Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 09, 1917, Image 7

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    Ts,Me Omshs ttMu
Die Krönung
Karl und
Budapest, 30. Dez.
Der Sindruch den Man von denKrö
: niMgäfcieriicnWten aus dem Parlament,
tu der Kirche und ton der Straße mit
sich nimmt, kann nicht so bald der
schwinden. ?r schafft unauslöschlich,
Erinnerungen. Die Vielseitigkeit der
ildn, ihre vollendete Pracht, dit wahr,
haft künstlerische Harmonie in dieser be
cgfcn Buntheit erzeugen unwidcrsich
lich das Gefühl, daß man einem großen
historischen Ereignis beigewohnt hat.
D Krönungsalt ist auch äußerlich als
tin politischer Akt gekennzeichnet. Er bc
ginnt mit der feierlichen Sitzung der
beiden Hauscr des ungarischen Reichst
nes. Die Aussetzung der Krone in der
, jiirche und die feierliche Salbung ist
eigentlich .bloß ein Teil dieser Sitzung
des Parlaments, die für die Dauer der
'schlichen Feier nur unterbrochen und
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In sranzöstscher Kesangenschast.
Iie Leiden gcschichto eines schwer verwundeten A.'siziers
. . . Wir entnehmen die nachstehende
Erzählung dem bei Otto Elsner Acr
kagsgcsclljchaft m. b. H.. Berlin S. 42.
erscheinenden Buche Hans Hellers Höl
lensahrt" von Otto von Gottberg. daS
in c!nfack)er, aber durchaus der Wahr
heii 'entspreeheiider Weise die Leiden
eines deutschen Soldaten in den vcrschie
denen Gefangenenlagern Frankreichs und
Afrikas ergreifend schildert.
Ich lag ohne Pflege oder Nahrung
bis zum Abend frierend im Fieber.
Französische Soldaten, alte Kerle vom
Landstutm, begannen den Saal für ei
mit mir unbilannten Zweck aufzuräu
wen und einzurichten. Lange beachteten
sie mich nicht. Schließlich lag ich zweien
im Wege. Sie hielten mir eine Lampe
iibcr das Gesicht und stellten Fragen, die
ich natürlich nicht beantworten konnte.
Doch zeigte ich auf mein geschwollenes
Bein und den verbundenen Fuß. Sie
beratschlagten und nahmen mich an
Knien und Schultern auf. Da mußte
ich schräm, weil ich so entsetzliche
Schmerzen spürte. Sie taten, als ginge
sie das nichts an und schleppten mich
übet die Straße. Gottlob machten sie
keinen langen Weg, fondern trugen mich
bald in die offene Tür eines ausgeräum
tett kleinen Hauses und legten mich dort
im Dunkeln auf dünne Stroh, Als
sie gegangen waren, glaubte ich mich
allein, aber hörte Streichhölzer kratzen
un? sah eine zitternde Hand die Flamme
einem ' 6ns den, Fußboden stehenden
Lichistiimpschen nähern. Im Kerzen
schein lag ein elend aussehender Ber
wundeter auf einer Matratze ohne Decke
und über seinen Füßen der Waffcnrock
eines preußischen HauptmannS vom In
fantcricrcgimcnt Ro. 28. Damit jeder
mann weiß, daß ich richtige Angaben
mache, will ich seinen Namen nennen.
Es war der jetzige Major v. W., der
mich fragte, wer ich sei und was mir
fehle. Er hat während der Tage unfe
res Zusammenseins diel und gut mit mir
geredet. Namentlich erzählte er mir
stets, was die Franzosen in ihrer
Sprache gesagt hatten und schärfte mir
ein, später in der Heimat von allem
Gehörten und Gesehenen Meldung zu
machen, weil er kaum Aussicht habe, S,n
Leben zu bleiben. Doch war er ein sel
ten starker Mann an Leib und Seele.
Darum ist er am Leben geblieben und
M't in der Schweiz, obwohl er mit
s.bvcre,n Bauch- und Schulterschuß wie
vi llcicht kein anderer deutscher Gefan
g?ncr iinter Quälereien der Franzosen
z litten hat.
