Tägliche Lnmha TrZbLne Grinnerungen an Iöjen. von pcUt Nansen. Das verunglückte Bankett. Die Audienz beim König. m Verkehr . mit grauen. Ibsen und die Zuge,ld. Tchlb.) ' DaS groß Bankett brach an. Es nützt nichts, es sich verhohlen zu wollen: Mihgefchick auf Miwschick fulflte ein. ander. DieftS Galadiner, worauf so viel Sorgfalt verwendet worden war, das dazu auscrfehen war, alle früheren eis) lichen Feste in Kopenhagen an Schönheit und Vornehmheit zu übertreffen, ivar, gelinde gesagt, etwas verunglückt. ES begann damit, daß ich um 2 Uhr einen Brief von Professor ttromann er hielt; worin er mir mitteilte, dafz er einer Erkrankung wegen die versprochene Fest, rede nicht halten konnte. Ob ich meinen ehemaligen lieben Repetenten in Philo sophie durch die Vermutung beleidigte, daß eS das Lampenficbcr War, welches ihn krank gemacht hatte? Genug an dem: fünf Stunden bor dem Feste standen wir ohne Festredner da. Man sandte einen Eilboten zu dem berühmten Tischredner Kammerhcrrn Bille mit der Bitte, gü tigst einzuspringen. Unmöglich in Anbetracht einer so knappen Frist. In der elften Stunde mußten wir von Pctcr Hansen das Versprechen erflehen, seinen scherzhaften Toast No. 2 in die eigens liche Festrede umzuwandeln. Jedermann begreift, daß diese Aufgabe selbst für einen so geübten Redner wie Hansen nicht ganz leicht war. Und glänzend entledigte er sich ihrer denn in der Tat auch nicht. Die Gesellschaft versammelte sich. Sie war fulminant. Gesandte, Minister, viele andere ordengeschmückte Notabilität , ten, die Blüten dänischer Zlunst und Li tcratur, Damen in schönen Farben und festlichem Dekollct. Der Tisch sah mit Sindings girlandentragenden Statuetten herrlich aus. Unter den Klangen des Festmarsches wurde Ibsen mit dem Großkrcuz notabene! auf seinen Eh renplatz geführt. Ihm zur Seite saßen der Theaterintcndant Graf Tannestjoid Samsöe und der Kultusminister Bischof Stphr. Die echte Schildkröte wurde im Verein mit einem Glase Old dry Madeira von sehr altem Jahrgang in achtungsvollem Schweigen genossen. Dann erhob sich Professor Hansen. Wir. die wir den Zu sammenhang kannten, bemerkten, daß es ihm in dieser kurzen Zeit nicht gelungen war, seine Rede völlig umzuändern. Auf eine für die Uneingeweihten befremdliche Art mischten sich Feierlichkeit und Scherz bunt durcheinander. Die Gäste wurden von einer heiteren Unruhe ersaßt, und der Ernst ging gänzlich verloren, als Professor Hansen in Erinnerung an die schelmische Rede No. 2 Ibsen als eine first rate" K rast pries und ihm im Na v'nn der Direktion und der Schauspieler jiit die vollen Häuser dankte, die er dem Theater erschafft hatte. Eine sonderbar ernüchterte Stimmung breitete sich unter der Gesellschaft, die ihre Erwartung aus etwas Großes, Pa thetischcs eingestellt hatte, aus. Und als Ibsen sich erhob, um zu ant Worten, begann auch er, der nicht wie Björnson ein Improvisator von Gottes Gnaden war, sondern altes, was er sagen wollte, sorgfältig einstudieren mußte, mit folgenden Worten, die nicht dazu bei trugen, die allgemeine Befremdung zu fairnen: Professor Hansens Rede hat mich ein wenig desorieniert. Ich bin daher gc nöti'gt zu improvisierend Mit anderen Worten er strich die festliche Rede, die er sich zurecht gelegt hatte. Statt dessen bekam man einige nicht ganz klar der ständlichc Satze zu hören über Dänemark, : das sonnige Land, wenn man durch einen Tunnel gereist ist, und ein paar mystische Worte Über 1864. Dann kam also Pictro Krohns und mein Protcgö, der Dichter Sophus Cckandorph, an die Reihe. Er stellte sich hinter Ibsens Stuhl, den einen Arm um den Grafen Tanneskjold Samsöe, den anderen um Bischof Ctyhrs Schulter geschlungen. Ich weiß nicht, welcher von den beiden mehr desorientiert" aussah. . Es war unmöglich, Schandorph böse zu sein, aber Glück als Festredner hatte er diesen Abend entschieden nicht. Und die Gesellschaft, die sich nach einer Auslösung ihrer etwas unsicheren Stimmung sehnte, begann hellauf zu lacheil und Zwischenrufe ein zusireuen. Worauf Schandorph, Bischof Styhr zärtlich an sich gedrückt, den Fest gäsien zudonnerte: .Wollt Ihr gefälligst den Rand halten, so lange ich sprechet" Unleugbar, das Fest war im Begriff, sich in ein Chaos auszulösen. Die Drachman-Zcantaie und die Rczitationen verbreiteten wvhl für einige Augenblicke Weibe. Aber Pieiro Krohn und mir, die wjr uns bescheiden an das unterste Ende des Tisches gesetzt hakten, war nicht sehr behaglich zumute. In unserer Nähe saßen zwei vortssliche Redner, die damals jedoch noch zu jung waren, um mit offiziellen Ausgaben be traut zu werden: die beiden Literatur Historiker Professor Wilhelm Andersen, und Doktor Poul