Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, October 17, 1917, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    I
T5Me Lmshs. Trlbune
Die Aebergab'.
uw Dorfgeschichte von Tlarl Schönlerr.
,
Tee alle Pickclbauer saß In bet war
m?n Gtulie auf 6a Oseuoank. Das ist
nämlich seit altersher auf jebera Hvf des
Bauers referuicrlct Stammsitz im Tom
rnei und Wiilier.
Zu yiäü halte trotz der HIhe. weicht
dem rikstgen gemauerten Ösen ent
litiimte. eine Pelzkappe tief im Kopf:
sitzen. Cinige Buschkl blühivcibe: Haare,
denen eS doch allgemach zu schwül
wurde, hatten sich mit Mühe aus ihrem
schaffellenen Keiler in die Stirne hin
usgearbeitet. Dr! Alten Gesicht war
an zahlreichen Stellen mit Zunder
slcclchen verpappt. Er hatte sich nämlich
heute seiner Gewohnheit gemäß eigen
händig rasiert, und diese Operation girg
v.-t unblutig vor sich. Zunder aber ist
ein blutstillendes Mittel.
Jetzt ruhte der Bauer von dieser
Selbst schinderc! aus und ließ sich das
Pfeifchen schmecken. Seine Miene ist
slillvergnugt. Vielleicht deshalb, weil er
sich beim .Balbieren" nicht den Hals an
afärntten hat.
Aber so gefährlich ist da, Messer
nicht. Dem kleinen Geißbud, der ei oft
heimlich hinter dem Spiegel hervorholte
zum Holz schnitzeln', hatte es immer
ja wenig .Schneid" gehabt.
S??nüber der Ofenbank saß v
dauern Sohn Steffel. ein mittlerer
Vierziger. Trotz seiner Jahre hieß man
ibn Überall noch .'s Pickels Bua". Ts
feint davon her, daß der Alte in seinem
Mgensinn um keinen Preis dem Sobne
.übergeben- wollte. So konnte sich die
fit auch nicht selbständig macbcn. Tas
L ... ?-l.t.S s. f'.f knk?,.
iuci es cicini vii9t"-"' iw vi"
Auch tt hatte seine Pelzmütze auf dem
stopf und tauchte seine Pfeife. D'.e
Zunderfleckchen im Gesicht fehlten bei
ihm, denn et trug einen wirren, dichten
Bart.
Draußen ffttf ein schneidend kalter
5Sinr, der malte mit feinen EiZnadcln
die schönste Bäume auf die kleinen
Yensterscheiben des Pickelhofcs. Tem
dicken Ofen war diese Kleckserei in die
Seele hinein zuwider, und er hatte sie
gerne verwischt. Aber er langte nicht
bis zum Fenster hinüber, trotzdem er
die hitzigsten Anstrengungen machte.
Die große Wanduhr im eichenen Ge
häufe schlug, über jeden Neid erhaben,
. ihr Ticktack. .
, ' Der alte Pickel machte paff, haft und
spuckte in bestimmten Zwischenpausen
eine Strecke weit von sich fort, auf den
Der SteM machte ebenfalls psff,
paff und tat von Zeit zu Zeit deSgier.
6.n wie sein Vater; aber mit bedeutend
- mebr Kunsifertiakeit und Geschick.
' So hatten sich die beiden beinahe zwei
' j , irti. r.ni.
, stunden lang unteryamn. aw ow
' ; -ncsi die Konversation noch reger wer
dm. Tcr Steslcl. tränte nq it tir.wi
'SiLf faljen!) hinter den Ohren; das
?rccr cirt sicheres Zeichen bald eintreten.
tr ("(fftttiisbiakeit.
: tiAiia. nack, kaum einet weiteren
Viertelstunde sprach oct Steffel also
jum Vater hinuver:
ia!"
iii Waren noch keine fünf Minuten
tm da gab der alle Pickel schlagfertig
' zurück:
. ' 1"
tot der Sicffcl wollte sich heute nicht
Gfn:
. mt nil bin 1 denn. Vater?"
Tfr alte Wickel rütnie sich nicht und
paffte weiter. Desgleichen .der Sohn.
Räch Verlauf von zehn Minuten schien
die Frage im Gehira des Alten angelangt
und von dort aus an die Zunge Order
c?;irpcn abaeaeben zu lein:
.'.Du bist hin ein' Haufen jünger als
; ',,'-
' Der Bua nickte wehmütig. Der
ahc Pickel war gerade zweiundsiebzig
Jahre auf der Welt. .
Eine Zeitlang war el wieder stille in
r warmen Stube. Beide Teile wollten
sich von den Strapazen fceS Wortgefecht
ii& rr1it1rii.
' a-nim nnbrn bet Steffel wieder
.!n,'n nkuf:
"Loter, die Gartncrrosl, döZ ist a
WM . .
2r alte Pickel kniff die Augen zu und nahm einen langen
Zammen, um sich des Sohnes Wort- Schluck, ebenso der Siesfel.
sbrratt d überwältigend auf ihn her ten sie vorne an den Schilt:
ftiinnt kam. beste? zurechtzulegen.
Er klopfte vorerst auf dem Daumen sei
sen Pfeifenstummcl aus, stopfte sich
zündete an und passte.
' Nachdem er die neue Füllung bis zur
Hälfte hinuntergeraucht hatte, hielt er
ii cn der Zeit, seinem Sohne Antwort
zu geben: "
Uni, du bist a Bua'.'
AkiraI war die Rosl ein .Madl"
von sust fünfunddreißig Jahren. Und
daran trug wiederum nur der alte Pickel
V? i?ckuld. weil er nicht in das Aus
tiaoftübchen wollte und so dem deck
nndvicrziaiährigen Bua die Mo:o
seit benahm, die eiternde Guttuen: 1 in
; fcmn itkklbskdäun'm ZU ViI.2N-
YtU
Tn ,Vua' war heute von einer krank
H.lä,iakeU. Er schien etwas
(.ich-.i'Z auesprechen zu wollen, denn
er kratzt sich hinter oen iyren wie ein
P.-.'.hurd m Ij.
und die NoZl .
