Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, May 10, 1917, Image 7

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Von Henryk
(28. Fortsetzung.)
DaZ geschah im Angcsichte deS gan
zen Heeres. Dem freudigen Schrei
'der Husaren antwortete ein Eut
itzenLimrei der lokalen, die beim
t, 'lobt des ölten Löwen vom Schwar
In Meere vollends den Mut ver
oren und jeden Widerstand aufga
n.
i Der Sieg war ein glänzender.
' .Es lebe Fürst Jeremll" riefen die
.Soldaten, es lebe unser Vater!"
. .Ich danke, ich danke!" wiverholte
er mit klangvoller, weithinschallender
Stimme.
I Die begeisterten Soldaten trugen
unterdessen hinter dem Gefolge des
Fürsten unter Jubel Herrn Zagloba,
'ali den größten Trimphator des Heu
) tigen Tages, auf den Händen inS La
; ger. Gegen zwanzig kräftige Arme
) hielten die wohlbeleibte Gestalt des
; KriegerS in die Höhe und er, rot,
schwitzend, mit den Händen fuchtelnd,
um das Gleichgewicht zu erhalten,
schrie aus vollen Leibeskräften: Ha!
Ich hab's ihm eingebrockt! - Ich, habe
eigens eine Flucht fingiert, um ihn
achzulpcken. Der Hundsfott wird
nichts mehr anstellen. Meine Herren!
man hat den Jüngeren ein Beispiel
geben müssen! Um HimmelS willen,
vorsichtig.' denn Ihr werdet mich fal
len lassen und zerschlagen. Ich habe
mit ihm ein tüchtiges Stück Arbeit
gehabt, glaubt mir! O Halunken!
Der erste beste Lump will es heute
mit einem Edelmann aufnehmen!
Sie haben aber ihr Teil bekommen!
Vorsichtig! Laßt mich zum Teufel
los!"
Hoch, hoch!" riefen die Edel
leute.
Zum Fürsten mit ihm!" wieder
holten andere.
Hoch, hoch!",
Durch die ganze Nacht wurde im
polnischen Lager an der Ausbesserung
der Wälle und Berschanzungen gear
deitet. Offiziere und Husaren arbei
leten in gleichem Maße wie die So!
daten und Troßknechte. Erst gegen
Morgen begann die ermüdete Ritter
schaft etwas auszuruhen.
Skrzetuski. Lonainus und Äaa'o
Y da verzehrten im Zelte eine mit Käse
würfeln ausgiebig gespickte Biersuppe
und unkrhielten sich über die
Strapazen des verflossenen TageSmit
J jener Befriedigung, mit welcher Sol.
daten von einem frischerfochtenen
X ; Sieae sprechen.
V- Meine Gewohnheit ist, mit dem
bendgemelke mich zu legen und mit
r "V sm ...C-...t .!.
eem lltorgengemciir cuizuiuyen, wis
d'. Alten es taten." sagte Herr Zag
loba, im Kriege aber geht das nicht.
Man schläft, wenn man kann, man
steht auf, wenn man aufgeweckt wird.
Das eine nur ärgert mich, daß man
sich wegen eines solchen Gesindels in
kommodieren muß. Aber es sind eben
solche Zeiten. Dafür haben wir's ih
nen gestern heimgezahlt. . Wenn sie
roch einigemal solch ein Traktament
bekämen, würde ihnen Die Lust ver
gehen, uns zu wecken."
Wißt Ihr nicht, wieviel von den
Unsrigen gefallen find?" fragte Herr
Longinus.
,O. nicht viel; wie es gewöhnlich
der Fall ist, haben die Belagerer im
mer größere Verluste als die Belager
ten. Ihr versteht Euch nicht so darauf
wie ich. denn Ihr habt nicht so viele
Kriege mitgemacht, aber wir alte
Praktiker brauchen' die Leichen nicht
zu zählen, denn aus dem Verlaufe
der Schlacht selbst können wir es er
Missen."
Bei Euch, meine Herren, werde ich
eö auch erlernen!" sagte LonginuS
sanft.
Gewiß, wenn der Witz Euch nicht
im Stiche läßt, was ich aber sehr
befürchte."
Laßt eS gut fein," ließ sich Skrze
tuskr vernehmen. Das ist ja nicht
der erste Krieg für Herrn Podbipien
ta. und gebe Gott, daß die besten
Nitier sich so benehmen, wie er ge
siern!" - '
Man tat.' was man konnte," ent
gnete der Litauer.
Im Gegenteil! im Gegenteil! Ihr
habt Euch gar nicht übel aufgeführt."
sagte Zagloba. und daß andere Euch
"
überbotet", yaven iyier vegann er n
Inen Schnurrbart zu dreyen) tt ja
nicht Eure Schuld."
Der Litauer hörte mit gesenkten
Augen zu und seufzte, von seinem
Ahn Stowejko und den drei Köpfen
träumend.
In diesem Momente wurde ein
Flügel deS ZelteS zurückgeschlagen und
;rr Michael trat flink herein, lustig
nie ein Stieglitz an einem heitern
'Äorqen.