Lerin. Um uns zu Hilft zu kommen. sprangen sie jetzt einer nach dem andern ein. und endlich bekam man die Worte zu boren, die gesagt wir. den mußten. Sie retteten, was zu reü.n war. ober die Tischzeit war lxinahe vor über. Und nun zeigt? es sich, daß wir Heene mit inbegiissen einen Kapital sebler begangen hatten; mindestens die Hälfte der Gäste fand, daß es ein sehr magere! Diner war, das ihnen für ihre 25 Kronen vorgesetzt wurde. Nur sehr wenige verstanden, wie fein es war, um diese Jahrekzeit Stangenspargel und junge Enten zu essen. Rings um uns borten wir zu unserem Schreck, daß das ei Skandal wäre: 25 Kronen und kei. rtt wäre satil Ein solises Rindbfilet oder derzleichen hatte gefehlt Heene kam tief betrübt zu mir und sagte: Es wäre besser gewesen, wenn oir 12 Kronen gerechnet und ihnen ein Fisch gericht, einen Rinderbraten, Käse und Eis serviert hätten. Das sind sie gc. wohnt und dermit wären sie zufrieden gewesen." Dert nächsten Tag schmälten sogar mehrere Blätter über das karge Menü. Heene war verzweifelt. Schade, daß er Kopenhagen bald wieder verließ. Er wäre freudig überrascht, wenn er jetzt herkäme und sehen könnte, wie man es bei uns gelernt hat, im Januar Lamm zu essen, und daß sogar eine ökonfirman bin über Dosentaviar die Nase rümpft! Er war hier ein Pionier und fiel auf der Schanze mit einem Tranchiermesser in seinem wackeren Herzen. Die Tafel wurde aufgehoben. Ibsen schritt, von seinen vornehmen Tischherrcn eskortiert, durch den Saal. Da geschah es, daß der lebensfrohe, aber ganz form lose Maler. Thorvald Riß ihm in über strömender Begeisterung entgegenkam, ihn umarmte, treuherzig schüttelte und rics: 'Donnerwetter, bist du ein Kerl! Tank für alles, alter Bursche!" Ibsen ging der Sinn für derlei Na turezplosionen völlig ab. Starr vor Schreck streckte er abwehrend die Hände aus und sagte: Nehmen Sie doch den Mann fort!" Einigen handfestenIreunden von Niß gelang es, Niß von Ibsen loszulösen. Allein Niß war über Ibsens Kühle tief enttäuscht. Der alte Dichter war ein wenig er müdes. Eine Weile mußte er indes noch standhalten. Unter anderm hatte ich es iibernom men, ihm einige junge Schriftsteller vor zustellen. In einem der Säle, wo der Kaffee serviert wurde, saß Ibsen auf einem Stuhl und die jungen dänischen Dichter traten der Reihe nach vor das Angesicht des Meisters. Ibsen war lik. benswllrdig und hatte für jeden von ihnen ein gutes Wort. Zuweilen war es gar nicht so iibel, was er ihnen sagte. Aber einen kleiner, Chok verursachte es doch, als ich Svcn'Lange vorstellte: Ich weiß nicht. Dr. Ibsen, ob Sie Sven Lange kennen?" . Sven Lange", sagte Ibsen und sah ihn ungeheuer wohlwollend mit feinem guten Auge an der Bildhauer Sin ding hatte hcrausgesuM, dasz Ibsen ein böses Auge hätte und eines, das von Güte strahlte wie sollte ich nicht Sven Lange kennen Dänemarks Scribc!" Es fiel Lange nicht leicht, sein verbind liches Lächeln zu bewahren, und ich wagte kaum, ihm ins Gesicht zu sehen. Auf einmal war Ibsen derschwun den. Müde der vielen Menschen, hatte er sich ganz still zurückgezogen. Allein oben in seinen Zimmern zeigte er sich den wenigen, die er zu' einem Abend Punsch eingeladen hatte, viel ungezwun gener. Der folgende Tag der dritte Fest tag war dem Weiblichen Lcscvercin und dem Studenlenverein gewidmet. Keine dieser beiden Veranstaltungen zeichnete sich durch irgendein bemerkens wertes Ereignis aus, es wäre denn, daß Ibsen abends im Studenlenverein plotz lich verschwunden war, ohne Höfsöings Rede erwidert zu haben. Das war be greislichcrweise eine Enttäuschung für .die jungen Leute, in Wahrheit aber durste man es dem alten Manne nicht verargen, wenn er, der an ein ganz stil les regelmäßiges Leben gewohnt war, nicht allen Anforderungen gerecht wer den konnte, die diese Festwoche an ihn stellte. Vormittags war er zu: Audi enz beim König gewesen, um für das Großkreuz zu dachen. , , Ibsen hatte sich über besonders liebenswürdige schlichte Auiahn.e, die ihm dabei auteil wurde, außerordentlich gesreut, Große Eindruck liatte es aus ihn gemacht, daß der alte König, nach dem er eine Weile mit ihm geplaudert, gesacit chatie: Meine Töchter, die Kai stritt von Rußland und die Prinzessin von Wales, mochten sich gern erlauben. Sie zu begrüßen," woraus die beiden Fürstinnen herein kamen und mit dein berühmten Dichter einige verbindliche Worte wechselten. Für denjcnig'n dcr ins,: bcd'ull, wie fern jeder Ruhmeulsaltung Ibsens tag liches Leben verlief, mag es sonderbar klingen, daß er vor dieser Audienz über aus nervös gewesen war. Eine drollige und zweifellos wahrheitsgetreue Anet dote legte davon Zeugnis ob: Kurze Zeit nachher war der ehemalige