Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, March 09, 1917, Image 7

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Din Krieg au den europäischen Arontcn.
. - -Von
einem ehemaligen Generalstabsosfizier.
Einfluß der Wintersaison auf die großen Operationen. Kleinkrieg bildet nur einen Zwischenakt.
Motive der zentraleuropäischen Heerführer für Einstellung der Offensiv Kaiiipgne an der Ccrcth
11' ';. Merkmale und Aufgaben des Kleinkrieges. JntcnsitätS'Zcntrcn der Aktivität a den di
vcr,cn Fronten. Bevorstehende alliierte Offensive hat keine größeren Erfolgchanceil als die bisherigen.
Niemals zuvor im Verlause des gro
ften europäischen Krieges tat die Jah
reszeit einen derart stagnierenden Ein
fluh auf die militärische Aktivität beider
grgncrischcr Gruppen ausgeübt, wie der
jetzige Winter in den Monate. Jänner
und Februar. Die aubergewohnliche
Kalte und besonders langwierige Schnee
fälle haben sowohl die Äewcgnng große
rcr Hecresmassen als auch weitreichende
taktische Schlage bedeutenderer Dirnen
sioncn direkt zur Unmöglichkeit gestaltet.
Ctratcgische Operationen im Stile eines
Bewegungskrieges sind borläufig noch
ausgeschlossen, da, abgesehen von den
enorm gesteigerten Strapazen, ivclchcn
die Tnippen unterworfen waren, die
durch die ungünstige Witterung verbiet
fachten Schwierigkeiten der Boden-Verhältnisse
die Bormarsch und die 38er
bindungs'Fragen zu beinahe unloLbarcn
Probleme gestaltet hatten. Notge
drungen müsse sich daher beide Var
teien auf lediglich lokale Unternchmun'
Mix beschränken, und die bisher an Ab
'wechslungen reiche Kriegführung in dem
lllölkrkampfe hat infolgedessen während
der genannten zwei Monate in Europa
den Charakter des reinen PositionS
Krieges getragen, bei dem überdies lix
gen der angedeuteten unvorteilhaften
Verhältnisse niemals stärkere Streit
kräfte gleichzeitig an einem Punkte zur
Verwendung kommen konnten. An al
lcn europäischen Fronten ist der Klein
krieg in fein volles Recht getreten, als
dessen einziges großes Ziel nur die
Schaffung günstiger Vorbedingungen
-für die bevorstehende endgültige lint
scheidung bezeichnet werden kann. Er
dient auch in übertragenem Sinne als
eine Art Verschleierung der sowohl un
mittelbar hinter den Fronten als auch
in den Hinterländern selbst im Gange
befindlichen enormen Vorbereitungen für
die Frühjahrs und Sommer-Kampagne
de Jahres 1917,
Abgesehen von dem Faktum des von
Deutschland behufs ökonomischer Nie
derringung der Entente inaugurierten
Tauchbootkrieges der das Interesse
der Welt beinahe ausschließlich fesselt
bietet die momentane Kriegstätigteit in
Europa wenig Anhaltpunkte, welche
ein Streiflicht auf die militärischen
Plane der gegnerischen Heeresleitungen
für die Zukunft werfen würden. In
folgedessen ist der Kombinationsaufgabe
verschiedener Berufener und Unberufener
ein weites Feld zur Bctätignng eröffnet.
Die Feder dominiert gegenüber dem
Schwerte. Nachdem durch den Abbruch
der diplomatischen Beziehungen mit
Deutschland authentische Nachrichten au
dem Lager der Zcntralmächte nur sehr
spärlich in die Außenwelt dringen und
trotz drahtloser Uebermittlung des östc
ren nur entstellt dem amerikanischen
Publikum zur Kenntnis gelangen, hat
die alliierte Preß-Kampagne jetzt völlig
freie Wahn vor sich. Demgemäß ist die
Welt och niemals seit Kriegsbeginn niit
, tincm derartigen Wust von Lügen, mit
solchen Lavaströmen vollständig erfunden
ner und sinnloser Meldungen überströmt
worden, wie in der letzten Zeit. Ebenso
unleugbar ist aber auch die Tatsache,
daß die Hintcrmänner dieser wahnwitzi
gen Kampagne ofsenbar ihr Ziel über
schössen haben, da alle von London redi
gierten Nachrichten bei dem nicht vor
eingenommenen Teil der neutralen
2Belt, devor sie noch vor der Wucht der
Tatsachen in nichts zerfallen, bedeutend
weniger Glauben finden als früher.
