Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 20, 1917, Image 2

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    sigmge cmap ztnitt
WöglictZKciten der bevorstehenden
Irtthjahrs-Menslve.
von einem ehemaligen Generalstabs 'Offizier.
Bcrschiedcnartigcr Eindruck der Ablehnung des Jriedensvorschlngcs. EntschcidungSÄüstunge hu
der Parteien zn Wasser und zn Lande. Kalkül der Zentralmächtc bezüglich der bevorstehenden Cf
fcnsiven. Tie wichtigste strategischen Richtlinien und Angrifseabschiiitte an allen europäischen
Fronten.
Zum erste Mrit im Verlauf des
europäischen Krieges hat das politische
Moment gegenwärtig den Vorrang dor
dem militärischen. Der von den Zcn
tralmächten zuerst angeregte Friedens
gedanke hat in der ganzen Welt den leb
Haftepen Nachhall gefunden und zied!
trotz der vorläufig ablehnenden Hal
iung der Entente immer weitere Kreise.
Zwar war der direkten Fricdenlanre
gung Deutschlands soweit kein sofort!'
ger Erfolg beschieden. was übrigens bon
den Urhebern der Friedensaktion dor
ausgesehen wurde, dafür fetzt aber un
Führung der Ver. Staaten eine
immer mehr anschwellende neutrale
Strömung ein, um den einmal ins
Rollen gebrachten Siein nicht mehr zum
Halten kommen zu lassen. Ob das auf
der breiten Basis der Etablierung eines
Weltfriedens fußende Eingreifen der
neutralen Welt zu dem zunächst ge
wünschten enger umschriebenen Ziele
einer friedlichen Verständigung der bei
den ftreitenden Parteien führen wird,
dürfte den logischen Entwicklungen der
nächsten Zukunft vorbehalten bleiben.
Als erster Markstein und vorläufig ein
ziges Resultat der ersten ernstlichen
Frikdensbetvegung steht die Tatsache der
Abweisung des deutschen Vorschlages
seitens der Alliierten im Vordergrunde.
Die sich unmittelbar ergebenden Kon
sequenzen fanden in dem von den Füh
rern der gegnerischen Gruppen wieder
holt betonten Entschluß, den Krieg bis
zur definitiven Entscheidung durchzu
kämpfen, ihren gleichartigen Ausdruck.
Sehr bemerkenswert ist ferner das
Faktum der Verses' heit im Ein
drucke, welchen die 3 ing des Frie
densangebotes auf et kriegführenden
Wölk selbst gemacht hat. Mit dem
Fallenlassen der Heuchlermaske und dem
offenen Zugeständnis der eigenen Er
obcrungsgelüste haben die alliierten
Staatsmänner bei den Nationen der
Mittelmächte einen von ihnen gewiß
nicht gewallten elementaren Effekt
erzielt. Völker und Führer sind jetzt
noch enger verbunden, die vier Mächte
bilden ein kompakies Ganzes, die höchste
Energie und alle Kräfte werden nun
zu dem bevorstehenden Eistenzkampfe
aufgeboten und das Friedensgerede ist
vorerst mehr oder minder in Mittel
Europa verstummt. Auch der von der
alliierten Presse als Datum für eine
weitere Friedenskundgebung festgesetzte
59. Geburtstag des deutschen Kaisers
ist ohne eine solche vorübergegangen,
fondern hat im Gegenteil einen weiteren
Appel des Monarchen, alle Kräfte zum
Entschcidungs-Kampfe aufzubieten, ge
bracht. Ganz anders hingegen gestaltet sich
der Eindruck, des intransigent: Stand
Punktes der 'eigenen Regierungen auf
die Nationen der Entente-Mächte, soweit
sich dies bis jetzt übersehen läßt. Trotz
großer Worte der Staatsmänner und
Generäle, trotz unhöflicher Note an die
Fricdensöermittlcr, trotz vielfacher Kon
fcrenzen und hochtrabender Versicherun
gen von der unentwegten Einigkeit der
Alliierten macht sich unter der Decke die
fer offiziellen Aeußerungen leiser Wider
spruch rege. Der Friedensgedanke hat
offenkundig, ..sonders unter der Arbei
terbevölkerung der kontinentalen Mit
glieder der Entente Wurzel gefaßt. Tie
Frikdensstimmen in Italien und Frank
reich und anscheinend auch in Rußland
wagen sich mehr und mehr an das Licht
der Öffentlichkeit. Den Tiraden der
Führer von dem Erfolge. , welchen die
Zukunft bringen soll wird das Faktum
der Ergebnislosigkeit der' zweieinhalb
Jahre langen Kriegführung und die un
.geheueren Opfer und -Verluste gegen
übergestellt. Langsam aber sicher dürfte
sich diese Erkenntnis zu einem Kampfe
Mischen den die Wacht innehabenden
Qligarchiem und den großen Masse
herauskrhstallisicren." Niemals feit dem
napolconischen Zeitalter haben die Völ
1s r' Englands, Italiens und Frankreichs
unter einem derart autokratischcn Re
gime gestanden wie heute. Vielfach
wird schon jetzt darauf hingewiesen, daß
die Fortführung des Krieges von der
herrschenden Kaste in allen Entente
Ländern direkt nur darum dekretiert
suche, um sich an der Macht zu erhal
trn, und es hat den Anschein, als ob
weitere Hunderttausende Menschen blu
kg werden müssen, um der Herrsch-'
begierde einiger Weniger Genüge zu
Kisten. Ob aber diese Machthaber mit
der sofortigen glatten Abweisung des
deutfcbe JricdenSvorschlages ihrer eige
neg Sache einen Dienst erwiesen haben,
i't mekk'als zweiselhaft, da dieser von
e 'k fuIin Presse hochstlich gepriesene
S r t unbestreitbar eine Lockerung des
Zusammenhanges zwischen Regierung
d Vok z ,r Folge hatte, und das
" n.bcdurfms unter den vom Kriege
cm meisten umgenommenen Klassen ver
stärkt. i i für mitteleuropäische Verhältnis
2 ' izwttnlich strenger Winter hat
c h Caj Zum ge dazu beigetragen, das
: ' n ! v,lin Operationen auf allen
5 ' 'aa n ihres bisherigen
r "tn Charakters notgedrungener
' t ' :ef und aus Iwl Niveau
i :-af,z kleinerer loUUi Akt,?
