Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 12, 1918, Image 3

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muflfiiina" in bte'tirttm Mass triebet
ftften. In b Form tritb sich weniq
Aeränbetung zeigrn. mnn tränt ollk je.
nen Cdjiiilir, bie fchtn im Herbst auf
K Jngrkordnilng iwrtii, btU fute
Icickenlleib mit teicknn ottenbefafe unb
einfaiVm Rock, ba Mauieitkib unb baS
Mtetb mit ongestblnn Bluscnjäckchcn,
VJJsfjt unb Mkhr mnckt sich bie Mobe gcl
tnib, bnä fflotbctteil schiirirnatüg ju
nrinercn. Jnerft nur für Gcskllschasks.
lleibtt bestimmt, übertrug Paris bie
Mode, auch auf die Kleiber für bie
Straße. Wir sehen an bem Wobell links
aui feinem rauhen WvUstoff ein Pelz,
stiick ausgescht, ba an Fruchjahrsklcibern
burch Samt erscht wirb. Bei bem mit!
leren Anzug ist baS Vorderteil streifen
weise mit Samt besetzt unb eine breite
Halskrawatle auS Samt vervollständizt
bie Garnitur. In Pari bat man neben
dem Biber als juaenblichcn Pelzbesatz
bem silbergrauen Krimmer aros,e Neciite
eingeräumt und aller Wahrscheinlichkeit
werben wir im nächsten Winter mehr von
ihm hören unb sehen.
In unseren Mobegeschästen hebt ein
grosse! Rüsten zur strühjahrssaison an.
Tie leergeworbcnen Schränke werben mit
Zeichten flotten Kostümen gefüllt. Noch
dominieren Samt unb Pelz, aber zwi
schen bett bunden Farben unb dicken
Stoffen tauchen boch schon lebhafte ffar
benfleckc unb gefällige, duftige Gewebe
auf. die besagen, daß ber Winter ans
einspielt hat. Wer heute noch Im bicken
Pelz und Samthut einhergeht, mag mor
gen schon mit der ?1Zobistin iiber neue
fien Formen der Ctrohhüte unterhan
dein.
An der schnellen Bereitschaft zur Ge
genlicbe erkennt man die kleinen Natu
ren. Ich liebe, was mich liebt.' sagt
der kleine Mensch, .Ich nicht? ich liebe
nur. waS liebenswert ist," sagt der
große. Ich auch,' entgegnet eifrig der
kleine; .aber was mich liebt, ist doch
liebenswert."
gjfo Foul Hl'as im Staube.
Doktor Notpfennig, der kleine, fleißige
Archäologe, ward immer gar bald der
Sklave seiner vorgefaßten Pläne. Die
Gründlichkeit, mit der er seine Fach
studicn betrieb, wandte er gewohnheits
mäßig auch bei Fragen des täglichen Le
benö an; handelte es sich aber um außer
gewöhnliche Fälle, so ging er auch mit
außerordentlicher Sorgsamkeit an die Lö
sung etwelcher Fragen oder Aufgaben.
Ein außergewöhnlicher Fall war es
aber auch, wenn sich Doktor Notpfennig
verliebte und bicser selten eintre
tende Zustand war kürzlich über ihn ge
kommen, und zwar mit der Plötzlichkeit
eines Schllttelfiebers.
Diese Plötzlichkeit war ihm da Pein
lichste an dem Geschehnis. Sein Gewis
fcn, dem die Borsorglichkeit anhaftete,
die sich schon In seinem Namen kundgab,
warnte ihn davor, sich so nolrna volens
jenen fremden Einflüssen preiszugeben,
die von zwei schwarzen Augen und einem
speckigen Hälschen mit einer Wachspei
lenketie ausgingen.
Was war aber zu tun? Solche Augen
und solch ein Hälschen vergaß man nicht.