Im Westen stellt der jetzt im Gange
befindliche Kleinkrieg in Europa keine
Unterbrechung der großen kriegerischen
Aktionen, sondern gewissermaßen nur
einen Zwischcn'Akt und eine Einleitung
zu künftigen Operationen vor. Da
aber im Kriege auch die unbedeutendsten
Geschehnisse Folgewirkuugrn zeitigen und
erfahrungsgemäß ein Stadium absulu
ter UnVeränderlichkeit der großen Kriegs
läge wegen der fortschreitenden Aufzeh
rung militärischer und ökonomischer
Kräfte nicht eintreten kann, liegt die
Frage nahe, welche Partei auf Grund
der anfangs Jänner eingetretenen, an
scheinend stabilen militärischen Situation
vo einem Kleinkrieg größere Vorteile
für die Zukunft erwarten konnte. Vcr
gegenwartigt man sich die damalige Si
tuatwn, so erscheint es auf den ersten
Blick, als ob die Entente durch diese not
gedrungene Beschränkung der Opera
lionstätigkeit bis zum heutigen Tage
mehr profitiert hat als die Zentral
machte. ' Die clliiHt Offensive , in
FraNtkeich war endgültig zusammenge
brachen. d!e Italiener verhielten sich
schon längere Zeit untätig, in Mazedo
nie war Sarrails Armee nach der Er
vberung Monastirs völlig zum Stehen
gebracht worden; andererseits war da
rumänische Siegeszug der Zcntralmächte
noch in vollem Schwünge und die For
cierung der Screth-Linik. der großen
Barriere gegen eine Invasion Südruß
lands. nur eine Frage der Zeit, als der
plötzliche Eintritt strenger Wintcrkälte
anscheineud der Fortsetzung der ftratcgi
schen AngrifiS-Kompagne einen Halt ge
bot. Der stark in Mitleidenschaft ge
zognen russischen Armee war damit die
Ckleaercheil geboten, ihren arg bedrohten
südlichen Flügel ,u sichern rnd zu ton
folidikrea und die Heranziehung und
Ausbildung weiterer Reserven aus dem
Jnmrn deS Reiches in Angriff zu lär
men. Rußland gewann also gewisser"
maßen In den Monaten Jänner und Je
bruar eine Erholungöpaust, welche ti in
Stand setzte, die damals unmittelbar
dr?l!,dk Aufrollung des sübliirni 7,lü
jli und deren Konsequena durch Va-
starknng seiner dortigen Strciiknifte und
Stellungen nach Möglichkeit abzuwcn
den. Für die anderen Alliierten ,kommt
die Operativiis'Pause hauptsächlich du
hin in Betracht, daß dieselben in ihren
Vorbereitungen für die wcitausposantc
entscheidende" Offensive im Jahre 1917
nicht durch ein Eingreifen zugunsten
Rußlands behindert werden, das crfor
derlich geworden wäre, falls es zu einer
Fortsetzung der zentraleuropäischen
Kampagne über den Scnth gegen Süd
Rußland gekommen wäre. All diese
Umstände zusammengefaßt, könnte da
her auf den ersten Blick der Ansicht, daß
die Entente mehr von der unfreiivilligcn
Unterbrechung der großzügigen Kriegs
führung profitiert, einige Berechtigung
zugestanden werden, umso mehr als mit
dem Untergang zum reinen Etcllnngs
Krieg ein vorläufiges Aufgeben der um
die Jahreswende wicdrnm auf Seiten
der Mittelmächte befindlichen strategi
schen Initiative verbunden war.
Bei näherer Erwägung der ftratcgi
schcn Situation an dem südlichen Flü
gcl der Ostfront anfangs Jänner und
unter Berücksichtigung der Entwicklung
der für die große Kricgs-Entscheidung
maßgebenden militärischen und inner
politischen Faktoren in den Ländern der
teutonischen Verbündeten ist es jedoch
zum mindesten fraglich, ob die Einfiel
lung der Offenswtampagne an der
Screth-Linie lediglich durch die plötzliche
Winter Witterung veranlaßt wurde.
Daß die deutsche Heeresleitung stch von
strategischen Operationen größten Stiles
auch in den strengsten Wintcrmonaten
nicht abhalten läßt, zeigt am besten das
Beispiel der Masuren-Schlacht im Je
bruar 1010, welche bekanntlich die end
gültige Befreiung Ostpreußens vom
Feinde zur Folge hatte. Damals wur
den zwei deutsche Armeen auf weite
Strecken zu einer doppelten Umfassung
in Aktion gesetzt und führten auch die
ihnen übertragene Aufgabe trotz tiefen
Schnees und empfindlicher Kälte zu
einem glänzenden Erfolge durch. Da
her kommt die Annahme, daß es den
verbündeten Strcitkräften wegen der
öittcrungsoerhältnisse in diesem Winter
nicht möglich gewesen wäre, die Scrcth
Linie zu forcieren und den linken russi
schcn Flügel aufzurollen, garnicht in Bc
tracht, vielmehr fckcinen zunächst fol
gcude militärische Gründe gegen eine so
foriige Vortragung der Offensive nach
Slldrußland hinein gesprochen zu haben:
Mit dem Eintreffen in der Linie Foc-sani.Galatz-Tonau
Delta nahm die
äußerste südliche Gruppe der verbünde
tcn Heere die kürzeste strategische Front
im Anschluß an die Karpathcnfront
ein, welche auf diesem Kriegsschau
Platze konstruiert werden konnte. Die
ursprüngliche Frontlinie auf dem riimä
Nischen Kriegstheater war um mehr als
500 Meilen verkürzt worden und der
Vormarsch bis in die obenerwähnte Li
nie hatte sich daher im großen direkt
konzentrisch gestaltet,. Wenn nun die
Armee-Gruppe Feldmarschalls v. Mal
kcnscn an das große Unternehmen der
Invasion in Südwest-Rußland und der
damit verbundenen Flankierung der ruf
fischen Position herantritt, wird sich ihre
eigene Front naturgemäß verlängern, da
sich die Aufrechterhaltung der Flügela
lehnung an das Schwarze Meer als un
umgänglich erforderlich herausstellen
dürfte. Diese Verlängerung bedingt un
mittelbar ein exzentrisches Vorgehen der
Streitkräfte noch bewirktem Ucbcrgange
über den Screlh und in weiterer Folge
die Heranziehung frischer Truppen, um
die Angriffs-Linie nicht dünner werden
zu lassen und die Stoßkraft der Offen
sive zu schwachen.
Ueberdics darf unter dem Gesichts
pniUte der beaösichtiaten Zertrümmerung
des russischen Südflügcls die Aktion
der Armeegruppe Maclcnsens von der
Screth-Linie aus gegen Nordostc abso
lnt nicht isoliert unternommen weiden,
sondern muß in innigem Zusammen
hang; und in Kooperation mit der Kar-pathcn-Arnice
des Erzherzogs Josef gc
schchen. Eine abermalige große Offen
sive der Zcntralmächte gegen Rußland
wird, falls unternommen, Wohl kaum
vor der Tniepr-Linie Halt machen. Zur
erfolgreichen Durchführung eines sol
chcn Planes wird aber, wie leicht einzu
sehen ist, ein inniges Zusammenwirken
aller Streitkräfte südlich der Pripet
Sümpfe nötig fein, da die Aufgabe
nicht von einer einzelnen Armeegruppe
bewältigt werden kann, ohne daß die
selbe in eine sehr kritische Lage käme.
