Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, October 12, 1917, Image 7

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    Tägliche Lnmha TrZbLne
Grinnerungen an Iöjen.
von pcUt Nansen.
Das verunglückte Bankett. Die Audienz beim König. m Verkehr
. mit grauen. Ibsen und die Zuge,ld.
Tchlb.)
' DaS groß Bankett brach an. Es
nützt nichts, es sich verhohlen zu wollen:
Mihgefchick auf Miwschick fulflte ein.
ander. DieftS Galadiner, worauf so
viel Sorgfalt verwendet worden war, das
dazu auscrfehen war, alle früheren eis)
lichen Feste in Kopenhagen an Schönheit
und Vornehmheit zu übertreffen, ivar,
gelinde gesagt, etwas verunglückt.
ES begann damit, daß ich um 2 Uhr
einen Brief von Professor ttromann er
hielt; worin er mir mitteilte, dafz er einer
Erkrankung wegen die versprochene Fest,
rede nicht halten konnte. Ob ich meinen
ehemaligen lieben Repetenten in Philo
sophie durch die Vermutung beleidigte,
daß eS das Lampenficbcr War, welches
ihn krank gemacht hatte? Genug an dem:
fünf Stunden bor dem Feste standen wir
ohne Festredner da. Man sandte einen
Eilboten zu dem berühmten Tischredner
Kammerhcrrn Bille mit der Bitte, gü
tigst einzuspringen. Unmöglich in
Anbetracht einer so knappen Frist. In
der elften Stunde mußten wir von Pctcr
Hansen das Versprechen erflehen, seinen
scherzhaften Toast No. 2 in die eigens
liche Festrede umzuwandeln. Jedermann
begreift, daß diese Aufgabe selbst für
einen so geübten Redner wie Hansen nicht
ganz leicht war. Und glänzend entledigte
er sich ihrer denn in der Tat auch nicht.
Die Gesellschaft versammelte sich. Sie
war fulminant. Gesandte, Minister,
viele andere ordengeschmückte Notabilität
, ten, die Blüten dänischer Zlunst und Li
tcratur, Damen in schönen Farben und
festlichem Dekollct. Der Tisch sah mit
Sindings girlandentragenden Statuetten
herrlich aus. Unter den Klangen des
Festmarsches wurde Ibsen mit dem
Großkrcuz notabene! auf seinen Eh
renplatz geführt. Ihm zur Seite saßen
der Theaterintcndant Graf Tannestjoid
Samsöe und der Kultusminister Bischof
Stphr.
Die echte Schildkröte wurde im Verein
mit einem Glase Old dry Madeira von
sehr altem Jahrgang in achtungsvollem
Schweigen genossen. Dann erhob sich
Professor Hansen. Wir. die wir den Zu
sammenhang kannten, bemerkten, daß es
ihm in dieser kurzen Zeit nicht gelungen
war, seine Rede völlig umzuändern. Auf
eine für die Uneingeweihten befremdliche
Art mischten sich Feierlichkeit und Scherz
bunt durcheinander. Die Gäste wurden
von einer heiteren Unruhe ersaßt, und
der Ernst ging gänzlich verloren, als
Professor Hansen in Erinnerung an die
schelmische Rede No. 2 Ibsen als eine
first rate" K rast pries und ihm im Na
v'nn der Direktion und der Schauspieler
jiit die vollen Häuser dankte, die er dem
Theater erschafft hatte.
Eine sonderbar ernüchterte Stimmung
breitete sich unter der Gesellschaft, die
ihre Erwartung aus etwas Großes, Pa
thetischcs eingestellt hatte, aus.
Und als Ibsen sich erhob, um zu ant
Worten, begann auch er, der nicht wie
Björnson ein Improvisator von Gottes
Gnaden war, sondern altes, was er sagen
wollte, sorgfältig einstudieren mußte, mit
folgenden Worten, die nicht dazu bei
trugen, die allgemeine Befremdung zu
fairnen:
Professor Hansens Rede hat mich ein
wenig desorieniert. Ich bin daher gc
nöti'gt zu improvisierend Mit anderen
Worten er strich die festliche Rede, die
er sich zurecht gelegt hatte. Statt dessen
bekam man einige nicht ganz klar der
ständlichc Satze zu hören über Dänemark,
: das sonnige Land, wenn man durch einen
Tunnel gereist ist, und ein paar mystische
Worte Über 1864. Dann kam also
Pictro Krohns und mein Protcgö, der
Dichter Sophus Cckandorph, an die
Reihe. Er stellte sich hinter Ibsens
Stuhl, den einen Arm um den Grafen
Tanneskjold Samsöe, den anderen um
Bischof Ctyhrs Schulter geschlungen.
Ich weiß nicht, welcher von den beiden
mehr desorientiert" aussah. . Es war
unmöglich, Schandorph böse zu sein, aber
Glück als Festredner hatte er diesen Abend
entschieden nicht. Und die Gesellschaft,
die sich nach einer Auslösung ihrer etwas
unsicheren Stimmung sehnte, begann
hellauf zu lacheil und Zwischenrufe ein
zusireuen. Worauf Schandorph, Bischof
Styhr zärtlich an sich gedrückt, den Fest
gäsien zudonnerte:
.Wollt Ihr gefälligst den Rand halten,
so lange ich sprechet" Unleugbar, das
Fest war im Begriff, sich in ein Chaos
auszulösen. Die Drachman-Zcantaie und
die Rczitationen verbreiteten wvhl für
einige Augenblicke Weibe. Aber Pieiro
Krohn und mir, die wjr uns bescheiden
an das unterste Ende des Tisches gesetzt
hakten, war nicht sehr behaglich zumute.