Man mußte immer daran denken und
danach ausschauen. Dabei wußte er lange
nicht, wie die Besitzerin jener Neize hieß
: schrecklich für einen Doktor Notpsen
nlg. Er wußte nur, respektive er glaubte
annehmen zu dürfen, daß die stattliche
Dame mit auch schwarzen Augen und
auch einem speckigen Hälschen n groa
und einer Goldkctte ihre Mutter war.
Er hatte die Damen zum erstenmal
aus dem Pineio gesehen, sitzend auf den
bezahlten Stühlen nahe am 5tonzeritem
pel, mitten in b.r heißen Novembersonne.
Und in dieser schönen Sonne, wo PI
nien ihre Dächer breiteten und Palmen
blühten, holte er sich besagten Schütte!
frost...
Da et In Begleitung bekannter Herren
gewesen, konnte er sich nicht einer min
nigen Verfolgung widmen; andern 2a
ge aber stand er allein am Konzertiern
pelchen, doch sein Sehnen erfüllte sich
nicht, wie tt auch wartete. Erst fünf
Tage später sah er Mutter und Tochter
In Begleitung eine älteren Offizier auf
dem Korso promenieren.
Et wurde beinahe wahnsinnig vor
Freude, denn dieser römisebe Korss ist
die Wandelbahn Amor. Tokior Not
Pfennig strich, den Schnurrbart aus und
rollte die Augen stet nach jener Se'te
hin. wo seine Schone vorb'ikam. Bald
haite sie ihn bemerkt. Damen bemerken
jkre Bewundere! immer bald und
wenn et an ihr orbeidefilierte, bemerkte
sie ihn sichtlich den neuem, denn er war
biii-sch und d'einb und sogir elegant y
UittU Während bis Mutter ii
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UHJU.l .-im. .w. ''
Novelle von El-CsrreZ.
bem Offizier plauberte, flirtete das
Töchtcrchen ihrerseits mit dem blonden
Fremdling.
Schon fühlte sich dieser in höhere Da
feinssphären versetzt, als ihn plötzlich eine
rohe vaust aus die Ebene irdischer Zu
stände zurückriß. Es war ein 5lollege.
der ihn höchst trivial mit: .Na, mal nich
so fixe nich!" anredete und sich einfach
Doktor Notpfennigs Spaziergang an
schloß.
Währenddem mehrten sich unheimlich
die aneinander vorbeidrängenden Men
schenmassen. Der schmale Korso glich
einem zu engen Strombett, das die drän
genbe, lebenbige Flut nicht mehr fassen
kann. Im Fahrweg rollte Wagen hinter
Wagen, eine nicht zu durchbrechende, end,
lose, stundenlang sich nach einer Seite
hinbewegende, vom Pincio kommende
Zeile. Auch den Fahrdamm in dichten
Massen füllend, drohten die Fußgänger
immer unter die Räder der Equipagen,
Droschken und der in gehemmter Kraft
schnaufenden Automobile zu geraten.
Doktor Notpfennig fxlarn eine melan,
cholifche Auivcindliing. Im Gedränge mit
Reichtum, Ueppigkeit, Versuchung und
Leichtsinn dachte er an seine würdige
Mutter im thüringischen Landstadtchen,
an seine ledige, alternde Schwester vor
ihrem züchtigen Nähtifchchen; da aber
kam .sie" vorbei und schenkte ihm so
einen langen, zuckersüßen,' zündenden
Flammenblick, daß ihm alles Blut in den
Kopf schoß und er mit unsäglicher
Wonncpein Amors sengende Pfeile in
seinem Fleisch fühlte.
Auch sein Begleiter hatte jenen Blick
bemerkt. "Gorbo cli ,ign" sagte er,
Indern er sein Italienisch mit sächsischem
Dialekt aussprach. DaS nennt sich 'ne
Sache! Schade, daß das alles nur Aus
stellungsartikel is!"
.Wieso?" fuhr Doktor Notpfennig
herum.
Na, mer kann diese Schönlxiten doch
nur von der Ferne bewundern! 'ran
kommt mer da niemals!"