Die Armee des Erzherzogs Josef steht,
wie die Berichte der letzten Monate zeig
teil, in einem der schwierigsten Kampf
Territorien aller Kriegsschauplätze, da
der an der Ostgrenze Siebenbürgens
streichende Zug der Karpathen den Eha
raktcr hohen Mittclgebirrns tragt, wel
ches von Urwald bedeckt ist und äußerst
wenig permanente Kommunikationen be
sitzt. 'Diese Tcrrainkonfiguration ermög
lichte es den rnssisch-rumänischen Trup
pcn schon vor Eintritt deS Winters, dem
Vormärsche der Oesterreich! in dcm be
zeichneten Gebiet äußerst bartuäckigen
Widerstand entgegenzusetzen. Die Schnee
fälle der letzten drei Monate haben nun
das Ihrige duz beigetragen, um diesen
Operatioi'Z-Tistrikt, "sowohl was Vor
inarschlinicn als Verbindungsmöglichkei
tcn c;ch Jai;a.t, beinahe unpassierbar zu
machen, und ur von diesem Abschnitte
ist die Behauptung gercebifektigt. daß
der Winter der ansschlaggcbende Faktor
für wesentliche Einschränkung der niili"
lärifchni Aktivität war. wie die auch
in t;n amtlichen Berichten cet verbünde
tcn Hecrcsleitnna.cn offen anZgesprochen
wurde. Die Frage der Verbindung die
sei Opcrations-Armce über das schwer
passierbare Gebirge mit ihrer eigenen
Basis spielt daher für die Fortsetzung
der Aggression eine erste Rolle und die
Schasfnng solcher Verbindungen gestal
tet sich zu einer Hauptbcdingung für
erfolgreiche Wcitcrsührung der Kam
pagne gegen Süd-Rußland, Hauptfach
lich mit Rücksicht auf Heranführung von
Verstärkung und Kricgsmatcrial. Daß
diese Berbinduugsherstclluug nicht von
heute auf morgen erfolgen kann, son
dcrn erhebliche Zeit in Anspruch nimmt,
ist selbstverständlich. '
Solange nun diese Schwierigkeiten
ein Debouchiercn der Armcegrnppe Erz
Herzogs Josef aus den Karpathen
Defilccn in die Ebene der Moldau ver
zögern, bleibt ein isoliertes Vorgehen
der Streitkräfte Maclcnsens ein immcr
hin gewagtes Unternehmen. Diese Er
wägung mag vielleicht die verbündeten
Gencralstäbe veranlaßt haben, von
einem sofortigen Ucbergang aus der
rumänischen Kampagne zu einem An
griffs-Feldzug größten Stiles gegen
Rußland vorläufig abzusehen, bis alle
Vorbedingungen zu einer erfolgreichen
Durchführung dieses Unternehmens ge
schaffen sind.
Als weiterer Grund für den zeit
weiligen Verzicht auf sofortige Fort
führung der Operationen zu Lande,
mögen vielleicht auch mehrere Faktoren
allgemein militärischer Natur angesehen
werden können. Einmal das Bewußt
sein, daß durch eine zweimonatliche
Nanipfpausc keine wesentliche Verschic
bung der strategischen Lage auf dem
Kontinent zu ungunstcn der Zentral
mächte zu befürchten ist. Sehr bezeuch
nend in dieser Beziehung ist die kürz
liche Aeußerung des englischen Militär
Kritikers Oberst Repington, daß man
nicht erwarten könne, Rußland und Jia
lien vor mehreren Monaten für große
Aktionen vorbereitet zu sehen. Ein Ge
genstück dazu bildet die bemerkenswerte
Erklärung Fcldmarschalls von Hinkn
bürg, daß Deutschland theoretisch den
Krieg ins Unendliche fortführen könne,
da der Ersatz an Mannschaften jährlich
die Verluste übersteigt, ferner, daß die
deutschen Fronten stärker als je dastehen
und ansreichend Reserven für Verwen
düng in jeder Richtung zur Verfügung
sind. AuS diesen Worten kann mit Be
rcchtigung der Schluß gezogen werden,
daß die Heerführer der Zcntralmächte
zu der Ueberzeugung gelangt sind, den
Vorsprung in den Vorbereitungen
gegenüber jenen der Entente aufrecht
erhalten und abermals die Initiative
ergreifen zu können, sobald sie den Zeit
Punkt für gekommen 'erachten. Eine rela
tive Kampfpause selbst von zwei Mona
ien ist daher in ihrem militärischen
Kalkül für die Zukunft anscheinend
nicht als besonders nachteiliger Faktor
eingestellt, umsonlehr, als dieser Zeit
ran'm zur weitgehendsten Verstärkung
der eigenen Fronten. Umgruppierung
und Organisation der Reserven und
Nciiformationen. Ausbau der olonomi
schcn Ressourcen und Indienststellung
der gesamten heimatlichen Kraft behufs
giinstigcr Kriegsentscheidung beinahe
ausschließlich benützt werde kann, ohne
daß große Verluste an . Mannschaften
und Material diese Borbereitungen be
einflußcn. Eine Hauptrolle für die freiwillige
Beschränkung der operativen Aktivität
zu Lande dürste ferner auch zweifellos
die Erlcnntnis spielen, daß der rück
sichtslosc Tauchbootkrieg den mächtigsten
Gegner Mitteleuropas England
zum ersten Male seit Kriegsbcginn un
mittelbar schädigt und schwächt und die
Fernwirkungen dieses Erfolges sich bin
ncn kurzer Zeit unfehlbar auf sämtliche
Mitglieder der Entente erstrecken müs
sen. Die große Kriegsaktion
der Zentralmächte dauert
trotz scheinbaren S t i l ! st a n
des zu Lande in dem Tauch,
bootkrieg in, zwar anders
artiger, aber zugleich der
schär fter, weittragenderer
Form fort.
Tcr Kleinkrieg z Lande.
