Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 08, 1917, Image 2

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    Tägliche Omaha Tribune
lill
Streiflichter auf die Gegebenheiten und die führenden Persönlichkeiten.
St-ckholm, 2,1. Juli.
Als dor nunmehr vier Monaten dir
Sturmwind der russischen Revolution
in lwnia, Taqm das morsche Grbäude
dk! bureaukratischcn Zarismus wie ein
Kartenhaus wegfegte, da knüpften sich
den Umschwung in Petersburg bei
de westlichen Verbündeten Rußlands
die stärksten Hoffnungen auf kine 'ge,
wältige Steigerung der militärischen
Schlagkraft des riesigen Ostreichs. Tat
sächlich war es ja auch in erster Linie
die Schuld des den rfyrime gewesen,
daß die Wehrfähigkeit des Landes im
wer heilloser zerrüttet worden und die
ganze Politik immer tiefer in eine Sack
passe hincingeraten war, so daß als ein
ziger Ausweg nur mehr der Abschluß
eines Sonderfriedens mit den Mittel
mächten, möglich schien. Und die biir
gediehen Führer der Revolution hatten
sicher den besten Willen, durch eine
grundlegende Reorganisation der ge
samten Kriegswirtschaft die Stellung
Rußlands als Wachtfaktor innerhalb der
E.üente auf eine neue Grundlage zu he
beu und die ziemlich weit gesteckten
Kriegsziclc des allslawischen Jmperia
Iisrniij endlich zu verwirklichen. Wehr
und mehr entglitt ihnen jedoch die Lei
tung der Bewegung, die unaufhaltsam
in die Hände der sozialistischen Arbei
terschast der Hauptstadt überging, was
nach außen hin zunächst in einem gründ
sätzlichen Bruch mit der ganzen früheren
nationalistisch imperialistischen Politik
des Zarentunis, die ja im Grund von
Anfang an die des liberalen Bürger
tums gewesen war. zum Ausdruck tarn,
Im Innern xnachte sich der wachsende
Einfluß der radikalen Richtungen in
einer fortschreitenden Auslosung der ge
fellschaftlichen Bande bemerkbar, deren
bedenklichstes Symptom die zeitweise fast
an Anarchie grenzenden Zustände im
Heer und das Versagen der Kriegsindu
strie als Lieferantin von Waffen und
Munition an die Front waren.
In England und Frankreich folgte
man den Ereignissen in Rußland mit
sichtlicher Bestürzung. Man war au
ßer sich," schrieb HervS später in der
Vicioire", .wenn man sah, wie in dem
Augenblicke, da die Engländer und wir
. unsere große Frühjahrsoffensive entses
selten, die russiiche Armee durch die Re
volution derart zersetzt und zerrüttet
wurde, daß Hindcnburg an seiner Ost
front straflos zahlreiche Divisionen weg
nehmen durfte, mit denen er dann unse
, ren Aprilansturm in der Champagne auf
zuhalten vermochte." War so die Kraft
zur Fortsetzung des Krieges ein Zeit
lang gelähmt, so war doch in den füh
renden proletarischen Kreism der Wille
zur Kriegsfortsetzung nicht gebrochen.
Im Arbeiter- und Soldaterirat war
durchaus die . Meinung vorherrschend,
'ebne eine militärische Niederlage
Deutschlands und eine vollständige Be
seitigung des bisherigen preußisch-deut
schen Regierungssystcms sei kein dau
ernder Fried und kein gesichertes Wachs
turn der Freiheit in Europa möglich,
und die rcöolutionare russische Demo
krutie dürfe also um ihrer eigenen Zu
Zunft willen die Verbündeten in ihrem
Kampf gegen die Vormacht der Auto
kratie und des Militarismus nicht im
Stich lassen. Allmählich schienen sich
ich "die Zustände in der Industrie wie
der zu iessern, und so waren nach einer
großzügigen und intensiven Propaganda
bei den Kerntruppen der Armee die Vor
Bedingungen geschaffen worden, um mit
Aussicht auf einigen Erfolg eine Offen
sine an einem Teil der Front wieder wa
gen zu können. Das militärische Ergeb
n:s der Offensive blieb zwar lokal de
grenzt, aber auch auf deutscher Seite
wurde der Haltung und Organisation der
Angreifer dos Zeugnis ausgestellt, daß,
wie der frühere Oberst Gädke im Bcr
kiner vorwärts" anerkannte, die
Schlagkraft des russischen Heeres bisher
nicht wesentlich gelitten" habe, so daß
man nicht sagen könne, das republikani
sche Heer habe sich etwa schlechter ge
. schlagen als das zarische.
Wen jetzt der Kampftsgeist auch der
Elite nach dem eigenen Zugeständnis der
russischen HZkitung schwer gelitten
tat, so hängt das mit der gegen die
Kriegsfortsetzung geführten Bewegung
Zit?irkis i nltirh iiiirt irrt 4 Sarn Qi3.