Nun! da wären wir beisam
mm! rief Herr Zagloba. Gebt ihm
Bier!"
Der kleine NUter drückte den drei
Kameraden die Hände und sagte:
Wenn Ihr wüßtet, wieviel Kugeln
draußen auf dem Platze liegen, daS
übersteigt jede Vorstellung! Man kann
nicht gehen, ohne zu stolpern."
Ich h.ib'S auch gesehen." sagte
Z.izioba. denn alS ich aufstand, ging
ich eine Strecke cutchS Lager spozie
SienkieKiicz.
m m w w m wm , i
ten. In zwei Jahren werden die!
Hennen im ganzen Lemberger Bezirke
nicht so viel Eier ausbrüten. Eh, '
wenn daS Eier wären, könnten wir
uns eine Eierspeise leisten. Und
Ihr müßt wissen, daß ich eine Eier
speise über alles liebe. Ich habe
eine Soldatennatur. Ich esse gern
waZ Gutes, wenn auch nicht viel!
Deshalb bin ich auch flinker zu einer
Schlacht als die heutigen Grünschnä
bei."
Nun, Ihr habt Euch gestern mit
Burlaj ausgezeichnet," sagte der kleine
Ritter Einen Burlaj so nieder
zumachen, ho! ho! das hätte ich von
Euch gar nicht erwartet. Es war
doch ein in der ganzen Ukraine und
der Krim überaus berühmter Rit
ter."
Nicht wahr," sagte Zagloba mit
Befriedigung, übrigens. Herr Mi
chael, ist dies nicht meine erste Tat.
Fürwahr, mit Euch, meine Herren,
und mit unserm Fürsten an der
Spitze würde ich selbst gegen Kon
stantinopel ziehen."
Es gab einen größeren Ritter als
wir alle", sagte Herr Longinus, und
doch weiß und denkt niemand an
seinen Namen."
Ich bin neugierig, wer das war?
Im Altertum vielleicht?" sagte Zaglo
ba verletzt.
?!icht im Altertum, Brüderchen,
aber der, welcher bei Trzcia den Kö
nig Adolf mitsamt dem Rosse zu Bo
den warf und gefangen nahm "
sagte der Litauer.
Der König hat sich aber losge
rissen und ist entflohen", sagte Skrze
tusli.
So ist es!" sagte Zagloba. Ich
weiß etwas davon, denn ich habe da
mals eben unter Herrn Koniecpolski
gedient ich weiß was davon. Die
Bescheidenheit erlaubte mir nur nicht,
jenem Ritter seinen Namen zu sagen
und deshalb weiß ihn niemand. Aber
glaubt mir, Gustav Adolf war ein
großer Krieger, dem Herrn Koniec
polski beinahe gleich, aber im Einzel
kämpfe mit Burlaj war die Arbeit
eine schwerere ich sage Euch das!"
Das soll wohl heißen. Ihr hättet
Gustav Adolf zu Boden gestreckt?"
fragte ,Herr Michael.
Herr Michael, habe ich denn da
mit geprahlt? Das soll in Vergessen
heit bleiben ich kann auch heute
mit etwas prahlen, wozu alte Zeiten
erwähnen! Dieses Bier rumort schreck
lich im Leibe und je mehr Käse
es enthält, desto mehr rumort es. Ich :
ziehe eine Weinsuppe vor aber, !
Gott sei Dank,, daß waS da ist. denn !
bald werden wir vielleicht auch daS j
nicht mechr haben."
Vie stürme erneuerten nen von
Zeit zu Zeit, aber unsere Ritter
fchaft, schlug sie immer siegreich zu
rück. Manchmal machte man Aus
fälle, wobei viele Tataren und Kofa
ken erschlagen wurden. Der Feind,
welcher Über große Streitkräfte ver
fügte, loste die kämpfenden Abteilun
gen ab, die einen zur Rast, die andc
ren fürs Gefecht, Im polnischen La
ger aber gab's nicht genug Solda
ten zum Ersatze: ein und dieselben
Leute mußten schießen, immer zur
Verteidigung bereit sein, die Gefalle
nen begraben, und höhere Wälle aus
schütten, um einen besseren Schutz zu
haben.
Man schlief, oder richtiger, man
schlummerte bei den Schanzen, in
mitten des FeuerS und der so dicht
fallenden Kugeln, daß man sie je
den Morgen vom Platze wegfegen
konnte. Vier Tage kam niemand auS
den Kleidern, die im Regen durch
näßt wurden, in der Sonne trockne
ten vier Tage hekam niemand et
das Warmes in den Leib. Man
trank Branntwein, aß Zwieback und
zerriß mit den Zähnen verdorrtes
Rindfleisch, . und all dies unter
Rauch, Schüssen, Pfeifen der Kugeln
und Kanonendonner.
Und man machte sich nichts dar
auS, eins über den Kopf oder in die
Seite zu kriegen. Der Soldat der
band den blutenden Kopf mit einem
schmutzigen Fetzen und schlug sich
weiter. Es waren sonderbare Men
schen; in zerfetzten Uniformen und
verrosteten Rüstungen,, mit.,zer
schmetterten Büchsen in der Hand,
mit vor Schlaflosigkeit roten Augen,
immer wachsam, immer kampfbereit,
am Tage oder in der Nacht, im Nc
gen oder bei schönem Wetter. Der
Soldat war in seinen Anführer der
liebt und ging den Gefahren, Wun
den und Tod frohgemut entgegen.