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, , i--1 aj;v,itt:fin ; il'i ii
5 l:. ki'ht. l'öi? di'I '
äußersten ' Anspannung aller ökono
mischen Energien begleitet, eingesetzt.
Naturgemäß bleibt der Umfang und die
Tragweite dieser Vorbereitungen zum
letzten größten EntscheiduucMampfe den
Augen der Außenwelt mehr oder minder
verborgen und die darüber vorliegenden
spärlichen Nachrichten bieten nur geringe
Information über die Mächtigkeit dieser
Kraftleistungen und die damit für die
Zukunft verbundenen Pläne und An
griffsziele der feindlichen Mächte
gruppen. Nur die Gewißheit, daß es
nochmals zu' einem Waffenganz kolossa
lcr Dimensionen kommen wird, nimmt
immer greifbarere Formen an und
infolgedessen steigert sich auch das aUge
meine Interesse an der Frage, wo in
nicht zu ferner Zukunft die größten ent
scheidenden Schläge möglicherweise ge
führt werden, und in welcher Weise die
beiderseitigen Strategen und Heerführer
die ihnen jetzt klar gekennzeichnete große
Kriegsaufgabe der vernichtenden Nieder
wcrfung des Gegners lösen dürften.
In einem früheren Artikel über diese
Frage ist bereits der Versuch gemach!
worden, klarzulcgen, wie die Ablehnung
des Fricdensvorschlages die militärischen
Gesichtspunkte für die weitere Kriegflllz
rung der Zeniralmachte beeinflussen
dürfte, nämlich daß anstelle der bische
rigen großen Defensiv-Tendenz ein
Ucbcrgehen zu direkter Offensive größ
ten Stiles treten muß, um die feind
lichen Mächte Koalition durch Nie
derzwingung eines Mitgliedes (Ruß
lands) zu zerschlagen und derart mit
den Waffen einen baldigen Frieden zu
erzwingen. Andererseits sind sich die
Heerführer Mittel-Europas aber auch
darüber im Klaren, daß sie bei Turch
führimg dieser strategischen Grundidee
nicht nur lediglich eine feindliche Tefcn
sive zu überwinden, sondern viel eher
mit einer Gegner-Aggression eines zah
lenmäßig stärkeren Gegners zu rechnen
hoben werden. Das momentan seh:
gangbare Scklagwort von der' bevor
siebenden großen alliierten Frühjahr?
Offensive ist ein in dieser Hinsicht nicht
zu uuterschätzcndcr Fingerzeige
Eine von militärischen Autoritäten
aller Zeiten für ein strategisches Genie
als unerläßlich bezeichnete Eigenschaft
ist die Gabe der Divination. d. h. die
Fähigkeit, die Pläne und sonstigen mili
tärischen Maßnahmen des Gegners ge
wissermaßen instinktiv zu erraten, die
selben logisch zu- beurteilen und fein
eigenes Benehmen dementfprcchend ein
zurichten. Diese Eigenschaft hebt den
Feldherrn aus der Masse der übrigen
militärischen Kommandanten heraus.
Napoleon vor allen, dann Friedrich dem
Großen war diese Fähigkeit im höchsten
Maße zu eigen. Daß den Zentralmäch
ten im gegenwärtigen Kriege in der Per
son Hindcnburgs ebenfalls ein derart!
gcs Feldhcrrn-Genie entstanden ist, de
weist das Studium der unmittelbaren
Vorgänge zu der Schlackt bon Tannen
berg, zu der Wiederaufnahme der Offen
sive gegen Lodz 1914 und neuerdings
hauptsächlich zu dem rumänischen Feld
zuge. Es ist daher mit Sicherheit an
zunehmen, daß der Feldmarfchall in sei
nem Kampagne-Plane 1917 der Erwä
gung der Möglichkeiten, welche sich der
zu erwartenden Gegen - Offensive der
Entente Streitkräfte bieten, einen her
vorragenden Platz einräumt. Es wäre
selbstverständlich müssig, Vermutungen
bezüglich der Gedankengänqe des be
rühmt! teutonischen Heerführers anzu
stellen. Im Nachfolgenden soll nur vei
sucht werden, jene Punkte, resp. Ab
schnitte sämtlicher zentraleuropäischer
Fronten zu kennzeichnen, welche infolge
ihrer strategischen und taktischen Situa
tion als Angriffsziele der alliierten
Heere möglicherweise in Betracht kom
men. Tie französische Front.
Aus den vorliegenden Nachrichten
tbcr die gegenwärtig im Gange befind
lichen Rüstungen Frankreichs und ins
besondere Englands kann zunächst mit
beinahe unumstößlicher Gewißheit der
Schluß gezogen weiden, daß die En-tente-Mächte
im kommenden Frühjahr
an dieser Front eine Truppenzahl ton
zentriert haben werden, welche die
Stärke der bisher in Frankreich und in
Belgien in Aktien getretenen Sireiikräfie
bei weitem übersteigen wird. Englands
Heer auf dem französischen Äoden wird
von deutschen Militärs schon heute auf
2,000,000 Mann geschätzt, welche Zahl
nach dem Eintreffen der diversen auf
Grund des Konskriptions-Systems auf
gestellten Neuformationen nach bedeu
tend vermehrt werden dürfte. Eine
daraus unmittelbar resultierende Konse
quenz ist, daß es den Alliierten, sobald
sie den Zeitpunkt für den Angriff als
gekomen erachten, möglich sein wird,
ihre Offensiv-Aktion an viel breiteren
Frontabschnitten anzusetzen und durch
zuführen, als bisher. Anstelle von
TurchöruchsLersuchen von ca. 30 Meilen
Breite wie in der Champagne oder an
der Somme werden voraussichtlich An
griffsfronten von über 100 Meilen Aus
dehnung treten.