Wir lagen nM kurzem Gespräch etwa
kiiie Stuii im Dunkeln, als wir Tritte
innten. Ei französischer Soldat trt
t.l ciiict Lampe iiifi Zimmer. Ihm
des Kaisers
oerL
aljerlnZlta.
keineswegs geschlossen wird. Nachdem
die kirchlichen Zeremonien vokllbek sind,
wird die Parlamentssitzung wieder auf
genommen als Fortsetzung und Schluß
der NrönungSseiek.
W!k haben Über die kirchliche Feier
deö heutige TageS bereits ausführlich
berichtet, aber eS gibt noch manche De
tailS zu erwähnen, die in der ersten Hast
der Berichterstattung libcrgangen werden
mußten.
Der Schauplah der Krönung, die
Krönungskirche, verdient besondere Er
wähnung. Die Kirche war reich ge
schmückt, die Dekoration der Säulen
und der mächtigen Kirchenpsciler war
in Dunkelrot gehalten. Die Wandge
mälde dek Matthiaskirche sind sehr gut
erhalten. Dak Herrscherpaar betrat zu
erst die Loretiokapell rechts vom Kir
chcnelngang. Hier wurde der Königin
die klein Krone aufs Haupt gesetzt, die
Kaiser Karl lcgt bei der Krönung
folgten fünf Offizier,, die ich als Aerzte
erkannte. Zwei sprachen Deutsch und
sagten dem Major, daß sie Elsasser wii
reu. Mir ließen sie nach kurzem Fra
gen Ruhe. Sie waren gekommen, um
den Major zu peinigen. Ueberhaupt
machte ich die Erfahrung, daß es den
Offizieren in Gefangenschaft noch
schlimmer als uns Soldaten ging.
Die bkiden Elsässer lachten den Ma
jor höhnisch an und fragten, wie er sich
als Gefangener vorkäme. Er antwortete
mit der schwachen Stimme eines
Schwerkranken:
Da die Herren Aerzte sind, haben
Sie wohl die Güte, mich zu verbinden
und mir zu essen und zu trinken zu ge
ben. Ich liege seit nun drei Tagen ohne
Nahrung mit den Verbänden, die mir
meine Leute auf dem Gcfechtsfcld ange
legt haben."
Laut lachend llbersekten" dit Elsässet
des Offiziers Worte den drei anderen
Franzosen. Alle fünf begannen den
Schwetverwilndeten zu verhöhnen. Sh
Zigaretten hielten sie über seinen Kops
und tippten ihm die Asche ins Gesicht.
Einer der Elsässer sagte:
Wilhelms Schweine von Offizieren
Pflegen wir nicht. Ihr habt den Krieg
angefangen. Dafür sollst du büßen, du
Schwein, du Hund, du Boche."
Ich hätte ein Glied bon meinem Kör
per gegeben, wen der Major oder ich
jetzt gesund gewesen wären, doch konnten
wir beide uns nicht rühren. Ich sah nur,
.daß der Major mit sehr stolzem Gesicht
die Augen schloß uuo den Kops, aus die
Seite legte. Bis dahin hatte ich nicht
gewußt, daß ei Mensch, ohne ein Wort
zu sagen, andere so mit Verachtung stra
fen kann. DaS fühlten si') die fünf.
Sie traten mit Füßen gegen die Ma.
tratze. um dem Major wehe zu tun. Er
öffnete einmal die Augen, um zu sehen,
was ihm geschähe, aber er hat weder
gestöhnt noch mit einer Wimper gezuckt.
Sein Gesicht blieb stolz wie vorher. Da
setzten sich die Franzosen rings um ihn
aus den Rand seiner Matratze. Einer
der Elsässer spuckle ihm inö Besicht. Alle
fünf bewarsen ihn wieder mit Asche.
Auf Teutsch nd Französisch erzählten sie
ihm, wie schlecht es um unsere Sache
stünde. Doch brachten auch sie so der
riicktes Zeug vor. daß ich wußte, es war
kein wahres Wort an ihrem Geschwätz.