Irgend eine heldenhafte Aufregung
bemächtigte sich der Seelen. Lerfchie
dene Regimenter wetteiferten miiei
nander im Dienste, in Entbehrun
gen. Schlaflosigkeit. Tapferkeit und
hartnäckiger Ausdauer. Jeder Befehl
des Kommandanten -wurde blitz
schnell ausgeführt. Von einer Ueber
gäbe durfte man nicht einmal reden.
Da wollen wir lieber sterben!" rie
fen alle.
Nur Herr Zagloba beklagte sich
und murrte. Drei Dinge." sagte er.
benötigt mein Mut, und .das ist:
gut essen, gut trinken und sich aus
schlafen. Der beste, ungefchmiert:
mb Schillert.
Riemen trocknet ein und springt.
Was gibt'S erst, wenn er wie Hans
im Wasser durchweicht wird! Der
Regen durchnäßt uns, die Kosaken
klopfen darauf los, wie sollen da
keine Splitter fallen. Angenehme
Zustände das: eme Semmel kostet
schon einen Florian, ein viertel
Quart Branntwein fünf. Dieses
stinkende Wasser möchte kein Hund
ins Maul nehmen, und ich hab sol
chen Durst, wie meine Stiefel, die
lyre 'cauler offnen, wie die Fische."
Aber Eure Stiefel trinken auch
Wasser, ohne wählerisch zu sein,"
sagte Herr Wolodyjowski.
Herr Michael, Ihr solltet lieber
schweigen! Ihr seid nicht größer als
eine Meise. Ihr könnt Euch mit ei
nein Hirsenkorn ernähren und von
einem Fingerhute voll trinken. Aber
ich. Gott sei Dank, der ich nicht so
zierlich fein bin und denn nicht eine
Henne mit dem Vorderfuße aus dem
Sande herausgescharrt, sondern ein
Weib geboren hat, muß essen und
trinken wie ein Mensch, nicht wie
ein Maikäfer, und da ich heute au
er dem Speichel nichts im Munde
hatte, so sind Eure Scherze nicht
nach meinem Geschmacke."
Und Herr Zagloba besann arger
lich zu schnauben.
XXV.
In einer düsteren, dunklen und
feuchten Nacht, als die Soldaten,
vom Wachen aus den Verschanzun
gen ermüdet, ans Gewehr gelehnt,
schlummerten, standen Skrzetuski.
Podbipienta, Wolodyjowski und
Zagloba auf dem Walle, und leise
miteinander flüsternd, lauschten sie
während der Gesvrachspausen auf
das Rauschen des Regens, der in
den Wallgraben niederplätscherte.
Plötzlich drückte Wolodyjowski
Skrzetuskis Arm und flüsterte:
Süll!" Dann sprang er knapp bis
an den Rand des Walles und horch
te aufmerksam. '
Ich höre nicht." sagte Zagloba.
Der Regen übertönt alles," ant
ortete Skrzetusu.
Herr Michael begann mit dem Ar
me zu schwenken, zum Zeichen, daß
man ihn nicht stören solle, und
horchte noch eine Weile aufmerksam,
schließlich näherte er sich den Käme
raden.
Sie kommen." flüsterte er.
Melde es dem Fürsien." ankwor
tete Skrzetuöki gleichfalls flüsternd,
und wir werden die Soldaten war
nen."
Und er schr.tt sofort den Wall
entlang dahin, jeden Moment stehen
bleibend und überall auf 'dem Wege
den wachthabenden Soldaten zuflü
sternd: Sie kommen, sie kommen."
Diese Worte pflanzten sich wie der
Blitz von Mund zu Mund fort.
. Nach einer Viertelstunde kam
schon der Fürst angeritten und er
teilte den Offizieren Befehle. Da der
Feind das Lager offenbar, im Schla
fe und Unwachtsamkeit überrumpeln
wollte, so befahl der Fürst, ihn in
diesem Irrtum zu belassen. Die
Soldaten sollten sich still verhalten
und die Stürmenden bis an' die
Wälle herankommen lassen und erst
dann, wenn ein Kanonenschuß das
Signal geben wird, unverhofft los
schlagen.
Die Soldaten waren in Bereit
schaft, und so senkten sich nur die
Musketenrohre geräuschlos und ein
dumpfes Schweigen trat ein. Skrze
tuski, LonginuS und Wolodyjowski
waren nebeneinander, und Herr
Zagloba war mit ihnen geblieben,
denn er wußte auS Erfahrung, daß
die meisten Kugeln inmitten des
freien WaffenglatzeS fielen und
es auf dem Walle, bei folch drei
Schwertern, am sichersten wäre.