Entsprecheno dem riesigen Rahmen
des bevorflehenden Feldzuges an der
Westfront sprechen neben den militari
fchiii auch politische Erwägungen bei der
Beurteilung der Alliierte Angriffs.
M!ichkkikkg Übt erheblich mit. De'iZlch-
'tiZknbrzwg aus du, cm itim
ft.! iptofc dürfte sich wüt nuevm-?.!
Belräfiigung seiner maßgebenden Fük
rcr auch in kommenden Tagen einer mehr
defensiven Tendenz befleißigen, da die
politische Entwicklung der Dinge wah
renv des .Krieges den deutschen Jnteres
stn den Weg nach Südosten und Osten,
anstatt wie vorher nach Westen gewiesen
bat. Für Frankreich ist zwar die aus
schließliche Osfensiv-Tendenz ,um das
Kriegsglück womöglich noch zu wenden,
nach mir vor eine Notwendigkeit; hinstchtz
lich des unmittelbaren politischen Zieles
ihrer nächsten und vielleicht letzten Offen,
sive dürften sich die Franzosen jedoch
vielleicht vor eine Alternative gestellt se
hen. Diese Alternative kann folgende
sein:
a) Entweder an dem bisher von der
französischen Regierung aufgestellten
Axiom, daß Nordsrankreich zunächst vom
Feinde gesäubert werden müsse, festzu
halten, also den strategischen Gedanken
Joffrös mit Hilfe der Engländer in
vielleicht größerem Mabftabe wieder
aufzunehmen? oder
b) Zunächst einen Angrifssfcldzug ge
geu Südwestdeutschland ins Auge zu
fassen, um gegnerisches Territorium olö
Faustpfand in die Hand zu bekommen,
und die Teutschen durch Aufrollung der
Nhein-Linie zum Aufgeben Nordfrank
reichs und Belgiens zu zwingen.
Sowobl der Wechsel im französischen
Oberkommando, als auch die Rücksicht
auf die unvermeidliche künftige Verwll
stung weiteren französischen Gebietes
voraussichtlich in viel bedeutenderem
Umfange als gelegentlich des Durch
bruchs - Versuches an der Somme. las
scn letzteren Fall als nicht gar so unmög
lich erscheinen. Tie Uebertragung des
Kommandos über den rechten Flügel der
französischen Linie an den von der Som
me-Schla'zt bestkkannten General Joch
kann vielleicht als Vorzeichen größerer
Aktivität an diesem Frontabschnitt auf
gefaßt werden.
Wie bereits vielfach hervorgehoben,
bildet die deutsche Front in Frankreich
eine grob genominen zweifach ge
brochene Linie. Der Raum südlich Rohon
und der Raum um Vcrdun stellen die
Vrech- oder Schulterpunkte derselben vor.
Für den alliierten Plan einer Besrciung
Nordfrankreichs und Belgiens kommt der
Frontteil g)peni - Verdun, für eine
Ofscnsioe gegen Süddeutschland Verdun
bis zur Schweizer Grenze in Betracht.
Tie Formation der Linie Jpern Tta
cy le Val (südlich Noi,on) Verdun,
bietet einer großen strategischen Offen
f,v - Absicht der Alliierten zwei Möglich
leiten. 1. Haupt - Angriff entlang der
Linie Apem Tracy le Val mit der
Tirettion gegen Osten? nördliche Flüge!
anlehnung an die holländische Grenze.
Das Schwergewicht des AngrikkeS würde
in diesem Falle logischer Weise in dem
Raum ZZpern - Lille verlegt werden
müssen. Im Falle des Gelingens der
Offensive würde die AufroLung der
Teutschen Fron! in der Linie Tracy le
Val - Verdun die zunächst zu erwar
tende Konsequenz sein. Der Angriff
würde größtenteils, wenn nicht ans
schließlich, von der englischen Armee un
ternommen, da es nicht ausgeschlossen
ist, daß der gegenwärtig noch von den
Franzosen gehaltene Froniteil zwischen
der Somme ' und der Aisne mit dem
Eintreffen weiterer Verstärkungen eben
falls von den Engländern übernommen
werden wird.
2. Haupt Offensive in der Linie
Tracy le Val, Verdun mit der allgemei
nen Direktion gegen Norden: Flügel
und Rückmsicherung gegen Osten gewährt
anfänglich die stark befestigte Maaß-Li-nie.
Der Angriffs - Schwerpunkt würde
bei dieser Operation naturgemäß auf
dem Raume um Verdun ruhen. Als
K'nsequenz eines eventuellen Erfolges
müßte dann die Aufrollung der deutschen
Front gegen Nordosten bis zur belgi
fcben Küste und eine Schwenkung der
alliierten Front gegen Nordosten mit dein
Drehpunkte Verdun, um Flankierungen
von Osten her zu begegnen, in Betracht
gezogen werden. Die Bedeutung von
Verdun für eine derartige alliierte Of
fenswe wäre daher verdoppelt.
