Zeit
meines Glückes hätten sehen können, sind
Sie zu kurz in unserer Stadt, und daß
Sie mich zur Zeit meiner Not nicht len
nen gelernt haben, ist wohl besser. Jetzt
ist aber dieselbe vorüber, mein einstiger
Ruhm wird im neuen Glänze erstrahlen
in der heutigen Nacht ist mein Stern
wieder aufgegangen. -
Betroffen blickte ich den Wann an,
dessen Augen plötzlich in unheimlichem
Feuer glühten.
.Bitte, regen Sie sich nicht auf und
erzählen Sie mir nur zur Sache." suchte
ich ihn zu beruhigen.
Dies gehört ja gerade zur Sache,
wie Sie gleich erfahren werden, Herr
Kommissär. Der heutige Brand bildet
einen Wendepunkt meine? Lebens, wie
ein solcher der Tod HelenenS. meines ae
liebten WeibkS. war. Daß ich damals
nicht aus Schmerz wahnsinnig geworden
bin, ist mir heute noch ein Rätsel. Aber
wenn auch nicht den Verstand, so hatte
ich doch eins dabei verloren meine
künstlerische.- Schaffenskraft. So oft ich
nach meinem Pinsel griff, fühlte ich ia
meinem Kopfe eine entsetzliche Lee.
Umsonst suchte ich nach Ideen. Wenß
K eine gefunden zu haben glaubte, der
mochte ich sie nicht festzuhalten. WaS
ich malte, hatte leinen tunsttenjchen
Wert mehr. Meine Bilder wurden nicht
mehr gckauft. von den Ausstellungskom,
Missionen gar nicht mehr angenommers
und ich selbst lad nur ja gut ei, vag
mir damit kein Unrecht geschah., Hesene
war mein Genius gewesen, mit ihr war
meine Kunst begraben worden. Ich wäre
ihr länLst freiwillig gefolgt, wenn mich
nicht d Sorge um die ei atmen
Würmer, die sie mir hinterlassen hat.
zurückgehalten hätte. Ich mußte lcbm.
um für sie das tagliche Brot zu verdic
nen. Es ward mir schwer-genug, wir -haben
schon manche Tag zusammen gc ,
hungert. Besonders in letzter Zeit wollte
es mir nicht mehr gelingen, ei Bild von
mir zu verlaufen, ich beneidete schon
einen Zimmcrmaler um seinen Verdunst.
Ich überwand, die Scham und enthüllte
einem bekannten Kunsthändler meine bit
ter Mtlage. ' Dcr Mann, welcher mit
meinen Bildern einst Tausende verdient,
hatte wohl für mich gute Worte, aber
kein Geld. 3, wenn ich noch die ein !
stige Schaffenskraft besäße könnte . er
mir wohl, eine einträgliche Bestellung
vermitteln, ei Unternehmer habe sich an
ihn mit der Anfrage gewendet, yb er ihm
einen Maler zur Anfertigung eines Ko
lossal-Rundgemäldcszu empfehlen wüßte.
Das Sujet desselben müßte der Brand
von Rom" sei, für' einen Künstler ei
ungemei dankbarer Vorwurf. Vor
einigen Jahren noch hätte er gar nicht
gezögert, mich für dies Arbeit, zu in
teressiere. aber jetzt . , . Wie ein be
lebender Hoffnungsstrahl wirkte auf mich
diese Mitteilung des Kunsthändlers, ich
beschwor ihn, mir wenigstens so viel Zeit
zu lassen, um ihm eine Skizze vorlegen
zu können, ehe er einen 'anderen für das
Werk, in Vorschlag brachte. Meine flc
hcndäl Vitts erweichten ihn, er hewil
ligte mir einen Termin vo vierzehn Ta
gen. Was ich die nächsten Tage gelt
ten. wie ich meine arme Kopf zenngr
tert. um die Idee, die ich brauchte, zu
finden, vermag ich nicht zu schildern. Es
war umsonst, daS Bild schwebte zwar i
weiten Umrissen vor meine Augen, ober
Verschwommen wie im NebN, mein Stift
vermochte kein Detail zu erfassen. Ich
war der Verzweiflung nahe. In un
serer KUnstlerkneipe, j der ich noch
manchmal verkehrte, rieten sie mir, wenn
mich chie Phantasie, im Stiche lasse, die
Natur zu kopieren. Der Realismus be
herrsche ja ohnehin die moderne Kunst.
Dieser Rat ließ mich nicht' mehr ruhen.
