Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 21, 1918, Image 2

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TSgUH? Omaha Trlblse
X
Fngiolina.
Novells von Zsfef Erler.
Angiolina l
Eine eigentümliche Aufregung 'machte
f.J) linier den, Publikum, welches den
kü!lstlick!kn Vorgarten deZ eleganten 9?f
tiurani$ auf der'Piazzi Grande bis
ian letzten Plätzchen am- Abend eines
' l?l'pisch.kchwu!cn Julilligcs füllte. U
iiicrtbar. Angiolina. die" Straßensänge
rin! Aor wenigen Tagen war sie j an
ferer Stadt aufgetaucht und hatte in der
Sphäre ihrer auf die öfftmllchen Re
ftanrationslokale und Gases beschränk
tni Kunst ungewöhnlich: Triumphe ge
feiert, die sie teils ihren persönliche
Koje, teils aber auch dem entzückenden
Lortrage-,eincs seltsamen tiefcrgreisendea
LicdeS ,11 Düloro M mondo der,
Wclrschmerz' zu verdanken hatte, . Sie
Kar eint zarte Blondiue von elfenartlger
Geslatt, mit einem kkinen edel geschniite
nen Gesichtchen, welchem zwei große
schwarze Augensterne einen eigenen ittoz
verliehen, der durch einen leichten
schmerzlichen Zug um die schmalen rost
en Lippen och erhöht wurde. Ob der
selbe i einem physischen Leide Aw
giolina schien am linken Fuße. gelähmt
z sein der in einem seelischen
Qchnierze seinen Grund hatte, war bis.
he, ollen ein Rätsel geblieben, denn die
K?trageNfangerin hatte sich mit keinem
der Gäste der Lokale, durch welche sie
dllabendlich die Runde machte, je in ein
besprach emmlassen. und daZ Grazie
eignere!, welches sie beim Absammeln
der Spende mechanisch wiederholte, toa.
die einzigen Worte, die man von
tcre Lippen vernommen. Angiolliia
schien auch unter strenger Obhut zu sein.
Eiu verwachsener, mit einem Höcker be
haneter Wann m mittleren Jahren ; von
eradezu abstoßender HäßgchKit war ihr
stets zur Seite und begleitete auch ihre
eZang ml et Geige, weicherer mit 0c
schick spielte. Einen größeren' GegensaZ
zwischen dem Ideale und der Setzer
timcj eines Menschenbildes, wie derselbe
in Angiolina und ihrem Genossen zum
ZluZdrucke gebracht war, hätte sich die
lebhafteste , Phantasie kaum ausmalen
rönnen. Der Gedanke lag nahe, daß die
7traßersängerin mit Absicht eine solche
Wahl ihres Partners getroffen, um durch
diesen Kontrast den Wnt ihrer Person
lichen Reize in desto schärferes Licht zu
stellen. Wurf man aber diesem zarten
Wesen mit dem Antlitz eines Engels ein
solches Raffinement zutrauen? Dieser
Annahme widersprach schon d Tat
sache. daß die Sängerin vom Krüppel.
welcher jede ihrer Bewegungen mit Ar.
guSblickcn verfolgte, in einem gewissen
AbhäJgigkeitsverhältnisse zu stehen schien.'
Angkolma, welche ein kleidsames, aber
idealisiertes italienisches Kostüm trug.'
hatte ihr Konzert mit einigen National,
lieders uofsnet und den gewohnten..Bei
fall czeerntet. ; ; ' ' :
. .Verlangen wir H Dolore del
moriJo," bemerkte mein Freund. Haupte
mann der neben mir saß und für die
. ses Lied eine schwärmerische Begeiste
runz hegte. Auch an, -den andere T!
scheu wurde der gleiche Wunsch laut.
..II Dolore del mondo!'' tönte es ca
uns dort.
Ti: Musikanten waren sofort Izx'it,
dem W mische zu willfahren. Der Krüp,
pel präludierte auf feiner feia die
ersten Takte und Angiolina stand, die
Simse leicht verschränkt, ich tiesdunklen,
träumerischen Augen zum Himmel ce
wendet, von welchem Tausende heller
Stern lein funkelten.
Un nngelo son io ein Engel bin
ich" entquoll es ihren leichtgeo'ssneten
Lippen, und mit einem seltene Schmelze
der Stimme fang sie däs herzergreifende
Klagelied des ' Engels, der dlm Para
diese zur Erde niederschwebie. um dort
den Weltschmerz, kennen zu lernen.
Q U. , gib Tt Illchmenz mir.
, Lm Ttmit gebe itS iiiifiit
1 Sie Zae dir der tzngü!
EI Beifallssturm brauste7 über den
, Platz, als das Lied mit einem erfchüt
lernten Aufschrei schloß Biv bis!"
schall es von allen Seiten. Die Sänge
rin mußte ihr Zauberlied wiederholen
und riß damit das Publikum zu noch
größerer Begeisterung hin. Selbst die
Tamen vergaßen der italienischen Sitte
und applaudierten lebhast.
.Entzückend, reizend
Ah wirklich pyramidal, solche Lei
stung verdiente königliche Velohnung
näselte ein junger Mann on einem Ne
beutische, n welchem mehrere Mitglieder
der .??uesse'dorö
Welche sich wohl Kid mit der
Schwindsucht deiner Börse nicht der
trägt.' scherzte sein Nachbar. Allgemei
nes Gelächter der - kleinen Tafelrunde
lohnte den wohlig leg Witz, '
.Wir geben ser ei Guldenftück
worin wird deine königliche Belohnung
bestehen?"
.Ja einem Kusse da sie zum Küf.
sen gesungen kjoi."
Coram publico? Das iß Licht dein
Crnsii
Parole d'lwrmur. ili'i eine
IDnltl Sechs Flaschen Nöderer. Wer
Iili?'