Zn Steffel machte eine Pause und
v v.t n.j'.t ebne vorher kräftig aus
c k. "i yt haben, vetstattdnisvoll mit
rm Alten binüber
rj'i n b-b'n, daß du bald in die Aus
i ' : !, d'n urn'tjttfiit.
Ö'h3r' geht. Nachdem der Steffel ,'ne
halbe Stunde nachgedacht, schien er ein
derartiges Argument entdeckt zu haben.
Mit siebez'g Jahr' geht sonst a Mr
Mensch!'
Za Alte Ihk des ifllincä ucne ganz
gemütlich bis zur Schwelle des Bewuß'.-
sems herantrotten und vememe oann
seinerseiiz höbnisch: . ..
Bin halt kein Ättnl, vin a ieq:
,Wenn übergibst denn nachher'
forschte der kühne Steffel.
Der alte batte feine Pelzkappe vom
Kopfe genommen und schien die Haare
daran zu zählen. Er putzte, wischte und
streichelte das Fell. Sem derkleineries
Gesicht strahlte in sorgenloser Heiterkeit:
Vielleicht mit fünfundackiz'g Jahr',
kann sein auch mit neunzig!"
Ter Stehe! stoynte uno rauerzre wie
ein Kamin.
Der Höhepunkt der Konversation war
entschieden vorüber. Tie Unterlzaliunz
sank aus d:e orm, nachdem ver ai.:
Pickel noch für morgen mit seinem
Öua" eine Schulten ahrt naey ver Ä!m
verabredet hatte, um von dem dort n-
tergebrachten Heuvorrat etwas ins ,al
zu bringen.
Es wurde gegenseitig gepafft, geraus'
pert. gespuckt; die Uhr schlug tickrack, und
draußen heulte der Winv.
Ter Hinge Pickel luchle lich ,m wit
klar zu machen, wie die Dinge stünden,
wenn der Water mit .fünfundachz'g"
übergebe.
m dabin wäre er. m wms ü'ua .
ein guter Fünfziger und fein Madl".
die Rosl. könnte zufolge längst erreich
ten kanonischen AlterZ um einen Posten
als Pfanerökvchin einkommen.
Stes e!s Preise yatie ,?oaiv x.ui .
Zog er also den Pseisenstierer hervor
und bohrte so ungestüm rai Ätoyr: yer-
um. bis das Instrument, dem es im In-
nern des Rohres etwas undehagiich lein
mochte, sich einen künstlichen Ausroeg
suchte und endlich seitwärts zum Vor
schein kam. Das war dem Stessel alles
eins. WaZ war ihm ein ruiniertes
Pfeifenrohr im Verhältnis zu der Aus
licht, Pmels Bua zu vieiven, vis ,ym
das sechzigste Jahr im Blute gleich!...
Svät abends arna er zur no!, um
sich Trost zu holen. Er holte sieq aoer
nur Grobheiten und Scheltwort?. Tie
Rosl erklärte, es satt zu haben, sie werde
iick um .evvks" anderes umschauen.
Ter CtefM Wiraz na) neun, ymaus
in feine Kammer. Er warf sich ange
kleidet aufs Bett und rauchte. Ta;u
sagte er:
itim xinnr
Und strich seinen wirren Bart, in dem
sebon weike Näden schimmerten. Bald
schlief et ein; Buavn yaoen eie
gesegneten Schlas.
Am nächsten eiskalten Morgen sian
den der alte Pickel und fein Sohn zum
Abfahren bereit auf den iach z,um .ale
führenden Schneeweg. Vor ihnen la
aerte breiii'vurig der hoch mit Heu be-
ladene Schlitten uno nreaie oie auigevs
genen Kufen herausiordernö in oie
Luft. An Steiftl, Bart Zingen aucni
halben Eis zäpfchen herunter; dir Hände
beider Mannet taten in unrormuaen
Däumlingen. An die Schuhe hatten sie
sogenannte ckneeei en ge cynaui, um
auf dem schlüpfrigen Wege nicht aus
zurutscben.
Das Lenken eines zu ai sayrenocn
Schlittens erfordert eine große., Kraft
und öksebicklickkeit. Besonders gcfahr
voll wird die Fahrt, wenn der Schlitten
auf abschüssigem Wege vureyzugeyen
drobt. Da heißt es mit Aufbietung
aller Kräfte halten uns ncy mir Hanoci
und Füßen stemmen uns weyren gegen
den Ausreiner: denn wenn er das Ueber
gewicht erlangt und ins Laufen kommt,
gebt es aur ueven uno z,oo. iai
über seine Lenker hinweg rasend tal
wärts, bis er irgendwo an einer Baum
gruppe zerschellt oder übet eine tfei
wand binausfäbrt.
Aib, Bua. in GottS JamT lagie
der alle Nickel.
Es war sein erstes Wort lert genern
abend. Qt zoa aus der inwendigen
Jodveniascbe eine Schnapsflasche hervor
langen, iiarienoen
Dann tra-
ten und zogen
an den Kufenkörnern an.
Der Stenel machte dabei weymungen
Herzens die Erfahrung, daß fein Vater
noch eine Rünigkeit und Frische besaß.
welche im, vielleicht noch rozri pimmie.
erst mit' künfundneunz'g" zu übergeben.
Er schritt traumverloren neoen seinem
Vater her. Bisher war alles gut ge
ganaen. Jetzt kam man an eine ab
scküssige Stelle, an der es galt, mit dem
Klnten einen weiten Bogen zu macken.
Manch ein Schlitten ist schon an dieser
Ausweichstelle zu Scbaden Lkkommen
und samt seinem Herrn b,nun:ergel,au?l.