Mittlerweile ist der Kleinkrieg auf
den verschiedenen europäischen Kriegs
schauplätzen in vollem Schwünge. Er
fahrungsgemäß stellt diese Art der
Kriegssührung, während sie d!e Fähig
Zeiten der höheren Kommandanten vcr
hältniömäßig weniger in Anspruch
nimt, die böchsten Anforderungen an die
Geschicllichkcit der Unterführer und an
die Ausdauer und den Geist der Mann
schaflcn. Dem Kleinkriege fehlen geiois
scrmaßen alle jene charakteristischen Mo
mentc, welefa große Operationen kenn
zeichnen und belebend und anfeuernd
auf die Führer und Truppen wirken.
Es gibt darin kein rasches Vorwärts
stürmen, keinen großen Sieg nd kein
imponierende Resultat in Gestalt vie
ler Gefangener, umfassenden Gelände
gewinnes oder reicher Beute. Keine gro
sen Entfernungen werden zurückgelegt,
sondern die Kämpfe finden wockcn- ja
monatelang in schränkten Räumen,
cfiers sogar auf demselben Flecke statt.
Tie Wucht der Masse macht der Fin
tiqkcit kleiner Abteilungen Platz. Ungc
stiimcS Trauflosgchcn muß der Bidäch
jigkiit und List weisen, um jede geg-
nrnsche Bloße auszimützcn; zähe Klein-
arbeit, das Einletzen der gesamten gc,tti- i
acii Encrgiecn ii! erforderlich, um dem
Gcmur einige Meter Boden ab.zugcwin
rnii: dazu tritt iiodi aU nicht zu unter
schätzender Faktor im modernen Kriege
siir die in vorderster Linie stehenden
Truppen die Unmöglichkeit, sich, wenn
auch nur für eine Zeitlang, dem geg
nerischcn Artilleriefeuer zu entziehen,
welches infolge der Stabilität der Fron
tcn eine verzehnfachte Intensität gegen
über jenem in der Bewegungsschlacht
ausweist. Kurz die höchsten Anfärbe
rungcn an die Qualität des Soldaten
Materials, ohne die Chance eines scnsa
tioncllcn Resultates, bilden die hervor
ragcndsten Merkmale des Kleinkrieges.
Aus der obigen kurzen Schilderung ist
ohneweiterS verständlich, daß das Wesen
dieser Art Kriegführung jedes große
strategische Ziel oder Absicht direkt aus
schließt. Die Tätigkeit der darin begrif
fcncn Streitkräfte kann sich vielmehr nur
in ein taktischer Richtung äußern.
Dementsprechend läßt sie sich in Haupt
sächlich drei Aufgabe-Gruppcn gliedern:
n) Die Aufklärung.
I) Lokale Aktion behufs Schädigung
der Positionen und Vorbereitungen des
Gegners.
) Schaffung günstiger Vorbedingun
gen für spätere große Aktionen der eige
neu Armeen durch Verbesserung der eige
neu Stellungen mittels Vorschiebung
oder Verkürzung derselben.
nl. a) Die Aufklärung im modernen
Stellungskrieg wird sowohl durch Jlie-ger-
als durch Infanterie -Abteilungen
bewirkt. Den Fliegern fällt natürlich
die Aufgabe zu, die Vorgänge weit hin
ter der feindlichen Front, speziell Trup
pen-Ansammlungeu. zit ermitteln und
feindliche Verbindungen, Landungsplätze
und Munitions-Depots durch Bomben
Wurf wirksam zu schädigen. Die Rc-kogniszicrungs-Tätigkcit
auf dcm Erd
bodcn wird von Jnfanterie-Abteilungen
verschiedener Stärke besorgt und gliedert
sich demgemäß in zwei Hauptartcn,
n"mlich die einfache Aufklärung und die
gewaltsame Rekogniszierung. Bei der
einfachen Anfklärung handelt es sich
lediglich darum, die unmittelbaren Vor
gänge in den vordersten gegneri,qcn Li
nien festzustellen, wobei die Beobachtung
die Hauptsache bildet und ein Kampf
mit dem Gegner womöglich zu vermci
den ist: dementsprechend werden nur
Patrouillen oder etwas stärkere Züge
mit dieser Aufgabe betraut. Wo aber
die gegnerische Stellung eine Annähe
rung ohne Kamvf, selbst bei Nacht, in
folge ihrer Stärke oder sonstiger Boden
Verhältnisse ausschließt, muß zum An
griff, also zur gewaltsamen Nekognos
zierung geschritten werden, um das ge
wünschte Erknndigungs-Resultat zu er
zielen. Zur gewaltsamen Rckognoszie
rung werden je nach dcm Umfange der
damit verbundenen Absicht Abteilungen
von einer 5!ompagnie bis zur Stärke
mehrerer Divisionen verwendet, um
durch Uebcrrennen mehrerer feindlicher
Linien die Stärke Verhältnisse und
Gruppierungen des Gegners an einem
bedeutenderen Frontabschnitt fcstzustel
len.
gl. h) In diesem Kapitel gehören be
sonders Unternehmungen von sogenann
ten Strcifcndetachements. welche die
Aufgabe erhalten, feindliche Gräben und
Bcfestigungs-Anlagen zu zerstören. Mi-ncn-Operationen
gegen die eigene vor
berste Linie zu vereiteln und dem Geg
ner durch Ucberraschungen empfindliche
Verluste zuzufügen. Die Stärke dieser
Detachemcnts überschreitet, wie sich 's
den amtlichen Berichten ermessen läßt,
gewöhnlich nicht die Stärke eines Ba
taillons. ,
ail. c) Unternehmungen zur Schas
fung günstiger Vorbcdingu 'n für spä
tere Aktionen fassen gewöhnlich ber.its
einen bestimmten taktischen Zweck ins
Auge. Hier handelt es sich nicht nur
lediglich um eine Schädigung des Fein
des, sondern auch um Besitznahme do
minicrcndcr Punkte oder wichtiger Ab
schnitte, welche in Zukunft zu einer wich
tigcn Rolle in der Turcks!ihrung eigener
Offensiv- oder Dcfensiv-Absiebten bcru
fcn sind. Dementsprechend wird diese
Aufgabe stets stärkeren Truppcnkörprn
übertragen und die Einleitung solcher
Aktionen sorgfältiger vorbereitet und
durch bedeutende Artillerie-Wirknni oder
Mincn-Operationen unterstützt. Die
kllrzlichen Erfolge dcr deutschen Trup
pen westlich Vcrdun und in der Cham
pagne ferner im Narajowka-Abschnitte
in Galizicn fallen in diese Kategorie des
Kleinkrieges. Neben diesen einen offen
sivcn Charakter tragenden Handlungen
sind auch die Maßnahmen zur Stärkung
dcr eigenen Defensiv-Kraft zu nennen.