Er hielt sich nur etwas im Rücken
der Ritter, damit er nicht in den
ersten Anprall hineingeriete. Etwas
seitwärts kniete Herr LonginuS mit
dem Henkerschwerte nieder, Wolody
jowski hockte an Skrzetuskis Seite
nieder und flüsterte ihm zu: Sie
gehen gewiß..."
Im gemessenen Marschschritte."
DaS ist weder der Troß, noch
sind eS Tataren."
.DaS ist Zaporoszer Fußvolk oder
Türken."
Hörst Du jetzt?"
St! St!"
Die Ritter hielten den Atem cn,
nur Herr Michael kniff Skrzetuski
in den Schenkel, als wolle er ihm
auf diese Weise Zufriedenheit zeigen.
Unterdessen waren die Angreifer
an den Festungsgraben herangekom
men und begannen Leitern herunter
zulassen, dann stiegen sie hinunter
und lehnten sich gegen die Wälle.
Auf und hinter dem Walle war
solch eine Stille, als wäre alles aus
gestorben. Herr LonginuS umklam
merte den Griff seines SäbelS und
sirengte den Blick an. denn er war
dem Walle am nächsten und hoffte
zuerst losschlagen zu können.
Da erschienen auf dem Wallran
de drei Händepaare und klammerten
sich fest daran und dann begannen
langsam und behutsam drei Helm
spitzen immer höher aufzutauchen.
Das sind Türken!" dachte Herr
Longinus.
(Fortsetzung folgt).
Auch richtig. Der Müller
soll ja eine Dame vom Lande geheira
tct haben, die Wälder im Werte von
einer halben Million besitzt."
Ganz recht, der hat eine hübsche-
.Waldpart" gemacht."
Die MilkSnipsknn.
Robellette von Tettmar Sarnetzki.
Mir wurde vor einign Zeit diese
kleine Geschichte erzählt. Nicht so. wie
ich sie hier weitergebe, sondern nur
der äußere, Nahmen a einem stillen
Geschehnis,' und sie führte im Ge
sprach den mitleidvollen Untertitel
einer ländlichen Tragödie. Ich habe
lange darüber nachgedacht, und fand
allmählich, abweichend von denen, die
sie mir zugetragen, einige mir bedeut
same Zusammenhänge, und als ich
alles nebeneinander gestellt, entwirrt
und neu geordnet und verflochten, er
staunte ich. daß es das Bild eineS
MenschenschickfalS geworden war.
nicht kleiner als jedes andere, wenn
auch hier seitab den Menschen, die
tagtäglich zu Tausenden, zu Millio
nen durcheinander hasten, jeder ein
zelne zu einem andern Ziele, mit einer
andern Aufgabe. . mit belasteten G'
danken und Herzen, einer trotzdem im
andern wurzelnd und verschlungen im
riesenhaften Treiben der Welt.
Irgendwo in bergiger Landschaft
den Namen habe ich vergessen oder
überhört ist eine kleine menschliche
Siedlung an eine halbe Waldhöhe
gelehnt. Wenn man aus den Tälern
aufsteigt, ist sie überdacht von dem
Dunkel blankhäutiger Buchen und
einer blauschwarzen, undurchdringlich
scheinenden Tannenwand.
Die Menschen, die hier wohnen,
waren eine in ihrer Einsamkeit eng
oerwobene Genossenschaft, lebten für
einander und heirateten untereinan
der, mancher ging wohl die große wei
ße Straße und kam nicht wieder, aber
den meisten umspannte das Dorf, das
Tal, Höhe und Felder und der Fern
blick das Leben bis zum Tag des En
ves der Erdenfahrt. Einmal war ein
Fremdling aus dem Tal heraufgekom
men auf den Armen eines wetterbrau
nen Boten, der an die schwere Türe
des Hauses am äußersten Winkel der
Waldbuchtung gepocht und ihn der
alten Frau mit einigen Worten über
aeben hatte. Die Frau hatte sich am
Pfosten gehalten und gezittert und
kein Wort gesagt, und der Bote war
durch den ,Wald über die Höhe weiter
gegangen. Auf diese seltsame Weise
gelangte die kleine fremdartige Johan
na zu ihrer Großmutter. Aber von
den ersten Tagen ihres bewußten Kin
derlebens bis zur jungfräulichen Ent
Wicklung stand etwas Ungreifbares
zwischen der alten Frau und der En
leitn, überhaupt zwischen dieser und
den Bewohnern des Dorfes, und es
wäre schwer zu sagen gewesen, war
um. Als wäre sie erst vor einigen
Monden zu ihnen gekommen und ge
höre nicht in ihren Kreis, und würde
eines Tages, unvermißt, wieder sort
gehen. Die Einsamkeit hat ein langes
Gedächtnis. Und es war auch etwas
in dem Wesen des Mädchens, das eine
Annäherung und einen Ausgleich
schwer machte. Sie hatte ein blasses
Gesicht, zarte Glieder, geschmeidige
Bewegungen, die sie zwischen den
Stämmen hindurchgleiten ließen wie
die Eidechse zwischen Geröll. Die we
nigen Dorslinder aber waren rotbäk
kig, der.b, von schwerem Gange, eckig
und geradlinig. Aber das hätte sich
wohl überwinden lassen, wenn nicht
die Augen gewesen wären. Sie waren
die Tröger sonderbarer innerlicher
Lichter, die nicht in der Wirklichkei.