Für den Fall einer französischen An
grisfs - Kampagne gegen Süddeutsch
land, speziell die obere Rhein-Linie fällt
der Umstand ins Gewicht daß die An
grisfs . Front Verdun . Altkirch im El'
faß in der Richtung Nordwest Südost
verläuft, der rechte Flügel und ein Teil
des Zentrums daher sich in strategisch
vorgeschobener Position befindet unddie
Vorbedingungen bereits gegeben wäre,
um nach erfolgreichem Durchbruch un
mittelbar zur Umfassung des südlichen
deutschen Flügels und Aufrollung der
Rhein - Linie reiten zu können. Hin
sittlich der möglichen Feststellung des
Angriffs - Hauptdruckcs wäre in solchem
Feldzuge der Einfluß der Terrain
Konfiguration in Erwägung zu ziehen,
sein, da dieser Druck entweder nördlich
oder südlich der Vogesen verlegt weiden
könnte. Die Schlacht bei Taarbuig Im
Jahre 1914 hat gezeigt, daß der ur
sprüiigliche französische Kriegsplan ein
Einsetzen des Gros der dortigen Streit
fräste am Nordende der Vogesen im
Äug: halte. Wenn diese Idee für die
Kampagne des Jahres 1&17 wieder auf
genommen werden sollte, so fiele pkm sich
bis Verdun ' hinzttkenden nördlichen
Fliiget dieser französisch.' Angriffs'
front die Au'gzvc zu. eine Flankierunz
der Offensive von Metz her durch aktive!
Borgehn zu verhindern, Verdun würde
also auch in diesem Falle sowohl als
Flankendeckung wie als Pivotpunkt für
die durch den eventuellen Verlauf der Er
eignisse notwendig werdende Aufschwen
kung der französischen Angriffs Armee
gegen Norden eine äußerst wichtige Rolle
spielen. Für eine Einsetzung dek Offen
siö -Schwergewichts am Südteile der
Vogesen wäre für die französischen Fllh
rer die möglichst baldige Erreichung der
Rhein Linie und di: Aussicht, mit dem
Angriff am äußersten südlichen Flügel
schneller als anderswo durchzudringen,
maßgebend.
Alle diese Möglichkeiten für die zu cr
wartende alliierte FrüKjahrs-Cfsensivc
weisen daher die Erwägungen des deut
schen Generalstabes behufs zweckentspre
chcndcr Gegenmaßregeln hauptsächlich auf
drei Räume hin: Jenen von L)pcrn, jenen
von Verdun und jenen am Oberrhein.
Sollten sich die Alliierten stark genug
fühlen, einen gleichzeitigen Angriff auf
die beiden Flügel "der deutscheu Westfront
wca zu können, dann tritt dic Bedcu
tung Verduns abermals in den Vorder
gründ, da die französische Festung nur
wenige Meilen von der einzigen großen
Verbindungslinie der beiden deutschen
Flügel, der Eisenbahn Mülhaiifen
Straßburg Dicdenhofen Mezieres
Lille entfernt ist. Vielleicht war es ein
derartiger Kalkül, welcher den früheren
deutschen Generalstab-chef von Falken
heim zum Fcldzuge gegen Verdun im
Jahre 1916 bestimmte.
Die russische Front.
Nur die Eventualität, daß unerwar
tete Politische Entwicklungen etwa die
Verletzung der Neutralität der Schweiz,
Hollands oder Dänemarks durch die West
licken Entente-Mitglilder die Zentral
mächtc zur Verlegung ihrer Initiative
auf andere Kriegsschauplätze zwingen
würde, konnte aller Wahrscheinlichkeit
nach die verbündeten Generals! übe ver
anlassen, nochmals die östliche Front le
diglich ihrer Defensiv-Fähigkeit nach zu
werten. Unier Zugrundelegung dieser,
durch Fakten vorlaufig noch nicht ge
rechtfertigten Annabme. würden sich die
strategischen Möglichkeiten einer mit Be
stimmthcit darauf einsetzenden russischen
Offensiv-Aktion folgendermaßen darstel
len: Als politische Gesichtspunkte für die
Ansetzung und Durchführung eine ober
maligen großen russischen Angriffs-Fled-zugcs
muß entweder die Rückeroberung
Lithauens und Polens, oder die Nieder
zwingung Oesterreich Ungarns durch
Wegnahme Galiziens und eine Invasion
in Ungarn, schließlich die Befreiung Ru
niäniens und Besitznahme von Konstan
tinopcl ins Auge gefaßt werden. Noch
dem die russische Front durch die Ro-kitno-Sümpfe
eigentlich in zwei separate
Kriegsschauplätze geteilt wird, kommt
für eine eventuell geplante Rückeroberung
der besetzten Provinzen hauptsächlich der
nördlich des Polcsie situierte Jrontteil
Riga Pinsk in Betracht, während die
Erreichung der beiden anderen obange
deuteten Absichten nur im Raume zwi
scken dem Polesie' und dem Schivarzen
Meere angestrebt werden kann.
Die strategische Position der beiden
Gegner in der Linie Riga Pinsk ist seit
1 Jahren stabil geblieben und demge
niaß haben sich auch die Möglichkeiten für
Einleitung und Verlauf einer dortigen
russischen Aggression nicht verschoben.
Aufrollung der deutschen Front von Nor
den her durch einen Hauptangriff an der
Strecke Riga Tünaburg in südlicher
Richtung, oder Durchbrechung der gegnc
rischen Linie in der Richtung auf die
wichtigen Knotenpunkte Wilna und Ba
ranowicz werden bis auf Weiteres als
strategische Hauptziele einer zukünftigen
russischen Kampagne fortbestehen müssen.
Nachdem die defensiven Vorkehrungen der
deutschen Heeresleitung in diesen Kampf
räumen seit jeher jede Belastungsprobe
glänzend bestanden haben, treten für ein
weiteres defensives Verholten keine neuen
Erwägungen auf die Bildflächc.