Sie äußern sich meistens in Frontver
kürznngen oder in freiwilligem Aufge
bcn ungünstiger Positionen, die entwe
dcr einer feindlichen Einwirkung zu sehr
ausgesetzt oder dem gegnerischen Artil-leric-Fcucr
bcsondcrs exponiert sind und
deren Festhaltung unnötige Opfer an
Mannschaft und Material erfordern
würde. Die, scheinbaren Fortschritte dcr
Engländer nördlich der Somme wäh
rend der letzten Wochen sind lediglich
dem Entschlüsse dcr Deutschen, freiwil
lig iil taktischer Beziehung wertlose
Stellungen zu räumen, zuzuschreiben.
.
Angesichts dcr enormen Längen-Aus
dehnuug der europäischen Haupt-Fron
ten ist es logischer Weise erklärlich, daß
die Intensität dieses Kleinkrieges an
verschiedenen Stellen variiert und in gc
wissen Distrikten bedeutend lebhafter ist,
als an den anderen Front-Abschiiitten.
Ein gleichartige Intensität dieser Krieg
fülirung würde in erster Linie eine
gleichmäßige Verteilung dcr Slräste ent
lang der gesamten Länge der Fronten
bedingen, was wegen dcr damit ver
bundenen Krasivcrzcttelung gewiß nicht
in dcr Absicht der beiderseitigen Hcerfllh
rcr liegt, und möchte in ihren Folgcwir
kungen, hauptsächlich was Verluste an
Mann und Material anlangt, den Kon
seqneiizen einer großen Feldschlacht ans
beschränktem Raume gleichkommen, ohne
jedoch im Entfcrnicstcn auf ein einer
Entscheidung ähnelndes Resultat rech
neu zu können. Nachdem, wie eingangs
bervorgehob.'n, der Uicinkricg eher als
Einleitung zu großen Zünftigen Et-schcidungs-Operaüoncn
aufzusasscn ist,
können in der geschilderten , Mazimal
Intensität der lcinkrikgFührüng in
g'wissc!, öfters in den amtliche,! Bericht I
ten genannten Räumen vielmehr Vor i
zeichen entdeckt werden, daß diese Räume
für die Kampagne des Jahres 1017 als
Operation Gebiete erster Ordnung
ousersehen werden dürften. Auf allen
europäischen Kriegsschauplätzen haben sich
während dcr letzten zwei Monate solche
Jntensität-Zentren gebildet, die in den
Generalstabö, Berichten wiederholt er
wähnt wurden und die hier näher be
zeichnet zu werden verdienen.
l.,Auf dem französischen riegsschau
platze sind die Engländer während dcr
letzten Wochen besonders in den Räumen
bei Vpcrn. bei Armentiercs, am La Bas
sce-Kanal und beiderseits der Anc be
fonders aktiv gewesen, was natürlich
eine proportionale Gcgen-Aktivitat der
Deutschen in diesen Abschnitten zur
Folge hatte. Die Franzosen haben sich
im Allgemeinen in der genannten Zeit
Periode zurückhaltender gezeigt als ihre
britischen Bundesgenossen, indessen wa.
ren jedoch ebenfalls Zentren ihrer Klein
kriegs-Tätigkeit besonders an der loth
ringischen Front zwischen Verdun und
dem Nordcvde der Bogescn, ferner im
Aisne-Abstmiitt östlich Coissons konsta
ticrbar. Durch die Erfolge der Deut,
schcn am westlichen Maasuser und slld
lich Ripont (Champagne) wurden sie
naturgemäß gezwungen, bisher vergeb
liche Versuche zur Wiedcr-Einbringung
des verlorenen Gebietes zu machen.
Laut unmaßgeblicher Ansicht des Ver
fasscrs ist die Tätigkeit dcr Engländer
von Z)pern bis zum La Bassee-Kanal;
ferner jene der Franzofen an dcr Loth
ringischcn Grenze für die Zukunft beach
tcnöwertcr als die in britischen Berich
tcn so dick unterstrichenen Fortschritte
beiderseits des Ancre-Baches.
2. Während sich an der Westfront die
Alliierten verhältnismäßig lebhafter ge
zeigt haben, was ja mit ihrer angekün
d'gtcn Offensiv-Absicht im Einklang
steht, ist die Initiative im Kleinkriege
an dcr Ostfront ganz bedeutend auf
Seite der zentraleuropäischen Truppen.
Der Kleinkrieg ist besonders in den schon
vom Vorjahre als vital bekannten strate
gischcn Räumen südlich Dllnaburg. an
der Szczara, westlich von Luck, dann
in Ost-Galizicn bei Zloczow, Brzezany
und an dcr Narajowka, schließlich in der
vielumstrittenen südwestlichen Ecke der
Bukowina intensiver im Gange, als an
den anderen Punkten. An der rumäni
schen Front hat sich seit dcr Einstellung
großen Operationen nur verhältnismL
ßige Aktivität beiderseits des Oitoz
Tales bemerkbar gemacht.
3. An der italienischen Front scheint
die Initiative im Kleinkriege während
dcr letzten Wochen beinahe ausschließlich
in die Hände der Oesterreicher bergan
gen zu fein, die sich sowohl an der
Jsonzo-Linie, als im südlichen Tiroler
Grenzgebiet besonders aussvricht. Auf
italienischer Seite ist vielleicht die in
jüngster Zeit mehr hervortretende Ar-tillcric-Aktivität
an der Kärntner-Front
gegen das Drau-Tal einer Erwähnung
wert.