Zahlreiche hrer anaevrachte .Äkarrerin
uaen davon. Tie Männer pflegen da
vor gewohnheitsgemaß ein Vaterunser
zu beten um gnädige Fahrt; verlassen
sich aber 'sebon ein bischen auf ihre gute
Krast. So taten auch der Steffel und
in alte Nickel.
Während des Betens blitzte eS mit
einem Mal in StefftlS Augen auf. tfr
sah auf den Vater, dann auf den Schli!-
ten; dann sagte er:
..Kut ist'S I"
Tas war fein erstes Wort seit gestern
abend. Dinn zoaen sie an.
.Bus. halt dich mchr links!' kam
W:
D-t SKftel lehnte sich zurück
und
in lSeduld auf das Eintreffe
i.r x r ''Tl.ieB Entgegnung.
T "e lutetein beißender Ironie:
.I wqch' nii in a AuZnahm'. bleib
- ; ;j i'i c'ok'n Stub Nl
r i P'.ä( yjcltt mit dem Ge
c.4 vo ibm j-V-and etwas in die
" . v "rf;n tr!l;;c Xsi sah er ein,
, :;-:m 'iC-vv. on v:mcm aiaut
..!-. f-, x tmiiset sei. 5öt t:n mußte
tnana;it:e cet ant '4jiaa. .iin i i""
men wir bei der Ausseichstell' nit in'n
Ried!"
Aber der Siesfel war heute wie ein
bockbeiniaeS Pferd. Er hörte niebt auf
links und .hoit"; trieb mit dem Schli.,
ten geradeaus fort.
Bald erscholl wieder, diesmal schon
beinahe gdlick. des Alten Warnung!
ruf:
ue. linU!"
t:t der Stesl horte nickt. ?r
...
('
iien werden, was ihm .ins i hatu den Ksdf gesenkt wie ein gettiztu
Stier und fuhk immer geradeauZ. Wenn
sie diese Richtung noch zwanzig Selun
den innehielten, fuhren sie direkt in den
Abgrund, in Teufelsrachen.
Bua. heb' heb , wir kommen w
Laufn!-
.Mir gleich', sagte der Stefsci.
Der Alte stemmte sich mit aller Ge
walt gegen den Schlitten, der bereits in
ein verdächtig schnelles Tempo geriet.
Um alle Heilig' Bua i der
heb'S nimmer es jagt uns über die
Wand aus ..."
Tcr Steffel hielt fcht scme Zeit für
gekommen.
.Boter, uvergivfl!
Dem alten Pickel rann der kalte
Schmeiß über die Stirne. In den nach
stcn Sekunden war der l-cyiitlen mau
mehr zu halten und mit Mann und
Maus verloren.
Der Alte mochte sich stemmen, wie er
wollte: seine Kraft reichte nicht aus,
,das drohende Unheil aufzuhalten.
Noch einmal erschallte m rurzge,lve.
neu Lauten Steffcls Parole:
Voter. übergibst?"
Ueberaeben ist sür einen Bauer eine
sckwere Sacke: aber über die Wand
hinaussahren just auch kein Vergnügen.
Unter dem Druck der Verhältnisse,
und weil nicht mehr viel Zeit übrig
blieb, sich die Sache' zu velchiasen,
stöhnte der alte Pickel:
Teusclmem, za:
Jetzt erst grisf der bärenstarke Stessel
en. lis war aoer auaz oie lzo,ie li,
denn der Schlitten war keine fünfzehn
Schritte mehr vom Abhang entfernt.
Ein starker Ruck von Sieffels nervigem
Arm gab seinem Lauf sofort eine an
bete, freundlichere Richtung, uno aue
efahr war vorüber. Der Weg bis
nach Hause war ja von da ab der denk
bar beste. . ,
Die Unterbalhrna der beiden wahrern,
der Heimfahrt bestand in beschaulicher
Selbstbetrack'tung.
Ter alte Pickel ging wie ein Besiegter
iY,f-r hem SeMitten bet: als wäre er
plötzlich um Jahre gealtert. Ter Steffel
fernen junger gcworven; er riy ven w
bcladenen Schlitten an den Hornern
herum, bald rechts, bald links; wie es
ihm gerade Paste. Tie Äugen rneit cr
bald "zuaclnissen; weiß nicht, blendete
ihn der Schnee, oder tat der Stessel ein
wenig schmunzeln.
Er wußte, daß er nun geroonnencs
Spiel habe. Was der Baker einmal ge
sagt, das hielt er auch unter allen Um
ständen. . , ii
Was t g lag: nco , i)G.o i gr-w-Am
nächsten Tag nach dem Mittag
t , .i. m:.j,( rttik n
esten ichua, iicy oer cue yiati i,
zur Tür hinaus.
T,,-t K et e ian taumeuo oui vzi
Ofenbank, kniff die Augen halb zu und
fah dem Vater nach.
ST- o'na dinudei tn cie Allsi,m
stub'n". Tort visitierte er den Ösen und
sak nack,. ob die Fenster gut schließen;
dann hielt er an den Mauern Umschau.
Alles war so nett und reinlich, und gar
die Himmelbetisiatt in der Ecke der
Pickel wurde ordenllich imiarrig oti y
rem Anblick. ,
Wieder nach einigen Tagen tam ver
alte Pickel in seinem vc'erlaggewano
von der Kammer herunter. Er war
aan! festlich herausgeputzt. Statt des
kleinen 'iteii,ensiumme:s ymg iicu.c
silberbeschlaamer Ulmertops in innern
Munde. Die Schafsellkappe batte er
mit einer stattlichen Fuchspelzmütze der
tauscht.
Er ain in die Stube und bedeutete
seinem Bua", ihm zu folgen.
Der Stessel kniff die Aeuglein zu
sammen. als blende ihn Keller Sonnen
rfieiit. und ko ate dem watet.
1 ' ... . ..i ' 's rpv-C M
tote piegen izmunier ins
Leute i'ckauien den beiden groß nach.
Der Pickel lenkte auf ein stattliches Haus
(rs, war das .G ricki".