Doktor Notpfennig wünschte die Un
terhaltung abzichnchen und kaufte einem
kleinen, zerlumpten Benzel in Männer
Hosen öerini ab.
Der Sachse jedoch schien das peinliche
Thema zu bevorzugen, .Unter mei'm
Logi wohnt 'ne Familie mit zwei Töch
tton, bildhübsche Sianorinnen, sage ich
Ihnen, obrt meinen Sie, mer kommt da
'ran? Keine Ahnung! Immer bie Mnt
ter brrbei ober ber Aa!r ob?r bie Hius
Vilterin. Keinen Schritt atiein tu sie
übet bie Straße, Und sich ihnen ben
noch nah'rn, heiß gleich nie V:,r üf
tt-!'!.!"
,S fuaten Sie doch die Schönst:!'
sagte Doktor Notpfennig, dem so etwas
im Sinn lag wie sie oder keine", als
seine Schwarzäugige , wieder vorbeikam.
Der Sachse sah ihn verblüfft an.
Heiraten? ?!ee doch! Außerdem bin
ich zu Hause verlobt!"
Da gehen Sie ja auch die Cignorin
nen" nichts an!" versetzte Doktor Not.
Pfennig prüde.
Ter Sachse ergiff ihn, als gelte es,
einen Tobsüchtigen halten. Knade vor
Recht!" rief er aus, Sie wollen doch
nicht etwa ?'
Doktor Notpfennig machte sich zornig
los. Ich will mir meine Briefe holen
und muß vermutlich noch einiges schrei
den! Gute Nacht, auf Wiedersehen!"
"A rivcdereichen!" sagte der Sachse
ganz verdutzt und sah sorgenvoll dem
Freund nach, wie er nach S. Siloestro
zusteuerte, dessen herrlicher Palmengarten
die Wandel und Schaltergänge der Post
umschloß. '
Der aufgehende Mond sah einen
Schwermütigen zwischen den Trümmern
des Forum rornanum umherirren.
Seine Seufzer füllten die Nacht und de
ren sanfte, kühle Stille.
Doktor Notpfennig, feines archäolo
gifch-kunsthistorischen Studium! ganz
entrückt, dachte nur immer : .Sie
oder keine!"
Seiner eigensinnig erlangenden
Liebe gesellte sich jener' Jorschexeifer, der
ihn schon in seinen jungen Jahren zum
bekannten Gelehrten gemacht hatte, und
dieser sein Ehrgeiz stachelte ihn an, zu
kämpfen, um zu siegen.
.
Und er ließ von seinem Bemühen
nicht ab. Mochten die andern ihn hän
sein und auslachen oder auch bemitlei
den. er umlagerte die ftste, die aller
dings anscheinend uneinnehmbar war.
Ter Sachse hatte recht, man kam i,ichl
.ran". So bielverheißend die Blicke bes
schönen Mädchens waren, so wen'g folgte
ihnen. Wobl erkundschaftete er end
lich, daß die Mutter Witwe eine' Off!
ziers war. daß fit. noch zwei Söhne
Halle, die ins ssollegic gesteckt waren,
aber sich persönlich den Tarnen zu na
hen, schien unmöglich. Weder Beziehun
g'n zu Künstle:, und Li!eraten!reisen,
noch Interesse für Wissenschaft und gei,
stige Bildung würzten ihr Leben. Im
er.een Zirkel ihrer Familienbeziehung
lHn sie wie hinter einer chinesischen
Mauer,
Trotz rflebem : im Lande det Ro
mrs und seiner Julia gab es schi'n im
in Steigleitern und :,i-ch heute sin
d't die Liebe iiite Strickleiter und nun
Zeilät 'JL'tiMl aud (iu. Der Sei
ler dazu war der Arzt Dottore Pettini,
den der junge Archäologe eineS Tages in
der Nähe der Damen sah, und dessen
Bekanntschaft zu machen ihm mit großer
Mühe und dank eines gefälligen Hals
Wehs gelang jenes römischen Hals
toehs, unter dessen. Plage schon die alten
Römer Opsertcmpcl bauten, und dessen
'Qual stets Neros göttliche Stimme be
drohte.