In unserer Nähe saßen zwei vortssliche
Redner, die damals jedoch noch zu jung
waren, um mit offiziellen Ausgaben be
traut zu werden: die beiden Literatur
Historiker Professor Wilhelm Andersen,
und Doktor Poul Lerin. Um uns zu
Hilft zu kommen. sprangen sie jetzt einer
nach dem andern ein. und endlich bekam
man die Worte zu boren, die gesagt wir.
den mußten. Sie retteten, was zu reü.n
war. ober die Tischzeit war lxinahe vor
über. Und nun zeigt? es sich, daß wir
Heene mit inbegiissen einen Kapital
sebler begangen hatten; mindestens die
Hälfte der Gäste fand, daß es ein sehr
magere! Diner war, das ihnen für ihre
25 Kronen vorgesetzt wurde. Nur sehr
wenige verstanden, wie fein es war, um
diese Jahrekzeit Stangenspargel und
junge Enten zu essen. Rings um uns
borten wir zu unserem Schreck, daß das
ei Skandal wäre: 25 Kronen und kei.
rtt wäre satil Ein solises Rindbfilet
oder derzleichen hatte gefehlt
Heene kam tief betrübt zu mir und
sagte:
Es wäre besser gewesen, wenn oir 12
Kronen gerechnet und ihnen ein Fisch
gericht, einen Rinderbraten, Käse und
Eis serviert hätten. Das sind sie gc.
wohnt und dermit wären sie zufrieden
gewesen."
Dert nächsten Tag schmälten sogar
mehrere Blätter über das karge Menü.
Heene war verzweifelt. Schade, daß er
Kopenhagen bald wieder verließ. Er
wäre freudig überrascht, wenn er jetzt
herkäme und sehen könnte, wie man es
bei uns gelernt hat, im Januar Lamm
zu essen, und daß sogar eine ökonfirman
bin über Dosentaviar die Nase rümpft!
Er war hier ein Pionier und fiel auf
der Schanze mit einem Tranchiermesser
in seinem wackeren Herzen.
Die Tafel wurde aufgehoben. Ibsen
schritt, von seinen vornehmen Tischherrcn
eskortiert, durch den Saal. Da geschah
es, daß der lebensfrohe, aber ganz form
lose Maler. Thorvald Riß ihm in über
strömender Begeisterung entgegenkam,
ihn umarmte, treuherzig schüttelte und
rics: 'Donnerwetter, bist du ein Kerl!
Tank für alles, alter Bursche!"
Ibsen ging der Sinn für derlei Na
turezplosionen völlig ab. Starr vor
Schreck streckte er abwehrend die Hände
aus und sagte: Nehmen Sie doch den
Mann fort!"
Einigen handfestenIreunden von Niß
gelang es, Niß von Ibsen loszulösen.
Allein Niß war über Ibsens Kühle tief
enttäuscht.
Der alte Dichter war ein wenig er
müdes. Eine Weile mußte er indes noch
standhalten.
Unter anderm hatte ich es iibernom
men, ihm einige junge Schriftsteller vor
zustellen. In einem der Säle, wo der
Kaffee serviert wurde, saß Ibsen auf
einem Stuhl und die jungen dänischen
Dichter traten der Reihe nach vor das
Angesicht des Meisters. Ibsen war lik.
benswllrdig und hatte für jeden von
ihnen ein gutes Wort. Zuweilen war es
gar nicht so iibel, was er ihnen sagte.
Aber einen kleiner, Chok verursachte es
doch, als ich Svcn'Lange vorstellte: Ich
weiß nicht. Dr. Ibsen, ob Sie Sven
Lange kennen?" .
Sven Lange", sagte Ibsen und sah
ihn ungeheuer wohlwollend mit feinem
guten Auge an der Bildhauer Sin
ding hatte hcrausgesuM, dasz Ibsen
ein böses Auge hätte und eines, das von
Güte strahlte wie sollte ich nicht Sven
Lange kennen Dänemarks Scribc!"
Es fiel Lange nicht leicht, sein verbind
liches Lächeln zu bewahren, und ich
wagte kaum, ihm ins Gesicht zu sehen.
Auf einmal war Ibsen derschwun
den. Müde der vielen Menschen, hatte
er sich ganz still zurückgezogen. Allein
oben in seinen Zimmern zeigte er sich
den wenigen, die er zu' einem Abend
Punsch eingeladen hatte, viel ungezwun
gener. Der folgende Tag der dritte Fest
tag war dem Weiblichen Lcscvercin
und dem Studenlenverein gewidmet.
Keine dieser beiden Veranstaltungen
zeichnete sich durch irgendein bemerkens
wertes Ereignis aus, es wäre denn, daß
Ibsen abends im Studenlenverein plotz
lich verschwunden war, ohne Höfsöings
Rede erwidert zu haben. Das war be
greislichcrweise eine Enttäuschung für
.die jungen Leute, in Wahrheit aber
durste man es dem alten Manne nicht
verargen, wenn er, der an ein ganz stil
les regelmäßiges Leben gewohnt war,
nicht allen Anforderungen gerecht wer
den konnte, die diese Festwoche an ihn
stellte. Vormittags war er zu: Audi
enz beim König gewesen, um für das
Großkreuz zu dachen. , ,
Ibsen hatte sich über besonders
liebenswürdige schlichte Auiahn.e, die
ihm dabei auteil wurde, außerordentlich
gesreut, Große Eindruck liatte es aus
ihn gemacht, daß der alte König, nach
dem er eine Weile mit ihm geplaudert,
gesacit chatie: Meine Töchter, die Kai
stritt von Rußland und die Prinzessin
von Wales, mochten sich gern erlauben.
Sie zu begrüßen," woraus die beiden
Fürstinnen herein kamen und mit dein
berühmten Dichter einige verbindliche
Worte wechselten.