.V);HUi-i.ikr v ytwu.j,jviii.j ...
brechen der Offensive im Hinterland und
besonders in Petersburg an die Oesfent
l'chkeit getreten war. Das Zentrum
dieser Bewegung sind die extremen An
Hänger des ' Klassenkampfsozialismus,
nach deren Ansicht der Krieg lediglich
eine Affaire der internationalen Kapi
talisten ist. füf deren Interessen sich zu
opfern das Proletariat keine Ursache
äse. Gestärkt wurde und wird diese
. Sichtung durch die gefühlsmäßige Frie
y densstimmung, die nach drei Kricgsjah
rar und In der von der Revolution wie
. der hergestellten Freiheit der Meinungs
äußerung im Bolk offenbar mäcbtiz
um sich 'griff und der sich allerlei Ele
mente zugesellten, die entweder der re
publikanischen Regierung als solcher
feindlich gegenüberstanden oder irgend
ein Sonderinteresse am raschen Frie
. densschlusse hatten. Schließlich kam noch
dazu, daß im Schoß der Regierung
selber starke, Meinungsverschiedenheiten
knistanden, die die Geschlossenheit und
Autorität des Kabinetts verhängnisvoll
shwäcken mußten. Den äußern Anlaß
Austritt einer Reihe von Bürger
lichen Ministern bot die Behandlung der
separatistische Bewegungen in der
Ukraine' und wohl auch Finnland, die
selbst wieder ein Zeichen der zunehmen
5?' Auflösung des Reiches sind; der
leset liegen? "Grund war indes die im
y.tt offtnZundiger werdende Abneigung
sei Bourgeoisie seien das sozialistische
Ziegime, arbeitete doch das Organ der
' adittendariei. die .Rjetsch'. seit Mi!
kuwES Ausicknde aus dem adinett
,ZnsV,Z auf den Stur,; der Koali
iu'nörrgltruncj hin, d durch den RUM
tritt der liberalen Minister ihrem eigc
nen Schicksal überlassen werden sollte,
da, sie. wie man hasste, in kurzer Zeit
dem inneren Zerfall und der Des
avoiiicrung durch die -off entliehe Mei
nung ausliefern wurde. Die sozialisti
schen Mitglieder des Kabinetts haben
den Kampf ausgenommen und sind ent
schlössen, den Beweis ihrer Fähigkeit,
das Land zur Ordnung zurückzuführen,
zu erbringen. Kerensky hat sich zum
Ministerpräsidenten ernennen lassen und
die Regierung hat sich nach dem Borbild
der französischen Revolution aU Wohl
fahrtsausschuh mit ununischränkicr Ge
.walt konstituiert, um die Organisation
und die Disziplin in der Armee wieder
herzustellen zum 5lam.ps auss Aeußerste
gegen die Gegenrevolution und die Anar
chic" und zur Verwirklichung des um
sangreichcn Rcformprogramms, das die
Regierung in ihrer Erklärung vom 22.
Juli entwickelt hat.
Die Aufgabe, die sich die russische Re
gierung damit gestellt hat, ist ungeheuer
und übersteigt beinahe die Kräfte einer
Handvoll auch noch so energischer und
entschlossener SJiänncr. Die Schwierig
leiten, mit denen sie zu ringen hakn, wer
den zudem in der nächsten Zeit eher noch
wachsen; vor allen Dingen darf man die
Wirkung der Friedenskundgebung des
deutschen Reichstags auf Rußland nicht
unterschätzen, für deren Verbreitung in
den Massen die sozialistische und bür
gerlichen Versechter eines Friedens um
jeden Preis schon sorgen werden. Die
Friedensstimmung im russischen Volk
würde aber unwiderstehlich werden,
wenn eine kraftvolle demokratische Be
wegung in Deutschland selbst den So
zialpatrioten" ihr Hauptargument gegen
fcje Erklärung der deutschen Bolksver
tretung als Friedcnszcichen aus der
Hand nehmen würde, daß nämlich auch
die klarste Willensäußerung deZ deut
schen Reichstags die deutsche Regierungs
Politik so lange zu nichts verpflichte, als
nicht die Regierung unmittelbar aus dem
Parlament hervorgehe. Und dann
würde auch Rußland auf seine Bundes
genossen in der Richtung des Friedens
einen derartigen Druck auszuüben der
mögen, daß die früheren Kriegszicle der
Entente, die noch im Einvernehmen mit
der Negierung des Zaren aufgestellt
worden sind, nicht mehr länger fesigehal
ten werden könnten. Sonst bleibt auf
den bevorstehenden Konferenzen zur Be
fprechung der Kriegs und Friedcnspo
link der Alliierten die Stellung der ruf
fischen Regierung gegenüber England
und Frankreich, Italien und Amerika
höchst schwierig, und demgemäß wird sich
der Petersburger Wohlfahrtsausschuß
auch nach innen nur unter Aufbietung
aller Kraft und nur unter Anwendung
sehr undemokratischcr Methoden die Be
wegung der Leninisten und ihrer Mit
läufer vielleicht eine Zeit lang vom Leib
halten köiinkn.