üüiralle. Topp!" '
Anwlina hatte mit ihrem Teller be
re'tz die Runde begonnen. TsS Ertrag
r.!S war, wie vorauszusehen war. ein
reiches. Kleine SilbermÜLZe sah man
Ti::r rettinze!t. Aber keine auch noch so
hohe Sabk schien den (S'richimd der Sän
r. rin zu stören. S: ts im gleichen Ton
ftlle t:-r. ihr siereochpes: Grazie,
HtrwTt.
hvTi stand sie be" km Tische derlLS
fi.n t?k?2n:l. Fürs Eulderstücke f!o
n i den Teller., Grazie, ijraorir.
Cv.v t'J fc:3iertR, daß trt Seckste sei
r :n Cl'slal entrichtet, sndte sich An
c-Klr-n e T fie sie der junge
!zr.x, kr die Wctte proyoniert hette.
tca. x'-faaül um die Ritte und druckt,
i-r rna Kuß ans die L!PZÄ. Ueber.
xi'ti, ber knnttwegZ erschreckt blickte
'-i-islina of und Welte. Im
t'.üdjtn WcmtnU ttiMt m Kilte?
j- -1 I (1
Wutschni. Her Krüppel war ousge.
sprungen und 'wollte sich mit erhobenem
Sessel zum Tische der Elegants stürzen.
Der Restaurateur ober und ein Kellner,
welche den Borgang rechtzeitig bemerkt
hatten, hielten ihn zurück und führten
ihn sofort trotz feines SträubenS in das
Gastlokal. Auf Angiolina aber hatte der
Schrei ine eigentümliche Wirkung. Wie
dus einem Traum erwacht, schreckte sie
zusammen, ließ, einen Augenblick scheu
und wie hilfesuchend den Blick über das
Publikum schweifen und eilte dann, ohne
ihren Rundgang zu beend:, ihrem Be
gleiter nach.
.Ah was weiter Bette gewon
nen! Jean, sechs Röderer." besah! der
Elegant und ließ sich mit einem gering
schätzigen Blicke auf seine Kameraden
wieder nachlässig auf seinem Stuhle nie.
oer.
.
Ms mir am nächsten Morgen im
Bureau der Polizeirapport vorgelegt
wurde, fauv ich darin, daß man im
Laufe der versessenen Nacht den Stra
tzenmufikanien Pipi Lorenzin wegen
eines an seinem ÄZeibe begangene!!
Mordversuchs verhaftet habe.,
.Pipi Lorenzin. ist dieZ nicht der
Krüppel mit der Geige, der gestern abend
auf der Piazza Grande gespieltZ' fragte
ich den Wllche-Jnspellor.
Jawohl. Herr Kommissär.'
.Und sein Weib V
Angiolina, die Straßensangerin,
welche hier so großes Aufsehen erregt.'
.Sein Weib! Angiolina ist verwun
det!'
Nur leicht am rechten Oberarm. Lo
renzin wollte mit dem Messer einen
Stoß gegen ihre Brust führen, doch hat
die Straßensangerin denselben nur in
den Arm erhalten, welchen sie glücklicher
weise zum Schutze erhoben hatte. Loren
zin wurde von den Nachbarg, die auf
ihr Hilsegeschrei herbeigeeilt waren, be,
wältig! und unseren Wacheu übergeben.
Er hat noch lange Zeit im Arreste ge
wütet, ist aber jetzt ruhig. Auch Angis
lina und deren Mutter befinden sich be
reitS hier, um einvernommea zu wer
den.?
Lassen Sie die Straßensängerig ein.
treten.'
.Altan?'
Nein, mit ihrer Miltter."
.Zu Befehl, Herr Kommissär
Wenige Minuten später standen die
beiden ffrauen vor mir. Anaiolina voll.
kommen ruhig, mit ihrem gewohnten
träumerischen Blick. Sie trug den rech
ten Arm mit einem Verbände in einer
Schlinge. Ihre Mutter, eine bejahrte,
hagere Frau, besand sich, in sichtlicher
Edxegung. Sie eilte sofort uf mich
,S kennen den Vorfall. Herr Kom
missär, t, es ist entsetzlich!'
Ich suche Sie, zu schweigen, bis
Sie gefragt werden. Sonst würde ich
Sie auffordern müssen, sich einstweilen
zu entfernen.'
Die Alte woll! euerdiags erwidern,
schien sich d-inn aber eines besseren zu
besinnen und führte ihr Taschentuch zum
Wunde, wahrscheinlich zum Zeichen, daß
sie meinem Befehle, so schwer es ihr auch
fallen mochte, Folge leisten wolle. Ich
lvendet? mich zur Straßensangerin.
.Sie heiße Angiolina Lorenzin?'
.Angiolina.'
Sind das Weib deZ Wandermusikan
ten Pipi Lorenzin?' '
Sein Weib?' Ein Schauer schien
den Körper der Sängerin zu durchbeben.
Seine Gefangene!'
.Seine Gefangene?' entfuhr eg mir
überrascht.
Jawohl, das Opfer eines bösen Zau
bers. Auch Pipi ist nicht, was er scheint.
Seine Mißgestalt ist daS Werk finsterer
Mächte, die ihn zu meinem Wächter be
stellt. Aber die Stunde der Erlösung
ist nicht mehr fern, in der mein schöner
Prinz erscheinen wird, der mir als
Bräutigam bestimmt ist .Sie sagte
vies ruyig. im z,one vouer ueverzeu
gung. Ein entsetzlicher Verdacht stieg in
mir auf. .
.Angiolina. woher sind Sie?' fragte
ich mit einem mitleidsvollen Blick auf
das anmutige Geschöpf.
.Aus dem Paradiese aniworiete sie.