Und weiter gelang ihm gelang ihm
wirklich der Eintritt in Heim der Da
men. Ueber die schmutzigen Marmor
treppen eines düsteren Zinshauses trat
ein in den Tempel seiner Göttin.
. .
Sie hieß Sildia.
Und somit hieß für Doktor Notpfcn
nig die ganze Welt nur Silvia. Er
liebte nicht wie ein deutscher Gelehrter,
er liebte wie ein Kosack, wie ein Sizi
lianer, wie ein Inder.
Er dachte nicht einmal an Heimat,
nicht an Mutter und Schwester, nicht
an deren Nähtischchen und nicht an die
Hoffnungen, die die Gelehrienwelt aus
seinen kühlen Kops setzte er war ganz
und gar glühende! Herz!
In der Nähe besehen war die sieb,
zehnjährige Silvia noch reizender, als
aus der Straße mit dem riesigen Hut
und dem koketten Korfolächeln. Die
Mama war in der Nähe noch üppiger,
fast koloffal, aber weniger stolz. Ihre
Diamanten waren bei Tageslicht auch
nicht so strahlend, und an dem goldenen
Spiegel des kleinen Salons sah man
den Gipskörper des Nahmens.
Sie halten auch keine Magd, und
wenn die Tl!arna von der Ausbildung
der Söhne sprach, seufzte sie.
Und dennoch war Silvia sehr urnwor
ben, wie Dottore Pettini. der Seiler,
sagte. Dieses Bewußtsein tvard für
Doktor Notpfennig eine wahre Folter.
Sein Italienisch reichte hin zu einer
nicht allzu einseitigen Unterhaltung, die
besonders von der Mutter im Gang er
halten wurde. Als et bas briltemal
zur formellen Visite kam, traktierte ihn
die Mutter mit einem Gläschen Mar
sala, und Doktor Notpfennig zez einen
Handschuh aus so wurde das Zu
sammensein also um einen To fami
liärer,
Tas nächstemal zrg er leibe Hand
schuhe aus, und da Tarnen besichtigten
seinen Berbindungsring er trug bie
Farben in Edelsteinen. Mit schüchtern
seligem Blick wendete sich dabei an
Silvia und erzählte ihr, daß der deut
selit Ehemann ebenso wie die Frau einen
Trauring trage, im Gegensatz zum J!a
lienkk.
Ihm siel auf, daß man auf dieses be
glückende Th'ma nickt einging. Ja. er
meinte, Mutter und Techler 'wechselten
einen Blick. Er rötete vo, Verl-gn.
heit und Beängstigung und beeilte sich,
plötzlich aulzubkechef. Eine furchtbare
Ver.rirru,'g bitte ly.: grftn ihm
"nie, i'fiiuiii ii'.ud bani tliuai im
Xitgu
Beinah hätte er sich Dottore Pettini
anvertraut, aber sein Stolz hielt ihn
doch davon zurück wie auch fein Fein
gesühl, daS die italienische Frivolität
des ArzteS nicht vertragen konnte.
Ueberhaupt: Doktor Notpfennig nahm
Anstoß an der leichtfertigen Lebensauf
fassung der Italiener. Die waren so
schnell mit allem pronto", sie dachten
zu wenig und hielten von sich selbst zu
viel. Und die Frauen nur Putz und
Zuckerzeug, Staub auf der Spiegelkon
sole und kein Wissen. Gemachte Blu
men in den Vasen und die Söhne ohne
Mutterliebe im Eollegio.
Am schrecklichsten aber war ihm, sich
nicht als willkommenen Freier fühlen zu
dürfen. Die ganze Wocke bis zur nach
sten Visite brachte er in Groll und Gram
hin als aber die ersehnte Stunde kam,
lauste er in einem Fieberansall Blumen
und faßte den Entschluß, seinen Antrag
zu machen. Er ging sonst in all der
Sorge zugrunde".