Durch die Neugestaltung der derbüi
beten Linie südlich des Polesic infolge
der Ereignisse im Sommer 1916, ferner
infolge der durch Rumäniens Eingreifen
bedingten Verlängerung des südlichen
Abschnittes der russischen Front bis an
das Schwarze Meer müssen die vorher
bestandenen straschen Schwerpunkte
desselben unter Berücksichtigung der ge
genwärtigen militärischen Situation und,
der mit einem erneuten Offensiv-Feld,
zuge Rußlands verbundenen eventuell,
zweifachen Kampagne-Ziele einer Neu
Wertung unterzogen werden. Vor dem
Eintritie Rumäniens stellten bekanntlich
Kowel und Lemberz strategische Schwer
punkte erster Ordnung vor, während der
Karpathen-Abschnitt noch in zweiter Li
nie stand. Auf Grund der heutigen mi,
litärischen Lage hat nur Kowel seine
Bedeutung als nördlicher Abschlußpunkt
der Front südlich des Pripet behauptet,
da eine Besitznahme Kowels durch die
Russen noch immer eine Spaltung der
gesamten teutonischen Ostfront nach sich
zu ziehen vermöchte. Lemfcerg hingegen
ha! seinen Platz als Entscheidungsfaktor
an die KarpathenStrecke Tartaren-Paß-Mese
Canest! abtreten müssen, da ein
russischer Durchbruch an dieser Stelle
nicht nur die direkte Linie aus Budapest
und Wien eröffnen würde, sondern auch
die Abtretung des rumänischen Flügels
der zentralcuropaischen Streitkräfte zur
Folge bätie. AIs weiterer neuer strate,
gischer Schwerpunkt ist ferner, unter dem
Vorbehalt, daß die beiderseitige milita
rische Situation an der rumänischen
Front auf längere Zeit keine wesentliche
Aenderung erfährt, die Strecke Braila
Focsani anzusehen, da sich alle wen
tuellen russischen Anstrengungen gegen
Konstantinopel höchst wahrscheinlich ,u
nächst gegen diese Linie richten werden,
wie dies schon durch die seographische Be
I. schassenheit des jetzigen rumänischer!
Kriegsteaiers logisch Weist zu erwarun
ist.
Da auch Rußland, fall? ihm di:
Zeit und Gelegenheit gelassen wird,
möglicherweise noch größere Menschen
massen als bisher zu diesem letzten Ent
scheidunJskamps aufbieten bürste, liegt
die Annahme r-ane. daß die moskowiiische
Hceresleilung auch in Zukunft ikrer
, hitherig? Taktik ta ns-tzens der Of
fensive an sehr breiter Front festhalten
wird. Dementsprechend können folgende
Offensiv , Möglichleiten erwogen wer
den: ) Gleichzeitiger Angriff an der wol
hynischen und der Karpathen Front
sowohl behufs doppelter Umfassung der
zwischen dem Pripet und dem Tartarcn
Paß stehenden zcnlraleuropäischen
Strcitkräfte. als auch behufs direkter
Invasion in Ungarn. Der Hauptdruck
'dieser Offensive dürfte nicht nur an der
Stokhod ' Linie gegen Kowel, sondern
auch im Raume südwestlich Stanislau,
wo die von Norden kommende verbün
dete Front eine ziemlich ausgesprochene
Wendung gegen Ciidostcn nimmt, zu er
warten sein. Der Raum südwestlich
Etanislau gewinnt durch den Umstand
besonders Gewicht, daß aus ihm falls ein
dortiger Durchbruch gelänge, erhebliche
strategische Wirkungen teils gegen ,Nor,
den. teils gegen Südostcn ausgeübt wer
den können. Auch in der sogenannte
Dreilander . Ecke (Mese Canesti) dürfte
sich ein Druckzentrum bilden, dessen In
tensität auf die geplante Invasion Un
garns und die Bedrohung der verbünde
ten Frontlinie' in Rumänien cinfluß
übend wäre.
b) Gleichzeitiger Hauptangriff an der
Karpathen Front und der rumänischen
Front, um den südlichen Flügel der teu
tonischen Linie vom Tartarcn Paß bis
zum Schwarzen Meere zu sprengen und
damit die Kampagne zur Besetzung Un
garnj. Befreiung Rumäniens und Be
drohung Konstantinopels einzuleiten.
Auch in diesem Falle würde der Offen
sive an der Karpathen Front die ent
scheidungbringenpe Rolle zufallen, da
im Falle eines dortigen russischen Durch
bruches der gegnerische Südflügel viel
härter getroffen werden würde, als an
der SUdgrcnze der, rumänischen ZNoldau.
AlS etwas entfernter in Betracht kom
mende Möglichkeit kann einer gleichzeiti
gkn'rusiischen Offensiv Kampagne in
Wolhynien und der südlichen Moldau
Erwähnung getan werden. Infolge der
großen räumlichen Entfernung würden
aber diese Operationen des innigen stra
tegischen Zusammenhanges entbehren
und auch bezüglich der Fcldzugsziele
leine besondere Gemeinsamkeit ausweisen.
Für ein eventuelles Verhalten der Zcn
trglmächte auf dem russisch rumäni
schen Kriegsschaupcklatze stellen daher
Gegenmaßnahmen zur Abwehr russischer
Oksensivdestrebungen in allen obbezeich
neten strategis, wichtigen Räumen E
scheidungsbedingungcn vor.
Tie mazedonische Front.
Welche politischen oder militärischen
Gründe auch maßgebend waren, die Tat
sache bleibt bestehen, daß dic Entcutc
Mächte trotz der bisherigen minimalen
Resultate der Saloniki Kampagne,
trotz infolge der rumänischen Kaiaftro
phe noch schärfer occeniuicrtcr Isoliert
heit der Armee des Generals Sarrail
anscheinend den Gedanken einer Fortsei
zung des Balkan Feldzuges noch nicht
ausgegeben haben. Man kann sich des
Eindruckes nicht erwehren, daß man einer
in aller Stille vor sich gegangenen Neu,
oricntierung der großen Pläne dcr AI
liierten im nahen Osten gegenüber steht.