Als ich zur Frde niederfiel, habe ich
mir schwer Fuß verletzt. W weh
dies tut! Weher aber geschah mir noch,
als ins mich meinem Cerberus über
lieferte. O. ich habe W Weltschmerz
kennen gelernt, den ich auf Erden ge.
sucht!' Ein Seufzer entstieg dir Brust
der Unglücklichen, der mir lies ins Herz
schnitt. . - .
Ich hätte des Zeichens nicht bedurft.
das, mir die alte Frau gab. um zu er
rennen, ta vor imr eine - Wahn
sinnige stand. Ich klingelte dem Amts
dien und ließ Angiolina i das Vor
immer mit dem Auftrage geleiten, dort
meine Anordnungen abzuwarten.
Ihre , Tochter ist geisteZverwint?"
fragte ich die alte Frag.
Diese atmete ouf: sie war sichtlich
froh vom Zwange des Schweigens er
löst 33 sein, und ließ nun ihrer Zunge
sreieg Luf. Was sie mir erzählte, war
eine traurige Leidensgeschichte. Angio
lina war ein Ceiltänzerlind. Als Eaui
libristin hatte sie och vor weniges Iah
ren Triumphe gefeiert und sich und ihre
Mutter erhalten. Ein unglücklicher Zu
fall wollte es, daß sie bei einer Pro
duktioa stürzte snd sich fs schwer den
linken lxuß verletzte, daß derselbe ge
labm blieb. Damit war iln Laufbahn
im CirkuS beendet, Angiolina. die außer
ihrer Kunst keine Arbeit gelernt, mit
irrer Mutter dem Elende preisgezebe.
T hatte sich Pipi Lorenzin. der Krüp
del. der schon lanze für die Seiltärzerin
in geheimer. sussichtSleser Leidenschaft
entbr'innt ud derselben Is Mitglied
des CirZuSorchesiers LSerallhig islat
war. genähert nd lhe eine gesicherte
Existenz versprsche. wen Vnziolin
se'm TS werd? wolle. XU Unglück
lichtn- grasen, te;l vor sich ur des
4 !,' ' " ,"'5
!(. '
KJJIlXi &iuli ifefliUiJ jUi.Jlü iLtAtUJI t.Hlit4tlt
Abgrund der Schande oder das traurige
Los der Armenversorgung salen, faßten
ohne Ueberlegung nach diesem Rettung?
Mittel. Erst als Angiolina das Weih
Pipis war. kam sie zum Bewußtsein,
welch furchtbares Opfer sie gebracht und
verlor darüber den Verstand. Trotzdem
löste der Krüppel die Mcl nicht, durch
welche die Unglückliche on ihn geschmie
det war. Er hatte, entdeckt, daß sie in
ihrer Stimme einen verborgenen Schatz
besitzk. ihr einige Lieder mechanisch ein
studiert und mit ihr das Gewerbe des
Straßenmusikanten begonnen, das ihm
reiche Früchte eintrug. Dabei Nebte er
das schöne Wesen mit dämonischer Lei
denschast und hütete dessen Besitz .mit
einer wilden Eifersucht, unterwelcher
Angiolina bitter zu leiden hatte. Bei
der gestrigen Szene auf der Piazza
Grande hatte Pipi, bemerkt, daß fein
Weib über den Kuß des junqen Elegants
gkläckxlt und hatte, zu Hause angelangt,
der. Armen die heftigsten Borwürfe ge
macht. Angiolina hatte diesmal seine
Schmähungen nicht mit gewohnter Ruhe
entgegengenommen, sondern sich dagegen
ausgelehnt und den'Krüppel zu der
lassen gedroht. Daraushin hatte der
Unhold nach dem Messer gegriffen und
es ihr in die Brust zu stoßen versucht.
Schluchzend stürzte sich die alte Frau,
als sie geendet, auf die Kniee, und be
Der Haugenithts.
Eins Geschichte aus dem Leben.
- Von Z. Erler.
. :
Mitternacht war bereits vorüber, als
mir der Jnspektionsagent meldete, daß
mich ein Mann, anscheinend der Lrbei
terklasse angehörend, dringend zu spre
chen wünsche. Mit einem Seufzer erhob
ich mich vom Lcdersofa. auf das ich mich
vor kaum einer Viertelstunde angekleidet
hingeworfen hatte, und gab den Aus
trag, den Mann vorzulassen. Ein hoch
gewachsener Bursche mit tiefgebräuntem
Antlitz und ' kurzen, schwarzgelockien
Haaren, der Typus eines echten Süd
länders. trat ein. Aus seinen dunklen,
do dichten Brauen überwölbten Augen
blitzte ein unheimliches Feuer. I ficht
licher Erregung drehte er feinen weichen
grauen Filzhut zwischen den Händen.
Als n bemerkte, daß ich fragend meine
Blicke ßuf ihn geheftet hielte suchte er
mit Anstrengung nach Worten und stieß
plötzlich heftig hervor: Signor Kom
missario, lassen Sie mich in Ketten
schließen, ich habe einen Word began
gen...
Unwillkürlich sprang ich entsetzt aus.
Einen Mord?'. ,,.
.Nun ja, wie man es immer nennen
mag, es koihmt doch auf dasselbe hin
aus. Eecco Molini ist tot und ich bin
eS, der ihn erstochen hat.'
, Gecco Molini?' , . ' '
Jcnvohl. der Geccs, der haßlichste,
aber auch reichste Bursche von San Bar
tolomeo. Das Geld war sein und mein
Unglück. Wen er nicht den großen
Hof mit den Vielen Kampagnen gehabt
hätte, würde ihn Annita nicht haben hei
raten mijssen und dann wäre er heute
noch am Leben.'
Ihr habt ihn also aus Eifersucht
seines Weibes willen ermordet?'
Der Bursche lachte bitter auf. AuS
Eifersucht? Bah! Wenn Pietrs Span
dio auch in ganz San Bartolsmeo als
Taugenichts verschrieen ist, so wäre es
ihm doch zu minder gewesen, auf einen
Gecco Molini auch nur im Traume
eifersüchtig zu sn. Daß ich aber die
Tat eines Weibes willen begangen habe,
ist wahr. Aber welchen Weibes willen!