.
Kcrenskn.
Als im März die russische Revolu
tion von heute auf morgen das Gesicht
des russischen Staates veränderte, aus
dem Zaren einen schlichten Herrn Ro
manow machte, aus den Großfürsten,
die fönst die Welt mit ihrem Glänze
blendeten, sorgenvolle Familienväter,
aus der russischen Autokratie die sociale
Republik da beschworen die Pariser
Blätter ihre russischen Freunde, Maß zu
halten und nicht etwa das Beispiel zu
befolgen, das sie aus der französischen
Revolution entnehmen konnten. Die
Franzosen, die diese Mahnung nach Pe
tersburg schickten, hatten aus der fran
zösifchen Geschichte leicht erfahren ton
nen, daß eine Revolution kein Ding ist,
das sich nach Belieben drehen und wen
den läßt; die Revolution hat ihre eige
nen elementaren Gesetze und richtet sich
nicht nach Erwägungen der Staatsklug
heit. Es wäre erstaunlich gewesen, wenn
die russische Revolution fo einfach und
ordnungsgemäß derlaufen wäre, wie es
in den ersten Wochen schien.
Heute weiß man, daß auch die russi
sche Revolution nach jenen Gesetzen der
läuft, die der französischen den Weg wie
sen. Die Revolution der Maximali
st?", derer, denen die jetzigen Macht
haber zu zahm sind, zu wenig redolutio
när, zu wenig grundsätzlich, war in dem
Augenblick geboren, da sich die Macht
der Regierung Kennskys zu festigen
schien. Ihr Ausbruch konnte nur eine
Frage der Zeit und der Taktik sein.
Kam dazu, daß die von der Revolution
gegen daS absolutistische Rußland an die
Spitze gehobenen Männer nicht nur ein
Land innerlich zu konsolidieren hatten,
das unsäglich zerrüttet war. sondern
nach außen eine militärische Kraftent
faltung durchzuführen hatten, dir nicht
im engen Zusammenhang mit den Zie
len des revolutionären Rußland steht, fo
mußte der Ausbruch dieser revolutionä
ren Gegenbewegung beschleunigt werden.
Ueber das. was sich in den letzten
Wochen in Petersburg zugetragen hat,
legt sich ein dichter Schleier. Durch den
Nebel, der westeuropäischen Augen die
jetzigen russischen Zustände verhüllt,
drang aber in den letzten Tagen daS Ge
knakter der Maschinengewehre, man der
nahm von erbitterten Straßenkämpfen
in Petersburg, von Attentaten auf die
jetzige Regierung; alles das zeigte, daß
die revolutionäre Gegenbewegung einge
fetzt hat. Freilich scheint der Erfolg ge.
ring zu fein. Die Mazimalisten, denen
die jetzige Regierung zu wenig revolutio
när ist. die außerdem nicht eine Offen
Titt für den Krieg, sondern für den
Frieden wollen, sind nach den Berichten
aus Petersburg unterdrückt worden, ihr
. Aufstand wurde niedergeschlagen; Lenin,
der Führer der Bewegung, soll in An
klageustand .versetzt worden fein, er
soll überdies mit einer Reihe seiner An
, Hänger sich geflüchtet habe, Wa tu
fährt aber gleichzeitig, daß alle Bertre
ter der bürgerlich-liberalen Kadcttcnpar
tei die Regierung verlassen haben, so
daß wenigstens die eine Forderung der
Mazimalisten wohl in Erfüllung gcgan
gen ist. An der Spitze der Regierung
ficht der stärkste Mann, über den das
gemäßigt revolutionäre Rußland heute
verfügt: Kercnsly. Auf ihm ruht heute
eine ungeheure Verantwortung. Er, der
vor wenigen Wochen noch nichts weiter
war, als ein sozialistischer Revolutionär,
hat heute den militärischen Druck der
Zentralmächte auszuhalten, die nunmehr
zur Offensive übergegangen sind, er hat
im Inneren dcm Bürgerkrieg und dem
Ansturm der Mazimalisten zu wehren,
die mit Kartätschen und Maschinenge
wehren einmal mühsam niedergeschlagen
worden sind, täglich aber wieder auf
stehen können. Er hat dirse Riesenauf
gäbe zu lösen nach außen hin mit einer
Armee, von der jetzt schon große Ad
teilungen die Waffen wegwerfen und in
die Heimat zurückkehren, weil sie von
diesem Krieg sich nickts mehr für Ruß
land versprechen, wohl aber alles davon
befürchten: er hat den Kampf ggen die
Revolution der Radikalen und gegen die
Reaktion zu fuhren mit einer Staats
gewalt, die einem stumpfen Schwerte
gleicht.