Land tagsprästdent Högsbro in Audienz beim König, um ihm für eine Auszeichnung zu danken. Der König fragte, wie es ihm ginge, und Högsbro erwiderte:, Acb, Majestät, man merkt, daß man alt wird," Sie dürfen noch nick,t von Alter sprechen," antwortete der König, ich bin doch flicht viel alter als Sie. Und ich merke eigentlich nichts von Schwäche, Neulich, als Henrik Ibsen bei mir war, war ich sogar ginz stolz. Er ist doch erst siebzig Jahr: alt. und ich bin um zehn Jahre älter. Anfangs dach'e ich, ti wird gewiß nicht leicht sein, mit einem solch n Genie zu sprechen weis soll man ihm klgenUich fagin? Vbei ich muß ehrlich gestehen, ich glaube, er machte einen viel greisenhafteren Ein druck als ich er war wirklich sehr verlebn und mcheholsen. Ich mußte ihm in der Konversation die ganze Zeit beibringen." ' Ebenso verlegen wie Ibsen wabrend einer Audienz bei den höchsten- Herr schaften war, konnte er sein, wenn junge Damen ihn entweder in neugieriger Zu dringlichkeit eder wirklicher Bewunde- ruug aufsuchten und ihm Blumen brach ten. Vom Nebenzimmer aus, wohin ich mich diskret zurückgezogen hatte, hatte ich einmal Gelegenheit, eine solche Szene zu beobachten. Eine wirklich reizende junge Dame wurde gemeldet. Sie brachte einen Strauß herrlicher Rosen. Der Kellner Lsfnete ihr die Tür. lln geheuer formell, mit seinem ernstesten Gesicht, kam Ibsen ihr entgegen: Sie wünschen, mein Fräulein?" fragte er. Ganz verwirrt, blutrot, streckte sie ihm die Blumen hin: Ach. Herr Doktor, ich wollte so gern ...Herr Dottor, nur diese Blumen, wenn Sie gestatten..." Damit stockte sie und legte die Blumen schleunigst auf ein Tischchen. Ibsen wollte sehr freundlich sein und sagte: Aber das ist ja sehr nett von Ihnen Sie wollten mir Blumen bringen. Ich danke Ihnen vielmals. Bitte, sehen Sie sich, Fräulein..." Ganz konsterniert setzte sich das junge Mädcben wie ans Kommando ans die äußerste .Kante eines Stuhles und blieb stumm sitzen. Gegenüber, an der ande ren Seite des Tisches faß Ibsen ebenso stumm. Peinliche Sekunden verstrichen. Dann sagte Ibsen: Sie wollten mir also Blumen brin gen? Wie nett von Ihnen. Die Da men in Dänemark sind so nett." Ach, Herr Dottor. Herr Doktor..." Weiter kam das junge Ding nicht. Da Ibsen nichts mehr zu sagen wußte, stand et auf. Flugs folgte sie seinem Beispiel. Und während er sie förmlich zur Tür hindrängte, wieder holte er riesig sanft und zärtlich: Ich danke Ihnen sehr, Fräulein, das war wirklich sehr nett von Ihnen." Als sie draußen war, sagte er zu mir: Wie lieb doch die jungen Kopenhagne rinnen sind!" Ich aber muß!? daran denken, wie wohl Björnson oder Dramman sich an seiner Stelle benommen hätten. Mit dem Recht, des da Alter verleiht, Kilte jeder !5 bc.: des kleine Mädel nrt,' bei n Kopf genommen, ihm einei pi.h auf Wange oder :iin gedrückt und in onkelhaft Nrlüblcr Weise mit ihm ge fchnj'.. Ibse ir fiel es v$mx so sck.lv. seiner !?erks icheit Herr ,; ilu den. Er beicn d p.kj gleichsam immer in zugeknöpfter Rcdingote. Selten, daß er sich frei fühlte und mit einer jungen Dame wirklich ungezwungen plaudern konnte. Tann aber vermochte er auch amüsanie und phantastische Dinge zu sagen, ihr zu erzählen, was er wohl täte, wenn er sich einmal von seinen Dichtcrträumen losreißen konnte und viel, viel Geld zur Verfügung hatte. Dann wollte er sich zum Beispiel dcis feinste Schiff auf der Welt kaufen, die beste Zigeunerkapelle anwerben und mit wenigen guten Freunden und den aller schönsten jungen Frauen nach der Herr lichstcn Insel in den Tropen fahren. Aber davon wird einmal die Dame, der er halb spöttisch, halb sentimental feine Sehnsucht und feine Phantasien anvertraut hatte, wohl schöner und bes sei erzählen als ich. Die letzte öffentliche Feier Ivar die Festvorstellung im Dagmar-Theater. Wider alles Erwarten wurde gerade die ser Abend der Clou der ganzen Ibsen Woche. Im Gegensatz zum Königlichen Thea ter hatte sich das DagmarTheater einer großen neuen Ausgabe unterzogen: Es hatte Brand" einstudiert. Marlinius Nielsen, Direktor und zugleich Schau spicler, dessen Manieriertheit viele ab stieß, spielte selbst die Titelrolle. Es wäre sonst auch niemand dagewesen, der diese Niesenrolle zu bewältigen imstande war. Etwas skeptisch fand man siein, Ibsen im vorhinein bemitleidend: Wie sollte er diese vier bis fünf Stunden überdauern? Allein Martinius Nielsen, hatte wirk lich etwas von dem Stoff, der zu einem bedeutenden Schauspieler gehört. Bor, allem eine gewaltige Energie und einen mächtigen Fanatismus. Schon säiher hatte er gerade in großen langdauernden Vorstellungen gesiegt. Anfangs lächelte man über sein iol lendeS eintöniges Pathos, allmälig aber