Selbst für Beschützer kleiner Nationen'
würde dic Zumutung doch zu stark fein,
lediglich zur Befreiung Serbien! ca.
1,000,000 Mann aufzubieten. Tie als
militärisches Argument auch noch in
jüngster Zeit betonte Absicht, die Orient
Eisenbahn Belgrad - Konstantinopel und
damit die Verbindung dcr Türkei mit
Zentral Europa zu unterbrechen steht
seit der Eroberung Rumäniens auf sehr
schwachen Füßen, da den Zentralmächten
überdies die Donau und die Eisenbahn
linien von Ungarn durch Rumänien und
Bulgarien nach Kanstinopel als Verbin-duiigs-Medien
zu Verfügung stehen.
Hinter dem unentwegten Verharren in
der gegenwärtig militärisch gar nicht
vorteilhaften Position bei Saloniki mag
daher ebenso die Furcht liegen, durch ei
nen Abzug überhaupt jeden zukünftigen
politischen Einfluß auf dem Balkan ein
für allemal zu verlieren, als auch an
drerseits militärische Absichten, welche
gänzlich verschieden von den bisher an
dieser Front verfolgten sind. Tie Eng
länder waren in letzter Zeit in Mefopo
tamien und auf der Halbinsel Sinai
aktiver als je zuvor. Tie französische
Regierung hat Passagierdampfcr der
transatlantischen Linie requiriert. Dazu
die kürzliche Konferenz in Rom und das
Wiederaufleben der syrischen und arme
Nischen Greuel Geschichten in der al
liierten Presse. Bringt man alle diese
Geschehnisse mit einander in Verbin
dung, dann drängt sich die Vermutung
auf. daß die Entente etwas gegen die
Türkei im Schilde führt und vielleicht
eine spezielle gemeinsame Aktion gegen
das Oemanen Reich in absehbarer Zeit
plant. Tie Aeußerungen englischer
Staatsmänner und Politiker hinsichtlich
der notwendigen Vertreibung der Tür
ken aus Europa sind ebenfalls recht be
deutsam.
Unter der Voraussetzung einer bevor
stehenden alliierten Aktion gegen die
Türkei gewinnt die Saloniki Kampag
nc naturgemäß ein ganz anderes Gesicht
und mehr Existenz , Berechtigung. Was
nicht über die Dardanellen gelang, soll
auf dem Landwege entlang dem Aegäi
schen Meere versucht werden. Bei der
Vorbereitung und Einleitung eines sol
chen Unternehmens in östlicher Richtung
gegen Konstantinopel dürfte selbstöer.
stündlich sowohl die Frontaeftaltung als
auch die Kräfte Gruppierung des alli
leiten Heeres eine durchgreifende Modi
fikation erfahnn, da diese Aktion ein
gänzliches Fallenlassen der bisherigen
strategischen Ziele und eine Verlegung
des Angriffs Schwergewichtes auS dem
Raume von Monastir nach der Struma
Front verlangt. Als Flankensicherung
gegen Norden würde im Falle der For
eierung der Struma Linie das Rho
dope Gebirge im allgemeinen dienen
und als Veibindungs- und Nachschubs,
linie zu Lande die Bahn Saloniki, Tra
ma emotika zur Verfügung stehen.
Für die Anlralmächte würde daher,
falls sie ihre bisherige defensive Haltung
n der mazedonischen Front auch in Zu
kvakt aufrecht zu erhalte beabsichtig!!!,
eine Stärkung der Struma , Jronk in
den Bereich deö militärischen Kalküls
gezogen werden müssen. Mit Rücksicht
auf die große Kncgslagc wird der Bal
kan in Zukunft voraussichtlich kaum
mehr zum Hauptkriegsschauplatze wer
den, da ihre militärische Ueberlcgcnhcit
in diesem Teile Europas bereits als fest
stehende Tatsache anzusehen ist.
T!e italienische Front.
Von allen europäischen Fronten hat
die italienische während dc bisl)eiigcn
Kriegsverlaufcs bezüglich Opcrations
zielen. Offcnsiv-Möglichkeiten und mili
tarischen EntscheidungS.Faktoren keine
wesentliche Aenderung für beide Par
tcien auszuweisen. Es ist mehr als
wahrscheinlich, daß die Italiener den
Moment im Lause des Frühjahrs oder
Frühsommers, wann die Hauptkräfte
der Zentralmächte durch die Offensiven
dcr Alliierten an dcr West- und der Ost
front gebunden sein werden, auszunii
tzc.s beabsichtigen, um ihi'N beiden
Kriegszielen Trieft und Tricnt
naher zu kommen. Tricst. als das so
wohl politisch als militärisch wichtigere
Ziel der italienischen Begehrlichkeit wird
natürlich zuerst in Betracht kommen,
und die italienischen Angriffe der Jahre
1915 und 1916 dürften eine abermalige
blutige Wiederholung im Karstgebicte
finden. Indessen ist es auch garnicht
ausgeschlossen, daß die lange Winter
pause dcr italienischen Heeresleitung ge
nügend Zeit und Gelegenheit : oten
hat. ihre Armee durch Heranziehung
und Ausbildung frischer Reserven der
art zu verstärken, daß sie sich imstande
fühlen wird, einen womöglichen gleich
zeitigen Angriff auf das Trentino zu
unternehmen. Bekanntlich hat dcr ita
lieniscke Gcncralstab im bisherigen
Laufe des Krieges eigentlich ncch keine
große einheitliche Aktion gegen Siidtirol
ei geleitet. Die Linie, in welche die ita
lienifchcn Truppen nach den rstcn fünf
Kriegstagcn vordrangen, "cstcl't mit ge
ringfügigen Verschiebungen auch noch
heute und ist sogar im Tolomiten-Gc-biet
durch die österrcichi,chc Juni-Osfen
sive 1916 um c'n ziemlich beträchtliches
Stück zurückgedrängt worden. Ein zu
künftige italienische Offensive wird dcr
gcographisch-strategischen Situation ent
sprechend ihr Schwergewicht an die öst-
Mkü
vv
Albert Niemann ist tot; zwei Tage
vor Vollendung seincs 80. Lcbcnsiahres
ist cr nach kurzem Krantcnlager Mille
Januar sanft entschlafen. Viele werden
nun fragen: Ja, lcble er denn noch?