Sie meinten unser Kaiser sei mit dem
Geld der Reichslasse nach Amerika ge,
flüchtet und der Kronprinz habe sich er
schössen, weil sein Vater ihn weder mit
genommen noch ihm Geld zurückgelassen
habe. Während sie immer den Major
mit Du Schwein" ober Du Hund' an
sprachen fragte ich mich, warum ich f
os! gelesen hatte, die Franzosen wären
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Hauäfrerne" Hier waren bis zur Krö
nung die Krönungsinsignien aufbe
wahrt, die Krone, das Zepter, der
Reichsapfel, das Schwert des heiligen
Stephan und der Mantel des ersten stiJ
nigs von Ungarn, ein herrliches Gebilde
der Stickereilunst. In dieser Kapelle ist
auch der Brautkranz der Königin Eli
sabeth aufbewahrt. Der erste Blick der
jungen Königin fiel aus diese bedeit
tungsvoll Reliquie, die sie an die große
Liebe erinnert haben mag, welche Itöni
gin Elisabeth slir dos ungarische Bolk
empfunden und die im Herzen der Un
varn so starken Widerhall gefunden
hatte. Auch Königin Zita hat schnell
den Weg zum Herzen bet Ungarn ge
funden. Ihre Anmut, ihre Einfachheit,
int echt weibliches Wesen haben mächtig
ergriffen Und einen unauslöschlichen
Eindruck auf das Volk gemacht, welches
die Königin heute an der Seite 'ihres
königlichen Gatten bewundern konnte.
Ergreifend war die Szene der
Schwerlhicbi des Königs auf dem Krö
nungshügcl, der au? ungarischer Erde
aller Komitate hergestellt worden war.
Der fruchtbare Boden ganz Ungarns
sollte Zeuge des feierlichen Aktes sein.
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in Budapest den Treueid ab.
ein ritterliches Volk. Endlich gingen die
Aerzte. Der eine Meinte noch:
Mit euch Räubern haben nicht Aerzte,
. sondern nur Gendarmen zu tun."
Bald kamen auch, wie an jedem der
nächsten Abende, zur Nachtwache zwei
Gendarmen. Sie sahen sich nach einem
Lager um, aber fanden nicht genug
Stroh, um es sich behaglich zu machen.
Da geschah eine der schändlichsten Unta
ten, die ich in Frankreich gesehen habe.
Die Gendarmen traten zum Major, faß
ten seine Matratze, hoben die eine Seite
hoch und ließen den Schwerverwundcten
mit Bauch und Schulterschuß auf den
Fußboden rollen. Dann zerrten sie die
Matratze in eine Zimmerecke, streckten
sich darauf aus und lchnarchten bis in
den hellen Morgen. Ehe sie bei Tages
attbruch gingen, legten sie den Major
wieder aus die Matratze. Vielleicht woll-,
ten sie ihre Vorgesetzten nicht wissen
lassen, wie sie einen 'Verwundeten bchan
delten.
Am nächsten Morgen kamen französt
che Truppen durch den Ort. Zwei Of
Iziere betraten das Zimmer und durch
uchten die Sachen des auch schon aus
geplünderten Majors. Immerhin fand
der eine Leutnant noch eine Zigarren
tasche als Andenken. Der andere nahm
die Gamaschen. Zwei Zigarren aus der
gestohlenen Tasche steckten sie vor unseren
Augen an, taten ein paar Züge, nickten
zufrieden mit dein Kopf, sagten bon"
und gingen. Schlimmer freilich hausten
die Zivilisten. Männer, Frauen und so
gat Kinder. Sie verhöhnten und vcr
lachten uns nicht nur, sondern traten
nach uns und spuckte uns an. Darun
tcr litt namentlich der Major. Damit
sein schwergetroffener, aber unverwun,
betet linker Oberarm wenigstens festliege,
hatte ich '.ich unter großen Schmerzen
zu ihm geschleppt und zwei Zusammen
gcknüpfte Handtücher um seinen Körper
und die beiden Oberarme gebunden. So
hatte er es haben wollen, konnte sich nun
ober nicht rühren. Ich mußte zusehen,
wie ihm der Speichel der Franzosen am
Gesicht herunterlikf. Helfen konnte ich
nicht. Immer waren Leute da. Auch
hatte ich bei immer stärkeren Schmerzen
heftiges Fieber und war vor Hunger so
schwach, daß ich bald keinen Finger mehr
heben konnte. Meist schlief ich. Doch
immer weckte mich dann das Kommen
und Gehen von Neugierigen.