wurde mati davon hypnotisiert, und je weiter er kam, desto stärker wurde sein Spiel. Müdigkeit und Erschlaffung kannte er nicht. Außerdem war er Grandscigneur und verstand es zum Unterschied vom könig licken Theater, Feste zu geben. Ibsen saß in der mit herrlichen Blumen ge schmückten königlichen Loge, und in dem Gemach, das zur Loge führte, stand ein Erfrilchungstisch mit allen erdenklichen Genüssen: köstliche kalte Speisen. Cham pagner. Bier. Whiskey, Liköre, Kassee. kurz alles, was eine verfeinerte kulinari stbk Phantasie zu ersinnen vermag. Und Blmen in Menge. Eine begeisterte, verschwenderische In gend war es. die den alten Mann feiern wollte. Und siehe da. Ibsen der wöh rend der offiziellen Vornehmheit im tö niglichen Theater halb eingeschlafen war. fühlte sich im Dagmar-Theater allem Anschein nach kreuzmohl. Es war et was Neues, Ungewohntes, das ihm von der Bühne herab und aus der Fcstloge entgegen strahlte. Angefeuert von Mai tinius Niclfen spielten die Schauspieler d'rauf los. Nicht olles war vorttesslich aber es war jedenfalls jung. Und man hatte auf die gastsreiefte Weise dafür gesorgt, daß der alte Herr es qemüilich haben sollte. Schon nach Verlauf weniger Szene begann man den Erfolg zu wittern. Iie Heisteskullur Finnlands. Zwei Strömen ist daI geistige Leben Finnlands vergleichbar, die ncbeneinan der fließen, ohne ihre Gewässer zu vci. mischen, um schließlich in deniselben gio ßen Meer gemeinsamen Batcrlandsem pfindcns zu munden. Der eine Strom, die schwedische Kultur tragend, wird von Quellen gespeist, die zum Teil außerhalb der Grenzen der engeren Heiuiat ent springen. Seine Fluten, die nicht in überschäumender Fülle dahinbrausen, sind von kristallklarcr Reinheit und wer den von kunstvoller Hand durch fcstge fügte Quadern gebändigt. Der andere, daS geistige Bild der finnischen Urbe wohncr des Landes widerspiegelnd, strömt Jahrhunderte lang im Dunkeln, vergessen und ungekannt, bis plötzlich ein kühner Entdecker das ihn verhüllende Dickicht lichtet und den staunenden Zeit genossen seine ungewohnte Tiefe und sei nen Reichtum aufdeckt. Welche Verhältnisse, welche Sitten, welche Ordnung unter den Ureinwohnern Finnlands zu jener Zeit herrschten, als die Schweden im 12. Jahrhundert die Eroberung des Landes begannen, ist nicht bekannt. 'Man weiß nur, daß feine Bc wohner Heiden waren. Neben dem Christentum brachten die Schweden auch die Rechtsordnung ihres Vaterlandes über das Bosnische Meer und organi sierten die Verwaltung des eroberten Landes nach dem Vorbilde ihrer H?imat. Siebenhundert Jahre waren sie Herren im Lande, ohne jedoch Unterdrücker zu sein. Die soziale und politische Frei heit Schwedens kam auch Finnland zu gute, und es genoß seit 1581 als besonderes Großfiirstentum dieselben Rechte, die den übrigen Teilen des schwe dischen Reiches zukamen. Die völkische Eigenart der Bewohner blieb unangetastet, nie wurde ein Versuch gemacht, sie sprachlich-naiionalistifch zum Schwedentum" zu bekehren. Hierzu lag auch insofern kein Anlaß vor, als die finnisch redende Bevölkerung infolge des großen Bildungsunterschiedes dem schwc dischen Element niemals seine soziale Vormachtstellung streitig machte, sondern es als selbstverständlich betrachtete, daß jeder, der zur Bildung drängte, zunächst schwedisch lernen mußte. Die Folge dieser friedlichen Entwick lung war, daß schwedisch nicht nur die Sprache der Verwaltung, sondern auch die Muttersprache der ganzen gebildeten Klasse wurde. Es ist eine ebenso eigen tümliche wie interessante Erscheinung, daß diese Tatsache dem demokratischen Geist, der vom Mutterlands her auch die herrschenden Klassen in Finnland durch drang, keinen Abbruch tat. Hierzu trug wohl auch der Umstand bei, daß bei der Jahrhunderte alten ständischen Versas sungsorm die Bauern als Rcichsstand politisch den übrigen Ständen an, Macht und Ansehen durchaus gleichstanden. So war eS auch ganz selbstverständlich, daß 1809, als Finnland als autonomes Staatsmcsen mit Rußland vereinigt ward, der finuische Bauer als rechtmäßi ger Erbe die politischen Rechte und Privi tegien des freien und selbständigen Bau ernstandcs Schwedens übernahm. Hätte das Volk die ihm von Alexander I. verliehene Verfassung gleich gesetzgebe risch betätigen können, dann wäre das Nationalbewußtsein der finnischen Vc völkerung ohne Zweifel viel eher nach der Trennung'von Schweden erwacht, als dieS tatsächlich der Fall war. Akzander ließ es aber bei der Proklamierung eines finnländischcn Staates bewenden, und unter seinem rcaküonären Nachfolger Nikolaus I. blieb das großmütige Ge schenk ebenso unbenutzt liegen, und die Finnländer konnten sich glücklich schätzen, daß