KerenSk Tagesbefehl an die Marine
sagt, daß Verrat und ausländisch:
Wühlarbeit das Vaterland an den Rand
des Abgrundes gebracht haben. Das ist
heute mebr als eine Phrase. Bon außen
her marschieren die deutschen und öfter
reichischcn Bataillone immer tiefer inS
russische Land, im Innern wütet der
Bürgerkrieg, Finnland stellt die Quit
tung aus für jahrzehntelange Ovalen,
die Ukraine mack.t sich selbständig, in
Sibirien, im Kaukasus überall wir?
nach dem Sahe gehandelt, den die
Entente auf andere Staaten, angewen
det wissen wollte: nach dem Grundsatz
des Sclbstbestimmungsreck'tz der Völker.
In Wahrheit: Rußland steht am Rand
des Abgrundes.
. "
Augenzeugen über die neuen
Unruhen iu Nußland.
Stockholm. 27. Juli.
Dieser Tage sind' nun in Schweden
glaubwürdige Augenzeugen der letzten
Unruhen in Rußland eingetroffen, die
ihre Eindrücke in der skandinavischen
Presse wiedergeben. Ein schwedischer
Geschäftsmann erzählt einem Miarbeiter
der Zeitung Nqa Tagligt Allchanda":
Am 16. Juli nahmen die Unruhen
anläßlich der Ministerkrise ihren An
fang. Der Arbeiter und Soldatenrat
hatt: den Anhängern Lenins jede Pro
paganda untersagt; trotzdem besuchten
sie die in Petersburg liegenden Reg!
mentcr und Fabriken, um die Arbeiter
zu Demonstrationen aufzufordern.
Diese Agitation trug bald ibre Früchte;
denn schon nach einigen Stunden sah
man bewaffnete Soldaten in Autos
durch die Stadt fahren, jedes Auto mit
einer Miirailleuse bewehrt. Das Publi
kum wußte nicht, wem die Temonstra
tion eigentlich galt und blieb passiv.
Alle Automobile, die den Soldaten be
gegneten, wurden angehalten, beschlag
nahmt und mit Maschinengewehren aus
aerüstct. Am Abend nahm dann die
Demonstration einen großen Umfang
an. Einzig auf dem Newsliprospekt
hatte sich eine Menge von etwa 50,000
Personen angesammelt. Gegen 10 Uhr
nacbis fiel plötzlich ein Schuß. Es ist
absolut unmöglich, den Tumult zu be
schreiben, der damit einsetzte. Ein un
erbörter Wirrwarr und ein Gedränge
entstanden, in dem natürlich Frauen
und Kinder am meisten litten. Ter
Schuß war das Signal zu einer allge
meinen Schießerei mit Gewehren und
Maschinengewehren. Niemand zielte;
die Maschinengewehre wirden nicht
kriegsmäßig gehandhabt, sonst wäre die
in den Strafen dicht angesammelte
Menschenmenge förmlich niedergemäht
worden. Die Zahl der Berwundeten
wurde am ersten Tage auf 600 geschätzt,
die der Tcien auf 20; je drei Viertel
waren Frauen und Kinder.
Am folgenden Tag. den 17. Juli,
begannen organisierte Demonstrationen.
Im Hauptquartier der Lenimr herrschte
ein geschäftiges Treiben. Schon am
frühen Morgen eilten Scharen von Sol
daten und Arbeitern zum Tumagebaude,
wo sich im Laufe des Vormittags eine
gewaltige bewaffnete Volksmenge an
sammelte. Es wurden viele Reden ge
halten und schließlich als Forderung der
Masse die Beseitigung der zehn Kapi
talisten aus der Regierung proklamiert;
die ganze Macht soll dem Soldaten-,
Arbeiter und Bauernrat übertragen
werden. Nun trat Tfcheidse auf, der
mochte die Volksmenge aber nicht zu be
rubigen. Zur gleichen Zeit trafen
iS,'(KX Mann Soldaten und Mairosen
der Garnison von Kronstadt in Peters
bürg ein, um ebenfalls zum offenen
Platz vor der Duma zu ziehen. Als das
Volk die Kronstadtcr Truppen gewahr
wurde, brach ei Jubel los. Ihr Zug
durch die Stadt verlief anfänglich ohne
Zwifchenfall. Als sie aber einer Pa
trouille regierungstreuer Kosaken ohne
Gewehre, aber mit Säbeln bewaffnet,
begegneten, wurde plötzlich ein Schutz
abgegeben, der im Nu ein Tumult
auslöste. Die Maschinengewehre knat
terten ununterbrochen. Es entstand eine
schreckliche Verwirrung. Die Leute der
suchten sich von der Straße in die Häu
fer zu retten. Die Panik war aber zu
groß? Strauckielnde nd Verwundete
wurden niedergetreten. Am Abend er
gaben sich wieder fchwe Unruhen.