Ter Riauer mat oen auer um au
Beaebr. Nach einer langen Pau,e
der Gestrenge fing an. lon recyi un
geduldig zu werden meinte der Alte:
I bin ein altes 'JtcB-
.uf. meinte der Richter und stellte
sich auch seinerseits vor: I bin der
Landrichter! Was soll i mit dem alten
Nß!' . . ,
TÄe ffi fen abreif.en . meinte oer ant
Pickel; er wollte damit Zagen: ueoer
eben.
Und d e Saiie wurve aogemaazi.
Am selben Abend saßen sie beide w,e
der in der warmen Stube, der Pickel mit
der Schafftllkappe auf der Ofenbank.
ihm eaenüber der .Bua . Der Vater
machte paff, paff aus seiner Werktags
rnife smickte in bestimmten ?,wi
schenräumen eine Strecke weit von sich
fnrt
Der Siesfel machie ebenfalls Paff,
paff und tat von Zeit zu Zeit desglei
chen wie sein Vater, aber mit bedeutend
mebt Kunstserligleit.
Der iunae' Bickel hielt seine Aeug-
lein immerzu glückselig halb zugekniffen,
und das Schmunzeln wich seit drei Ta
oen nickt mebr aus seinem Gesicht. Ja,
die Rosl ist ein Madl, und er i,t ein
Bua. Und nun war's so weit, daß die
Butte endlicb sollte ikren Deckel finden.
..Ja a". grunzte jcht der Steffel
sattbchaglich gegen den Bater hin; wie.
um anzudeuten, daß er nun nicht abge
neigt wäre, eine Konversation zu Psle
aen.
Es kam keine Antwort au! des Alten
Mund, dasür ober um so mehr Rauch.
Nun tollte er seine besten Jahre' nur
so ..verfaullenzen': et überlegte, ob es
vicbt doch das ratsamste wäre, mit sei
nem Altenteilasld ein kleines Sösl' zu
kaufen und sich ein .frisches' Weib za
llllfWN.
T,fr e.MM bat beute, das .Redende'.
Es war bei Gott noch keine Viertelstunde
vergangen, da gab er schon wieder einen
ganzen Wortschmall von 113:
Wnrn'tT fahr i ins Lok!'
Aber es war damit dem Steffel noch
niebt genug; er mußte es nach richtiger
2,4, ä derart auch noch eingcbendst be
gründen, warum er gerade morgen ins
Hol, fahren wolle:
nuhr Scklitiwea in!'
5iun b.aann der alte Pickel zu nebeln
und zu dampfen, bis er ganz in Wolken
a:büllt war. wie ein zürnende: Gott.
Fiöuscha.
Novelle von Llln ZlarZn.
Sie stand niitten in dem sausenden,
heißen, fallenden, weißgelben Korn und
hielt die linke Hand an der Sense, die
rechte über den dunkelgrauen. weithin
blickenden großen Augen. Groß und
stark, braun und beiß von der brennen
den Sonne durchglüht holte sie tief und
erschöpfend Atem.
Dann nahm sie das blllhwcihe Kopf
tuch ab und schüttelte den Kopf. Um d:e
nicdcre Stirne und im Nacken lösten sich
feuchte, dichte braune Locken. Aber die
Zöpfe lagen, fest geflochten, wie Bronze
auf ihrem runden, starken Kopf,
Ueber den braunen Hals liefen ein
paar klare, blitzende Perlen hinab in daS
leinene Hemd. S,c ließ die enie sauen
und breitete die Arme weit ad von sich.
So stand sie eine Weile. Der heiße
Dust des Kornes, der glühende Atem
der durchsonntcn Felder, der weiße Glast,
das Summen der tausend Käfer, das
feine Klirren sonnenveraoldeter Halme
waren wie ein starkes Lieo um sie.
Ein Glockengcblmmel durchvram vie
gleißende Stille. Unten am Rain legten
die anderen die Sensen zu Hanf und
sticaen zum Bach nieder, wo unter Ho-
llindcrbuschwerk zwei Kinder mit dem
Schniticresscn warteten.
Libu cha ließ sich Zeit. Jraenoein
Knecht ries ihr etwas zu. Sie zuckte mit
keiner Wimver. Es war als häüe sie
nichts gehört. Sie würde schon lom
men, wenn es ihr paßte.
Dann dreiste sie sich um. daß ihr tau
scndsältcliger Rock wie eine Woge um
sie ging, und sah zu dem arolzen au
ernhvf hinunter, der mit seinen gelben
Strohdächern wie ein Volk riesiger Pilze
anzusehen war.
Zu diciem Hos gehören t ion cane
ihre Mutter sie vor 24 Jahren heimlich
in einer schmerzvollen lUcht m tolaa
geboren. Man hatte ihr das Sund ge
lassen, hatte es aufacioaen neben jungen
Ferkeln, Hühnern und Gänsen, hatte es
dann später mit auf die Weiden ge
schickt und es langsam zu einer Magd
ausgezogen die wieder, wie emu rie
Mutier, die Felder und da? Hich vcr
sorgen mußte.
Die Mutter war geZiorven uno t
buscha war allein. Wer der Bater war.
wußte niemand. Libufeba war nicht wie
ihre Mutter war. Sie batte eiwas
Starkes, Wildes, Herrisches an sich.
Schon wie sie cmherging war anders cU
bei den anderen Mägdcn. ie hielt sich
gerade und konnte die 'l'mn an
sehen, daß es ihnen eigen zumute wurde.
Ein berrischer Geist lebte in ihr. UNd
sie war hübsch, daß alle Burschen hinter
ihr her waren.
Und alle Weiber halten einen geöeimen
Haß gegen sie. Warum? Das wußten
sie selbst nicht. Am meisten aber war ihr
die alte Bäuerin auffällig. Wie sie ihr
auflauerte, wie sie ihre kleinen bestiegen-
den Augen auf sie richtete und immer
ihre scharfen Kiefer auseinander ricv, als
wollte sie Liduscha zwischen ihnen zer
malmen. Die Alte batte Anast., DaS
wußte Libuscha sehr wobl. Angst um
ihren Sohn, der seit drei aizren Witwer
war.