So gingen Tage, ohne daß außer der
Nachtwache der Gendarmen sich jemand
um unS gekümmert hätte. Fünf Tage
mochten wir gelegen haben, als eine
Nonne den Kopf durch dit Tür fleckte.
Der Major rief sie an und bat nni Hilfe.
Er muffe endlich verbunden und gesäu
bcct werden. Es ist nämlich zu vcr-
Der König Halle nach der Krönung die:
Kirche verlassen, um auf dem Platz vor
der Kirche, auf dem Sock der hcrrli
chen Dreifaltigkeitssäule. den Eid zu
leisten, unter freiem Himmel, wie der
Ungarische Gebrauch und da Gesetz es
vorschreiben. Die Königin fuhr iin 0a
lawazen fern Kirchenplatz weg und be
gab sich In das Stocket der Hosburg, um
von einem Fenster aus Augenzeugin der
anderenEidesleistungen zu sein, die auf
dem Kwnungshiigel stattfand. Die Kö
nigin fuhr, lange bevor der König vor
dem Krönungshiigel anlangte, an die
sem vorbei. Sie hatte nur den kleinen
Kronprinzen bei sich, dem das Publi
kum herzliche Aufmerksamkeit widmete.
Schon zwei Stunden vorher hatte der
Knabe das Entzücken der Zuschauer
menge erregt. Das KönigSpaar hatte
das Kind auf der Fahrt zur Kirche mit
genommen. Der Kronprinz saß auf den,
Rücksitz im Wagen. Die Königin hatt
ihren Platz zur Rechten des Königs,
eine Neue Sitzordnung, mit welcher der
junge König seine Gattin ehren wollte.
Der König begab sich, wie berichtet
.wurde, zu Pferd auf den Platz vor dem
'zrrönUngshiigel. Im schweren, goldbe
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stehen, daß tk länger als eine Woche,
ohne ausstehen zu können, auf seinem
Lager lag! Die Nonne antwortete kalt
und verächtlich, sie könne einen deutschen
Osfizier nicht Pflegen. Ueberhaupt er
fuhr ich während meiner Gefangenschaft,
daß französische Frauen grausam wie
die Männer des Landes sein können.
Bcsucherinnen begnügten sich nicht da,
mit uns zu verhöhnen und anzuspucken,
sondern zeigten sich unsere Wunden und
freuten sich daran. So gemeine Re
densarten führten sie im Mund, daß der
Major ost sagte:
Auch in der gebildeten Frau Frank
ichs scheint die Petroleuse zu stecken."
Endlich kam eines Nachmittags ein
französischer Sanitätsossizier vom Ge
neralsrang mit großem Stab in unser
Zimmer. Auch die fünf Aerzte vom er
ften Abend waren dabei. Der Major
erzählte dem Generalarzt, daß wir nur
Mißhandlungen erlitten hätten, ohne der
pflegt oder verbunden zu werden. Der
augenscheinlich anständig denkende Fran
zose stellte Fragen. Der Major schil
derte unsere Erlebnisse. Der grauhaa
rige Generalarzt wurde vor Scham oder
Zorn rot im Gesicht und wendete sich mit
Vorwürfen an die fünf Aerzte. Ich der
stand, daß sie ihre Schande ableugneten,
aber der alte Franzose glaubte dem Ma
jor, denn er schnauzte die fünf Aerzte an
und drohte ihnen mit dem Zeigefinger.
Auch gab er Befehle und sagte dem Ma
jor, wir würden sofort verbunden und
verpflegt. Doch ist, wie ich noch häufig
erfuhr, bei den Frauzosen ein langer
Weg vom Befehlen zum Gehorchen. Als
ach einer Stunde der Generalarzt den
Ort verlassen haben mochte, kamen die
beiden Elsässer und wütete wie noch
nie. Sie traten nach dem Major mit
Füßen und sagten:
Jetzt sollst du Schwein erst recht ver
recken."
Nach wieder ein paar Tagen müssen
neue Aerzte im Orte gewesen sein. Eine
Schwester brachte dem Major und mir je
eine Schüssel mit einem Brei von weißen
Bohnen und ließ sich sogar herbei, den
Major zu füttern. Er hatte jetzt für
länger als zwei Wochen nichts genossen.