ihnen wenigstens nichts davon wie der zurückgkjiommen wurde. Es blieb infolgedessen zunächst politisch wie sozial im Grunde beim alten: in Verwaltung und Gesetzgebung, in Wis senschaft und Literatur war das Schwe dische nach wie vor das eiuzige Vcrstän dignngsmittel und der einziger Kultur träger. Naturgemäß traten also auch die ersten Regungen eines selbständigen gei stigen Lebens nach der Trennung vom Mutterlande in schwedischem Gewanöe zutage. Aber schon aus diesen ersten Er scheinungcn einer eigenen finnländischen Literatur spricht ein neuer, bisher un bekannter Ton: die Liebe zu der engeren Heimat und ihrer ?catur, noch mehr: zu ihrem ursprünglichen Volk, den finnischen Brüdern. Bei Frans Michael Franzön (1772 bis 1847). der allerdings schon 1811 für immer nach Schweden übersiedelte, aber von den Finnländcru mit Recht als der erste bcdeutcude finnlandische Dichter schwedischer Zunge in Anspruch genom men wird, findet diese Vaterlandsliebe in seiner Ballade vom alten Karoliner zum erstenmal einen beredten Ausdruck. Noch kräftiger und bewußter bricht sie hervor in dem Gedicht DaS finnische Ibsen selbst gab das Signal zu de monftrativem Beifall, und die Stim mung stieg von Akt zu Akt auf ver Bühne, ebenso wie im Zuschaucrraum :,nd in der Dichterlogc. Ohne ein Spur von Müdigkeit hielt Ibsen den langen Abend aus. und der Abend endete mit wilden stürmischen Ovationen, die Ibsen selber anleitete, bis die Ovationen sich gegen ihn selbst kehrten. Da endlich bekam Kopenhagen Ibsen als fröhlichen Jubilar zu sehen. Attck' noch nach der Vorstellung hielt er aus. zwei Stunden lang auf einem Fest mit MartiniuZ Nielsen und den anderen Mitspielenden. Diesen Abend brauchte er nichk zu Fuß zurück in sein Holel zu gehen. Umwogt von den Hucra r.'fen echte? Beeeisterung snhr er him in dem scmsikn "gen t Stadt. So fanden sich endlich das beloun bcrte Genie der jungen Generation und die Kopenhagener Künftlerjugend in ei riet festlichen Bacchantenstimmui. Von Zshannes Gehqmst. Heimatland" von Johan Gabriel Lln sön (1782 bis 1848), das die bürgerliche Freiheit und die Religion als die schön sten Erbschaften von Schweden preist, zugleich aber von einer innigen Liebe zum finnischen Volk getragen ist. Es ist eine oft beobachtete Erscheinung, daß der geistige Boden eines Volkes, der lange Zeit kulturell brach gelegen, wenn der Augenblick der Erfüllung gekommen, gleichzeitig einc unerwartet reiche Saat an geistigen Kräften emporschießen läßt. So traten auch nun in Finnland, unter Einwirkung des neuerwachendcn Natio nalbewußtseins, zu gleicher Zeit eine ganze Reihe von außergewöhnlichen Männern in die Öffentlichkeit, die be stimmt waren, in den nächsten Jahr zehnten dem geistigen Leben Finnlands ihr Gepräge zu verleihen. Sie waren fast sämtlich in demselben Jahr geboren. In Abo, der alten Haupt- und Univer sitätsstadt Finnlands, fanden sie sich. In Hclsiugsors, der neuen Hauptstadt, in die nach dem verheerenden Brande von Abo im Jahre 1827 auch die Hochschule ver legt ward, trennten sich allerdings ihre Wege, indem jeder von ihnen in die ihm gemäße Wirkunysbahn gelenkt wurde Politik, Kunst. Volksdichtung, Kritik . aber in der Kulturgeschichte Finnlands bleiben ihre Namen als 'die der ersten geistigen Führer des Volkes untrennbar miteinander verknüpft. Was diese Männer zunächst verband, war das Interesse für die Dichtkunst, und zwar, da sie unmittelbar in der schwedischen Bildung wurzelten, sür die Dichtkunst des alten Mutterlandes. Der Mann in diesem Kreise, dem es beschie den war, in seiner schwedischen Ncutter spräche eine eigene nationale finnländi sche Dichtkunst zu schassen, die seinen Na men weit über die Grenzen seines Vater landes trug, war Johan Ludwig Nunc berg (1804 bis 1877). Er war w einer rein schwedischen Kllstengegend am Bott nischen Meer geboren und lernte nie die Sprache der Urbevölkerung des Landes sprechen. Aber die im Lande übliche ein fache, Lebensweise brachte es mit sich, daß auch der Gebildete in nahe Berührung mit deni Volk kam, sind der junge Dich ter wurde bald mit der Denkweise, dem Wesen und den Anschauungen des Volkes selbst innig vertraut. Schon in einigen seiner ersten Dichtungen zeichnete er ein so lebendiges und unverfälschtes Bild desselben, daß das schwedische Gewand den Eindruck des Eigen-Nationalen nicht zu beeinträchtigen imstande war, gc schweige denn als etwas Fremdes cm psunden wurde. Als er 18Ü9 den großen Preis der schwedischen Akademie erhielt und durch Xavicr Marmicrs Abhandlung über die nordische Literatur, die ihn neben Ochlcnschläger und Tegir als einen der drei großen Dichter des Nordens geprie scn hatte, zu europäischem