zu flammen schienen.. Sie mußten
manchmal Dinge erblicken, von denen
keine Seele wußte, und sie war froh
oder litt, fröstelte oder erglühte unter
heißen Schauern, während die Gespie
len körperlich und seelisch unberührt
im Grase lagen oder behaglich erzähl
ten. Sie wußten sich dann ihr plötzlich
verändertes Wesen nicht zu erklären,
fürchteten sich vielleicht, schwiegen oder
zogen sich zurück. Es war, als ob ihre
Seele eine weite Wanderung angetre
ten hätte, irgendwohin, wo es wohl
heimatlicher war, und in dem schma
len Körper zitterte ein banges, leuch
tendes Feuer gebannt der entschwun
denen nach.
" Einer war da, der sich vor ihr
nicht fürchtete. Der lange Konrad.
Von dem es hieß, daß er seine Füße
im Bachtal , spazieren schicken könne,
während er oben gemächlich zu Mit
tag aß. Er war noch einfacher alS
seine Altersgenossen, faßte den geist
fernen Zustand praktisch an, redete ihr
zu, streichelte die kalte, strenge, ge
spannt gewölbte Stirn und freute sich
ihres langsamen Wiedererwachens.
Sie waren gute Freunde. Sie kannte
durch Jahre nur ihn. Er war ihr
Vertrauter, ihr Beschützer, ihr Herr
und Gott. Ihre Häuser stießen eng
zusammen, ein größeres und ein klei
nes, und wie die geschnitzten Holzgie
bel sich zueinander neigten, so bedeu
tete sie ihm die Schwester, die schwä
cher war als er und die ihm aufgege
ben war zu betreuen. Das hatte sich
so aus dem Nachbarlichen ergeben.
Da kam der Krieg. Er fiel in die
Waldhöhe wie ein Feuerbrand vom
Himmel. So jäh unvermittelt, daß
alle zuerst eine Starrheit anwandelte.
Wo in der Welt begann der Schrek
ken, der die Völker zertritt, die Aecker
zu blutigen Gräbern und die Wälder
zu Tempeln des Todes macht? Wo
werden sich die Himmel röten von den
Gluten aufflackernder Dörfer, die
laufte bis in die Höhe erbeben vom
Gebrüll der Kanonen, vom Notschrei
der Sterbenden, von grellen Kam
mandorusen, dem unbeschreibbaren
Getöse der auf und nieder wogenden
Schlacht? Keiner wußte es. Sie hat
ten alle vom Krieg nur unklare Vor
siellungm. Die Straße führte drei der
Burschen hinaus, darunter den lan
gen Konrad, an das geheimnisvolle
Ende am Horizont und darüber hin
aus. Dort irgendwo mußte Krieg
sein.
Der Abschied war nicht sonderlich
schwer. Die Frauen weinten wohl,
aber die Männer waren gerötet vor
Erregung und Abenteuerluft, und sie
hätten im ersten Augenblick nicht sa
gen können, was ihnen höher stand,
die vaterländische Wallung des Bluts
oder die' alte teutonische Wander und
Kriegsfreude, die ihnen am menschen
fernen Berghang eingeschlafen war.
Sie riefen: Wir wollen's ihnen zei
gen! Laßt uns nur kommen!" faß
ten d?e derben Knotenstocke und gm
gen. In drei Monaten habe wir's
geschafft dann sind wir wieder
da!"
Johanna war still und scheu wie
sonst. In den Lichtern der Augen aber
stand von nun an ein unverlöschliches
Erschrecken und Grauen. Eine riesige
Hand griff hinein in die Waldwoh
nungen und holte sich den einen her
aus, der ihr zur Seite bleiben mußte,
sollte sie nicht stürzen und versinken.
Er warum gerade er? Und er
war voller Freude und Hochgefühl. Er
schien sie nicht mehr zu sehen alles
ging ihm zu langsam fort, nur
sort!
Sie begleitet ihn ein Stück Weges,
aber er beachtet sie nicht. Seine Worte
poltern ihm wie harte Kiesel aus dem
Munde. Die Riesengestalt ist noch um
ein Beträchtliches gewachsen und in
den Blick eine stählerne' Festigkeit ge
kommen. So stürmen seine Augen
schon die Straße voraus, als wollten
sie den noch unsichtbaren Feind, Ge
fahr, Krieg und Angriff und Sieg er
spähen und umfassen. Endlich bettelt
sie: Konrad!" Er hörte zuerst nicht,
dann wird er der schüchternen Stim
me gewahr.
Bist du da. Johanna?"Er ist of
fenbar erstaunt.
Ich habe mich ja noch gar nicht
vor dir verabschiedet, Konrad."
So, ja. Wir haben Eile. Kcin
Fremder darf ins Land, keine! Da
eilt's. Also mach's gut, Johanna." Er
reicht ihr die Hand und will sich ab
wenden; denn seine Kameraden halten
großen Schritt. Sie umklammert un
gestüm feinen Arm, so daß er unge
duldig wird.