Inzwischen ließ der Arbeiter und
Soldatenrat einen Aufruf nach dem an.
der erscheinen, worin an- die Demon
planten oppellittt toutbt, i H Ka-
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rAiv;,!xMtsei" .: . .:m ' .
s. "V 4 .
':-.
Auf der Verfolgung der russische Armee.
scrncn und Wohnungen zurückzukehren
und nickt weiter zu demonstricr-n. In
der Nacht vom 17. auf den S. Juli er
schien eine R'gieriingsordre, daß sich nie
mand ohne spezielle Erlaubnis auf die
Straße begeben dürfe. Die regierungs
treuen Truppen wurden gleichzeitig er
nächtigt, die Stadt von allen Dcmon
siranten zu säubern. Aber noch am
Morgen des 18. Juli konnte man hin
und wieder Demonstranten beobachten.
Die Aufrechterhaltung der Ordnung
in Petersburg ist Kosaken übertragen,
die ber keine Gewehre tragen dürfen.
Im allgemeinen haben die Temonstran
ten Respekt vor ihnen.
Zie nijiji1jci! HUdulionto
SplÖffflofirnltii (.llßlieiSi).
Schweiz. 21. Juli.
Nach de Berichten aus Petersburg
haben dort am Sonntag noch Straßen
kämpft zwischen den revolutionären
Sozialdemokraten, den Bolsckewitt, und
den Truppen der Regierungspartei statt
gesunden. Auch aus Hiiiu und dem
großen Handelsplatz Nischni Nowgorod
werden Unruhen berichtet. Lenin soll
sich znxir mit andern Führern der re
voltiiionörcn Bewegung nach Finnland
geflüchtet haben. Es ist aber nicht an
zunehmen, daß damit die Bewegung
überhaupt erstickt worden sei. Durch
die Vorgänge an der Front hat sie
jedenfalls mächtige Stärkung erfahren
und sitzt offenbar im Heer tiefer, als
die offiziellen Telegramme zugecen.
Ueber das, was in den letzten iriti
schen Tagen in Petersburg vorging,
auch über die Absichten dieser revolutio
nären Gruppe, gibt eine Korrespondenz,
die in Stockholm von der ausländischen
Vertretung des Zentralkomitees der
russischen fozialdcmokratischcn Arbeiter
Partei (Bolschewik!) herausgegeben wird,
einigen Ausschluß, Selbstverständlich
sind auch die Darstellungen dieser Kor
respondenz einseitig orientiert, allein es
ist immerhin werivoll, auch diese Aeuße
rungen kennen zu lernen.
In der letzten Nummer belästigte
sich die Korrespondenz mit der Offen
sive der russischen Sozialpairioten gegen
das russische Volk". Unter diesem Titel
wird v. a. mitgeteilt, daß im Arbeiter
und Soldatendlegiertenrat 271 Tele
gierte gegen die Kundgebung, die sich
gegen die Bolschewik! wandte, stimmten.
Die Korrespondenz sckreibi dann wei
ter: Niemals hat sich bisher eine solche
Stimmenzahl auf eine Resolution ge
sammelt, die in der wichtigsten Frage
sich gegen die Neaicrung wandte. Wenn
man in Betracht zieht, daß IN,
Soldaten Petrograds zweimal soviel
Stimmen im Telegierienrat besitzen wie
500,000 Petrograder Proletarier, so ist
es klar: die Mehrheit des Petrograder
Proletariats nd d?r Garnison war ge
oen die Ossensive. In diese scbwere. von
Elektrizität geladene Atmosphäre fiel
ein Funken nach dem andern. Das
Petrograd Maschinengewehrregiment.
das auf Seite der Bolschewik! stand,
wurde aufgefordert, an die Front zu
gehen. Es antwortete: solange eine
kapitalistische Regierung in Rußland
besteht, solange sie im Bündni! mit den
Kapitalisten Englanvs, Frankreichs und
Amerikas einen imperialistischen Räu
berkricg führt, geben wir zur Front
nicht. Auf die Drohung der Regie
rung. sie werde das Regiment entwasf
nen, antwortete es: kommt und nehmt
unsere Waffen. Dem Maschinengewehr
rcgiment schlössen sich die Regimenter der
PawlowZscy und Moskowscy an. Im
Hintergrund stand das grollende Krön
siadt.