Für denjcnig'n dcr ins,: bcd'ull, wie
fern jeder Ruhmeulsaltung Ibsens tag
liches Leben verlief, mag es sonderbar
klingen, daß er vor dieser Audienz über
aus nervös gewesen war. Eine drollige
und zweifellos wahrheitsgetreue Anet
dote legte davon Zeugnis ob: Kurze
Zeit nachher war der ehemalige Land
tagsprästdent Högsbro in Audienz beim
König, um ihm für eine Auszeichnung
zu danken. Der König fragte, wie es
ihm ginge, und Högsbro erwiderte:,
Acb, Majestät, man merkt, daß man alt
wird,"
Sie dürfen noch nick,t von Alter
sprechen," antwortete der König, ich bin
doch flicht viel alter als Sie. Und ich
merke eigentlich nichts von Schwäche,
Neulich, als Henrik Ibsen bei mir war,
war ich sogar ginz stolz. Er ist doch
erst siebzig Jahr: alt. und ich bin um
zehn Jahre älter. Anfangs dach'e ich,
ti wird gewiß nicht leicht sein, mit
einem solch n Genie zu sprechen weis
soll man ihm klgenUich fagin? Vbei ich
muß ehrlich gestehen, ich glaube, er
machte einen viel greisenhafteren Ein
druck als ich er war wirklich sehr
verlebn und mcheholsen. Ich mußte
ihm in der Konversation die ganze Zeit
beibringen."
' Ebenso verlegen wie Ibsen wabrend
einer Audienz bei den höchsten- Herr
schaften war, konnte er sein, wenn junge
Damen ihn entweder in neugieriger Zu
dringlichkeit eder wirklicher Bewunde-
ruug aufsuchten und ihm Blumen brach
ten. Vom Nebenzimmer aus, wohin ich
mich diskret zurückgezogen hatte, hatte
ich einmal Gelegenheit, eine solche Szene
zu beobachten.
Eine wirklich reizende junge Dame
wurde gemeldet. Sie brachte einen
Strauß herrlicher Rosen.
Der Kellner Lsfnete ihr die Tür. lln
geheuer formell, mit seinem ernstesten
Gesicht, kam Ibsen ihr entgegen:
Sie wünschen, mein Fräulein?"
fragte er.
Ganz verwirrt, blutrot, streckte sie
ihm die Blumen hin:
Ach. Herr Doktor, ich wollte so gern
...Herr Dottor, nur diese Blumen,
wenn Sie gestatten..." Damit stockte
sie und legte die Blumen schleunigst auf
ein Tischchen.
Ibsen wollte sehr freundlich sein und
sagte:
Aber das ist ja sehr nett von Ihnen
Sie wollten mir Blumen bringen.
Ich danke Ihnen vielmals. Bitte, sehen
Sie sich, Fräulein..."
Ganz konsterniert setzte sich das junge
Mädcben wie ans Kommando ans die
äußerste .Kante eines Stuhles und blieb
stumm sitzen. Gegenüber, an der ande
ren Seite des Tisches faß Ibsen ebenso
stumm. Peinliche Sekunden verstrichen.
Dann sagte Ibsen:
Sie wollten mir also Blumen brin
gen? Wie nett von Ihnen. Die Da
men in Dänemark sind so nett."
Ach, Herr Dottor. Herr Doktor..."
Weiter kam das junge Ding nicht.
Da Ibsen nichts mehr zu sagen
wußte, stand et auf. Flugs folgte sie
seinem Beispiel. Und während er sie
förmlich zur Tür hindrängte, wieder
holte er riesig sanft und zärtlich:
Ich danke Ihnen sehr, Fräulein, das
war wirklich sehr nett von Ihnen."
Als sie draußen war, sagte er zu mir:
Wie lieb doch die jungen Kopenhagne
rinnen sind!"
Ich aber muß!? daran denken, wie
wohl Björnson oder Dramman sich an
seiner Stelle benommen hätten. Mit
dem Recht, des da Alter verleiht, Kilte
jeder !5 bc.: des kleine Mädel nrt,'
bei n Kopf genommen, ihm einei pi.h
auf Wange oder :iin gedrückt und in
onkelhaft Nrlüblcr Weise mit ihm ge
fchnj'.. Ibse ir fiel es v$mx so
sck.lv. seiner !?erks icheit Herr ,; ilu
den. Er beicn d p.kj gleichsam immer
in zugeknöpfter Rcdingote. Selten, daß
er sich frei fühlte und mit einer jungen
Dame wirklich ungezwungen plaudern
konnte. Tann aber vermochte er auch
amüsanie und phantastische Dinge zu
sagen, ihr zu erzählen, was er wohl
täte, wenn er sich einmal von seinen
Dichtcrträumen losreißen konnte und
viel, viel Geld zur Verfügung hatte.
Dann wollte er sich zum Beispiel dcis
feinste Schiff auf der Welt kaufen, die
beste Zigeunerkapelle anwerben und mit
wenigen guten Freunden und den aller
schönsten jungen Frauen nach der Herr
lichstcn Insel in den Tropen fahren.
Aber davon wird einmal die Dame,
der er halb spöttisch, halb sentimental
feine Sehnsucht und feine Phantasien
anvertraut hatte, wohl schöner und bes
sei erzählen als ich.
Die letzte öffentliche Feier Ivar die
Festvorstellung im Dagmar-Theater.
Wider alles Erwarten wurde gerade die
ser Abend der Clou der ganzen Ibsen
Woche. Im Gegensatz zum Königlichen Thea
ter hatte sich das DagmarTheater einer
großen neuen Ausgabe unterzogen: Es
hatte Brand" einstudiert. Marlinius
Nielsen, Direktor und zugleich Schau
spicler, dessen Manieriertheit viele ab
stieß, spielte selbst die Titelrolle. Es
wäre sonst auch niemand dagewesen, der
diese Niesenrolle zu bewältigen imstande
war. Etwas skeptisch fand man siein,
Ibsen im vorhinein bemitleidend: Wie
sollte er diese vier bis fünf Stunden
überdauern?