Konrad, ich hab' nur dich. Ich
hab' nur dich zu verlieren. Sieh zu,
daß du am Leben bleibst. Für mich."
Er weiß nicht recht, was er antwor
ten soll, macht eine verwunderte
Handbewegung.
Da ist einer für den andern, und
wir alle stehn zusammen. Keiner weiß,
wen's trifft. Ich tu' meine Pflicht."
Ich mache mir immerfort Gedan
ken."
Unsinn. Ich tu' meine Pflicht."
Er hat sich wieder in Bewegung ge
setzt, den Blick geradeaus. Die Käme
raden rufen; es ist wie Jubel über
der staubweißen Straße.
Wirst du an mich denken, Kon
rad?" Versteht sich." Er spricht halb zur
Seite. Aber du sollst mich nicht weich
machen." Da bleibt sie stehn.
Hast recht Konrad: Aber ich werde
immer bei dir sein die Tage, wo du
nicht hier sein kannst. Und wenn sie
dich totschießen, gehe ich mit dir."
Er ist verlegen geworden; ihm zie
hen krause, heiße Gedanken durch die
Stirn bei dem ernsten Geständnis
ihrer schlichten Anhänglichkeit. Er
nimmt die schmalen, blutleeren Hände
in feine, die Füße schon zum Fort
schreiten ausgebogen: Jetzt ist für
daS alles keine Zeit, Johanna. Ich
hab' Wichtigeres vor. Aber wenn du
an mich denken willst, so ist's schon
gut."
Sie sieht ihm nach, der die beiden
andern im raschen Lause bald einge
holt. Keinen Blick hat er zurückgcwor
fen. Kleine Stücke eines alten Sol
datenliedes flattern über die Straße.
Bald verstummen die Töne. Sie steigt
höher; Die Gestalten werden kleiner;
immer weiter im Tor des Waldes
sind sie dem Auge entsunken.
Die Frauen hörten in vielen Mo
naten nur wenig. Selten kam eine
Karte mit einigen herben Grüßen, die
nichts weiter sagen sollten als: Ich
lebe noch! Daß ihr's wißt! Der eine
der Burschen war gefallen; in einer
Nacht hatte es ihn heimlich gepackt in
der samtnen Stille eines Waldes, ir
gendwoher. Der andere war auf Spä
Hergängen verschollen, und niemand
hatte mehr von ihm gehört. Konrad
lebte. Und Abend für Abend saß Jo
Hanna auf der Höhe, stundenlang, un
beweglich, und ihre unruhige Seele
war auf der Suche nach dem. um den
sie lebte und bangte, und eI war ihr,
als taste sie im Ungewissen wie eine
Blinde, weil sie nichts wußte von dem
Lande am Ende der Straße. Sie
wurde traurig, verhärmt, durchsichtig
bleich vor Angst und Sorge, matt
zum Sterben, aber keiner bemerkte et
was davon, kümmerte sich um sie;
denn ihre Wege waren noch einsamer
als die andern.
Fast ein Jahr war vorüber, und
daS neue Korn in der Ebene begann
in du Sommerglut zu reizen. Mehl
färben lag dazwifchm die endlose
Straße. Da war. eine ganz unge
wohnte Botschaft gekommen, ein lan
ger Brief mit eckigen, starren Wort
stäben, die unbehauen aus großen
beschmutzten leiten standen, onrao
sckri,b an seine Mutter, saate ober
gleich im ersten kurzen Sfe, wenn ihr
daS Lesen zu schwer werde, out ne
Johanna zu Rate ziehen. So wußte
büle. bafc Konrad stet in monatelan
ger ungewohnter Arbeit für sie ge
müht hatte. Wt der schweren tfai,
die Klöke rbieb. Sensen meisterte.
schwere Kornsäcke in den breiten Nak
ken warf. Und nun schon von Som
mer zu Sommer den harten Gewehr
schaft umspannte.
ofirtiiti(i las. Die alten brauen in
eine Ofmecke gedrückt. Das also war
der Krieg. Konrad umschrieb die ge
waltigen, grausigen Dwge nicht mit
schönen, halb verfchwe:genoen Worren.
sondern legte seine grobe Bauernhand
mit der Feder drauf: so sind sie! Nach
jedem Satze mußte geratet iveroen;
denn die Grokmutter und Konrads
Mutter faßten daS alles schwer und
besprachen es halblaut, klammerten
sich an die kahl und dürr gezogenen
Vorhänge, während Johanna it
Schlachtfelder lebendig vor sich erste
hen sah, Elend und mot, A.apserieu
und Heldentum, und durch die Worte
bindurcksab in eine neue Welt. Wenn
sie dann in Gedanken versunken war,
mahnten ungeduldig leise mummen
aus der Ofenecke. Sie las; las von
den Stürmen im mähenden Bleihagel.
im Toben und Brüllen der Granaten
las von dem unbeugsamen Willen
,ur Tat. die feinde niedkrzurinaen.
den Sieg zu erkämpfen unter Miß
achtung des Lebens. Wir yaven 0
Augen immer nach vorn," stand i?a.