Das ist eine furchtbare Gemeinheit der
Franzosen, doch vielleicht auch sein Glück
gewesen. Nut so und durch ein Wunder
Gottes konnte er ohne Pflege bon sei
nem Bauchschuß heilen. Vergeblich frei
lich bat er die Schwester, ihn zu waschen
und zu verbinden. ' Sie Meinte:
Es lohnt nicht mehr mit dir! D
rum werden wir dich abschieben!"
Daß auch sie du" sagte, hörte ich
vom Major. UcbrigenS duzten uns alle
Besucher. ES schien nicht nur Brauch,
sondern fast dienstliche Vorschrift zu fei.
Am nächsten Tag besuchte uns rrnt
weißhaarige ältere Krankenschwester, eine
Oberin mit lilafarbener Haube und
Schürzt. Mit kundigem Auge betrach
tcle sie des Majors Verband und sagte,
er müsse sterben. Das schien auch mir
zweifellos. Es war ein Jammer, das
eingefallene, bleiche, aber von Asche und
Speichel vcschmutzic Gesicht des Schwer
ladenen Krönungsmanlel, die gewichllze
Stephanekrone auf dem Haupte,
sprengte er im Galopp den Hiigel hin
an und führte di, vier Schwerthiebe,
welche die Verteidigung des Landes ge
gen alle Feinde shmbolisieren follcN.
Plötzlich richteten sich die Blicke der
Menge nach oben. An dem Fenster dcö
Stoclelz war die Königin sichtbar ge
worden, den kleinen Kronprinzen an
ihrer Seile. Das Publikum brachte
warmempfundene begeisterte Ovationen
dar. Es jubelte dein Königspaar und
dem jungen Thronfolger zu. Königin
Zita grüßte mit sichtlicher Rührung das
Volk Und winkte ihm ohne Unterlaß mit
der Hand. Da kommt der König zu
Pferde herangesprengt. Die Königin
blickte mit größtem Interesse ihrem Gat
ten nach, der den Hügel hiuausritt, dort
die vier Schwertstreiche nach den vier
Windrichtungen führte und dann den
Hügel von der anderen Seite wieder
hinunteksprengt. Er wandte beim Ab'
steig sein Gesicht der Königin zu, die in
freudigster Erregung mit den Augen j;
der Bewegung ihres Gatten gefolgt war.
Sie winkte ihm aus dem offenen Fenster
zu und freundestrahlcnd erwiderte der
König die Grüße seiner Gattin. Dann
ritten der König und das Gefolge, in
welchem sich auch Erzherzog Friedrich
und Erzherzog Joses Ferdinand besaN
den, In die Burg, wo da KrönuilgS
mahl stattfand.
Nachdem der König den Platz verlas
sen hatte, stürzte sich das, Publikum zu
den Blumenbeeten, die auf allen vier
Seiten des Hügels hergerichtet worden
waren. Ein jeder wollte eine Blume auZ
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verwundeten mit den großen, fieber
glänzenden Augen zu sehen. Doch der
starke Mann konnte lächeln Und sagen:
Möglich ist es. Darum möchte ich
gern einen Brief an meine Familie
schicken."
Die Schwester fragte, ob er denn ver
heiratet sei? Der Major antwortete:
er habe eine Frau und drei Kinderchen.
Die Oberin Meinte, Nachricht dürfe er
den Seinen nicht geben, doch, weil er
Frau und Kinder habe, wolle sie ihm
eine letzte Bitte erfüllen. Was er sich
wünsche?
Zu Trinken!" sagte er. Die Oberin
schüttelte den Kops und ging. Erst nach
zwei Stunden kam sie leise auf den Zc
hen schleichend zurück. Versteckt unter
.ihrer Schürze, damit kein Landsmann
eö merle, trug sie ein großes GlaS Wein
und gab es dem Major. Er leerte es
zur Hälfte und schickte mir den Rest. Ich
werde nie vergessen, daß er als ein
Wann, der sterben sollte, sein letztes mit
mir reiltc. Sehr erstaunt war die Fran
zösin darüber und sagte, sie hätte nicht
geglaubt, daß es zwischen deutschen Of
fizicren und Soldaten Kameradschaft
gäbe. Sie schürfte uns ein, wir dürf
ten nicht verraten, daß sie uns Wein ge
geben habe, und betete dann ihre Rosen
kränze am Bett des Majors, den sie ster
beiid wähnte.