Allein Martinius Nielsen, hatte wirk
lich etwas von dem Stoff, der zu einem
bedeutenden Schauspieler gehört. Bor,
allem eine gewaltige Energie und einen
mächtigen Fanatismus. Schon säiher
hatte er gerade in großen langdauernden
Vorstellungen gesiegt.
Anfangs lächelte man über sein iol
lendeS eintöniges Pathos, allmälig aber
wurde mati davon hypnotisiert, und je
weiter er kam, desto stärker wurde sein
Spiel. Müdigkeit und Erschlaffung
kannte er nicht.
Außerdem war er Grandscigneur und
verstand es zum Unterschied vom könig
licken Theater, Feste zu geben. Ibsen
saß in der mit herrlichen Blumen ge
schmückten königlichen Loge, und in dem
Gemach, das zur Loge führte, stand ein
Erfrilchungstisch mit allen erdenklichen
Genüssen: köstliche kalte Speisen. Cham
pagner. Bier. Whiskey, Liköre, Kassee.
kurz alles, was eine verfeinerte kulinari
stbk Phantasie zu ersinnen vermag.
Und Blmen in Menge.
Eine begeisterte, verschwenderische In
gend war es. die den alten Mann feiern
wollte. Und siehe da. Ibsen der wöh
rend der offiziellen Vornehmheit im tö
niglichen Theater halb eingeschlafen war.
fühlte sich im Dagmar-Theater allem
Anschein nach kreuzmohl. Es war et
was Neues, Ungewohntes, das ihm von
der Bühne herab und aus der Fcstloge
entgegen strahlte. Angefeuert von Mai
tinius Niclfen spielten die Schauspieler
d'rauf los. Nicht olles war vorttesslich
aber es war jedenfalls jung.
Und man hatte auf die gastsreiefte
Weise dafür gesorgt, daß der alte Herr
es qemüilich haben sollte.
Schon nach Verlauf weniger Szene
begann man den Erfolg zu wittern.
Iie Heisteskullur Finnlands.
Zwei Strömen ist daI geistige Leben
Finnlands vergleichbar, die ncbeneinan
der fließen, ohne ihre Gewässer zu vci.
mischen, um schließlich in deniselben gio
ßen Meer gemeinsamen Batcrlandsem
pfindcns zu munden. Der eine Strom,
die schwedische Kultur tragend, wird von
Quellen gespeist, die zum Teil außerhalb
der Grenzen der engeren Heiuiat ent
springen. Seine Fluten, die nicht in
überschäumender Fülle dahinbrausen,
sind von kristallklarcr Reinheit und wer
den von kunstvoller Hand durch fcstge
fügte Quadern gebändigt. Der andere,
daS geistige Bild der finnischen Urbe
wohncr des Landes widerspiegelnd,
strömt Jahrhunderte lang im Dunkeln,
vergessen und ungekannt, bis plötzlich ein
kühner Entdecker das ihn verhüllende
Dickicht lichtet und den staunenden Zeit
genossen seine ungewohnte Tiefe und sei
nen Reichtum aufdeckt.
Welche Verhältnisse, welche Sitten,
welche Ordnung unter den Ureinwohnern
Finnlands zu jener Zeit herrschten, als
die Schweden im 12. Jahrhundert die
Eroberung des Landes begannen, ist nicht
bekannt. 'Man weiß nur, daß feine Bc
wohner Heiden waren. Neben dem
Christentum brachten die Schweden auch
die Rechtsordnung ihres Vaterlandes
über das Bosnische Meer und organi
sierten die Verwaltung des eroberten
Landes nach dem Vorbilde ihrer H?imat.
Siebenhundert Jahre waren sie Herren
im Lande, ohne jedoch Unterdrücker zu
sein. Die soziale und politische Frei
heit Schwedens kam auch Finnland zu
gute, und es genoß seit 1581 als
besonderes Großfiirstentum dieselben
Rechte, die den übrigen Teilen des schwe
dischen Reiches zukamen.
Die völkische Eigenart der Bewohner
blieb unangetastet, nie wurde ein Versuch
gemacht, sie sprachlich-naiionalistifch zum
Schwedentum" zu bekehren. Hierzu lag
auch insofern kein Anlaß vor, als die
finnisch redende Bevölkerung infolge des
großen Bildungsunterschiedes dem schwc
dischen Element niemals seine soziale
Vormachtstellung streitig machte, sondern
es als selbstverständlich betrachtete, daß
jeder, der zur Bildung drängte, zunächst
schwedisch lernen mußte.
Die Folge dieser friedlichen Entwick
lung war, daß schwedisch nicht nur die
Sprache der Verwaltung, sondern auch
die Muttersprache der ganzen gebildeten
Klasse wurde. Es ist eine ebenso eigen
tümliche wie interessante Erscheinung,
daß diese Tatsache dem demokratischen
Geist, der vom Mutterlands her auch die
herrschenden Klassen in Finnland durch
drang, keinen Abbruch tat. Hierzu trug
wohl auch der Umstand bei, daß bei der
Jahrhunderte alten ständischen Versas
sungsorm die Bauern als Rcichsstand
politisch den übrigen Ständen an, Macht
und Ansehen durchaus gleichstanden. So
war eS auch ganz selbstverständlich, daß
1809, als Finnland als autonomes
Staatsmcsen mit Rußland vereinigt
ward, der finuische Bauer als rechtmäßi
ger Erbe die politischen Rechte und Privi
tegien des freien und selbständigen Bau
ernstandcs Schwedens übernahm.
Hätte das Volk die ihm von Alexander
I. verliehene Verfassung gleich gesetzgebe
risch betätigen können, dann wäre das
Nationalbewußtsein der finnischen Vc
völkerung ohne Zweifel viel eher nach
der Trennung'von Schweden erwacht, als
dieS tatsächlich der Fall war. Akzander
ließ es aber bei der Proklamierung eines
finnländischcn Staates bewenden, und
unter seinem rcaküonären Nachfolger
Nikolaus I. blieb das großmütige Ge
schenk ebenso unbenutzt liegen, und die
Finnländer konnten sich glücklich schätzen,
daß ihnen wenigstens nichts davon wie
der zurückgkjiommen wurde.