Libuscha lächelte höhnisch vor sich hin
und begann langsam mit festen Schritten
hügelab zu gehen.
Unten aßen ste Umis. 'äi 'iuft
heißen Hirsebreis kam ihr entgegen.
Ein Knecht sagte ngcnv eiwas uno
alle lachten.
Die alte Anuschka brummte wulcya
an: 'JJtiw immer was Uziras izavci,,
Libuscha?"
Sie lachte die Alte an. Sie setzte sich
und begann zu effen. Wie das schmeck:e!
Der Borknecht blickte sie an und fuhr
mit dem Handrücken über seinen Mund.
.Wenn man die Libu cha eilen icyt.
krieat man von neuem Hunger.'
Dann iß, es gibt grad genug, lachte
Libuscha,
Endlich waren die Schusseln leer. D:e
Knechte leqten sich um und schliescn. Die
alte Anuschka balf den Kindern die lce
ren Schüsseln, Kruge und Haserln in die
Körbe tun.
Die beiden Kinder trotteten davon.
Die Sonne kenaie die Luft. Die weiten
Felder der Hanna glühten weiß auf.
Ein paar Bienen summten trage vorbei.
Die Anuschka hatte die braunen, ma
aeren, abgearbeiteten Hände über die
Knie gelegt und fcklief. Ein paar Mägde
neckten sich saul und schläfrig. Libuscha
hockte, auf den linken Arm gestützt, auf
dem heißen Rasen.
Ihre grauen Aunen suchten durch diese
weißglühende Stille. Mit einem Male
bimmelle wieder die kleine schrille Glocke.
Unten am Gehöft erschien der Bauer.
Er hielt die Hand über die Augen und
staute herauf.
Libuscha fcbnellie empor und ging steil
die Lehne entlang.
Seine dunklen Augen verfolgten jeden
ihrer Schritte. Sein braunes, glattes
Gesicht, in dem die Augen so tief unter
der scharfkantigen Strine lagen, war wie
steingemeißelt so ruhig, aber die Auge
blitzten und lebten wie unruhige, bren
nende Flammen.
Die Libuscha'. Herrgottfakrament die
ses Frauenzimmer zerfraß ihm seine
gan?e Ruhe! Unter seinen Knien möchte
er sie wissen und erdrosseln vor Haß und
Wut!
Und dann wieder hielt ihn eine Scheu
ab, die et sich gar nicht erklären konnte.
Er spuckte zmiscken den Zähnen so weit
wie noch nie: von -Ver Ofenbank bis in
die fernste Stubenecke. And als nach
kaum liebn Minuten der .Schlitten' die
Scbwelle seines Bewußtseins passiert
batte. da fck.lug der alte Pickel mit der
Faust auf die Ofenbank, daß es nur so
schepperte; er bekam einen blutroten
Kopf und schrie wie besessen:
Krcuzteufl, verhallter! Was geht mi
dein Scblitlenweg an!'
Einen DislurZ über Schlitten und
Sckzliitmez ließ der lte Pickel nicht i
Und daj wir auch beireillich.
Wenn sie ihn so ganz und fest an
blickte mit ihren lebendig flimmernden
Augen, mußte er an die Hanna denken,
die so blanle und glänzende ueuen vor
beitricb. Gerade so waren ihre Augen.
So fremd, fo gleißend, so gleichgültig..
Dann zuckte er die Achseln. Emt
Magd! Ein geringschätziger Zug spielte
um seinen dünnlippigen, slawischen, gro
ßen Mund. Eine Magd! . . .
Aber die Magd ging gleich einer Her
rin neben ihm her, beherrschte sein Bei
langen, schürte seine Sehnsucht zu bren
neiider vier Libuscha! . . . Libu
scha! . . .'
Die Sensen und Rechen lehnten auf
der Tenne in einem Winkel. Die brau
nen Knechte schliefen und die Mägde
fchlicfcn in ihren heißen Kammern. Ein
großer, silbertlarer Mond glänzte über
dem weiten Land.
Libuscha stand an ihrem Kammerfcn
stcr. Sie gab ihren Hals, ihre weiße,
leuchtende Brust der Nachtlust Preis.
Sie össlicte ihre heißen Lippen und
trank gierig den kühlen Atem der silba
nen Nackt.
Die Sonne brannte weiter In ihrem
Zungen Leib, und sie konnte nicht schla
fen.
Das Wasser im Krug schmeckte öde
und leer. Sie hatte Durst. Ta fiel ihr
mit einem Wale ein, daß sie hinunter
zum Fluß gehen und dort baden konnte.
Sie beuate sich zum Fenster hinaus.
Kein Mensch würde sie schcn. Sie mußte
nur vorsichtig die wackelige Stiege hinab
kommen. Sie zog die Schnur ihres
Hemdes fest, steckte die Zöpfe hoch, nahm
ein graues rohlinnenes schmales Hand
tuch um den Kopf, die Schuhe in die
Hand und schlurfte hinaus.
Hinunter über die knarrende Treppe,
über den Gang, nun die kleine Türe
auf und sie stand draußen im Hof.
Ter Schatten der Pumpe lag wie ein
langes Gespenst über der weißen Erde.
Husch war sie aus dem klaren Geviert
und im Schatten der großen Tenne.
Tann wieder im weißen Silberlickit.
Jetzt spürte sie den kalten Tau der Wiese
auf ihren nackten Füßen.
Ach wie das wohltat! Nun lief sie
nicht mehr. Nun konnte sie keiner mehr
seken vom ' Hose. Federnd schritt sie
durch das scharse, taunasse Gras.
Und dort gleißte der kleine Fluß aus.
Eine niedere Holzbillcke zog mit ihrem
dunllen Geländer schwarze Linien über
den gleitenden Schimmer hinweg.
Endlich war sie da. Weiter unten am
Ufer standen Weiden. mit ticfhängenden
Zweigen über der Fliit.