Es sind beinahe 30 Jahre her, daß cr
sich von dcr Bühne zurückgezogen hat,
und fein künstlerisches Wirleu ist den
Jüngeren unter uns nur mehr in My
tkos. Aber der Name Albert Niemann
wird nicht verklingen; zu stark und eigen
ortig war seine Persönlichkeit, als daß
die Nachlvclt ihm keine Kranze flechten
sollte. Einmal, vor wuügen Jahren,
war. wie aus dem Grabe erstanden, dcr
Mann, den die Berliner schwärmerisch
verehrt hatten, in einer öffentlichen Ver
anstaliung hervorgetreten, hatte er mit
den Resten seiner gewaltigen Stimme
ein kurzes Lied gesungen, dann war er
wieder zurückgetreten in fein behäbiges,
sorgenfreies, materiellen Genüssen hin
gegebenes Leben. Der alte Siechen in
der Behrenftraße weiß davon zu zäh
len. wie Niemann bis zugutcrletzt noch
ein sattelfester Trinker war.
Aber nicht nur das Materielle dieses
Lebens interessierte ihn. sondern er hatte
nebenbei auch nie erlahmendes Interesse
für alles Ideelle und ganz besonders für
seine Kunst und für alle hervorragenden
Erscheinungen in der Sangerwelt. So
sah und hörte cr sich oft. und zwar bon
einer verborgenen, dem Publikum niht
zugänglichen Parkettloge des Königlichen
Opernhauses aus, seinen großen Kollc
gen Enrico Caruso an. Der ganze
Kerl muß klingen." soll er einmal ge
äußert haben. Diese stimmtechnische
Forderung mag ihm Caruso in idealer
Weise erfüllt haben. Niemann war nicht,
wie .Caruso, ein spezifischer Sänger, ein
Gesangsgenie von Gottes Gnaden; seine
Stimme hatte vielmehr etwas Sprödes
und sie wurde lediglich geadelt durch die
wunderbare Schärfe der Deklamation
und durch die unübertrefliche und un
übertroffene Gewalt des dramatischen
Ausdrucks. Als Darsteller Hat Niemann
einen ganz neuen Stil geschaffen. Alle,
die das Glück hatten, ihn in seinen gro
ßen, Partien zu erleben, werden die hohe,
reckenhafte Gestalt und das seltsam bc
wegte. plastische, stets eindrucksvolle und
hier und da erschütternde Spiel nie ver
gcsseu. Im Jahre 1864 kehrte Niemann,
nachdem er bereits l&A bis 1855 dein
Königlichen Opernhaus angehört hatte,
nach Bzrlin zurück, durch Studien bei
Duprez in Paris und Erfahrungen, die
er inzwischen in Stettin und Hannover
gesammelt hatte, künstlerisch außer
deutlich bereichert. Am 17. Mai dieses
Jahres trat er ol Tannhäuscr auf und
von dem Tage, der ein wichtiges Ercig
nis in der Musikgeschichte ist. datieren
sein Ruhm und seine Beliebtheit.
Niemann war am 1?. Januar 1831
zu Errleben bei Magdeburg als Sohn
eines Gastwirt? geboren. Den Schlos
serberuffür den er bestimmt war. gab
er bald auf, um sich der Bühne zuzu
wenden, die ihn vorerst einmal als
Schauspieler und später als Choristen
aufnahm. 185,9 verheiratete sich Nie
mann mit der Schauspielerin Maria
Seebach, von der cr sich indessen bald
wieder scheiden ließ. 1371 verheiratete
er sich dann mit der Cchaufpieleiin Heb
wiä Raabt.
m .
In Dresdner Theaierkieisen hat die
Nachricht vom Tode Albert Niemanns
schmerzlichen Eindruck gemacht. Nie
mann Pflegte seit Jahren jeden Winter
mehrere Wochen am Weißen Hirsch zu
verbringen. Auch seinen letzten, den ".,
Geburtstag verbrachte er dort, und die
Mitglieder der Dresdner Hcfoper be
nutzten die Gelegenheit, ihm eine Huldi
gurcj darzubringen." Sie veranpalickn
liche Front Sudtirols verlegen und
kann nicht nur ),ie Besitznahme von
Trient und Bozen, sondern auch die Un
tcrbrechung der äußcrst wichtigen, wei
ter nördlich lausenden österreichischen
Verbindungslinie im Rienz, und Trau
Talc ins Auae fassen. Es bestes,! auch
die Möglichkeit, daß diese Offensive
durch eine NebcuAition an der süd
westlichen Grenze Tirols zu einer gro
ßen strategischen Umfassungs'Operalion
gegen daS gesamte Welsch-Tirol aukge
staltet wird. Db dies. UinfussungOs.
fensive, welche einen mit anderen Unter
nehmungen mir lose im Zusammenhang
stehenden Fcldzug für sich vorstellen
würde, gleichzeitig mit dem Angriff ge-,
gen Tricst angesetzt wird oder nicht,
hängt gänzlich von dcr Kra't-Quanti-tät.
welche das immerhin schon stark
mitgenommene Italien noch aufzubieten
vermag, ab. Große strategische Aktionen
gegen die kürzeste Richtung nach Wien,
TarviS, Villach und Klagenfurt. fer
ner große Landungeversuche in Jstricn,
um von Süden gegen Tricst vorzugehen,
sind auf Grund der gegenwärtigen
Kriegslast nur entferntere Möglichkei
ten, da im ersteren Falle eine völlige
Umgruppierung der Haupt-Streiikräflc,
im zweiten eine Niedcrkämpfung der
österreichischen Flotte und Kustenvertci
digungcn die .,icht zu umgehenden Vor
lx'diuLungen bilden.