Es blieb infolgedessen zunächst politisch
wie sozial im Grunde beim alten: in
Verwaltung und Gesetzgebung, in Wis
senschaft und Literatur war das Schwe
dische nach wie vor das eiuzige Vcrstän
dignngsmittel und der einziger Kultur
träger. Naturgemäß traten also auch die
ersten Regungen eines selbständigen gei
stigen Lebens nach der Trennung vom
Mutterlande in schwedischem Gewanöe
zutage. Aber schon aus diesen ersten Er
scheinungcn einer eigenen finnländischen
Literatur spricht ein neuer, bisher un
bekannter Ton: die Liebe zu der engeren
Heimat und ihrer ?catur, noch mehr: zu
ihrem ursprünglichen Volk, den finnischen
Brüdern.
Bei Frans Michael Franzön (1772
bis 1847). der allerdings schon 1811 für
immer nach Schweden übersiedelte, aber
von den Finnländcru mit Recht als der
erste bcdeutcude finnlandische Dichter
schwedischer Zunge in Anspruch genom
men wird, findet diese Vaterlandsliebe
in seiner Ballade vom alten Karoliner
zum erstenmal einen beredten Ausdruck.
Noch kräftiger und bewußter bricht sie
hervor in dem Gedicht DaS finnische
Ibsen selbst gab das Signal zu de
monftrativem Beifall, und die Stim
mung stieg von Akt zu Akt auf ver
Bühne, ebenso wie im Zuschaucrraum
:,nd in der Dichterlogc.
Ohne ein Spur von Müdigkeit hielt
Ibsen den langen Abend aus. und der
Abend endete mit wilden stürmischen
Ovationen, die Ibsen selber anleitete,
bis die Ovationen sich gegen ihn selbst
kehrten. Da endlich bekam Kopenhagen
Ibsen als fröhlichen Jubilar zu sehen.
Attck' noch nach der Vorstellung hielt er
aus. zwei Stunden lang auf einem Fest
mit MartiniuZ Nielsen und den anderen
Mitspielenden. Diesen Abend brauchte
er nichk zu Fuß zurück in sein Holel
zu gehen. Umwogt von den Hucra
r.'fen echte? Beeeisterung snhr er him
in dem scmsikn "gen t Stadt.
So fanden sich endlich das beloun
bcrte Genie der jungen Generation und
die Kopenhagener Künftlerjugend in ei
riet festlichen Bacchantenstimmui.
Von Zshannes Gehqmst.
Heimatland" von Johan Gabriel Lln
sön (1782 bis 1848), das die bürgerliche
Freiheit und die Religion als die schön
sten Erbschaften von Schweden preist,
zugleich aber von einer innigen Liebe
zum finnischen Volk getragen ist.
Es ist eine oft beobachtete Erscheinung,
daß der geistige Boden eines Volkes, der
lange Zeit kulturell brach gelegen, wenn
der Augenblick der Erfüllung gekommen,
gleichzeitig einc unerwartet reiche Saat
an geistigen Kräften emporschießen läßt.
So traten auch nun in Finnland, unter
Einwirkung des neuerwachendcn Natio
nalbewußtseins, zu gleicher Zeit eine
ganze Reihe von außergewöhnlichen
Männern in die Öffentlichkeit, die be
stimmt waren, in den nächsten Jahr
zehnten dem geistigen Leben Finnlands
ihr Gepräge zu verleihen. Sie waren
fast sämtlich in demselben Jahr geboren.
In Abo, der alten Haupt- und Univer
sitätsstadt Finnlands, fanden sie sich. In
Hclsiugsors, der neuen Hauptstadt, in die
nach dem verheerenden Brande von Abo
im Jahre 1827 auch die Hochschule ver
legt ward, trennten sich allerdings ihre
Wege, indem jeder von ihnen in die ihm
gemäße Wirkunysbahn gelenkt wurde
Politik, Kunst. Volksdichtung, Kritik .
aber in der Kulturgeschichte Finnlands
bleiben ihre Namen als 'die der ersten
geistigen Führer des Volkes untrennbar
miteinander verknüpft.
Was diese Männer zunächst verband,
war das Interesse für die Dichtkunst,
und zwar, da sie unmittelbar in der
schwedischen Bildung wurzelten, sür die
Dichtkunst des alten Mutterlandes. Der
Mann in diesem Kreise, dem es beschie
den war, in seiner schwedischen Ncutter
spräche eine eigene nationale finnländi
sche Dichtkunst zu schassen, die seinen Na
men weit über die Grenzen seines Vater
landes trug, war Johan Ludwig Nunc
berg (1804 bis 1877). Er war w einer
rein schwedischen Kllstengegend am Bott
nischen Meer geboren und lernte nie die
Sprache der Urbevölkerung des Landes
sprechen. Aber die im Lande übliche ein
fache, Lebensweise brachte es mit sich, daß
auch der Gebildete in nahe Berührung
mit deni Volk kam, sind der junge Dich
ter wurde bald mit der Denkweise, dem
Wesen und den Anschauungen des Volkes
selbst innig vertraut. Schon in einigen
seiner ersten Dichtungen zeichnete er ein
so lebendiges und unverfälschtes Bild
desselben, daß das schwedische Gewand
den Eindruck des Eigen-Nationalen nicht
zu beeinträchtigen imstande war, gc
schweige denn als etwas Fremdes cm
psunden wurde.