4. Infolge des schwierigen Geländes
und der äußerst ungünstigen Witterungs
Verhältnisse war der Kleinkrieg an der
mazedonischen Front soweit sich dies
beurteilen läßt, von weitaus weniger
lokalen Veränderungen begleitet, als an
anderen Fronten. Die Ablösung der
Serben durch italienische Kontingente
führte zu erfolgreichen deutich-bulgari
schen Streifzügcn im Czerna-Buge, wäh
rend sich in neuester Zeit eine gewisse
Intensität der englischen Aktivität zwi
schcn DoiraN'See und Vardar-Fluß,
also auf dcr kürzesten Linie Veles Sa
loniki bemerkbar machte. Ob aber in
letzterer Tatsache die Andeutung einer
eventuellen zukünftigen Verlegung des
alliierten Operations Schwergewichtes
auf das Vardar-Tal erblickt werden
kann, bleibe dahingestellt.
Ein interessantes Detail in dcr Durch
führung des Kleinkrieges vonfeitcn der
Entente ist der merkbar hervortretende
Unterschied in dcr Kampfweise der
alliierten Heere. Die Engländer arbeiten
mit Massenfeuer unter kolossaler Muni
tionsverschwendung als Einleitung zu
Strcifzügen, die außer Demolierung der
vorgeschobensten deutschen Linie kein an
dcrcs Resultat zeitigen, da ihre Jnfan
tcrie nicht imstande ist, die gewonnene
Stellung zu behaupten, außer wo wie
an dcr Ancre, die Deutschen dieselben
freiwillig dem Feinde überlassen. Tie
Russen versuchen es, wie gewöhnlich, mit
der Masscn-Taktik im Angriffe, man
kann sich aber des Eindruckes nicht er
wehren, daß der Elan des russischen Sol-datcn-Matcrials
geringer ist, als im
Vorjahre. Auf französ,sck)cr Seite ist
eine gegen frühere Zeiten merkbare Zu
rückhältung an der Zahl von Klein
kriegs Unternehmungen zu verspüren,
während sich die Italiener größtenteils
nur auf direkte Abwehr österreichischer
Streifzüge beschränken.
. . .
Wie ein verzweifelnder Spieler setzt
die Entente alles auf ihre letzte Karte,
die viel angekündigte große Offensive,
die schon in nächster Zeit losgehen soll.
Mit Wort und Schrift wird der Versuch
gemacht, der Welt zu beweisen, daß die
Entscheidung in einigen Monaten fallen
muß und daß die riesigen Vorbcreitun
gen das Kricgsglück zugunsten der All!
iertcn wenden werden. Aber dem Ein
sichtigen lernn nicht vcrborgcn bleiben,
daß 'cum Entscheidung im Europäischen
Kriege, wenn nicht zugunsten dcr Zen
tralmächtc, in den nächsten Monaten
phiisisch unmöglich ist. Dcr unveränder
liche Einfluß der militär-geographischen
Situation kann von der Entente nicht
aus der Welt geschasst werden. Eine
gleichzeitige Offensive der alliierten Koa
litio auf ollen Kriegsschauplätzen in
den Monaten März und April ist schon
aus dem lrnnde undurchführbar, weil
die klimatischen Verhältnisse an den
Fronten das Ende der WinterSaison
in verschiedene Zeiträume verlegen und
die Angriffmöglichkeiten dementsprechend
modifizieren. Eine ziocitc russische Of
feusive im S'ile des Johns 1010 kann
angesichts der erst im Januar beendig
tcn rumänischen ttampagiic nicht in ztvei
Mrniateii vorbereitet und eingeleitet wer
den, da die Rüstiina Rußlands für die
si,:Ft Sininpagne im Vi'-ybre eil. 7
Monatc in Anspruch ahm.c Schnee-
Aeme Kesechsordommnz.
Eine Episode auS dcr großen So mmrschlacht.
Gcfechtsordonnanz, Befehlsempfänger,
so heißen die strammen Kerle, die Adju
kanten der Stäbe, der Kompagnien und
Zugführer. Unerschrockene, kaltblütige
Burschen müssen es fein, die im dreckig
sten Schlamassel, im dicksten Granat
fcuer Befehle überbringen müssen und
ihre Ruhe nicht verlieren dürfen. Meine
jetzige Gcfechtsordonnanz ist. mit nicht
ganz 17 Jahren als Kriegsfreiwilliger
im August 1914 eingetreten. Lange ist
er noch nicht bei mir. Er war vorher
in einem andern Regiment und nur ver
wundet. An der Somme. Aber er hat
sich schon bewährt, auch bei mir. Bon
ihm will ich jetzt erzählen, oder nein er
soll's selbst tun, erzählen von dcr
Somme.
,
Die Morgendämmerung kam. Es
war 4 Uhr. Und wir waren im Gra
bcn. Wie wir dahin gekommen? Nicht
durch Laufgräben, die waren gar nicht
vorhanden, die waren zusammengeschos
scn und nicht mehr zu finden. In Kom
pagnickolonne, die Züge in Gruppen
kolonne nebeneinander soweit cs ging,
dann ausgeschwärmt in Marsch Marsch.
Nun waren wir da. In der zweiten
Nefcrvcstcllung. Die erste hatte schon
der Franzmann besetzt. Aber lvcr war
noch da? Unser Zugführer gefallen. Dcr
zweite Zug fast völlig aufgerieben. Voll
treffcr beim Anmarsch. Wir kauerten
im Graben. Ein Unteroffizier hatte un
fern dritten Zug übernommen. Ein
Zug, noch 21 Mann, von den 35, die wir
anmarschierten. Unterstände keine.
Die Brustwehren größtenteils eingcschos
scn. Wir hatten uns in den Graben
resicn und Granattrichtern 'verteilt.