Annita ist schön, Herr Kommissär, wie
ich in der weiten Welt draußen keine
schönere gesehen. Das war ja .mein
Unglück, daß ich fort mußte aus dem
Lande, als ju! mich vor vier Jahren zu
den Kaiferjagern assentierten, weit fort
in die Herzegowina. Damals hatten
wir uns in Liebe gefunden, ich und die
Annita, trohdens ich der wildeste Bursche
in ganz San Bariolomeg war. Viel
leicht auch gar nicht zuletzt gerade da
rum, den die Annita war auch kein
Mädel wie die anderen. Kurz nach der
Geburt schon war die Mutter gestorben.
Mit einem Bater. der sich um alles mehr
gekümmert hat, als um sein Mädel, war
sie aufgewachsen wie eine Hummel auf
freiem Felde. ,AlZ Kinder haben wir
oft gestritten und uns auch geprügelt,
daß heißt. t hat mich gekratzt, was sie
konnte, gleich einer wilden Katze. Da
mals lachten die Leutedazu. Später aber,
als wir uns besser verstanden, war es
ihnen nicht recht, besonders dem Vater,
der afi der Schönheit des Mädels Ka
pital schlagen ukid reichere Zinsen ziehen
wollte als er von dessen Heirat mit mir.
dem verlästerten und verrusenen Tauge,
nichts, erhosse konnle. Und doch hat er
sich getäuscht. Wäre Annita mein Weib
geworden, so hätte ich ihnen llen ge
zeigt, zu waS es ein TangerichtS brin
gen kann. Daß aus ihm heute ein Mor
der geworden, daran tragen nur sie
allein die Schuld!' .
Dem armen Burschen rannen einize
schwere Thränentropsen über die ge
bräunten Wangen. Hastig, als ob er sich
eines weichere Gefühles schämte, wischte
er sie mit seinem Hute ab.
Und Annita gab Euch aus?' "
Ihr Vater zwang sie dazu. Herr
Kommissar müssen ja aus Erfahrung
wissen, daß so ein lier Bauernstsrr
köpf, wenn er einmal einen Ptan gefaßt
hat, der ihm von Vorteil scheint, vor
keiner Schlechtigkeit zurückscheut. Und
grundschlecht hat der Alte an sns ge
handelt. Wir hatten vor ihm kein Ec
hcimnis aus unserem Verhältnis e
macht uZd so lange ich noch da war. Hai
uns auch Nichts in den Weg gelegt.
Er kannte uns beide und wußte z
gut.'Hstz jede Mühe umsonst sein würde.
AIS ich aber eingerückt und mit dem Re.
gimente abgegangen war. It sah er seine
Zeit gekommen. Er hat sie auch ordent
I.ch ausgenützt. Ich schrieb der Asnita
anfangs -.suchen Brief, obwohl trt
lnii,fi-(B''w -. s" '",, I "."II
tL3i.,,!,.;..2L;ji.i
schwor ' mich, dem entsetzlichen Opfer,
das ihr Kind auf sich genommen, ein
Ende zu bereiten und sie und Angiolina
aus der Gewalt ihres Peinigers zu er
löse.,
, '
Eine höhere Macht hat ihre Bitte er
füllt. '
Angiolina wurde der Landesirrenan
statt Übergeben und. dort bald durch den
T?d für immer vi ihren Leiden befreit.
Ihre Seele ist in hnes Paradies zurück
gekehrt, aus welchem sie in ihrem Wahn
zur Erde ni.dergestiegea zu sein glaubte.
PipZ Lorenzin, welcher wegen des Mord
Versuches - zu mehrjährigem . schweren
Kerker verurteilt worden war, hat sich
nach Erhalt de, Todesnachricht feines
Weibes der Anstalt zu G. M er
seine Strafe zu verbüßen hatte, erdros
seit. Auf dem Grabe der Straßensän
gerin m dem idyllisch gelegenen Dorf
friedhose zu P. haben mehrere ihrer ein
stizen Bewunderer zum Danke für die
Lieder, welche sie einst so entzückt hatten,
und vom traurigen Geschicke der Sän
gerin gerührt, einen schlichten Denkstein
setze lassen, aus welchem nebe dem Da
tum des Todestages zu lesen ist:
Angiolina, welche den Weltschmerz
gesungen und erprobt, sie ruhe in Frie
den!' .
Schreiben mir von je hart genug onge
kommen keinen von diesen Briefen hat
sie aber erhalten. Der Vater hat dafür
Sorge getragen, daß sie rechtzeitig per
schwanden. Dagegen Zog er Annita vor.,
daß ich, wie meine Kameraden geschrie,
ben hätten, in der Fremde ein zügelloses
Leben, führe, sogar die türkischen Weiber
nicht schone unv Lsfentlich über daS
Mädel spotte und lache, das sich meinet
wegen daheim gräme und mir die Treue
bewahren wolle. Annita versicherte mir
jetzt freilich, daß sie's nicht habe glaube
können; aber wenn man täglich dieselbe
Melodie pfeifen hört, bleibt sie einem
schließlich im Ohr. Und zum Mißtrauen
sind ja ohnehin alle Weiber geneigt.
Dies allein hätte aber die Annitq nicht
umstimmen können. 'Der Vater rpußte
noch wirksamere Mittel zu finden. Er
hatte es erfahre, daß Gecco Molini aus
das Mädel sein Auge geworsen, und den
reichsten Burschen' der Gemeinde zum
Schwiegersohn z bekommen, war ein
Geschäft, das sich der habsüchtige Alte
nicht entgehen lassen konnte. Der Vater
entblödete sich nicht, ern seiner eigenen
Tochter zum Kuppler zu werden, und
da seine Vernunstgründe bei ihr nicht
den gewünschten Erfolg zu erzielen schie
nen, mißhandelte und schlug er sie, bis
sie endlich mürbe wurde. AIS ich vor
acht Tagen von meinem Militärdienste
zurückkehrte, sand ich , sie als Gecess
junge Frau. Die Wut. die mich dar
über erfaßte, will ich nicht schildern. Ich
suchte meinen Schmerz im Weine zu er
tranken und fing mit jedem Händel an.