Als er 18Ü9 den großen Preis der
schwedischen Akademie erhielt und durch
Xavicr Marmicrs Abhandlung über die
nordische Literatur, die ihn neben
Ochlcnschläger und Tegir als einen der
drei großen Dichter des Nordens geprie
scn hatte, zu europäischem Ruhm gc
langte, hatte er noch nicht das Werk bc
gönnen, das vor allen feinen Namen sür
alle Zeiten als den eines originalen Ge
nies bewahren wird: Die Erzählnngen
des Fähnrichs Stal". Die zwei Bäird
chcn erschienen 1843 und 1860 und cnt
halten insgesamt vierunddreißig Gedich
te, an ihrer Spitze das in der Vertonung
von Fredrik Pacius zur finnländischen
Nationalhymne gewordene Unser Land".
Diese zum Teil lyrisch empfindungsvol
len, zum Teil dramatisch zugespitzten
Balladen, Romanzen und epischen Ge
sänge geben jedes ein selbständig abge
schlossenes Charakterbild für sich, in ih
rem stofflichen Zusammenhang aber ein
heroisch-vaierländischcs Gesamtbild des
schicksalschweren Kampfes, durch den
Finnland 180s) Schweden entrissen
ward.
Durch seine maßvolle Objektivität, die
heitere Ruhe, die Idealität der Welt
anschauung und die kristallklare Durch
sichtigkcit und Abgcschlifscnhcit der Form
erscheint Runcbcrg als der Klassiker der
finnländischen Literatur. Als solcher
blieb er allein, unnachahmbar und ohne
Nachfolge. Sein neun Jahre jüngerer
Zeitgenosse Zacharias Topelius (1818 bis
1898) ist im Gegensatz zu ihm Vollblut
romantiker, in der Form geschmeidiger,
farbenreicher und von größerem Wohl
laut, aber auch weicher, ja, verschwom
mener und unklarer, eine durchaus fcmi
ninc Begabung neben dem ausgeprägt
männlichen Geist Nürnbergs. Trotzdem
kann auch Topelius in feiner Art eine
gewisse Klassizität beanspruchen. Sein
langes und fruchtbares Dichterleben ist
von einer seltenen Einheitlichkeit und
kampslosen Harmonie. Die einzig künst
lerische Entwicklung von Belaug, die es
ausweist, ist religiöse Vertiefung und
Verinnerlichung. Im wesentlichen findet
er den ihm eigenen Ton und die Sicher
heit der Form bereits in seinem ersten
Gedichtbuch von 1848; und in feiner
letzten Lyrik von 1883 klingt dieser Ton,
wenn auch in gedankenreiche Symbolik
des Alters verhüllt, doch mehr oder we
niger unverändert aus. In Topelius ver
einen sich In seltener Weise die Gabe des
Lyrikers mit der dss Epikers. Er ist der
erste wirkliche Fabuliere? in der finnlän
dischen Literatur, und als Erzähler hat
er nicht geringere Vottstllnlichkcit errun
gen denn als Lyriker. Von seinen Prola
werken hat vor allem der große, historische
Romanzyklus Die Erzählungen des
Feldschers" auch außerhalb der Grenzen
Finnlands eine verdiente Beachtung und
Verbreitung gefunden.
Zu demselben Kreise junger Akademi
ker, aus dem Runeberg hervorging, ge
hörten auch die beiden Männer, denen
die finnisch sprachliche Poesie und Gei
steskultur ihr Dasein verdankt. Elias
LLnnrot-(1802 bis 1883) und Johan
Wilhelm Sncllman (180 bis 1881) wa
ren zwar keine Dichter, aber ihr Lebens
werk trug unvergängliche Früchte für das
finnische Schrifttum. Wie bereits ein
gangs erwähnt, war das Finnische noch
weit in daS 19. Jahrhundert hinein aus
fchlkfcüä Sprach, de! Volle, nicht
die der Gebildeten. Schriftsprache
war es allerdings schon seit 1548
gewesen, wv der Bischof Michael
Agricola '(1J08 bis 1557) das Neue
Testament und Teile des Alten Tesia
mcnts übersetzt und andere Schnften
religiösen Inhalts herausgegeben hatte.
Das einzige,' was außer diesen Büchern
in finnischer Sprache gedruckt worden
war, beschränkte sich jedoch auf Gesetz
texte. Volksschriften praktischen In
Halts, einzelne poetische Ergüsse popu
lürer Art und schließlich ein paar Heft
chen epischer Gesänge, die der Vater des
Dichters Zacharias Topelius nach alten
Volkssängern im russischen Karelcn auf
gezeichnet hatte.
Diese kleinen Hestchen veranlaßten
Elias Lönnrot, der als Arzt im Innern
Finnlands wirkte, den Spuren der in
ihnen enthaltenen Volkspoesie weiter
nachzugehen. Er begann seine einsamen
Wanderungen in den ostfinnifchen
Einöden und brachte binnen kurzem eine
Sammlung Lieder heim, die er unter
dem Titel Kantele" herausgab Mit
freudigem Staunen begrüßten die Ken
ncr und Förderer der finnischen
Sprache, die sich 1831 zu einer Finni
schen Literaturgescllschaft" zusammen
getan hatten, diese Entdeckung. Noch
größer war die Begeisterung, als Lönn
rot, der nun seine Forschungen in wei
terem Umfange betreiben konnte, in den
epischen Teilen der Gesänge einen Zu
sammenhang entdeckte, der es ihm er
möglichtc, aus dem gesammelten Ma
terial ein Volksepos zusammenzustellen,
das er nach der Heimat der Helden
Kalcva Kalevala" benannte und 1833
herausgab. Nach vierzehnjährigem wei
tcren Sammeln erschien das vervoll
ftändigie Werk 1849 in der noch heute
vorliegenden Gestalt in 50 Gefangen
oder Runen, insgesamt 22,80 allitc
rierende Verse umsassend, deren acht
silbigcs Metrum aus vier Trochäen
besteht.