Sie fah ins Wasser hinab, das nicht
tief war. Jedes Steinchcn am Grund
war zu seben. Aber das Wasser war
schwarz. Nur obenhin glänzte ein sil
dernes Leuchten auf.
Libuscba riß Hemdschnur und Rock
band ans. Ihr Leib leuchtete auf. dann
fchriit sie auf den kleinen Fluß zu
und sprang in iilcki kalte Tahingleiten
der kleinen, nachtnillen Wellen hinein.
Tas Wasser reichte ikr knapp an die
Hüsikn ehran. Sie taucbte unter und
kam mit Silberaeriesel auf Rücken und
Brust empor. Tonn begann sie bis zur
Brücke hin in lautlosem, langsamem
Tempo zu schwimmen. Tann zurück und
heraus aus dem Wasser. Am Ufer fchüt
leite sie sich wie ein junges Tier die
Riisse von den Gliedern und lachte, lau!
los beglückt von der Frische, die sie
durchströmte, die sie von dem kieselklaren
Grund mit herausgenommen hatte.
Wie eine Bronzestatue leuchtete sie, als
sie zu ihren Kleidern schritt. Langsam,
immer noch das Gcsühl des gleitenden
Wassers um den Leib, griff sie nach dem
Handtuch. Wasserperlen schimmerten aus
und verschioanden. Tie straffe. jung-
esnde Haut prickelte, xann luipie ue
Hemd und Rock über, fuhr in das harte
Schuhwerk, nahm dos Linnentuch aus
und ging rasch über die Wiese. Sie
lausckte. Nichts rührte sich. Aber was
war das? Im Altenteil war eben ein
Licht gelöscht worden.
Sollte die Alte auf gewesen sein?
Sollte sie gemerkt haben, daß jemand
über den Hof gegangen war? Ter Alten
entging ja nie etwas. Sie lauerte stets
wie eine Spinne auf alles Gesinde, auf
Haus und Hof.
Libuscha blieb im Schatten der Tenne
stehen. Ihr Herz klopsie. ols hätte sie'
unrecht getan. Sie lehnte sich an die
Mauer. Tann riß sie die Schuhe von
den Füßen und sprang quer durch den
hellen Hof. Gott sei Tank die Tür war
auf. Sie knarrte und der Schlüssel
kreiscbte. Geblendet von dem Wechsel
von Licht und Nacht tastete sie sich zü
rück. Und dann war sie wieder in ihrer
Kammer. Aufatmend blieb sie stehen.
Sie zog die festen Mcssingnadeln aus
den Zöpsin und schlüpfte ins Bett.
Ihr Herz klopfte von dieser letzten
Angst.
r'iv.a. vM firinern mühen ,gji,
ifrraabie uvA fcnr aller cunb':
iftrdl' uns biet au aller Kos,
Suit' uns zu 4a cfu m ich dem
Die Lider fielen ihr bei den letzten
kaum noch gestammelten Worten zu.
.Führ' uns zu Jesu nach . .
ging wie ein leichter Schatten durch ihr
in S Silos versinkendes Bewußtsein, dann
schlief sie den, festen, traumlofen Schlaf
eines zungen, lrastvoll-gesnnden aue
Wn. . .
Der Bauet stand gebückt hinter dem
Fenster seiner Kammer. Sein Gesicht
sah nicht gut aus in dieser Stunde. Wie
?,n Raubtier zum Sprung geduckt stand
er da und horchte. Seine tiefliegenden
Augen blitzten tückisch auS ihren um
schatteten Höhlen. Seine braunen, ha-
geren Finaer krallten sich in das Fenster
brett. Wissen möcht' er, wer der Li
buschz nun folgen wird. Er hat sie au!
dem Schatten der Tenne schleichen und
über den Hof lausen sehen. Ein höh
nisches Lächeln zerrte seine Lippen zu
einem Glitten, ,Ra ji so sind sie
alle Ue verdammten Luders! Je stolzer
und abweisender eine tut. desto sicherer
ist ein Kerl dabei m Spiel! Der soll
ihm mit unter die Finget kommen.'
Er sireckte in Haß und Gier sein
scharfgeschnitteneS Kinn vor. Große,
starke Adern, schwollen an. und der Haß
wühlte in seinem Blute, daß es ihm wie
Feuer durch den sehnigen Leib brannte.
Das Lichtgeviert im Hofe wurde von
dem wachsenden Schatten allmaylim aus
gesaugt. Aber alle bliev stiu. war
also keiner vom Hofe. Hatt irgendeiner
anZ dem Torf unten. Ein Frösteln lief
über ihn hin. Er sah in der beginnen'
den Morgendämmerung au! wie ein
Greis. Müde schlief er ein und träumte
einen wirren, schweren Traum von Libu
schas Augen.
Erschreckt, verwirrt, fassungslos fuhr
er auf.
Helle Sonnt war in seiner Schlafkam
mer. Er rieb sich den Schlaf aus den
Augen dann mit einem Sah war et
aus dem Bette. Ein Blick auf die dicke,
silberne Uhr zeigte ihm die siebente
Stunde. Im Nu war er gewaschen und
in den Kleidern. Er schämte sich. Ein
Bauer und verschlafen! Nun war alles
schon am Feld. Er ging in die Küche.
Seine Mutter saß neben dem Herde uud
schälte Kartoffeln. Sie blick! böse auf.
Seit wann schläft ein Bauer wie ein
Heirensohn?"
Ja, ich hab' einmal verschlafen,'
brummte er.
Schmerfällig erhob sie sich und machte
ihm die Einbrennsuppe heiß. Er setzte
sich an den Fensterplatz des Tisches, von
wo er den größten Teil des Hofes über
sehen konnte.
Mürrisch schnitt er sich von dem schwe.
ren. schwarzen Kornbrot ein lua av.
Endlich stand die dampfende, würzig rie
chende Morgensuppe vor ihm.