Am 2J. September lagen wir noch im
mer ohne Verband. Nachmittags kamen
vier Krankenpfleger, nämlich Landsturm
leute, die sich im Gespräch mit dem Ma
jor Professoren und Pfarrer nannten.
Einer sprach gut Deutsch, auch mit mir.
Sie hoben uns auf Ztrankentragen und
stellten uns aus den Hof in die Sonne.
Nach einer Stunde ging ein französischer
Kommandant vorbei und erkannte den
Major v. W. an dem auf seinen Füßen
licgcudc Waffeurock als Offizier. Er
beugte sich über" bie Krankentrage und
fragte zornig: Warum stehen Sie nicht
auf und grüßen?"
Der Major antwortete, eZ sei ihm un
möglich aufzustehen. Der wütende Fran
zose rics einen Gendarmen herbei und
ließ dem Schwerverwundcten mit Bauch
und Schulterschuß um beide Handgelenke
zwei durch eine Kette verbundene Stahl
fesseln legen. Wir blieben für Stun
den in der Sonne. Ost gingen die Pro
scssorcn nd Pfarrer vorbei. Vergeblich
baten wir sie, uns in den Schatten zn
tragen. Sie antworteten, daß sie nichts
Mehr mit uns z schaffen hätten, weil
wir jetzt unter der Obhut der Gendar
men stünden.
Endlich wurden wir in ein Sanität
automobil verladen und fuhren davon.
Auf dem Platz vor dem Bahnhof riefen
die Gendarmen: Ausstcigcn!" Natür
lich war eS unmöglich, dem Befehl zu
folgen. Ich fühlte mich so schwach, daß
ich mich nicht bewegen konnte und über
Haupt kaum wußte, was mit mir ge
schnh. Da packten die Gendarmen mich
beim Kragen und zerrten mich ans dem
Wagen. Wie es schmerzte, als meine
Füße aus das Pflaster schlugen, läßt sich
denke. Den im Jicbcrschlaf liegenden
diesen Pflanzungen mitnehme und Im
Augenblicke waren die Blumen, dit IN
ihren Schattierungen die ungarischen
Rationalfarben darstellten, verschwur
den. Dit Blätter wurden usgerissen,
die Girlanden wurden als Andenken
mitgenommen Und die Bänder, welche die
Dekoration ergänzt hatten, wurden lo?
gelöst, um zur Erinnerung an das Krö
nungsfest und an die Eidesleistung zu
dienen.
Vom Krönungshügel weg ritt der
König mit dem Gefolge, wie bemerkt, zu
dem Krönungsmahl. Diese? KrönuilgS
mahl ist eine Wiederbelebung alter hisio
rischer Gebräuche. Das Essen wird bloß
markiert. An der Tafel des Krönungs
mahleS nahmen nur sechs Personen
Platz. Der König, welcher z seiner
Rechten den Fürstprimas von Ungarn
hat, neben dem der Erzbischof von Ka
locsa siht, die Königin, zu ihrer Linken
der apostolische Nunzius und neben ihm
der Stellvertreter dcs Palatins, Graf
Stephan Tisza.
Bevor der König und die Königin
sich an die Tafel fetzten, nahmen sie die
vorgeschriebenen Waschungen vor. Die
Edelknaben brachten das Gjeßbecken, der
Stellvertreter des Palatins goß das
Wasser auf die Hände, während der
FUrstprimas das Handtuch zum Ab
trocknen reichte. Dann sprach der Fürst
Primas den Tischsegen und daS Herr,
scherpaak Nahm seine Plätze ein.
Es wird so serviert, wie es von alterS
her Sitte am ungarische Königshose
gewesen ist. Die Speisen werden unter
Leitung des königlich ungarischen Ober
truchsessen Grafen Esckonics von den
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Ungarische Aristokraten bei der Äönigskröuung.