Dieses Werk ward für das finnische
Volk zu einer Offenbarung von unge
heurer Bedeutung. Man wußte, daß es
eine Volkspoesie gab, aber man hatte sie
ausschließlich für lyrisch gehalten. Nun
erhielt ein Volk mit dunkler, uugcschrie
bener Geschichte plötzlich eine poetisch
verklärte, selbständige Vorzeit und mit
ihr den Glauben an eine Zukunft. Die,
Gesänge stammen aus den dem Chri
stentum nächstvorhcrgehcnden Jahrhun
derten und ruhen hauptsächlich auf
mythischem Grund. Sie geben aber
trotzdem nicht nur ein vollständiges
Bild der religiösen und idealen Welt
anschauung der alten Finnen, sondern
auch von ihrem öffentlichen und Haus
lichen Leben, von der Natur und Be
fchaffenhcit des 'Landes, ja, von der
ganzen Fauna und Flora desselben.
Man hat dieses Volksepos mit
Homer, der Edda, den Nibelungen ver
glichen. An Kraft und Anschaulichkeit
reicht es an die besten Teile dieser Volks
schöpfungen heran, ja übertrifft sie viel
leicht in schlichter Urfprünglichkeit.
Neben Homer ist das Kalevala arm an
Einzelheiten in der Schilderung von
Geschehnissen; in der Charakteristik der
Personen steht sie höher: sie gibt nie
allgemeine Typen, sondern stets allseitig
individualisierte Gestalten. Selten und
kurz werden Kampf und Blutvergießen
geschildert, mit liebevoller Vertiefung
dagegen innige Gcfühlsstimmungcn, am
schönsten und ausführlichsten der hei
mische Herd und das häusliche Leben.
Die Helden vollführen ihre Großtaten
öfter mit der Macht des Wortes und
des GefangeS als mit der des Schwer
tes. Der Weise ist der Besitzer der Ur
sprungsworte" und beherrsch! durch sie
alle Dinge.
Noch ehe die zweite und endgültige
Ausgabe .des Kalevala erschien, hatte
Lönnrot eine reiche Beute lyrischer und
anderer Volksliteratur gesammelt. 1840
veröffentlichte er unter dem Titel 5kan
teletar" 21,00 Berse lyrischer Gedichte.
Balladen und Romanzen; auch diese
Sammlung gibt ein reiches Bild des
Kulturlebens der Altfinnen. Wie in der
finnländischen Landschaft ist auch in
dieser Poesie Melancholie und Wehmut
der Grundton, Resignation ihr Schluß
akkord. Kennzeichnend für Stimmung
und Inhalt ist das Gedicht, das Lönn
rot an die Spitze seiner Sammlung
stellte:
Walirlicit reden die woiil nimmcr,
id'imeiicn üüae wie und Dichtung,
die vom CattrnlpiIk sage,
von der Ltntcle kkrliino.'n,
tob der hah esüin!im!i!,k!l
sie gebildel und cnchaism
ii? des gcs,kn tzcchw'Z ?,i,llrcr,
ius des Ei'eblinds breitem j'ccr.
Sraiier ist dcs LüieleS M'.iltcr,
,m nur bat es prnf'eu;
Sir-ivii lckmchtc di's OSe&oufc,
Nn,,!ück tniu tictOei onä EWMMlzoI,
Suiicn zwirbelt,, die Satten,
'.ueijuief f-itt di? Schrauben dtctjic:
darum Imm in heitern Tvnen
nie die üontclf erllinzen,
nie düä m!?!k.iel iii Freude,
nie in rMichleil erzittern,
weil ous Trauer es gewimmert,
, weil aus ftuii-rncr es geboren.
Gleichzeitig kämpfte Johan Wilhelm
Snellman Politisch-journalipisch unter
dem schwersten Drucke der Zensur für
die Rechte der finnischen Sprache und
des finnischen Volkstums. Die Wir
kungen der Arbeit dieser beiden Männer
auf das zeitgenössische Schrifttum in
finnischer Sprache ließen nicht lange
auf sich warten. Es traten zunächst
Dichter aus dem Volke selbst auf. die
sich in der Form an die alte Volks
dichtung anlehnten. Eine um die Mitte
des Jahrhunderts erschienene Antholo
gie enthält die Dichtungen von achtzehn
lolcher Volksdtchtcr, unter denen Paavo
Korhonen (1773 bis 1840) der älteste
und bedeutendste ist. Sie klingen wie ein
schwaches Echo der alten Volksdichtung
und wurden nur mündlich oder in Ab
schriften unter dem Volk verbreitet. Mit
dem Auftreten der , Druckpresse starb
diese Literatur rasch dahin.
Vltichzeitig begannen w finnischer
Sprache auch Schriftsteller auszutretm.
die ihn Eingebungen in modernere
Gewand kleideten. Dieser Literatur
wurde jedoch in unerwarteter Weise
durch eine unglaubliche Maßregel der
Hochbureaukratischen Negierung für an
dcrthalb Jahrzehnte jede Tascinsmög
lichkeit abgeschnitten. In der Befürch
tung, daß die Förderung einer finni
schen Schriftsprache demokratischen oder
gar demagogischen Umtrieben Vorschub
leisten könnte, ward durch eine Verord
nun.g von 1850 verboten, in finnischer
Sprache irgend etwas anderes zu ver
öffentlichen als Schriften religiösen
oder praktisch-wirtfchaftlichen Inhalts.
Erst 1863 wurde dieses sinnlose Verbot
aufgehoben. Es war das Jahr der poli tischen
Wiedergeburt Finnlands.
Der rapide Aufschwung, der nun auf
Politischem und wirtschaftlichem Gebiet
erfolgte, kam naturgemäß auch der
Geisteskultur des Volkes zugute, und
zwar nicht nur dem schwedischsprach
lichen sondern vor allem dem finnisch
sprachlichen Schrifttum. Eine Dar
stellung der jüngsten zweisprachigen Li
teratur Finnlands liegt nicht im Rah-
men dieses. Aufsatzes. Hier soll nur in
Kürze der weitere Verlauf jener zwei
Ströme angedeutet werden, in denen
sich die Geisteskultur Finnlands bewegt.