Die Mama öffnete die Tür und ließ
ihn in den kleinen Salon eintreten
das erste, was Doktor Notpfennig aber
dort sah, war ein leereS Glas auf dem
Marniortischchen, anscheinend soeben
ansgetrunlen von einem früheren Be,
sucher ... Ein jäher Verdacht stieg
geradezu verheerend in ihm aus . . .
Dieser Verdacht aber wurde zur Gewiß
heit, als die Mama anscheinend in bei
legen Hast das Gläschen fortnahm und
vertusckxlnd auf die Cpiegelkonsole stellte.
Also noch ein Freier! Den man auch
mit, Marsala traktierte!
Doktor Notpfennig war beleidigt und
tief verwundet. Und sein Leid wuchs,
als Silvia nicht erschien und die Mama
sehr Ileinlautaus seinen Blumenstrauß
blickte.
Doktor Notpfennig erriet: man war
aus seinen Antrag gefaßt, und Silvia
erschien nicht, weil ihm eine Absage zu
gedacht war.
Heute schmeckte ihm der Marsala bit
ter. Und bald ging er unveriichteter
Sache davon ein Halbgetöteter.
Einige Tage daraus traf er Dottore
Pettini im Cafö und in Rom ist es
nicht schwer, jemand zu treffen, da zu
bestimmten Stunden Korso und Cas;
alle! zusamrnensiihrt. Notpfennig er
wartete, daß ihm der Arzt die ander
weitige Verlobung SilviaS mitteilen
würde, ober nichts dergleichen folgte.
Tottore Pettini verbreitete sich im Ge
genteil sehr empfehlend über die Tamen
und schien die Absichten deS heimlichen
Freiers erfragen zu wollen. Der junge
Gelehrte hüllte sich jedoch in Schweigen,
er zeigte auch nicht seine Wunden
olS ad d nächste Viütentag herankam,
was tat er da ? Et ging um eine
ganze Stunde früher als sonst hin. um
seinen Nebenbuhler zu überraschen.
Mit ganz neuen Handschuhen machte
er sih os den Weg, Er Ilina'üe on
Silvias Psnrte ahnend die Nähe der
i öÄahtöttiH,
Die Mama öffnete aber o weh!
Noch im Negligö, denn eS war erst drei
Uhr nachmittags. In schmutzigem Haus
rock, ohne Schmuck und ohne Schminke
0 weh!
Im Salon waren noch die Fenster
laden geschlossen: eisige Kälte herrschte
darin.
Sich wortreich entschuldigend, stieß die
dicke Mama die Läden auf, damit die
Sonne hereinkomme und heize. Dann
verschwand sie schnell, um sich anzu
kleiden.
EtwaL beschämt und verlegen stand
Doktor Notpfennig da was aber er
blickte er plötzlich? Wieder ein leereZ
Gläschen aus dem Marmortischchen
und auf der Spiegelkonsole stand noch
ein! . . .
Er sah auf die beiden Glaser und
schüttelte den Kops.
Er dachte nach und fragte sich endlich:
Sollten es etwa noch die meinen fein?
Nun sah er die Gläser genauer an
genau, mit forschenden Archäologen
äugen. Sie standen beide in einem
Staubring, der von vielen Tagen her
rühren mußte. Der Weinreft war in
beiden eingetrocknet und von weißlichem
Schimmelflaum bedeckt.
Eine schimmlige Staubkrusie lag auch
überall, und die schillernden Spuren
von Spinnen zogen sich über den abge
trctenen Tcppich hin. Schmutz und Ar
-mut guckten aus den zerrissenen Falten
der sonnenverbrannten Vorhänge; die mit
Moschus parfümierten Sofakissen schie
nen zu kleben.
Quälendes Bangen legte sich cuf Dr.
Notpfennigs Gemüt. Er dachte an die
weißen Cofaschon feiner Mutter, an
deren blinkblankes Fensterbrett mit Hya
zyntbengläsern, die lieblich in die ver
schneite Heimatstraße hinauslächelten.