Die Leute sagten, der Taugenichts ist
sich treu geblieben, ja er ist noch schlechter
zurückgekommen, als er je gewesen. Als
ich gestern die Annita zum erstenmal
wieder gesehen, habe ich vor ihr ausge
spuckt. Sie koard dabei bleich wie der
Tod und vermochte kein Wort üb die
Lippen zu bringen. Bald darauf erhielt
ich von ihr einen Zettel, in welchem sie
mich beschwor, nach Anbruch der Nacht
in den Garten hinter ihrem Hause zu
kommen, wo sie alles aufklären und mir
beweis! werde, daß sie nie einen anderen
als mich allein geliebt habe. Gecco sei
auf die Malga Alta gegangen und werd,
erst spät in der Nacht oder morgen srüh
von dort zurück sein können. Anfangs
war ich keineswegs willens, diesem Rufe
Folge zu leisten, denn ich wollte von An
nita. die mich fa trMloS ausgegeben,
nichts mehr wissen und hatte die Ab
ficht, meine Heimat für immer zu der
lassen. Als aber der Abend kam. trieb
es mich wie mit unsichtbarer Gewalt
zum Orte des Stelldicheins, ich mußte
Annita noch einmal sehen, um ihr zu
sagen, wie schlecht sie an mir gehandelt
und ihr meine Verachtung in ihr falsches
Antlitz zu schleudern. Aber es kam an
ders. Als sie mir mit tränenerstickter
Stimme erzählte, was man ihr angetan,
wie man sie gequält, und ls sie mir
beschwor, daß sie zum Beweise ihrer un
veränderten Liebe noch in dieser Nacht
ihr Haus und ihre Mann verlassen
wollte, um lieber irgendwo in der weiten
Welt mit mir die Schande und das
Elend zu teilen, als an der Seite des
verhaßten Eeccs dem Wohlleben zu froh
nen. da bin ich vor ibr auf die Kniee e
stürzt und habe ihr die Schmach obge
beten, die ich ihr heule morgen angetan.
, Wie dann das Schrecklicht efchah.
weiß ich selbst kaum mehr. Plötzlich
horte ich S im Gcbusche rascheln, sh
die Klinge eines Messers im Mondschein
blitzen. Galt es mir oder Annita? Ich
riß mein Messer aus der Tasche und im
nächste Augenblicke log Gcs Molini
blutüberströmt zu meinen Füße . .
Der JnfpkktionZpgkKt Lberbrschie mir
eilig eine, dringliche Tienstesdepesche.
Ich sfnete dieselbe und las: In Sau
Bartolomeo wurde soeben im Garte
feines Hauses der Gutsbesitzer Gecco
Molink durch einen Messerstich getötet
aufg'fundkn. Der Tat dringend der
dächtig erscheint der Bauernbursche Pie
iro Spandio, ein Lbkibklenmundetet In
d'öidnum. Derselbe ist flüchtig. Ver
solgung bereits eingeleitet Poftenkom
mando.'
Pietrs Spandis. Ihre Angabe hs.
ben hier die Bestätigung gefunden. Sie
sind verhaktet.'
Bei der nächste Schuiger!ch!ssess!on
wurde Pietro Spandio vom Verbrechen
des Morde! frnA-spxocheg, Wege be
gsngeneik TotschlazeZ jedoch zu Zünfjäh,
riger flutet strafe verurteilt.
!'f. "( II II i' 'i "'')! t""in II' "','!',"
Imuenlieöe.
Novells von
I , .,
Mein lieber Baron.' sagte die schöne
Frau und lchntesich in ihrem Armsessel
zurück, Ich langweile mich.' , ,
Ergebensten Dank. Gräfin 'Der
Freiherr verbeugte sich. .Mit Kompli
menten werde ich gerade nicht der
wöhnt v
Die Gräfin drückte den Fächer gegen
den Mund und markierte ein leichtes
Gähnen.
Was wollen Sie? Komplimente.
immer Komplimente! Fühlen Sie denn
nicht, daß daS auf die Dauer entsetzlich
fade wird?"
Es kommt darauf an, aus welchem
Munde sie stammen und n welche
Adresse sie gerichtet wird?'
Die Dame lächelte. Es lag etwas
wie Ironie um den geschwungenen
Mund.
Ach. Sie meinen, eilva -- als Mas
kierung innere EmpsindenS. Laute
Worte mit leisem Sinn.'
Wie Sie mich verstehen, teuerste
Gräsin . . .'
.Nein!' sagte sie kurz und erhob sich.
Ich verstehe Sie ganz und gar nicht.
Und ich glaube, darin werden wir uns
nie verstehen. Sehe Sie. wie es mich
in der ersten Zeit meiner Ehe mit dem
verstorbene Grasen zuweilen packte,
mitten aus dem Glanz meine Salons
und dem Komfort meines . Boudoirs
heraus barfuß über die Wiesen zu ren
nen oder mich im frisch gemachten Heu
zu wälzen 'aber, meii Gott, was"
machen Sie denn für ein Gesicht?'
.Sie irren, Gräfin. Ich bin ganz
)t" '
Nün, so packt es mich jetzt, wo ich
mich eigentlich längst in der Gesellschaft
akklimatisiert haben sollte, oft mit un
widcrstehlicher Sehnsucht, einmal wie
der deutsch zu sprechen, echt deutsch, und
auch deutsch antworten zu hören. Und
dabei sind wir doch in Deutschland
Sport, gnadige Frau!'