Rechts von uns lag eine Kompagnie
. . .er. an die hatten wir Anschluß. Ich
batte zwei Feldflaschen voll Kaffee, als
wir losmarschierten. Jetzt war die eine
leergeworden. Und von der andern sollte
ich keinen Tropfen bekommen.
Der Tag kam. Ein heißer Somme
Sommeriag. Heiß und grausig. Vor unS
und neben uns spritzt die Erde auf.
28er. Schweres Kaliber, das haut in die
Erde, die birst und kracht. Schwarz und
steil stehen die Fontänen: Erde, Gebälk,
Drahtverhau und Menschenfctzen. Neben
mir schreits auf. Der Unteroffizier ist
verschüttet mit zwei Mann. Von dem
einen sieht man nur doch den Hinterkopf.
Auf und graben. Mit dem kleinen
Schanzzeug! Und die Einschläge brüllen
um uns herum. Und mit jedem Einschlag
rutscht die sandige Erde nach, die wir
mühsam weggekratzt und weggeschöpft
hatten. Jeder Nerv zittert, jede Muskel
ist fieberhaft angespannt. Es muß uns
doch glücken, uns zweien, die drei Käme
raden zu retten. Und es will, und will
nicht und cs muß gehen. Verzweiflung
packt uns... Und es gelingt. Nun liegen
sie freigescharrt ohnmächtig da, die drei.
Und wir sinken neben sie. -Aber nur
sekundenlang. Ich raffe mich auf. ich
reibe sie ab, nacheinander, ich flöße ihnen
meinen Kaffee ein, den sie gierig fchlür
fen.
Nun ist auch meine zweite Feldflasche
leer. Und die Sonne steigt und brennt.
Die Artillerie schweigt. Die Verwundeten
jammern. Da kommen sie an.
Schwarze! Mit wildcm Gebrüll. Und
wir wenigen, die noch bei Sinnen, die
das Gewehr noch handhaben können,
hinauf auf Deckung und stehend frei
händig geschossen, was nur geht. Noch
nie habe ich so schnell geladen, noch nie
ist mir mein Gewchrlauf so heiß gewor
den... Der Angriff ist abgeschlagen.
Sie gehen zurück, verschwinden unter der
Erde. Wir atmen auf. Ich bringe den
verschütteten Unteroffizier auf die Beine
und den einen Mann. Der andere ist ge
storben... Mein guter Kamerad!"...
Die Sonne brennt, und der Magen
knurrt. Seit 16 Stunden nichts mehr zu
essen. Ich krieche zum Kompagnie
fllhrer. Der muß weiter links sein. Ueber
Trichter und Leichen. Da waren noch ein
paar Posten, ganz wenige Ueberlebende.
Da finde ich den Kompagniefllhrcr mit
seinem Burschen. Noch acht Mann sind
um ihn, in seiner Nähe. Ich melde mich:
Leutnant gefallen, Unteroffizier... ver
schüttet, versucht zurllzzugehen. Ich habe
den Zug übernommen." Der Oberlcut
nant drückt mir die Hand: Halten Sie
die Leute zusammen. Sie sind ja ein
strammer Kerl!"
Ich krieche zurück. Sie sind ja ein
strammer Kerl!" Das hat mich gehalten,
das und das Verantwortungsgefühl, das
so plötzlich über mich kam. Ich teile
die Leute ein. Dahin einer, dahin einer,
dorthin zwei, hierher auch zwei und zu
mir der letzte. Acht Mann sind wir noch.
Acht Mann! Ein tolles Trommel
feuer beginnt. Wir liegen an die Erde
gepreßt, an die Grabenwand. Mein Blick
geht auf die Fesselbalone dahinter. Da
kommt ein Flieger. Bom Feind her ein
kleiner Fokker. er trägt das Eiserne-Kreuz-Zeichen.
ein Deutscher. Da fährt
er dicht an den einen Fesselballon heran,
da steigt eine Flamme auf: dcr Ballon
brennt. Und dcr Flieger fliegt weiter
zum nächsten. Unten her. Eine Stich-
schmelze in den Alpen bestimmt den Be
ginn eines italienischen AngriffsFeld
zuges. Um daher eine gleichzeitige Ag
gression beginnen zu können, muß die
Entente bis frühestens zum Monat Mai
warten, um den Gegner an allen Fron
tcn entsprechend zu engagieren. Tut sie
dies nicht, sondern schlägt mit eincm
Teile an irgend einer Front los, so zer
fällt der ganze Feldzuq in eine Reihe
isolierter, einander folgender Offensiv
Aktionen, wie in den ersten zwei Kriegs
jähren und nichts wäre imstande, die
Annahme zu widerlegen, daß die Jen
tralmächtc nickt cbensa erfolgreich mit
Zedcin ilrnr Gegner einzeln fertig wer
den könnten wie bisher, solange sie in
dcr Lagc sind, den ilncn zur Verfügung
stcbeiiden Vort.il der inneren Linie zur
Geltung zu bringen.
flamme schießt hoch. Der Ballon brennt.
Und weiter zum nächsten. Ehe die
Ballone hatten eingezogen werden kön
nen, waren sieben in Flammen öusgc
gangen. Bon zweien konnten sich die Vc
obachter noch im Fallschirm zur Erde
lassen.
Trommclscucr... Die Erdfontänen stehen.
Und wir leben noch! Feuerpause. J.t
müssen sie kommen. Hinauf auf die
Trichterränder. Da Maschinengewehr
feuer! Woher? Donnerwetter! Hier über
uns, haushoch und nicht höher fünf
Flieger. Fünf feindliche Flieger über uns,
über unsrer Stellung. Und sie schießen
auf uns! Wir liegen still... Die Ge
danken verwirren sich . . . Das Fcuer laßt
nach ... Da rührt sich einer, kullert gc
troffen inutcr auf den Trichterbode.
Und wieder feuern die Flieger, knattern,
die Maschinengewehre. Gräben wollen
sie nicht mehr stürmen, unsere Gräben
nicht, nur unser Grab. So sollte es wohl
werden, ein Grab für uns alle.