Die Stricknadeln der lieben Alten klap
perten, und der Kanarienvogel beim
Nähtisch der emsigen Schwester fchmet
terte. Ihm war, als hörte er heimisches
Schlittengeklingel und röche die würzige
Frische des eingeschneiten Waldes . . .
während draußen tief unten in der rö
mischen Straße ein Fruchtverkäufer im
offenen Hcrnd. an jedem Arm einen drei
ten Korb, singenden Tones Mandarinen
feilbot; ein mechanisches Klavier an der
Ecke klimperte die Marseillaise, um end
lich in eine sinnlose Eanzonc überzu
gehen, deren Text ein heiseres Jndivi
duum ohrenzerreiszend brüllte.
Heimweh Heimweh kam über ihn.
Heimweh nach Schnee, nach Teinnengrün,
Kuchenduit und Freudensestvorahnung.
Ta tat sich die Tür aus. und Silvia
erschien. M't einem Hut aus Federn und
Blumen, blanke Schnallen auf den aus
geschnittenen Schuhen und eine Boa über
bet bellen Bluse. Zum erstenmal stand
sie allein ik,rem Verehrer gegenüber.
Wie hi:l)sch sie war! Aber wie kokett.
Sie schien ganz hos Verlegenheit und
f'irfte so 'ziert ihre Hand.'? tue sie
et nur beiangen. ?.'!ama lasse fragfn
Ab et mit iai A jakzul riltli fu
Aphörlttcü.
Kind ist trieb der eiste Mnsch
unb l ' I kl, in ,ii f einer noch unbr.
wcdntr,, rbe. ?,ir,ni bringt det
Uedi'kg.irz in den rwa Zifene oft
s,lmet,iu'e Leiben, 11 f.mit für ein
deranwa.t sende ft.r.b eine geradezu
füt.ftctJid Ausgsl' sein, mit einem
elkdichtn Siiftng in em frembt Hau
ju gehen. Tie üücnfenfdx u b'i lUbrr
gangSieil ist eine langwierige Krankheit,
b! au bem in sich seid geschlossenen
Ich bei Jlinbe bet 0icsel!s,chiftMknsch.
bie Jfurniuet wirb. Tnin tw Jliiib ist
ganz Individuum. (,rst durch daZ Ge
schlecht gehürt der Mensch zur Gattung,
Auch das Gesicht brückt diese Beränbe,
rung auZ; am meisten bei den Mäbfen.
Tie Geschlechtsreife bringt eine Annähe
rung an das allgemeine, an einen ästhe
tischen IdealtypuS hervor. Tpäter.
wenn der Reiz schwindet, tritt oft da
individuelle Kindergesicht wieder heraus.
In der Sprache der Erzieher spielt
Gut und Böse eine große Nolle, aber ge
wohnlich verstehen sie darunter, wZ
ihnen bequem oder unbequem ist. Mei
stens ist di: sogenannte Erziehung nur
ein Krieg der Starken gegen die Schma
eben. Aus diesen ungleichen Kämpfen
hat fast ein Jedes von uns einen Scha
den mitgebracht, der sich niemals völlig
ausglich.
Ja, wenn Ihr Erzieher selber reife
Menschen wäret und weitsichtige Weise
dazu! Aber in dem Alter, wo Ihr zu
diesem Amt berufen werdet, seid Ihr
meistens mit Euch selber noch nicht fer
tig. Ihr werdet vielleicht später ein
mal fähig. Eure Enkel zu verstehen,
nachbem Eure Kinder daS Lehrgeld für
Euch gezahlt haben.
Wenn einer sich die Miihe nähme, alle
die verschollenen Werke einer Literatur
Periode, die zu ihrer Zeit hoch geschätzt
waren, nach einander durchzulesen:
müßte es ihm nicht den Eindruck machen-,
als träte er in eine Morguc, wo ihm
Leiche an Leiche fahl und entstellt ent
gegenstarrte? Und doch: einst hat man
biese Toten nur wenig unterschieden von
den Unsterblichen, die ihre Zeitgenossen
waren. Eben so wird es der Nachwelt
mit vielen der hochbewunderten Produkte
unserer . Tage ergehen. Aber welchen
Anstoß erregt der Unglückliche, der von
Natur gezwungen ist, schon heute mit
den Augen der Nachwelt zu sehen!