Es war nur eine natürliche geschichtliche
Erscheinung daß die Propaganda für
eine nationale finnische Kultur zu einem
Sprachenkampf führte, der eine Zeitlang,
besonders in den siebziger und achtziger
Jahren des verflossenen Jahrhunderts,
sehr scharfe gegen das Schwedentum ge
richtete Formen annahm und eine un
heilvolle Spaltung im gesamten Kultur
leben des Volkes herbeizuführen drohte. ,
Diese Gegensätze haben sich indessen all-'
mählich gemildert, und insbesondere hat
die seit der Jahrhundertwende ein
setzende russische Unterdrückungspolitik
eine versöhnliche Annäherung und Ver
ständigung unter 'den . Fennomanen"
und Svekomanen". zur Folge gehabt.
Die Ziele der letzteren bestehen nicht in
einer Rückkehr zum alten Mutterlande,
sondern darin, die durch die schwedische
Sprache und Kultur geschaffenen natio
nalcn Werte lebendig zu erhalten. Ihre
Daseinsberechtigung finden diese Bcstre
bringen in dem Vorhandensein einer
bodenständigen scliwediscken Baucrnbe
völkerung, vor allem an der Sud und
Westküste, die, wenn sie auch nur ein
Achtel der Gesamtbevöllcrung des Lan
des ausmacht, in ihrer in gesunden
Ueberlieferungen wurzelnden Lebens
fähigkeit und Tüchtigkeit noch für unab
sehbare Zeit eine nicht zu unterschätzende
Quelle fein wird, aus der auch derjenige
Teil der gebildeten Klasse, der nach und
nach die finnische Sprache annimmt,
seine besten Kräfte schöpft. . -
Auf dem Gebiete' der Wissenschaft
haben sich die sprachlichen Gegensatze,
wie das natürlich ist. weniger geltend
gemacht. Schon das Bedürfnis nach
Verständlichkeit veranlaßte hier die Be
vorzugung des Schwedische neben dem
Deutschen und, in einzelnen Fallen, des -Französischen
und Englischen. Aker
auch auf diesem Arkitsfelde.gewz!mt
das Finnische immer mehr an Raum.
In ihren Methoden ist die fiunländische
Wissenschaft selbstverständlich ganz und
gar von den großen Kulturländern, vor
allem Deutschland imd, Schweden, ab
hängig.
Die bildende Kunst und die Musik
sind der jüngste Sprößling am Baum ,
der finnländischen Geifteskultur. Von
der Kunst der alten Finnen wissen wir
nicht viel. Es sind uns Motive und
Muster einer dekorativen' Teztil und
Holzschiittkunst überliefert,, die noch
heute in den be! v,rschicdencn finnisch n
Volksstämmen verbreiteten .Erzeugnissen
häuslichen Kunstgcwebcs weiterleben.
Im Mittelaltcr lieferte Schweden, in
einzelnen Fällen auch die deutschen Han
sestädtc, die Vorbilder für Kirchenbauten
und Burgen. Der Bedarf aw-Skulptur
und Malerei wurde durch Einfuhr zum
Teil sehr kostbarer Kunstwerke aus
Deutschland, den skandinavischen Län
dern, den Niederlanden und anderen
oder auch durch einheimische Nachbil
dung solcher Kunstwerke gedeckt. Wie
in der Literatur traten auch in der bil
denden Kunst eigene schöpferische Ta
lente erst nach der Trennung von Schwe
den auf. Aber hier genügte nicht die
.. ....üi. ff. scr.-t; t.a sj-i.. .1
uuiiiuu-H'atc viiniouiung m qiveoi
schen Geisteslebens. Dazu war der ein
heimische Boden zu unvorbereitet und
auch die Originalität der Vorbilder zu
schwach. Erst in den achtziger Jobren
des 10. Jahrhunderts trat mit Albert
Edelselt (1854 bis 1905) eine stbövfe
rische Begabung von europäische! Maß.
sterbe auf. linier seiner und seines jiin
geren Genossen Akscli aZallön.Kallela
(1865 geb.) Führung betrat die finn
ländische Malerei die von der sranzösi
schen 5iunst borgezcichncten Bahnen.
Deutscher Einfluß hatte sich in den scch
ziger bis achtziger Jahren geltend ge
macht, wo die finnlandische Genre-,
und Landschastsmalcrei ganz im Bann
der Düsseldorfer Schule stand.
Dasjenige Gebiet, wo fast ausschließ'
lich deutscher Einsluß maßgebend war.
ist die Musik. Die schöpferischen Talente
sind teils selbst Deutsche, die nach Finn
land einwanderten (F. Pacius, R. Fal
tin unter anderen), teils Sckuler deut
scher Meister. Erst in Jean SibeliuS
(1865 geboren) erwächst der finnländi
schen Tonkunst ein schöpferisches Genie
von ganz originaler Eigenart, , besser
Kunst i Ton und Motiven so tcunder
bar die Wesensart des finnischen Vol
kes in ihrer Melancholie wie in ihrr
burlesken Heiterkeit wiedergibt, daß sie
mit Fug eine' nationale Kunst genannt
werden kann.
Ich glaube, daß Mitleid und der
Wunsch, einen Notleidenden zu trösten,
bei den meisten Menschen angeborene
Tugenden suid.
Zeichen der Vornehmheit: : nicht
daran denken, unsere Pflichten zu
Pflichten gegen jedermann herabzusetzen;
die eigne Verantwortlichkeit nicht ob
geben wollen, nicht teilen wollen; s-iae
Vorrechte und, deren Au-übmig unter
scwe Pflichten rechnen.