Ruhm gc langte, hatte er noch nicht das Werk bc gönnen, das vor allen feinen Namen sür alle Zeiten als den eines originalen Ge nies bewahren wird: Die Erzählnngen des Fähnrichs Stal". Die zwei Bäird chcn erschienen 1843 und 1860 und cnt halten insgesamt vierunddreißig Gedich te, an ihrer Spitze das in der Vertonung von Fredrik Pacius zur finnländischen Nationalhymne gewordene Unser Land". Diese zum Teil lyrisch empfindungsvol len, zum Teil dramatisch zugespitzten Balladen, Romanzen und epischen Ge sänge geben jedes ein selbständig abge schlossenes Charakterbild für sich, in ih rem stofflichen Zusammenhang aber ein heroisch-vaierländischcs Gesamtbild des schicksalschweren Kampfes, durch den Finnland 180s) Schweden entrissen ward. Durch seine maßvolle Objektivität, die heitere Ruhe, die Idealität der Welt anschauung und die kristallklare Durch sichtigkcit und Abgcschlifscnhcit der Form erscheint Runcbcrg als der Klassiker der finnländischen Literatur. Als solcher blieb er allein, unnachahmbar und ohne Nachfolge. Sein neun Jahre jüngerer Zeitgenosse Zacharias Topelius (1818 bis 1898) ist im Gegensatz zu ihm Vollblut romantiker, in der Form geschmeidiger, farbenreicher und von größerem Wohl laut, aber auch weicher, ja, verschwom mener und unklarer, eine durchaus fcmi ninc Begabung neben dem ausgeprägt männlichen Geist Nürnbergs. Trotzdem kann auch Topelius in feiner Art eine gewisse Klassizität beanspruchen. Sein langes und fruchtbares Dichterleben ist von einer seltenen Einheitlichkeit und kampslosen Harmonie. Die einzig künst lerische Entwicklung von Belaug, die es ausweist, ist religiöse Vertiefung und Verinnerlichung. Im wesentlichen findet er den ihm eigenen Ton und die Sicher heit der Form bereits in seinem ersten Gedichtbuch von 1848; und in feiner letzten Lyrik von 1883 klingt dieser Ton, wenn auch in gedankenreiche Symbolik des Alters verhüllt, doch mehr oder we niger unverändert aus. In Topelius ver einen sich In seltener Weise die Gabe des Lyrikers mit der dss Epikers. Er ist der erste wirkliche Fabuliere? in der finnlän dischen Literatur, und als Erzähler hat er nicht geringere Vottstllnlichkcit errun gen denn als Lyriker. Von seinen Prola werken hat vor allem der große, historische Romanzyklus Die Erzählungen des Feldschers" auch außerhalb der Grenzen Finnlands eine verdiente Beachtung und Verbreitung gefunden. Zu demselben Kreise junger Akademi ker, aus dem Runeberg hervorging, ge hörten auch die beiden Männer, denen die finnisch sprachliche Poesie und Gei steskultur ihr Dasein verdankt. Elias LLnnrot-(1802 bis 1883) und Johan Wilhelm Sncllman (180 bis 1881) wa ren zwar keine Dichter, aber ihr Lebens werk trug unvergängliche Früchte für das finnische Schrifttum. Wie bereits ein gangs erwähnt, war das Finnische noch weit in daS 19. Jahrhundert hinein aus fchlkfcüä Sprach, de! Volle, nicht die der Gebildeten. Schriftsprache war es allerdings schon seit 1548 gewesen, wv der Bischof Michael Agricola '(1J08 bis 1557) das Neue Testament und Teile des Alten Tesia mcnts übersetzt und andere Schnften religiösen Inhalts herausgegeben hatte. Das einzige,' was außer diesen Büchern in finnischer Sprache gedruckt worden war, beschränkte sich jedoch auf Gesetz texte. Volksschriften praktischen In Halts, einzelne poetische Ergüsse popu lürer Art und schließlich ein paar Heft chen epischer Gesänge, die der Vater des Dichters Zacharias Topelius nach alten Volkssängern im russischen Karelcn auf gezeichnet hatte. Diese kleinen Hestchen veranlaßten Elias Lönnrot, der als Arzt im Innern Finnlands wirkte, den Spuren der in ihnen enthaltenen Volkspoesie weiter nachzugehen. Er begann seine einsamen Wanderungen in den ostfinnifchen Einöden und brachte binnen kurzem eine Sammlung Lieder heim, die er unter dem Titel Kantele" herausgab Mit freudigem Staunen begrüßten die Ken ncr und Förderer der finnischen Sprache, die sich 1831 zu einer Finni schen Literaturgescllschaft" zusammen getan hatten, diese Entdeckung. Noch größer war die Begeisterung, als Lönn rot, der nun seine Forschungen in wei terem Umfange betreiben konnte, in den epischen Teilen der Gesänge einen Zu sammenhang entdeckte, der es ihm er möglichtc, aus dem gesammelten Ma terial ein Volksepos zusammenzustellen, das er nach der Heimat der Helden Kalcva Kalevala" benannte und 1833 herausgab. Nach vierzehnjährigem wei tcren Sammeln erschien das vervoll ftändigie Werk 1849 in der noch heute vorliegenden Gestalt in 50 Gefangen oder Runen, insgesamt 22,80 allitc rierende Verse umsassend, deren acht silbigcs Metrum aus vier Trochäen besteht. Dieses Werk ward für das finnische Volk zu einer Offenbarung von