.Sport?' wiederholte sie gedehnt und
sah ihn fchars an. Nein, nein, bester
Baron, mein Vater hatte als biederer
Schisfszimmermann weder Zeit noch
Gewohnheit, Sport zu treiben.' '
Er biß sich auf die Lippen. Die Wen
dung, die die Unterhaltung genommen
hatte, war ihm peinlich. Dazu in dieser
Umgebung, dem eleganten LuxuS einer
Zungen, schönen Frau, deren alternder
Gatte vor wenig Jahren so aufmerksam
gewesen war. ihi'mit seinem Segen eine
schuldenfreie Million zu hinterlassen.
Meine sehr verehrte Frau entgeg
nete er dann verbindlich und zog mit der
behandschuhte Linken die Schnurrbart
spitzen hoch. daS ist, wie mit allem,
was Erinnerung heißt. In der Be
leuchtung gesehen, erscheint lfis Talmi
wie Gold. Gewiß, auch ich rnöchtc daS
nicht missen. Aber glauben Sie mir,
Gräsin, ganz abgesehen von dem Na
nun, de Sie heute tragen, Sie würden
sich nirgendwo anders' mehr wirklich
wohl suhlen, als in , Ihrer' jetzigen
Sphäre - V
Sie sehen dabei als selbstverständlich
voraus erwiderte die junge Frau und
ließ den Blick durchs Fenster schweifen.
e!s nähme sie nur halb an der Unter
Haltung teil, daß man sich überhaupt l
- t;mti fni:;-r: j rr!- w .-"1
Dill woyl üt)iu jtaiucuu!, üi u, vci
Sie das Lebe nur als konventionellen
Begriff kennen, muß daS ja such ganz
selbstverständlich sein
.Gräfin sagte der Baron hastig
und trat näher an sie heran, soll ich
aus den Worten eine Ablehnung für
mich herauslesen?'
Sie wandte sich halb erstaunt um.
,ine Ablehnung'S''
Y:
,S wissen, wie ich Sie verehre.'
Danke für die gute Meinung er
widerte sie lachend. Ich hatte, ehrlich
gestanden, such nie Gelegenheit, daran
zu zweifeln
Sie verspotten mich Z'"
Aber keineswegs, lieber Freund.
Nur und sie wurde ernst, nur eins.
Betrachte Sie die Sachlage mrt kla
rem Auge. Als ich den Grafen heira
tete. war ich ein unwissendes Ding.
Wein ganzer Reichtum war meine Ju
gmd. Er selbst halte eine unabhängige
Stellung ein. großes Vermögen und
sage wir es gerade heraus ein be
reitS ss weit vorgerücktes Alter, daß die
Gesellschaft über die kleine Dummheit
oder Ertravaganz, die er n seinem Le
bensabend mit dieser Heirat beging, mit
einem milde Lächeln, quittierte. Und
ich? WaS zog ich daraus? Ein Süße
reS Wohlleben. Befriedigung sämtlicher
Wünsche, eine äußerliche Slangerhohung.
überhaupt alles, was auf die Aeußer
chkeit Bezug hat. 'Vom Standpunkt
Ihrer Welt aus konnte ich dem Himmel
nicht ganz genug dafür danken. Denn
Sie wurden wohl kaum de Verzicht,
de ich dafür leistete, verstanden haben.
Ader ich fuhr sie erregter fort, ich
I . lt. . - tJU
tciuic IIM uai vum vcmcytii. 11111
mir das Leben und besonders das in dckj
Ehe ganz anders gedacht. Trotz der
Prackt um mich herum fand ich nicht,
was ich suchte. Ich bin auS dem Volk
-r aber so schrecken Sibei diesem Wort
doch nicht immer zusammen! und
deshalb trage ich ganz andere, r
sprüngNche Wegrisse in die Ehe hinein.
Ich muß mit meinem Manne eins sein,
muß mit ihm fühlen, jubeln und weine
können, muß seine vertrauteste Freun
bin und seine einzige Geliebte sein, ja,
das ist es. Liebe. Liebe luiß ich haben,
fast soviel, wie ich selbst zu geben der
mag. Keine Sonniagsserchrung in
einem goldenen Tempel, nein, Liebe,
mitte au! der gemeinsamen Arbeit
heraus. Dar! besteht das Geheimnis
der Zufriedenheit, die der größte Teil
unsere Volkes in feinem nicht immer
beneidenswerten Lose findet
Gläfl sagte der Freiherr und er
griff ihik Hu, alles das. ich schwöre
ek Ihnen, solle Sie bei mir finden
Q.t überflog mit einem Blick seine
elegante Gestalt in der tadellosen Klei
dung. Sie sah die weißen Hände
""'" "'! fl,"l!'"', ,"!"',!',! i'!""l"i"
Rudslf Zerzsg.
, , -
mit den großen Brillanten, die gepsleg
ten. langzugcstutzten Nägel und - la
chclie.
.Ja.' mein Uebek kFreund nickte sie
und unterdrückte mit Mühe einen sar
kastischen Zug, arbeite würde wir
wohl müssen. Denn eS wird Ihnen
wohl nicht unbekannt sein, welch seit
same Bestimmung . der Graf mit der
egoistischen Liebe deS Greises in sein
Testament gesetzt hat
Bestimmung V versetzte der Frei
Herr, und mechanisch gab er die erfaßte
Hand frei. Tann, schnell die frühere
Haltung wiederfindend, beeilte er sich,
verbindlich hinzuzufügen: Was hät
ten wohl die Bestimmungen des Testa
ments mit unserer augenblicklichen Un
terhaltung zu tun?'.