Im Putilowskwerk gärte es. 40.000
Arbeiter, deren ökonomische Forderun
gen die Regierung nickt berücksichtigen
wollte, drängten zum Streik.
Am 2. Juli wurde ein kleines Häuf
lein der Anarchisten in der Billa Dur
uomg, die tags zuvor kriminelle wie po
litiscke Gefangene befreit hatten, um
zingelt. gefangen genommen, wobei einer
getötet, viele verwundet wurden. Die
Arbeiter des Wont.Martre von Petro
grad, des Viborger Viertels, sind keine
Anarchisten, ober sie waren bis aufs
tiefste ausgewühlt durch 'die Tatsache,
daß die Regierung die Helden d.r Kon
trerevolution. di Diebe des alten Re
ftioul, frei herumlaufe läßt, bei ge
gen eine Gruppe von 70 Anarchisten mit
Waffengewalt vorgcht.
Die gegen die Finnlandcr und Ukrai
ncr geführte Hetze der bürgerlichen
Presse erweckte den Eindruck, als solle
die Regierung zu Gewalttaten gegen die
nationalen Minoritäten gedrängt wer
den.
Schließlich kamen von der Front
Nachrichten, die die Stimmung des Pe
trograder Proletariats zum sieden
brachten. Regimenter, die sich gegen
die Offensive aussprachen, wurden eins
nach dem andern gefangen genommen.
So sammelten sich die Wolken. Jeden
Augenblick konnte der Donner einschla
gen.
Die Bolschewik; hielten die Arbeiter
und die Soldatenmassen zurück. Sie
verstanden vollkommen ihre Unzufrie
denheit, ihr Trängen zur Aktion, aber
eine gewöhnliche Rechnung sagte, daß
man mit der Aktion warten müsse. Das
blutige Abenteuer Kerenskys. die Offen
sive, mußte wie auch ihr militari
scher Auszang war die Unzufrie
denheit in den Volksmassen erhöhen.
Man konnte damit rechnen, daß in ab
fchbarer Zeit ein voller Umschwung in
der Stimmung dcr Massen stattfinden,
der die Arbeiter und Soldatenräte nö
tigen würde, die Gewalt in die Hände zu
nehmen. TieBolschewiks hielten die
Massen zurück und gleichzeitig forderten
sie von dcr Exekutive des Arbeiter- und
Soldatenraics ein Eingreisen zwecks
Verhütung eines Zusammenstoßes.
Aber die Exekutive des Arbeiter und
Soldaienrates blieb untätig. Gefan
gene dcr kapitalistischem Regierung
wagte sie nicht, einmal als Puffer zwi
schen der Kontrerevoluiion und Revo
lution zu dienen.
Da kam. was kommen mußte. Am
IS. telegraphierte noch die Exekutive
deS Arbeiier und Coldatenrates an ihr
Stockholmer Bulletin: Zusammen mit
der erhöhten Aktivität an der Front
wurde auch die allgemeine politische
Lage in Petrograd und in dcr Provinz
fester. Beunruhigende Zeichen, wie sie
in Petrograd Mitte Juni beobachtet
wurden, sind vollständig verschwunden"
. Am 17. Juli marschierten auf den
Straßen Petrograds 15.000 Kronstad
ter Matrosen, die Petrograder bolsche
wikischen Regimenter und die Arbeiter
Petrograds. Welche! Ereignis Anlaß
zu dieser Demonstration gegeben hat.
wissen wir nicht. Bei dieser Temon
siration kam s zu Zusammenstößen
mit den Kosaken. Die offizielle Agcn
tut berichtet, daß die bolschewikischen
Soldaten auf unbewafsnete, wehrlose
Kosaken geschossen haben. Das sind
natürlich Märchen. Kosaken wurden
seit Wochen von der Kontrerevolution.
von den 'Miljukows. Gutschkows direkt
auf die Rolle der Vorkämpfer dcr Ord
nuna" dressiert, wie sie es unter dem
Zarismus waren. Die unschuldigen
Kosaken, die überfallen wurden, da' ist
zu dumm ausgedacht, als daß man sich
bei der Sache aufzuhalten brauchte.
Leichen lagen auf der Straße ... In
diesem Augenblick kam die Nachricht
von dem Rücktritt der drei Kadetten
minister aus der Negierung. Wieder
füllten sich die Straßen mit Arbeitern
und Soldaten. Nieder mit der kapi
talistische Regierung! Die Gewalt in
die Hände des Arbeiterdelcgieitcnratc!!'
schallte es auf den Straßen von
Petrograd. Inzwischen zog die Regie
rung die Artillerieregimenter zusammen,
l'kß die Kanonen aus dem Liteinvprs
fvekt ausfshren. Uns Petrograd hörte
Calse abgefeuert aus Geheiß der s
zialpatriotischen Minister, dcr Zercielli,
Tschernom, Ckobelew, abgefeuert gegen
die Avantgarde der russischen Rcvolu
tion des Peirograder Proletariats.