Major rissen die Gendarmen an der
Kette seiner Handsesseln aus dem ta
gen. Ohnmächtig fiel er nieder. Wäh
rend Ich versuchte, mich am Stock aufzu
richten, trat aus der johlend, schimpfend
und Natürlich wieder spuckend herbeilau
senden Menge eine Frau von zwanzig
bis dreißig Jahren. Die Röcke etwas
mit den Händen hebend, stellte sie sich
bi.Itbeinig über den ohnmächtigen Major
mit einer Gebärde, die ankündigte, daß
sie etwaS ganz Scheußliches tun wollte.
Männer, Frauen und Kindek, darunter
viele Menschen, die nach Kleidung als
gebildete Herren und Damen gelten konn
ten. schrien, quietschten, brüllten und
heulten vor Vergnügen. Sie klatschten
iil die Hände und sprangen in ihrer
Freude in die Luft. Dadurch ermuntert,
beugte sich das Frauenzimmer über den
ohnmächtigen Major und schlug ihm bon
rechts und links eine Ohrfeige WS Ge
sicht. Als ich da die Menge von jetzt
viel hundert Leuten auf dem weiten Platz
wieder in die Hände klatschen und Beifall
brüllen hörte, nahm ich mir vor, nie wie
der von Franzosen Gutes zu denken,
sondern ihr Volk zeitlebens zu verachten
und dafür zu sorgen, daß später in der
Heimat jeder Verwandte und Bekannte
meine Auffassung teilt. Ich war in den
Krirg gezogen mit her Ansicht, daß jeder
verwundete Kämpfer des feindlichen Vol
keS ein Kamerad und jeder Wehrlose, ob
Mann oder Frau, meines Mitleids und
meiner Hilfe würdig sei. Ich war auf
dem Schlachtfeld den, feindlichen Toten in
Ehrfurcht aus dem Wege gegangen und
hatte gesehen, daß unser alter Oberst an
der Spitze der Kolonne vor dem großen
Letchenberg gefallener Franzosen die
Hand an den Helm hob und seinen Kopf
zum Gruß gegen den Sattel beugte.
Doch jetzt kann ich den Franzosen nur
wünschen, daß der Himmel sie süc olle
ihre Grausamkeit straft. Es ist ein
Volk nicht von Menschen, sondern von
bösartigen Affen. Da! wird zugeben,
wer Meine Geschichte hört.
Wer weih, ob die Menge nicht noch
Gulasch aus uns gemacht hatte, wenn
nicht endlich ein Offizier gekommen wäre.
Landsturmleute trugen uns auf Kran
kentragen zu einem Viehwagen, in dem
schon fünf verwundete deutsche Offiziere
saßen. Tort hoben sie unsere Tragen
und kippten sie um. Wir rollten in den
Mist. Tcr gefesselte Major fiel auf den
Bauch. Einer de rfllnf Offiziere sprang
schnell zu und drehte ihn um. Das ver
wies ihm der Gendarm von d""che
und saate. wenn er nock einmal einen-
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erschossen.
Das wurde mir übersetzt und nun
kann ich auch Ortsnamen nennen. Da
es den fünf mitreisenden deutschen Ossi
zieren besser ging als dem Major, konn,
ten sie aufpassen, wo wir waren, und aus
Bahnhöfen die Ortsnamen ablesen. In
Trotzes trat während der Nacht der
Bahnhofskommandant an den Wagen.
Einer unserer Offiziere bat. er möge dem
Major die Fesseln abnehmen lassen. Tcr
Franzose schien dazu gern bereit, doch der
Abgesandten des NcichNagcZ ausgclca
geN, auf die Tafel gesetzt und in der
vorgeschriebenen Ordnung wieder abge
tragen. So oft der König und die iio
Nigilt das Glas an die Lippen setz:,,,
erheben sich die Gäste und bleiben so
lange stehen, bis König und Königin
das GlaS dem Mundschenk, der es dar.
gereicht hatte, zurückgegeben haben. Auch
ein Toast wird beim Mahle gesprochen.
Bel dem ersten Schluck, den der Köniq
markiert, wenn er zum erstenmal den
Becher an die Lippen führt, bringt der
Monarch unter dem Donner der auf
dem Blocksberg ausgestellten" Katteneu
folgenden Tkiiikspruch aus: Tlzen &
kgzI" ES lebe das Vaterland!"
Der FUrstpkimaS erwidert diesen
Trinkspruch mit den Worten: El,jea
s kiru!I Es lebe d.r König!'