Die Alte saß miedet am Kartoffel
schälen. Unter den gesenkten Lidern
blickte sie zu dem Sohne hinüber. Ein
böses, höhnisches Lächeln spielte um ihren
derben Mund.
Sie wußte es ganz gut, däfz er der
Libuscha wegen bis ins Morgengrauen
gewacht hatte.
Mußt halt ein andermal schlafen und
nickt um ein Weibsbild aufpassen!"
Weibsbild? .... Hab' auf kein
Weibsbild gewartet!'
Wenn ein Mann die halbe Nacht hin-
ter dem Fenster hockt, tut er's nur um
ein Weibsbild.'
Alsdann, wenn Ihr es wißt, ist's Za
gut. Da braucht man weiter nicht viel
Worte verlieren.'
Er würgte ein Stück Brot hinab, warf
den Löffel hin und schritt zur Küche
hinaus. Tie Alte Iiefz eine üiieue die
Hände ruben.
So sind sie alle, diese Mannöleul'.
Sauarob. wenn man ihnen mir der
Wahrheit an den Leib rückt.'
Ihr Mann war gerade so gewesen . . .
Sie stierte vor sich hin. Immer hatte
er sie betrogen . . . Immer war er im
Borteil aeaen sie gewesen. Aber dann
dann hatte ihn der Gevatter Tod ge
! holt sort von seinen Heimlichkeiten.
fort von den gefälligen Wewern ou
von der WirishauLbank fort von
HauS und Hof und sie war Siegerin
geblieben. Hatte geherrscht und bcfoh
Un. Alles hatte sich ducken müssen vor
ihr. Und wenn der Sohn nun auch den
Hof übernommen hatte sie war doch
die Seele von all diesem Reichtum ge
blieben. Heimlich regierte sie. Heimlich
hatten alle Angst vor ihr. Und das war
gut. Nichts anderes wollte ste.
Den ganzen Tag über lagen l!c.
schwere wein ickaraue Wollen am im
rncL Tie Luft war leblos und heiß.
Die Menschen schlichen matt zwischen
Scheune und Stall dahin. Die Rinder
lagen saul mit lechzenden Mäulern auf
den Ziegelböden der Ställe. Auf den
Zäunen binaen ganze Bunde! von vut
leinenen AtaiSiowen. ic Painoir-
Lpfcl glühten zwischen dem graugrünen,
rauben B attwerk aus.
Libusma schleppte aus dem Warten
einen Korb voll Bohnen über den Hos,
Sie b eit d e Arme steif. lemmte den
Korb on ihren Leib und bog den Kopf
uruck.
Der Bauer stand unter der Hauiure
und tat, als sähe er sie nicht. Aber j der
Schritt, den ste tat. jedes Aut-und-ik
der ihrer prallen Brust brannte in sei
nem lule Wider, r narre nie ijancz
in seinen Taschen. Die Nasenflügel z,t
terten und fein kleiner, runder niederer
Slowakenhut saß ihm t:es tn Nacken.
Eben laut er von leinet Ä.uttet, oie ,atz
auf ibrem hoben, grellbemalien Bett.
zwischen hochsusgistapelten Kissen und.
Nöbnie. Sie batte wieder den Kramp ,
Die Anuschka lief mit Efsigtüchern ob
und zu. Die Lust war zum wiese
dumpf in dem Zimmer der Alten. Angst
voll blickte die Kranke in der niederen
Stube umher. Immer und immer fuhr
sie sich über das Wirre, graue, dünne
öaar.
So stritten zwei Frauenbilder in sei
ner Seele. Immer verdrängte daZ Bild
der kranken Mutter daS det jungen Li-
buscha.
n
Mitten auf det Wiese, die zum Fluß
hinabführte, blieb Libuscha stehen und
blickte sich um. Ganz weit is.ber den im
Dämmerlicht des Sommerabend ver
fchwundenen Linien der Hügel stand eine
schwere weißlichgraue Wolkenwand.
Sollte ste umkehren? Bis das Wetter
kam. war sie längst wieder auf dem Hof.
Und d e Lust war 0 azwer.
Sie mußte ins Wasser, und wenn auch
mit um einmal unterzutauchen. Als sie
sich der Kleider entledigte, blickte sie auf
das Torf hinüber. Vereinzelte Lichter
flimmerten durch die rasch zunehmende
'Nackt.
Ein Frösteln lief iht übet den Leib,
Es wurde alles so dunkel und undutch
dringlich schwarz ringsum. DaS Wasser
war schmarz, und es glitt raschet flußab
als sonst.
Vorsichtig tauchte Libuscha ihren rech
ten Fuß hinein dann sprang sie tnl
schlössen in das gleitende Dunkel und
taucbte bis an die Schultern unter. Sie
. schüttelte, prustete und beutelte sich, daß
das Wasser in taufend duntlen, geheim
niZöo2 schimmernde Serlen. vo ihre.
Schultern, vrttst und Arme sprang. I
Sie schöpfte mit gehöhlten Hände
Wasser auf und kühlte sich die Stirne.
Plötzlich schrie sie auf. Grell, entsetzt in
wahnsinnigem Schreck. Ein Kopf wa,
even ,l?r outgciaucnr.
Sie wollte sort, aber zwei eiserne Ar
me schlangen sich um ihren Leib.
.Libuscha! Libuscha. hab' ich dich
endlich!" .
Sie griff nach Heien gierigen anocir
und wollte sich befreien. Aber der Bauer
war stark. Er hob sie über daS Wasser,
daß sie wie ein Spielzeug seiner Laut
vor ihm zappelte. ;
.Panenla Maria, laß mkfl -
.Sterben will ick) lieber, als dich las
fen, Libuscha!' Er ließ sie ins Wasser
gleiten. Tann druine er aus. ie tmuc
ihn in den linken Oberarm gebissen
Aber er ließ sie doch nicht. Da brach
sie in die Knie. Alles wurde ,loali,t,icre
Nacht um sie.
. ,. Mliila, mit delu'm mildem ind . , .