Tag und Nacht sann ich daraus, wie ich
ihn befolgen könnte. Wie sollte ich mir
realistische Motive für den Brand von
Rom in meiner trohlosen Lage zu-vcr
schaffen vermögen? Dies Problem schien
unlösbar. Endlich kam mir ein glück
licher Gedanke. Den Mittelpunkt des
Bildes mußte Nero auf dem,Kapi!ol
bilden, in die Sängertoga gchülll, die
Leier in ,der Hand, von feinen Buhle
rinnen und Höflingen umgeben. Diese
Gruppe sollte von ringsum brennenden
Menschenfackeln schauerlich beleuchtet
werden. Wenn mir diese großartige
Szene gelang, dann war der Erfolg des
ganzen Werkes gesichert.. Das Schwie,
rigste war nur, das Modell für die
Menschenfackcln zu finden, ab ' ich
brachte es zustande. Ich umwand eine
Modellpuppe mit teergetränktem Wcrg
und zündete sie heute abend in meinem
Atelier an." ' ,
, Auf die Gefahr hin, einen ganzen
Stadtteil in Brand, zu stecken," konnte
ich nicht umhin, entrüstet zu bemerken.
Der Maler zuckte gleichgültig die Ach ,
sein, .Weine Gedanken waren auf an
deres gerichtet. Was kann ich Such für
den unglücklichen Zufall, daß gerade in
dem Augenblicke, w welchem tie Fackel
am schönsten brannte, meine-'zwei Kin
der, wohl vom Feuerschein erschreckt, aus ,
dem Nebenzimmer hereinstürzten und
mein brennendes Modells umstießen?
Das Feuer griff mit entsetzlicher Gewalt
sofort um sich, und ich hatte kaum mehr
die Zeit, ihr und mein nacktes Leben zu
retten " ' .;. -
Und Sie haben alles im Stiche gc
lassen, um aufdie Warte zu eilen?"'
Im Antlitz des Malers leuchtete es freu
dig auf. Ja, Herr Kommissär, dies
war eine der glücklichsten Eingebungen -meines
Lebens. AIs ich von der Warte
auf daS Flammenmeer zu meinen Füßen
herabblickte, hatte ich gefunden, was ich
bisher vergebens gesucht. Wie in
einem Zauberspiegel sah ich vor mir die
flammendurchpcitschte Weltstadt an der
Tiber, den Brand von Rom in feiner
ganzen grauenvollen großartigen Schön
heit, dazu bestimmt, mir unsterbliche
Ruhm zu verleihen. In jener Stunde
habe ich Nero verstanden, der sich damals
als ein GKt gefühlt. Wer Herr der
Elemente ist der ist auch Herr der Welt.
Die Welt in Brand x setzen, muß ein
Genuß für Götter sein!" -
Werther war aufgesprungen und hafte
die letzten, Sätze in unnatürlicher Er
regung hervorgestoßen.
Wie kann man da von einem Scha
den sprechen, den der Brand verursacht?"
fuhr er in gleich Tone sort. .Dcr
Gewinn, den die Kunst gemacht hat, ist
dafür unschätzbar' Ich habe das Bild
meiner Bision festgehalten, da sitzt s
wie photographiert in meinem Kopfe;
wenn Sie mir scharf durch die Stirn:
blicken, können S cs sehen. Herr Koni
missär. Aber was schauen Sie mich s
seltsam an, was ist mit mir geschehen?
Ha, die Nebel, die entsetzliche Nebel, sin
umwoge wieder mein Bild, ich sehe es
selbst nicht mehr : zu Hilfe! zu
Hilfe!" Stöhnend sank er, von seinen
Kräfte verlassen, nebe meinem Schreib
tisch zu Boden.
Während ich, durch diese unerwartete
Katastrophe erschüttert, '.die elektrische
Klingel heftig in Bewegung fetale, warf
ich einen besorgten Blick auf die beiden
Kinder deS unglücklichen Malers. Sie
lagen miteinander verschlungen friedlich
auf meinem Sofa und lächelten im
Schlafe.
Drei Tage später starb Maler Wer
ther im Spitale in einem Anfalle von
Tobsucht. Seiner Kinder hatte er sich
nicht mehr erinnert, die Wabnsorstkl
lung bei ihm entschwundenen VildeZ d'k
BrandeS von Rom" hatte seinen eis:
bis zum letzten Atemzug vollständig 6
herrscht. Die griechischen und römischen Gc .
fchichtschreiber -$en die Geschichte
artig behandelt als ein Mitteilen Ge
danke an Has Großartige zu verewigen
und durch daS Großartige die Nation
aufzufrischen und ZU großen Taten m
spornen.
Die LZege des Herrn sind nie ander?
als wunderbar. W:r feine Hand sehe
will, muß sich ihr ganz vertrauen.
I.