Sie chören dazu bcharrte sie mit
freundlichem Munde. Sie müssen doch
wissen, mit wem Sie es zu tun haben
Mit der schönste und elegantesten
Frau der Welt
Die Eleganz zum Beispiel würde
sich recht bald auf ein Minimum zu be
schränken haben, da imir mein vcrstor
bener Gemahl für den Fall einer Wie
derverhciratung nur ei kleines Legat
ausgesetzt hat, wohingegen daS Vcrmö
gen an die Linie zurückfällt
Der Freiherr figerrte sie sassungs
loS an. -
Aber das ist ja daS ist ja kan
nibalisch platzte er endlich heraus. -
Bitte lächelte sie, sprechen Sie sich
nur aus
Und plötzch begann auch der Frei
Herr zu lachen, laut, sprudelnd, als ob
er den köstlichsten Witz vernommen
hatte; er lachte, bis ihm die Augen
tränten.
.Gnädigste schluchzte er, Sie sind
superb. WaS Sie nicht alles ersinnen,
um Ihren ergebensten Diener '"auf die
Probe zu stellen! Aber ersinnen Sie in
Ihrem reizenden, kapriziösen Köpschen
nur weiter es nut nichts, es nutzt
wahrhaftig nichts
Herr Baron, ich bin bollkomme
ernst.'
Nein, nein, nein wehrte er ab. Ich
sehe schon, ich bin heute zur' unrechten
Stund gekommen. Sie haben heute
Ihre Scherztog. Nicht das Heiligste
ist vor Ihnen sicher. Ich werde wieder
kommen. Gräsin, ich werde wiederkom
wen hoffentlich zu einer glücklicheren
Stunde.'
Und noch Zmmerlachend, küßte er ihr
die Hand und nahm Urlaub. .
Auf der Straße tzte er mit einem
Ruck den Hut fest und vergrub die
Hände in den Paletottaschen.
.Donnerwetter.' murmelte er. das
hätte ein böser Neinfall werde können.
Kein Geld - aber dafir noch an
spruchsöolle Liebe, hahaha, und und
Arbeit.' Es überlief ihn ordentlich
kalt. Heilig Kreuz, da war er mit knap
per Not einer elend schlimmen Falle ent
gangen. Ordentlich, eingeheizt hatte sie
ihm schon, das Teufelsweib. Na, und
nun? .
Mit einem Male blieb er stehen und
sah nach der Uhr.
Hm machte er, und ein freudiger
Strahl glänzte auS seinen Augen, das
ist ein Gedanke. Heiraten wird sie, das
steht fest. Bald sogar schon, das fühlt
man. DaS Vermögen fällt demnach an
den Erafe Ernst, der eine Tochter be,
sitzt. Zwar nicht mehr ganz jung und
ganz schön aber hm, desto schnei
ler wird sie ja' sagen. Ich komme
übrigens noch gerade recht zur Besuchs
stunde
- Damit rief er einen Wagen heran
und rollte, im EoupS sorgfältig keinen
Schnurrbart bürstend, in bester Lau,
dem Ziele entgegen.
Die schöne Frau aber halte sich ach
seinem Weggang wieder dem Fenster
zugewandt und den Besucher in derscl
bn Minute vergessen.
Träumte sie? Oder woher kam er
plötzlich, dieser weiche Ausdruck, der mit
einem Male auf ihrem Antlitz lag und
die ganze Gestalt w Weichheit einzuhü!
len schien? Ihr Mundwinkel zuckte leise
und die lange, dunkle Wimper zitterte
eigentümlich Über dem großen, braunen
Buge. War es Trivier um die Bergan
genheii? . War esHoffnung auf die
Zukunft?
Nein, sie träumt nicht Den jetzt
bog sie sich etwas vor und sah scharf
die gegenüberliegende Häuserreihe hin
ab, bis zu dem letzten Gebäude. Sie
konnte eS deutlich erkennen, und nun sah
sie. wie in einem Zimmer der höchsten
Etage ein Licht aufleuchtete. ,
Er machte Feierabend sprach sie
vor sich hin. er hat lein Tageslicht
mehr. Ob ich einmal bei ihm nach dem
echte sehe?'
T letztes Worte dachte sie mehr, als
sie aussprach, und doch fühlte sie, wie
ihr heiße Nöte in die Wangen stieg. Da
trat sie vom Fenster zurück. Aber nach
wenig Augenblicken hatte sie ihr L
mermädchen benachrichtigt, daß sie och
einen kurze Ausweg vorhabe, und be
fand sich im Freien. Ohne anzuhalten
schritt s die dämmerige Straße ent
lang, betrat das still daliegende Haus
und die Etage. Sie klopf! an eine
Tür. und t sie glaubte, eine Stimme
vernommen zu haben, drückte sie aus die
Klinke und stand auf der Schwelle.
Das große Gemach war nur mäßig
erleuchtet. Es war kalt hier oben, denn
in dem eisernen Ofe tejnzte nur noch
wen!e Fünkchen. Aber , der Besitzer
des ZimmerS schie da nicht zu. der
spüren. Ek. saß aus einem Dnhschemel
vor einer eroße Staffelei und starrte
auf ein Bild. ES stellt ine Marine
vor. Ein wackeres Schiff erkämpft sich
durch Sturmsee hindurch den Weg in
den Hafen. Eriinschwarze Woge leck
t gierig den Bugspriet hinauf, und
eine schaumweiße Sturzwelle fegte Über
Deck.
Die späte Lesucherin stand hinter
t'j" 'Hj'l" 'i''" tj''j f'-"H ' V",f"1" 'MI'!"""-
dem Waler und legte ihm sanst W
Hand auf die Schulter. ri , .
Bravo. Meister. , vor Nacht hat
der Segler Ankcrgrund
Der Maler war verwert und bestürzt
tmporgefahren. .
Frau Gräfin stammelte er. Sie
bemühen sich selbst?'