Leichname liegen auf den Straßen Pe
trograds. Leichname der Proletarier
und Soldaten, die gefallen sind im
Kampfe gegen die Sozialpatrioten.
Ueber Petrograd ist der Belageruigs
zustand verhängt. Die Führer der Bol
schewiks befinden sich hinter Schloß und
Riegel. Und von dcr Front teilt die
Regierung mit. daß eine große Anzahl
der Regimeter gemeutert hat. Die Pe
tcrsburger Agentur telegraphiert aber
triumphierend, daß alle Minister wie
der die Posten besetzt haben und daß sich
die Sachlage .festige". Aber ein paar
Stunden später muß sie mitteilen, daß
dcr Ministerpräsident Fürst Lwofs
aus dcr befestigten Regierung flüchtet.
daß Kcrensky das PraMum der Ne
gierung übernimmt, es mit dem Kriegs
Ministeramte kumuliert, daß Zcretelli zu
dem Amte des PostMinisters, das des
Ministers des Innern übernimmt. Dos
bedeutet, daß die kleinbürgerlichen So
zialistcn am Rande des Bankerott? sie
hkN. Sie glaubten die Revolution nur
im Bunde mit dcr Bourgeoisie retten zu
können. Deswegen haben sie das Blut
des Proletariats vergossen. Und jetzt,
wo sie von den Proletariern Petrograds
durch den Bluisirom getrennt sind, läßt
sie die Bourgeoisie im Stiche. Die Re
gierung Zeretellis des Blutigen, wird sie
siärker sein als die Nikolaus des Bluti.
gen?"
Soweit diese Darstellung der Peters
burger Vorgänge in den letzten Tagen.
Die Korrespondenz tritt dann weiter
der Behauptung entgegen, daß die bol
schewikiscbe Partei und ihre Führer im
Dienste Deutschlands standen. Die
Korrespondenz sagt in dieser Hinsicht:
Lenin, der dreißig 'Jahre in den Vor
derreihen der russischen Revolution
kämpft, wird angeklagt, von der deut
schen Regierung, oder ihren Agenten
durch Vermittelung des Genossen I.
Fürstenberg'Hanecki Geld bekommen zu
haben. Wir erklären, dqh weder das
Zentralkomitee, noch Lenkn, daß irgend
welche mit ihnen in Verbindung stehende
Person direkt oder indirekt auf irgend
welchem Wege von Hanccki oder der
ausländischen Vertretung der Bolsche
wi!Z, der Hanecki angehört, Geld zu ir
gend welchen politischen Zwecken bekom
mcn haben. Wir haben überhaupt in
keiner Form auf keinem Wege Geld nach
Rußland übermittelt.
Die in den Pctrograder Telegram
wen genannte Sumenson, die angeblich
als Vermittlerin zwischen Hanecki und
Lenin diente, ist Prokurentin der Firma
F. Klingsland in Petrograd, die lang
jahrige Vertreterin dcr Schweizer Firma
Nestle' und gleichzeitig Vertreterin der
Exportfirma, deren Leiter Fürstenberg
Hanecki war. In dieser Eigenschaft hat
Sumenson mehrmals Geld aus Petro
grad für eingeführt Waren an Nyaban
ten in Stockholm für Hanecki gesandt.
Sumenson hat niemals irgend etwas mit
Politik zu tun, stand in keinem Ver
hältnis weder zu Lenin, noch zu der
bolschewikischen Partei.
Auch der in den Telegrammen pe
nannte Rechtsanwalt M. Kozlowski.
Vertreter des LandeövorstandeS des fo
zialdemokratischen Russisch.Polen in der
Exekutive des Soldaten und Arbeiter
TelegiertenrateS. hat niemals weder von
uns. noch von Hanecki irgend welche
Geldmittel für politische Zwecke an oder
überwiesen bekommen.
Hanecki hat niemals irgend welche po
litische Beziehungen zu Dr. Helphand
Parvus unterhaltet. Er stand mit Dr.
Helphand nur in geschäftlichem Verhält
nis durch die Handelsfirma, deren Ver
tret er war. Dieses Verhältnis war
den in Kopenhagen wohnenden ruffischen
und polnischen Sozialdemokratcn be
kannt. Wehre von ihnen standen selbst
in persönliche Beziehungen zu Parvus.
was der hier anwesende Vertreter des
Arbeiter-Telegiertenrates W. Rosanosf
auch für seine Person protokollarisch be
siatigt 'hat. Hanecki bat niemals don
Parvus irgend welche Geldmittel in ir
gend welcher Form für irgend welche po
Mischen Zwecke erhalte.