In den letzten Wochen beginnen sich
in der italienischen Presse wieder Ge
rächte von einer bevorstehen öster
rcichisch-deutschen Osfcne größten
Stiles gegen den Raum von Vicenza
zu regen. Allem Anschein nach . rden
diese Nachrichten nur in die Welt ge
setzt, um der immer mehr offenbaren
KricgsmUdigkcit i .1 eigenen Lande zu bc
gegnen und die gesunkenen Hoffnungen
auf einen eventuellen Erfolg zu stimu
licren. Vom Standpunkte der Zentral
mächte aus beurteilt, besteht wenig
Wahrscheinlichkeit, daß sich die verbün
det, Generalstäl angesichts dcr großen
Vorbereitungen dcr Entente grade aus
einen Angrisss-Feldzug gegen Italic
einlassen werden. Im Falle des vorans
sichtlich defcnsirc.i Verhaltens bleiben
dic für die Verteidigung Tirols und
Tricst maßgebend gewesenen militari,
scheu Gesichtspunkte auch für die Zukunft
im gleichen Umfang bestehen.
Memmm.
am Vorabend des Geburisiages eine
glänzende Nicmann-Fcicr. bei der E,r
Plaschke von dcr Osten, Kammcrsängcr
Vogeistconi, Soot u. a. Licdcr ortru
gen. Niemann war in über hcitercr
Laune und kiißtc nach dcm Gesang Eva
Plaschkcs die Künstlerin vor dcm jubeln
den Publikum, da ihm lxrzlichc Ova
tionen darbrachte. Zum 7,. Geburts
tag erhielt er auch ein Glückwunschtele
gramm des Kaisers, worin ihm der Kai
scr nock viclc Jahre in Frieden zu ver
leben wünschte.
Der Heimgegangene Stiinmrccke war
im besonderen dcm Schassen Richard
Wagners eng verbunden. Oft, wcrni
auch nicht gern, erzählte er den Hergang
jener skandalösen Pariser .Tannhäuscr"
Premiere, deren Martyrium er treu mit
Wagner teilte. Niemals", bekannte er
dcm Temps". hab' ich Achnliches ge
sehen. Im Partcrrc und im Orchester
war eine ganze Bande mit Pfeifen, die
einen schrecklichen Lärm machte. Alle
taten mit, Junge und Alte, und die Al
tcn waren die Schlimmsten. Der Lärm
begann schon bci der ersten Szcne und
horte nicht mehr auf. Als im ersten Akt
die Meute dcr Landgrafen auf dcr
Bühne erschien, brachte man den Hunden
eine ironische Ovation dar. Im zweiten
Akt war das Publikum noch schlimmer.
Es verlor die Geduld beim Wettkampf
der Meistersinger. Dcr Skandal war
so groß, daß Morelli, der den Wolfram
sang, aufhörte. Dietrich, dcr Kapcll
mcister, ließ dcn Taliflock sinken. Da
trat ich an den Eouflcurkasten, bat durch
Bewegungen um Ruhe und sagte: Wir
verlassen alle die Bühne, nxnn Sie nicht
aufhören!" Nun singen sie an zu ap
plaudieren, und der Lärm schwieg eine
Weile. Tann aber kam dcr dritte Akt,
und der war noch örgcr. Als ich nach
dem Pilgerchor auf der Bühne erschien,
gleichfalls in Pilgcrtracht, schrie man:
Noch ein Pilger! Genug! O nein!"
Wie im zweiten Akt ging ich wieder an
die Rampe und deutete an, ich würde
gehen. Wieder ertönten Bravos. Ich
glaubte, das Publikum wollte zeigen, daß
es nicht gegen die Künstler sei. Wir
wurden auch am Schluß applaudiert,
aber es war verteufelt schwer, durchzu
halten, und ich glaube, ohne mich hätten
die anderen nicht bis zum Ende gesun
gen, so nervös loaren sie. Dem Kaiser
Napoleon wurde ich an diesem Abend
nicht vorgestellt. Ich hatte ihn einige
Monate früher in Wiesbaden kennen ge
lernt. Er sagte mir, daß er mit Span
nuug die Premiöre des Tannhäuser''
erwartete. Seine Anwesenheit kam unZ
zn Hilfe, weil das Publikum nicht wagte,
die Aufführung zu verhindern. Rapo
leon applaudierte nur einmal im dritten
Akt.
,WaS Waqncr litt, können Sie sich
vorstellen. Als alles zu Ende war, um
ormte er mich vor Aufregung zitternd
und sagte: Sie haben mich gerettet."
Er war auch bei den nächsten beiden
Aufführungen zugegen, denn daS Werk
mußte kontraktlich dreimal gegeben wer
den, und Wagner verlangte, daß es so
geschehe. Bei diesen Aufführungen gab
es keinen Skandal, aber gepfiffen wurde
doch."
Gern sang Niemann auch den Part
deZ Jvanho in Marschners Templer
und Jüdin", berühmt wegen des Liede!
Tu- ftolzeS England, freue Dich!" In
den Tagen politischen Groll? gegen Eng
land wagte der allzeit' Schlagfertige ein
mal die Variation: ,Tu stolzes Eng
land, schäme Dich!"
Wag die Instrumentalmusik nicht
Zaun, von dem darf nie gesigt werden,
die Musik könne ti; denn nur sie ist m-,
absolute Tonkunst."