Wer für nichts zu sorgen hat als da
für, wie er sein kleines Lebensschifflein
sicher in den Hafen steuere, der mag sich
leicht für einen guten Steuermann hal
ten und die Nase rümpfen, wenn er den
Segler, der eine Weltanschauung an
Bord fuhrt, im Sturm mit der schweren
Ladung kentern sieht.
lächelnd auS, und ihre Augen glänzten.
Sie hätten heute einen Wagen bestellt..
Er sollte also gezeigt werden,. . . "
Doktor Notpfennig kämpfte einen
harten Kampf. Er hätte das schön:'
Mädchen an sich reißen und totküssen
mögen. Sie glich einer ezoiischen Pflanze,
deren Raufchduft man erliegen möchte,
und doch er ahnte die kommende Er
nüchterung, er ahnte, daß er zugrunde
gehen würde an dieser Wonne und dem
folgenden Leid.
.Ich habe keine Zeit für Ihren römi
schen Korso, ich habe viel zu arbeiten!"
sagte er endlich und wendete seine Augen
von der Versuchung. Haben Sie im
mer Zeit dafür, Signorina?"
.Siciiro! Sernpre sernpre
fsempre!" sagte sie lachend und betrach
tete sich ungenierter im Spiegel.
Er hätte sie fragen mögen, ob sie nicht
lieber Staub wischen und den Hausrock
der Mutter waschen und flicken möchte,
aber er überwand natürlich diese Ver
fuchung. Dafür deutete er auf das
Gläschen, das noch den Tisch zierte, und
sragte mit Verstellung: Wer war so
glücklich, heute vor mir Ihr Gast zu
ein?"
Sie legte den Kopf zurück und heftete
einen listia-süßen Blick auf ihn.
.Ein kleiner Leutnant, prowtt mei
ne Onkels! Ach " sie tat gelang
weilt, er kommt jeden Tag jeden
Tag jeden Tag, aber ich mag ihn
nicht, gar nicht, gar nicht!"
So log sie also auch und köderte mit
Absicht. Der Schimmel im Glas war
acht Tage alt, und das andere Gla
stand vierzehn Tage unverrückt aus der
staubigen Konsole er ließ sich nicht be
irren.
Empört stand aus. Schmutz und
küge waren für ihn Feinde, mit denen
er sich nicht einließ, auch nicht um jenen
Preis, der ihm winkte, und für den nur
er sich verkaufen würde.
Da Sie ausfahren wollen, will ich
Sie nickt länger aufhalten!" sagte er
steif und kalt. Empfehlen Sie mich
Ihrer Frau Mutter. Und sollte meine
Abreise von Rom plötzlich erfolgen, so
werde ich mir erlauben, mich noch
schriftlich zu empfehlen!"
Ihm war es ganz schwarz vor den
Augen, nachdem ein erblaßtes, fiifzes Ge
sichtchen seinem Gesichtskreis entschwUN
den war. Wie von Sinnen stürzte er
die schmutzige Marmortreppe hinab und
durch die Straßen.
Rastlos rannte er quer burch die men
schendurchflutete Stadt, erstieg im Laus
das Kapitol und befand sich eine Stunde
später im feuchten Innern de Vorghese
Parts. Als er ber dort Klänge des
PineiokonzertZ vernahm, ergriff er von
neuem die FluckI und kam erst g'gen
Abend in d Gaststube der dfutsiten
Wurstsabrik in Via della Croce zu sich.
Auf seinen Teller ab, fto Sauer
kraut und ein Pärchen 'liaxw.t dampften,
f'rf heimlich eine Träne.
Oar' Henvsez oder t