unge heurer Bedeutung. Man wußte, daß es eine Volkspoesie gab, aber man hatte sie ausschließlich für lyrisch gehalten. Nun erhielt ein Volk mit dunkler, uugcschrie bener Geschichte plötzlich eine poetisch verklärte, selbständige Vorzeit und mit ihr den Glauben an eine Zukunft. Die, Gesänge stammen aus den dem Chri stentum nächstvorhcrgehcnden Jahrhun derten und ruhen hauptsächlich auf mythischem Grund. Sie geben aber trotzdem nicht nur ein vollständiges Bild der religiösen und idealen Welt anschauung der alten Finnen, sondern auch von ihrem öffentlichen und Haus lichen Leben, von der Natur und Be fchaffenhcit des 'Landes, ja, von der ganzen Fauna und Flora desselben. Man hat dieses Volksepos mit Homer, der Edda, den Nibelungen ver glichen. An Kraft und Anschaulichkeit reicht es an die besten Teile dieser Volks schöpfungen heran, ja übertrifft sie viel leicht in schlichter Urfprünglichkeit. Neben Homer ist das Kalevala arm an Einzelheiten in der Schilderung von Geschehnissen; in der Charakteristik der Personen steht sie höher: sie gibt nie allgemeine Typen, sondern stets allseitig individualisierte Gestalten. Selten und kurz werden Kampf und Blutvergießen geschildert, mit liebevoller Vertiefung dagegen innige Gcfühlsstimmungcn, am schönsten und ausführlichsten der hei mische Herd und das häusliche Leben. Die Helden vollführen ihre Großtaten öfter mit der Macht des Wortes und des GefangeS als mit der des Schwer tes. Der Weise ist der Besitzer der Ur sprungsworte" und beherrsch! durch sie alle Dinge. Noch ehe die zweite und endgültige Ausgabe .des Kalevala erschien, hatte Lönnrot eine reiche Beute lyrischer und anderer Volksliteratur gesammelt. 1840 veröffentlichte er unter dem Titel 5kan teletar" 21,00 Berse lyrischer Gedichte. Balladen und Romanzen; auch diese Sammlung gibt ein reiches Bild des Kulturlebens der Altfinnen. Wie in der finnländischen Landschaft ist auch in dieser Poesie Melancholie und Wehmut der Grundton, Resignation ihr Schluß akkord. Kennzeichnend für Stimmung und Inhalt ist das Gedicht, das Lönn rot an die Spitze seiner Sammlung stellte: Walirlicit reden die woiil nimmcr, id'imeiicn üüae wie und Dichtung, die vom CattrnlpiIk sage, von der Ltntcle kkrliino.'n, tob der hah esüin!im!i!,k!l sie gebildel und cnchaism ii? des gcs,kn tzcchw'Z ?,i,llrcr, ius des Ei'eblinds breitem j'ccr. Sraiier ist dcs LüieleS M'.iltcr, ,m nur bat es prnf'eu; Sir-ivii lckmchtc di's OSe&oufc, Nn,,!ück tniu tictOei onä EWMMlzoI, Suiicn zwirbelt,, die Satten, '.ueijuief f-itt di? Schrauben dtctjic: darum Imm in heitern Tvnen nie die üontclf erllinzen, nie düä m!?!k.iel iii Freude, nie in rMichleil erzittern, weil ous Trauer es gewimmert, , weil aus ftuii-rncr es geboren. Gleichzeitig kämpfte Johan Wilhelm Snellman Politisch-journalipisch unter dem schwersten Drucke der Zensur für die Rechte der finnischen Sprache und des finnischen Volkstums. Die Wir kungen der Arbeit dieser beiden Männer auf das zeitgenössische Schrifttum in finnischer Sprache ließen nicht lange auf sich warten. Es traten zunächst Dichter aus dem Volke selbst auf. die sich in der Form an die alte Volks dichtung anlehnten. Eine um die Mitte des Jahrhunderts erschienene Antholo gie enthält die Dichtungen von achtzehn lolcher Volksdtchtcr, unter denen Paavo Korhonen (1773 bis 1840) der älteste und bedeutendste ist. Sie klingen wie ein schwaches Echo der alten Volksdichtung und wurden nur mündlich oder in Ab schriften unter dem Volk verbreitet. Mit dem Auftreten der , Druckpresse starb diese Literatur rasch dahin. Vltichzeitig begannen w finnischer Sprache auch Schriftsteller auszutretm. die ihn Eingebungen in modernere Gewand kleideten. Dieser Literatur wurde jedoch in unerwarteter Weise durch eine unglaubliche Maßregel der Hochbureaukratischen Negierung für an dcrthalb Jahrzehnte jede Tascinsmög lichkeit abgeschnitten. In der Befürch tung, daß die Förderung einer finni schen Schriftsprache demokratischen oder gar demagogischen Umtrieben Vorschub leisten könnte, ward durch eine Verord nun.g von 1850 verboten, in finnischer Sprache irgend etwas anderes zu ver öffentlichen als Schriften religiösen oder praktisch-wirtfchaftlichen Inhalts. Erst 1863 wurde dieses sinnlose Verbot aufgehoben. Es war das Jahr der poli tischen Wiedergeburt Finnlands. Der rapide Aufschwung, der nun auf Politischem und wirtschaftlichem Gebiet erfolgte, kam naturgemäß auch der Geisteskultur des Volkes zugute, und zwar nicht nur dem schwedischsprach lichen sondern vor allem dem finnisch sprachlichen Schrifttum. Eine Dar stellung der jüngsten zweisprachigen Li teratur Finnlands liegt nicht im Rah- men dieses. Aufsatzes. Hier