. DaS Bild ist fertig sagte sie lang
sam. ohne die Augen von der Leinwand
abzuwenden. Ein gute, ein mutiges
Bild. Ich kann Ihnen kaum auzspre
chen. wie ich mich freue, ti bald mein zu
nennen. Sie wissen doch, ich gehöre
durch meinen Vater nch etwas der
See an t
Er fand keine Antwort und sah s'
nur immer an.
Da wandte sie sich nach ihm um und
reichte ihm die Hand. Jgratulicre
Ihnen
Er behielt ihre Hand ,n der seinen
und senkte feine klaren Augen traurig iil
die ihren.
, Eigentlich müßte ich wichnun über
Ihren Glückwunsch freuen, Frau Grä
sin bcpun er, das iswohl so du
Sitte. Aber ich kann es nicht
Tun Sie es,' sagte sie Innig. Sie
geben mir in dem Bilde meine alte Hei
mat wieder und den starken Rat, trotz
der heulenden See um mich her mutig
in den Hasen einzlausen. der für mich
den rechten Ankergkund hat
Mit dem Bilde begann der Maler
von neuem, werde ich Sie verlieren.
Denn nun sehe ich keinen Grund mehr,
weshalb Sie meine Werkstatt besuchen
sollten
Er stutzte und sann nach. Jetzt erst
fielen. ih;ii die Worte auf,, die sie ge.
sprochen hatte. Und. einen Schritt zu,
rücktretend und feine männliche Figur
mit Gewalt ausreckend, fuhr er fort:
Außerdem, wenn ich Sie 'recht verstan
den habe. Frau Gräsin, so so
wird wohl bald die Reihe an mir sein,
Ihnen Glück wünschen zu müssen. Ich
ich nahm an verzeihen Sie die
Indiskretion daß Sie mit dem Hafen
eine neue Ehe "
'Sie lachte ihm ig.daswctteigebräunt!
Gesickt.
Bin ich Ihnen vielleicht schon zu alt
oder zu häßlich dazu? Uebrigcns
und sie. schauerte leicht zusammen, es ist
kalt hier
Er lief zum Ofen, und stocherte darin
umher. .
Aus sagte er trostlos und blickte w
die verglimmende Asche.
So schüren wir das Feuer wieder
an. Wo haben Sie Holz?' .
. Aber Frau Gräsin wollen doch nicht
selbst? -Z' - ,
Warum denn nichi? Ich will mich
frühzeitig wieder daran gewöhnen. Zu
Hause habe ich eS als kleines Mädchen
auch gemußt.'
Sie kauerte neben dem Ofen nieder,
im Begriff. Holzfpäne aufzuschichten.
Wenn ich eine neue Ehe., die Ehe,
hon der wir vorhin sprachen. Meister,
eingehe, so verliere ich laut Testaments
beschluß. mein Vermögen. Also wird
dies nicht die einzige Arbeit sein, di
ich in meinem Leben noch zu verrichten
habe ,
Aber keine niedrige Arbeit stieß r
rauh hervor und hielt ihr Armgelenk
fest, um ihr ihr Tun zu verwehren. '
tWenn , zwei Menschen sich mutte
seelenallein befinden, gibt eS keine nie
drige Arbeit. Statt 'mich zu "hindern,
sollten Sie mir lieber helfen. Dann ist
es gleich getan
Stumm kauerte er sich neben sie hi
und fachte die Fünkchen an, wahrend sie
die Holzklötzchen .einzeln in die klein
Glut warf. Jetzt schlug die Flamm
daran empor, das Feuer brannte. Die
beiden Menschen aber hockten noch neberr
dem Ofen auf einem kleinen Bänkchen.
Wann murmelte er endlich, wana.
gedenken Frau tträsin denn '
Zu heiraten?' Sie zuckte mit den
Schultern. .Mein Auserwählter scheint
sich darüber noch nicht recht klar zu
sein.'
Der Maler spülte plötzlich, wie ihm
ei rasender Schmerz durch den Kör
per zuckte. Eine , unerklärliche Angst
hatte ihn bei den leicht hingeworfene
Worten erfaßt.
Wie ist das möglich stieß er hervor,
wie ist das mir, möglich?"
Würden Sie. ' es anders machen,
Meister?'
Er stieß die Feuerzange in die Koh
len, daß die Funken sprühten.
- Frau Gräsin ' er rang fast nach
Atem es ist es ist nicht edel,
mich zu fragen. DaS das paßt über
Haupt nicht zu Ihrer Güte und und
--' er brach ob.
.Lieber Meister sagte sie und zwang
sich zum scherzhaften Ton, obwohl ihre
Brust wogte, .Sie tun ja sast so, als
hätten Sie ine unglückliche Liebe zu
mir gcsaht
" Gräsin stöhnte er.
Ist es irtzihr? Ja oder nein?'
Ja schrie er auf, ja und zchutaus
sendmal ja!' .Er strich sich die Haare
auS der Stirn. Jetzt jetzt haben.
Sie wohl Ihre Willen
.Gewiß.' sagte sie zitternd und doch
so wciblich.'schelmisch. .m die LiebeZ.
erZlarung kamst du mir nicht herum.
So etwas will eine Frau immer zuerst
hören.'
Er war aufgesprungen wild, als
ginge ihm der Scher, zu weit und
nun lag er vor ihr aus de Knien und
pret sein Gesicht in ihren Schoß.
y Sie küßte ihn auf die Stirn.
Mit dir ln die Stürme hinaus und
mit gemeinsamer Kraft immer wieder
in den Hasen. Zeig mir, wie schön da
Lebe ist!'
Da stand er vor ihr, mii kühnen la
kbenden Auae und breiter, stürmender
Brust und hielt ihr die Arme entge??,
alS wollte er sie an Bord seines Silfe
heben. Sie ober warf sich hinein, ohn
Bange vor den Wogen des
meerel. '
Je besser wir find, desto besser werde
die Mensche um vnS her.
Wie diele nennt der Mensch .merk
würdig', wok er schon fe, der nächsten
Stunde derMt. - -
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