Irgendwoher tönte ein Klingen itt -
ihrer Seele, das wuchs Mit rasender
Schnelligkeit zu einem gewaltsamen ,
Brausen und weltersüllenden Donner an.
, . Bewahre unö d,'r aller Cund'.
Diese Worte rauschten in wilder ?kigst
neben Libuscha durch die schwarze, droh"
nende Finsternis
Durch die Weidcn sauste ei Zahek
Windstoß. Hinter der wachsenden Wol
kenbank zuckte ein Blitz' auf. Das Was
scr rauschte stärker und stärker.
Unter dem vorspringenden Dach der
großen Tenne lehnte der Bauer a der
Wand und starrte über den Hos aus düe
Haustllr. Das Haus war licht. Hin
ter den Fenstern der Bäuerin bewegte sich
ein Lichtkreis. Dann wurde die Tür ge.
ofsnet, ein Knecht kam heraus und blickte
spähend über den dunklen Himmel, tritt
jammerndes Bimmeln irgendeines Glöck
chcns weckte den Bauer auö seiner Starr
heit. Der Kirchendiener erschien mit dem
Nauchsaß, dessen Keite er fest um diö
Hand geschlungen hielt. Hinter ihm
tauchte die hagere e,ta!t des Psarrers
auf. Er hielt das Allcrheiligste mit bei
den Händen an seine Brust. Der Wind
verfing sich in den langen Schößen der '
Soutane, unter der die groben, weißen
Spiken der Alba bervorschauten. In be
dachtsnmer Hast schritt er dahin. Wie
ein rauinviid giili rneje crajeinung
an dem Bauer vorbei.
Tann kniete er vor dem Bette der
Mutter.
Stan, Goli sei mit dir . . . Sian,
beirate wieder und laß die Libuscha
in Frieden sie sie ist deine Schwe
stet Sian dein Batet war auch
ihr Vater darum hab' ich sie immer
gehaßt Gott vergib mir Gott
steh' mir bei Sian, was was
hast du denn? . . .' Angstvoll suchten
ihre Augen in ihres Sohnes Gesicht. .
Er war bleich, voll Grauen, verzerrt,
die Augen schauten wie im Wahnsiim
aus die alte Frau vor ihm. Er starrte
sie an und ihm war, als dehnten sich
ihre siahlgraucn Augen zu eisernen Rei
fen, die unbarmherzig, unabwendbar fei
nen Kopf einspannten. Er konnte ouZ
dieser Enge nicht heraus. Er sah nicht
mehr, daß die Mutter plötzlich den Kops .
zurücksallen ließ, er fühlte nicht, daß ihr!' '
Hände ihn lvögelassen und willenlos,
gleichgültig herabgeglitten waren. Er
hatte nur d,e Entbindung, als umgab;
ihn eine grauenhafte Stille und undurch
dringliche Nacht. Und dann begann eiir
flnß ciiifiiitctiisch.cn, auf dessen Grund
weiße leuchtende Frauenleiber dahintrie.
ben. Sie hatten die Augen offen und
starrten ihn on. Und ihre Lippen be.
wegten sich ...
Am nachiten Morgen schleppte Kral.
der Hoshund. Libuscha roten Rock da
her. Die Libuscha hat keiner mehr ge
sehen. Es hieß, sie sei, vom Gewitter
überrascht, beim Baden umgekommen,
Vor hundert Jahren.
Wer allen Stichen und dergleichen
nachgeht, den erinnert bisweilen ritt;
?Mgbla!t n die Freude der Menschen
vor genau hundert Jahren über die ge
segnete Ernte. So zeigt eines im Hin
terarunde ein Tötslein in goldenen Hal '
nun, im Vordergründe ziehen vier Gäule
einen von geschmückten Schnitterinnen
geleiteten hochgeturmten Erntewagen,
dem Trompeter voraufjubeln. Und der
Pfalmist komm! dabei reichlich mit schö
nen Strophen zu Ebren überall ragt
ein umkranztes Schild mit einem Tank-
sptuche auf.
Eine 5ttiegsdauer von mehr Is 2
Jahren war überstanden. Mißernte?
des Wtrncs und des Obsle hatte eS von
lbll bis 1817 gegeben, und 1816, s
berichtet dieses süddeutsche Flugblatt,
habe 73 Tage lang anhaltendes Regen
Wetter und allgemeiner Hagelschlag die
besten Ernteaussichten vernichtet. Eine)
ungemclne, beispiellose Teuerung. 10 er
zählt das Blatt, die beinahe den dlge
meinen und völligen Hunger erzeugte,
war das jammervolle Los. Für etn
WnUer tfrrnrn nitrh?Tl ITst sMulhen Yt
zahlt, für einen SAesfel Gerste C3 nd
für einen Scheffel Dinkel 48 Gulden.
Vielfach suchte man Gras zu kochen und
Brot aus Kleie und Baumrinde zu
backen. Da gab ober das Jahr 1817 daZ
beste Getreide, dessen man sich nach die
len Jahren erinnern konnte, dazu im
Ueberslusse Gemüse und Behnensillchte.
so daß man sich, wie das allerheriuchpe
mit Speisen erquicken und sättigen kann,
wofür der ollcrbaimü lin Güte Gottes
innigster Seelen mit- cerzens-Dan! ge
sagt und ausgesprochen sehe'.
So ena auch Freundschaft, Liebe
und Ehe Mensen verbinden: ganz ehr
lich meint jeder ei am Ende doch nur
mit sich selbst und höchstens noch mit sei
nem Kinde.
Die Seltenheit der Vergnügungen
gibt der geringüen Gabe (zieschmackz
denn der Genuß liegt in dem. wa n'an
fühlt, und abgestumpfte Menschen stih.
len nichts mebr. denn Uebersaitigunz hat
ihnen den Appetit geraubt, währen
tfmtbehnina, jene höchste der menschlichen
Gabendie Fähigkeit, glücklich ZU .sci'
erhält.