soll nur in Kürze der weitere Verlauf jener zwei Ströme angedeutet werden, in denen sich die Geisteskultur Finnlands bewegt. Es war nur eine natürliche geschichtliche Erscheinung daß die Propaganda für eine nationale finnische Kultur zu einem Sprachenkampf führte, der eine Zeitlang, besonders in den siebziger und achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts, sehr scharfe gegen das Schwedentum ge richtete Formen annahm und eine un heilvolle Spaltung im gesamten Kultur leben des Volkes herbeizuführen drohte. , Diese Gegensätze haben sich indessen all-' mählich gemildert, und insbesondere hat die seit der Jahrhundertwende ein setzende russische Unterdrückungspolitik eine versöhnliche Annäherung und Ver ständigung unter 'den . Fennomanen" und Svekomanen". zur Folge gehabt. Die Ziele der letzteren bestehen nicht in einer Rückkehr zum alten Mutterlande, sondern darin, die durch die schwedische Sprache und Kultur geschaffenen natio nalcn Werte lebendig zu erhalten. Ihre Daseinsberechtigung finden diese Bcstre bringen in dem Vorhandensein einer bodenständigen scliwediscken Baucrnbe völkerung, vor allem an der Sud und Westküste, die, wenn sie auch nur ein Achtel der Gesamtbevöllcrung des Lan des ausmacht, in ihrer in gesunden Ueberlieferungen wurzelnden Lebens fähigkeit und Tüchtigkeit noch für unab sehbare Zeit eine nicht zu unterschätzende Quelle fein wird, aus der auch derjenige Teil der gebildeten Klasse, der nach und nach die finnische Sprache annimmt, seine besten Kräfte schöpft. . - Auf dem Gebiete' der Wissenschaft haben sich die sprachlichen Gegensatze, wie das natürlich ist. weniger geltend gemacht. Schon das Bedürfnis nach Verständlichkeit veranlaßte hier die Be vorzugung des Schwedische neben dem Deutschen und, in einzelnen Fallen, des -Französischen und Englischen. Aker auch auf diesem Arkitsfelde.gewz!mt das Finnische immer mehr an Raum. In ihren Methoden ist die fiunländische Wissenschaft selbstverständlich ganz und gar von den großen Kulturländern, vor allem Deutschland imd, Schweden, ab hängig. Die bildende Kunst und die Musik sind der jüngste Sprößling am Baum , der finnländischen Geifteskultur. Von der Kunst der alten Finnen wissen wir nicht viel. Es sind uns Motive und Muster einer dekorativen' Teztil und Holzschiittkunst überliefert,, die noch heute in den be! v,rschicdencn finnisch n Volksstämmen verbreiteten .Erzeugnissen häuslichen Kunstgcwebcs weiterleben. Im Mittelaltcr lieferte Schweden, in einzelnen Fällen auch die deutschen Han sestädtc, die Vorbilder für Kirchenbauten und Burgen. Der Bedarf aw-Skulptur und Malerei wurde durch Einfuhr zum Teil sehr kostbarer Kunstwerke aus Deutschland, den skandinavischen Län dern, den Niederlanden und anderen oder auch durch einheimische Nachbil dung solcher Kunstwerke gedeckt. Wie in der Literatur traten auch in der bil denden Kunst eigene schöpferische Ta lente erst nach der Trennung von Schwe den auf. Aber hier genügte nicht die .. ....üi. ff. scr.-t; t.a sj-i.. .1 uuiiiuu-H'atc viiniouiung m qiveoi schen Geisteslebens. Dazu war der ein heimische Boden zu unvorbereitet und auch die Originalität der Vorbilder zu schwach. Erst in den achtziger Jobren des 10. Jahrhunderts trat mit Albert Edelselt (1854 bis 1905) eine stbövfe rische Begabung von europäische! Maß. sterbe auf. linier seiner und seines jiin geren Genossen Akscli aZallön.Kallela (1865 geb.) Führung betrat die finn ländische Malerei die von der sranzösi schen 5iunst borgezcichncten Bahnen. Deutscher Einfluß hatte sich in den scch ziger bis achtziger Jahren geltend ge macht, wo die finnlandische Genre-, und Landschastsmalcrei ganz im Bann der Düsseldorfer Schule stand. Dasjenige Gebiet, wo fast ausschließ' lich deutscher Einsluß maßgebend war. ist die Musik. Die schöpferischen Talente sind teils selbst Deutsche, die nach Finn land einwanderten (F. Pacius, R. Fal tin unter anderen), teils Sckuler deut scher Meister. Erst in Jean SibeliuS (1865 geboren) erwächst der finnländi schen Tonkunst ein schöpferisches Genie von ganz originaler Eigenart, , besser Kunst i Ton und Motiven so tcunder bar die Wesensart des finnischen Vol kes in ihrer Melancholie wie in ihrr burlesken Heiterkeit wiedergibt, daß sie mit Fug eine' nationale Kunst genannt werden kann. Ich glaube, daß Mitleid und der Wunsch, einen Notleidenden zu trösten, bei den meisten Menschen angeborene Tugenden suid. Zeichen der Vornehmheit: : nicht daran denken, unsere Pflichten zu Pflichten gegen jedermann herabzusetzen; die eigne Verantwortlichkeit nicht ob geben wollen, nicht teilen wollen; s-iae Vorrechte und, deren Au-übmig unter scwe Pflichten rechnen.