Und die Hitze und dcr Durst. Staub
und Dreck in allen, Poren. Das Gesicht
glüht. Und es muß gehen. Wieder setzt
Trommelfeuer ein. Granalenbrennzünder
wechseln mit schwerem Kaliber. Ein
einziges Dröhnen, ein Pulvergeruch...
Da Schweigen. Hinauf. Sie kommen.
Ich brülle, ich rufe. Da, dort kommt noch
einer auf Deckung. Und wieder stehend
hinein in die Massen, wag das Gewehr
hergibt. Der Angriff wird abgc
schlagen! Wir sind noch zu fünfen.
Und da rechts von uns? Da laufen sie
zurück, die... er, ein paar Mann nur;
eS scheinen die letzten zu sein, und die
wohl verwundet. Da kommt einer von
links heran, noch einer: dcr Oberleutnant
und sein Bursche. Schwarz im Gesicht.
Der Schweiß zieht Bäche über die sand
verstaubte Haut. Fiebernd glänzen die
Augen. Wir drücken uns dic Hand. Wir
blcibcn.
Erneut ein Angriff. Wir sind setzt '
7 Mann. Auch der Oberleutnant hat ein
Gewehr. Munition haben wir unS zu
sammengetragen aus den Patrontaschen :
der Gefallenen. Und wir feuern nach vorn
und nach rechts ... Da kommt von rechts
noch ein Kamerad, ein Leutnant. Der
letzte der ...er. Er bleibt bei un! und
schießt. Wir sitzen alle am Rand eines
tiefen Granattrichtcrs. Einer fällt, Kopf
schuß. Er kullert auf den Boden. Die
Schwarzen kommen rechts weiter vor.
Sie sitzen uns in der Flanke! Und im
Rücken! Von drei Seiten tauchen sie auf,
winken uns schon, wir sollten uns er
geben. Noch einer von uns bricht zu
sammen. Hitzschlag. Fiebernd schießen
wir nach drei Seiten. Zwei Gewehre nach
jcdcr Seite! Zwei Gcwchre! Aber wir . ,
ergeben uns nicht. Der Leutnant von den
...crn meint: Zweck hat's ja keinen
mehr, unsere ganze Schießerei." Aber:
Jetzt ist's ganz gleich, so oder so", meine
ich zu meinem Oberleutnant. Und er
stimmt mir bei. Der Feind läßt
ab. Wir sehen ihn auf hundert Meter,
wie er feine Linien in den Trichtern
ordnet. Er richtet seine Gewehre auf uns.
Wir erwidern.
Da durchzuckt mich ein Schlag. Mein
rechter Arm sinkt kraftlos nieder, ich falle
auf den Trichterboden, auf meinen toten
Kameraden. Und ich brülle wie ein tod
wundes Vieh, brülle vor Schmerz. Das
Blut läuft mir an Arm und Rücken
herunter. Da hilft mir einer. Rock aus.
Hemd aus. Die Kugel ist am Oberarm
eingedrungen und zwei Zentimeter von,
der Wirbelsäule entfernt als Ouerschla-' :
ger ausgetreten. Ein Verbandpäckchen auf
den, Arm, drei auf die Ausschußstelle....
Ich verliere die Besinnung . . . Wie ich zu
mir komme, bin ich allein in dem Gra
nattrichter, allein mit dem Toten. -Ich
raffe mich auf. Ohne Rock, ohne ,
Henid,-nit nacktem Oberkörper, und
stürze nach links, dcr einzige Weg, dcr
noch nicht votn Fcind versperrt ist.
Ueber Trichter und Lcichcn laufe, krieche
und falle ich, und das Blut rieselt mir
den Rücken hinunter, dic Beine hinunter.
Und ich stürze weiter. Nach ungefähr
einer Viertelstunde grausigen Wegs finde
ich in einer kleinen Mulde meinen Kom
pagnicfllhrcr, als er sich gerade umdreht:
Wo ist denn der Gefreite...?" Da kann
ich gerade antworten: Hier, Herr Ober
leiknant!" Und ich sehe, wie die Freude
aus feinen Augen blitzt. Machen Sie,
daß Sie gut zurückkommen!"
Und ich kam gut zurück. Mühselig : '
zwar und mit Aufbietung letzter Kraft.
Aber es ging. In dcr Nacht fror ich:
Nachtluft, Aufregung. Hunger. Und noch
immer mit unbekleidetem Oberkörper. '
Das Blut klebte. Ei Tornister lag
am Wege. Den schnallte ich mit der lin
kcn Hand dcm Mantel ob und hängte ihn
um. Dann ging's weiter, bis ich eine
Straße traf. Dort wartete ich. Ein
Sanitätswagen, der vorbeifuhr, konnte
mich noch mitnehmen. Ich setzte mich auf
das Brett, aus das dcr Fuhrmann seine
Füße stellt. Dann fchlicf ich ein. Am
Morgen waren wir am Hauptverband
Platz. Vor 3 Stunden das letzte Essen, .
vor 24 Stunden den letzten Schluck
Kaffee. Jetzt cin Trinkbecher heißen ZtK
ein Tuch über den ersten Verband und
weiter. Zwei Stunden zu Fuß, ein But
tcrbrot, ins Auto. Wir waren im Laza!
rett geborgen.
Nach etwa drei Wochen kam dcr Chef
arzt des Lazaretts von . . . zu mir. Was
haben Sie denn verbrochen?" Ich wußte
nicht, waS er meinte. Sie müssen
doch irgend, cttvas angestellt haben!"
Jck bekam einen roten Kopf. Da sagte er:
Da, das schickt Ihnen Ihr Kaiser." und
gab mir das Eiserne Kreuz erster Klasse.
Das ist meine Gefechisordonanz.
Er stammt aus einem kleinen Dörfchen
in der Nähe einer großen Industriestadt,
in der er vor dem Kriege im Tagelohn
arbeitete. Und nach dcm Krieg, wenn wir
den Frieden erleben? Nun, mir ist nicht
beinge um diesen prächtigcn Menschen, .
Morgen wird er 10 Jahre.
S,