Unser Lebm ist nichts. Wenn Ihr
nur Eure Ruhe behalten könnt." Das
war den Alten nicht recht derständlich.
obanna läckielte. Und in ihr Wesen
floß, aus einer geheimnisvollen Quelle
gespeist, ewige Augenouae eine ero
frohe Zuversicht, aber dann erstanden
die Bilder des Briefes wieder in
grausiger Nacktheit, sie fühlte und
hörte tausendstimmige Gefahren, und
ihr abgezehrter Körper zerbrach fast
unter der Last der vorüberjagenden
Vorstellungen ihres jungen und unbe
herrschten Gehirns..
Abends saß sie wieder auf der klei
nen Höhe, viele Stunden. Die Sonne
senkte sich gegen Osten, blitzte aus
einem riesigen Wolkenkrater mit auf
geworfenen zerrissenen Rändern her
vor und in weißen, fächerförmigen
Lichtbündeln auf die Erde. Die Seele
des Mädchens trug ein großes,
schmerzendes Sehnen. All ihr Denken
und Empfinden, die rätselvolle Bewe
gung ihres Bluts, der ganze Urgrund
ihres scheuen Wesens war erfüllt von
dem einen und ließ keine Falte ihres
Innern unberührt von Erschütterung
und Ergriffenheit. Ihre Seele trat
wieder aus dem schwachen Gehäuse
des Körpers, in dem das Leben nur
noch wie ein Licht in Sturmnacht
zuckte und verhalten glühte, heraus
und wieder eine Wanderung an in
den fallenden Tag. Eilte über die jetzt
rotbestrahlte Straße schnurgerade in
den gewaltigen Winkel zwischen Him
mel und Erde, wo aller Weg zu Ende
ist und huben und drüben die schwar
zen gewölbten Ballen'der Wälder li
gen. Der Krater war jetzt wie mit
Blut übergössen, und aus der Tiefe,
in der ein roten Sonnensee gebettet
lag, flössen dicke feurige Massen über
den Himmelskörper, einem wunden
Herzen gleich, daS feine heißen Stro
me über den todmüden Leib ergießt.
Sie wußte nichts mehr von sich; ihre
sinne waren gebannt und schwiegen;
nur daS kleine Lichtlein Leben zitterte
durch die unverhangenen Fenster ihrer
Augen m Grauen und Not.
Da geschah es. Als die ersten grau
en Dämmerstäubchen aus der unend
lichen Fläche der Ebene stiegen, in der
nicht Haus, noch Wald, noch Men
schen zu sehen waren, nur die silber
blaß fortblutende Woge der Kornfel
der, die sich eingrub in die grüngelben
Nebelseen der unzählbaren Tausende
von zusammenfließenden Halmen; nur
daS unbehindert quellende Grün auf
der Niederung, in das der Abend
leuchtete; nur die schwärzer werdenden
Waldwächter am Tor des Himmels,
das nun Lberglüht war vom lebendi
gen Blutfeuer eines sterbenden Tages.
Da geschah es, daß daS Lichtlein
erstarrte in den weitgeöffncten Fen
stern der Augen. Denn es quoll her!
auf aus der sich neblig umspinnenden
Ebene, ein Zug von Menschen, von
dem man keinen einzelnen zu erkennen
vermochte. Aber sie erfüllten in wach
senden Zügen, in langen Heersäulen
die Niederung und die fernen Wälder
und die Kornfelder. Sie waren vom
Staub der Straße wie mit Mehlstaub
bepudert. ES erhoben sich nahende
Fahnen, und in der unbestimmbaren
Masse war ein gewaltiger Rhythmus,
wie nach einer unhörbaren Musik. In
gleicher Richtung trabten Reiter mit
Lanzen und nach einem unheimlich
schweren Rhythmus mächtige Roh
re auf gewaltigen Rädern, die den
Nebel zermahlten, daß die Erde er
bebte. Aus drei Himmelsrichtungen
ging der Zug der Vielen, der nimmer
Endenden in die durch das Wäldertor
begrenzte vierte, aus der die Sonne
vom Rand der Ebene glühte, nunmehr
eine fchcstfumzeichnete. blutrote Rund
scheide von überweltlichez .Eröße, in
der sich alle Kleinheit
listen mußte. Es war, , Schon tn!e
mit einem Mal in ihrem uC tnfo
benssaft die wandernden Mit..
ertränkt. ,
3iia 9m der Äuaen flackert in sie
k-rnk'? Anast. Eine dumpfe Stille ist
vor ihnen in dem ungeheuren Raum.
Je mehr das Leben der Sonne ver
ebbt, vertropft, um fo höher steigen
die Schwaden der wallenden Nebel,
Und nun treten die Heere wieder her
vor, vorbei an dem schwarzen Hin
tergrund der Wälder, die näher
kommen fcheinen, je schwächer das
Not in die Ebene flutet. Und du
Augen unterscheiden nun die einzelnen
graugewanoeten ' euaiien mar,,
rcnder Krieger, den Gleichschritt der
unablässig ck anschließenden Kolon
nen, Gewehre und Pferde und Troß.
und immer scharfer die Zuge der um
, einen, die fick nickit loslösen nnd doch
in Wesenbeit ausmachen, die. wie
ein Kornfeld zusammenfließt, hier sich
vereinigen zu einem marMerenoen
Körver. u einem in Verzückung ru
henden Blick, der über Tausende Don
gleichgerichteten Hauptern geyr, su
Ferne durchstößt und ein Wille eineZ
ganzen Voltes ist.