Hanecki kennt keine Herrn Cvendso,
der ngeblij an der deukscheg Vesagdt.
schaft angestellt ist. noch ist er se In ir
gend welchem Verhältnis zur Diskonto
Gesellschaft in Berlin oder einer ihrcx
Filialen gestanden.
Zm' Zentrum
von petersbura.
Wer je auf seinen Reisen in Peters
bürg anaekommen und in einem der Ho
tels des Newsky Prospekt abgestiegen ist,
hat gewiß schnell Toilette gemacht, um
ohne Zeitverlust das Leben und Treiben
in dcn Straßen der jüngsten der Millio
nenstädte in Augenschein zu nehmen.
Die erste Ucbcrraschung ist die Stille der
Stadt bei einem so lebhaften Verkehr,
daß er sich nur mit dem von London,
Paris und dem heutigen Berlin ver
gleichen läßt. Das Holzstöckelpflaster
läßt keinen Lärm auskommen und trägt
unendlich diel zur Annehmlichkeit Pe
tersburgs bei. Man strebt sehr bald
dem schönsten Platze zu, der je angelegt
wurde dem Palaisplatz, der sich zwi
schen Winterpalais und Gencralstabsge
bäude im Halbkreis um die Newa zeich
nct. Das Triumphtor dcS General
stabsgebäudes mit dem sechsspännigen
Siegeswagen schlägt eine heroische Note
an. Dort befindet sich auch die 42 Me.
ter hohe Alexandersäule, deren Piedestal
aus türkischen Kanonen gegossen wurde,
und die einen Engel mit dem Kreuz
trägt. Dies ist der Schauplatz, auf dem
sich die Unruhen vor kurzem abgespielt
haben. Um zum Taurischcn Palais zu
kommen, das Kaiserin Katharina für
Potcmkin erbaut und das seither diele
Schicksale, stolze und bescheidene, ersah
ren, mußte die ungeheure Menge diesen
größten aller Plätze kreuzen, ihn aussül
len. An der Jsaakslathedrale vorbei,
die zu Ostern von einer ähnlichen Menge
in religiöser Begeisterung umgeben ist,
drängten sich die Revolutionäre zum Ko
lossaldenkmal Peters des Kroßen, daS
der Franzose Falconct 1782 ausführte.
Der stolze Reformator sprengt auf küh
nem Pferde einen Felsen empor und
streckt die herrische Rechte gegen die
Newa und gegen die Peter-Pauls
Festung aus.
Die lange Nokokofront des Winter
Palais, die der ?!cwa zugewendet ist,
wird durch eine Prachttrcppe unter
brochen, über die der Zar beim Fest dcr
Wasserweihe, don ungeheurem kirchlichem
Pomp umgeben, zum Fluß hinabzu
schreiten pflegte. Gegenüber liegt unhciin
lich finster und eindrucksvoll die Peter
Pauls-Fcstung auf ihrer NcwaJnscl.
Roch mehr Paläste flankieren den herrli
chen Platz, noch mehr Denkmäler schwul
icn ihn; dem MaricnpalaiS gegenüber er
hebt sich das Denkmal Nikolaus' I.. in
einer schönen Anlage ein Monument der
Kaiserin Katharina, von ihren Feldher
ren umgeben. Drei Brücken verbinden
den Palaisplatz mit den jenseits der
Newa liegenden Stadtteilen. Das Win
tcrpalais verbindet eine gedeckte Galerie
mit der Eremitage, in der der Zar seine
Kunstsammlungen verwahrte. Der der
storbene Großfürst Wladimir der
pariserischeste unter den Großfürsten
hatte sich hier ein Marmorpalais erbaut.
Andere waren Eigentum des Großfür
stcn Konstantin, der Großfürstin Helene,
des Großfürsten Michael. Den ganzen
prunkhaften Stadtteil dominiert die
Jsaakökathcdrale. deren 43 dorische
Säulen auS Granit den vergoldeten
Dom tragen, dessen Galerie in einer
Höhe don 102 Meter einen weiten Fern
blick über die ganze Stadt und daS sie
umgebende Meer gestattet.
Man kann entuxder feine lippige
Neigung einschränken, oder indem man
sie bcidehält, Gegenmittel wider ihre
Wirtungen finden. Zu den letzteren ge
hören Wissenschaften und Verachtung veS
Lebens.
Das Reich der Musik ist (wie das
.der Kunst) tin Weltreich. daS viele Pro
Hinzen zählt; ibre Sprache aber tont zu
verschiedenen Zeiten anders und redet
in vielerlei Zungen zu uns. In welcher
Weise sie aber auch aus uns wirke, sie
ersckint immer berechtigt, wo sie sich als
der tiefe und echte Ausdruck des Gemüts
und Geisteslebens einer Volksseele oder
einer besonderen Kulturevoch vaiZZkllt