König Karl sprach die Worte mit
fester Stimme, wie er überhaupt bei
allen Aeußerungen des heutigen Tages,
insbesondere bei der Eidesleistung vor
der Kirche, ein angenehmes, weithin
hörbares Orgaiz bewies. Er sprach deut
lich mit scharfer Betonung der wichti
gen Stellen.
Nach dem Trinkspruch verließen die
anwesenden Palastdamen, die den
Dienst versahen, den Saal und kehrten
erst gegen Schluß des Festmahls zurück,
in dem Augenblicke, als das Konfekt
aufgetragen wurde, wie es in der alten
Hofsprache für Dessert heißt. .
Dieses Diner stellte den letzten Akt
der außerparlamentarischen Krönungs
feierlichkeiten dar. Der Schlußakt ist die
Fortsetzung der unterbrochenen Sitzung
des Parlaments.
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Gendarm meinte, der Schwerverwundcte
mit Bauch, und Schulterschuß fei flucht'
verdächtig. Der französische Offizier
lächelte und bestand auf Abnahme der
Fesseln. Der Gendarm kramte in seiner
Tasche und meinte, er habe den Schlüssel
verloren. Der Offizier zuckte die Achseln
und trat zurück. Der Major blieb in
Ketten. Natürlich hatte der Gcndarin
dcN Schlüssel keineswegs verloren.
Ueber Lyon fuhren wir noch einen
ganzen Tag und eine Nacht, also '4
Stunden. Aus fast allen Stationen
rissen Menschen die Tür auf und be
schimpften und bespuckten uns. Oft
sprangen sie in den Wagen. Der Gen
darm verhinderte ein Weib, dem Major
mit einem Messer die Kehle zu durch
schneiden. Zivilisten und Soldaten bc
raubten die verwundeten Offiziere. Ein
Hauptmann ließ einem Herrn den Adler
vom Helm schrauben, steckte ihn in die
Tasche und meinte, es sei der achte. Un
sere Ofsizicre lachten verächtlich über die
Kriegsbeute der Etappenhelden". Wenn
wir neben Truppentransporten hielten,
stachen Soldaten mit Bajonetten nach
uns. Sie wollten uns vielleicht nicht vcr
wunden, aber doch quälen. Wenn einer
der fünf Offiziere austrat, sammelten
sich lachende Frauen um ihn. n.S scheint
für die Frauen Frankreichs keinen schö
nercn Anblick zu geben. Auch während
häufiger Transporte in kommenden Mo
natcn sah ich auslrctende deutsche Ge
fangcne stets bon neugierige Frauen
umringt.
Gelegentlich ivatf auf Bahnhöfen die
Hand eines Unsichtbaren Brot in unse
un Wagen. Einmal flog eine Büchse
Sardinen hinterdrein. In der Dunkel
heil reichte eine Französin in halber
Schwesterntracht mir als Unbekleideten
sogar Kaffee. Als sie abek iin Hinter
gründ die Uniformen deutscher Offiziell:
sah, riß sie mir den Becher mit einem
Ruck wieder 'auS der Hand und ging
weiter.
Am 2. Oktober 1S14 kamen wir nach
Eettc. Ein alter General trat zum Wa
gen und fragte die Offiziere in gebro
chenem Deutsch nicht unfreundlich nach
ihrem Namen. Als auch der Major den
feinen mit Dienstgrad nannte, geriet
der General in die Wut eincS anstand!
gen Menschen. Unsere Offiziere mein,
ten. er habe nicht nur die Gendarmen,
sondern auch die Ofsizicre seines Stabes
angeschnauzt:
DaS soll ein preußischer Offizier sein,
meine Herren der so vcrdreckt in Ketten
durch unser Land gefahren wird? Eine
Schande für Frankreich ist es, daß er so
schmutzig aussieht!"
Tann beugte er sich über den Major
nd sagte in feinem fchl 'ten Deutsch:
Sie nickt fahren weiter!"
Jetzt fand der Gendarm sehr schnell
den Schlüssel, der die Ketten löste. Der
Major wurde unter Aussicht des Gc
ncrals aus dem Wagen gehoben und ich
rics ihm Dank und viel Gluck nach.
Noch glaubte ich aber nicht, d?ß er g
nescn könne, y
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