Da Vlike schienen am Horizont
empor. Ein fast unirdisches furchtda
res Getöse zerreißt die Stille. Tau
send Kanonenmäuler brüllen. Bren
nende Dörfer liegen in der Ebene, und
schwarze Rauchwolken verfinstern
Straße und Himmel, töeweyriugem
schrillen Keiler in die Dämmerung.
Rosseschatten durchbrausen die Korn
selber. Dort stürmen Taufende ve
leuchtet von unheimlichen Gluten,
stürzen, schreien, aber die Bewegung
bleibt im gleichen Rhythmus, als
schlüge in Tausenden ein Herz, als
ariffen taulend'Sände eines .Menschen
nach dem Feind, als glühten tausend
Augen eines Kriegers droyend, too
verachtend dem Feind entgegen.
Johanna will sich aufrichten
dort dort Konrad Sie
kann nicht rufen; denn die Luft ist
erfüllt von erdvernichtenden, Himmel
verwüstenden Geräuschen, die ihr den .
Atem benehmen. Die Glut der Nacht
fällt auf sein ehernes Gesicht, das im
mer voransieht, in den breiten Händen
das gefällte Gewehr, über Gräben und
Verhaue, über Verwundete und Tote
hinweg vorwärts! .
Mit einem Mal sind von ihr alle
Not und Gram und Sorge gefallen;
sie ist eine andere als die sie war, nun
sie ihn gefunden hat. Ist sie nicht bei
ihm? Sie sieht sich sie ist wirklich
bei ihm; die Spannung weicht; sie
lacht, sie jubelt sie schreitet mit
ihm auS mit großen Schritten im
gleichen Rhythmus, ist eines Geistes
mit ihm, mit allen, die dort marschie
ren, sie hat' seinen Blick, geradeaus,
dorthin, wo der Feind steht, wo die
wildesten Gefahren sind, wo der Tod
sie alle reihenweis niedermäht. Sie
reißt die zerfetzte Fahne dem sinkenden
Fähnrich aus der Hand in diesem
Augenblick erkennt der eine sie, die ne
ben ihm ist halb von der Seite;
ein Leuchten Ist auf seinem Gesicht -
und wieder geradeaus. Ueber die
Ebene flutet es: Sieg Sieg Trom
petcn lachen Stimmen schreien ver
tausendfacht: Sieg Sieg
Noch stehen sie, keuchend, hochaufge
richtet, und sie brechen beide zusam
men, wie mit einem Schlage' gefällt,
und die Fahne sinkt über sie
Es ist nacht.
Ein alter Bauer, der in der Mcr
genfrühe in seine Felder gehen wollte,
fand sie im feuchten, kalten Gras.
Ein Gewitter war am Spätabend nie
dergegangen? Regen war durch ; die
Ebene gepeitscht, und noch immer la
gerten dicke Nebelschwaden zwischen
Himmel und Erde. Gesicht und Glie
der des Mädchens waren totenstarr,
und es war nur noch wenig Leben in
ihm. Er nahm das nasse leichte Bun
del auf den Arm und trug es in das
Haus im äußersten Winkel der Wald '
buchtung. Die Großmutter öffnete
wortlos; ihre Hände zitterten; der
welke zahnlose Mund vergaß das
Danken. Wie der junge Fremdling
das erste Mal gekommen war, so kam
er jetzt noch einmal: und immer noch
ein Fremdling. Sie rieb die Hände
und Füße der, Enkelin, stammelte
ihren Namen, trocknet? das der
icywemmle Haar. Ais Joyanna die
Auaen aufscklua. erblickte dii siirnfi
mutter darin ein ganz kleines fernes,
Licht, das jeden Augenblick zu erlö'
schen drohte. Stunde auf Stunde ver
sank, aber das Mädchen öffnete nicht
die Lippen
Noch brannte das - L!t .
Viele Tage noch; der herbe Mund
oiieo verfcyioffen. An einem Sommer
abend schlich eine alte ??rau durch ae
drängte Hofräume zu einer eisgrauen.
uno es war ein geoampftes Raunen
und Schluchzen vor der Kalboffnn
Tür. Als die Frauen eintraten.
zwang fie die Kippen auseinander und
flüsterte ohne Erregung, die Augen
hell aufgeschlagen: Warum sagt ihr
nichts? Ich wußte es doch."
Und damit war daS-Lebenslichichen .
ausgebrannt. Die Frauen traten leise
näher und fanden auf dem schmalen
kindlichen Gesicht ein verklärtes Lä
cheln, wie sie es nie erblickt hatten,
als habe das Mädchen etwas , Groß:Z
und Köstliches gefunden.
Sie sahen einander on und Lerstan
den eS nicht. '
)