Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 02, 1917, Second Edition, Image 1

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    Erlebnisse bei den deutschen See- und Luftflotten.
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Ich gab dem Maat die Hand und der
sprach, die Botschaft getreulich aukzu.
richlcn. Tann aber begann aus dem
'Meeresgrund eine politische Aussprache,
so einfach, so gerade, so ohne alle Künste
und Kniffe, wie sie nur irgendwo geführt
werden kann, wo der ganze Ernst bei
Kri'geS allem Maulk,c!dmtnm die Hand
dicht auf die Zähne legen würde und wo
die unerbittliche Wirklichkeit aller hohlen
Schwahsucht den Atem verschlägt .
Wenige Tage nach dieser Unterseedik
kussion fuhr ich in Wilhclmshaven mit
einer Abteilung Matrosen, die Gewehre
zum letzten Salutschießen über den Grä
bern gefallener Kameraden holen sollten,
nach dem st. W. Zwo". Der Flotten
chef erwarteie mich dort. Tickmal nach
der Schlacht.
An uns vorbei glitt ein Kahn voll
russischer befangener, die von ihrem
Wohnschiff wieder zu ihren Erdarbeiten
gebracht wurden.
Die Ruskij. die dersluten Hunde!"
fegte einer der Malrosen, ein schwarzer
Äursche mit einer aufgestülpten Nase und
einem breiten Mund, die helfen unö
noch daZ Brot wegfressen!"
Na, die können auch nichts für." er
widerte ihm abwehrend ein allerer mit
einem semmelblonden Schnurrbart.
Und die Engländer, die wir gefangen
haben, die können Wohl auch nichis für?"
warf ein dritter mit einem scharfge
schniitencn Kopf und kühlen Augen fast
drolicnd dazwischen.
Tas will ich nicht sagen," gab der
Blonde ruhig zurück. Tie Russen, die
haben ja keine Vernunft. Tas sind arme
Kerle, halbe Tiere. TaS sind ja keine
Menschen. Tas ist eine Herde, die wer
den getrieben. Aber die Engländer, die
wissen, um ml es geht. Jeder einzelne!
Ich kenne die Brüder. Die haben uns
die ganze Suppe eingebroclt. Die haben
kein Erbarmen. Ta dürfen wir noch
weniger haben."
Alle nickten. Was ein Streit zu wer-,
den drohte, das wurde ein Einklang
durchs ganze Voot.
Auf dem JE. W. 3tvo" war alles wie
vor ein Paar Wochen. Nur die Gesichter
waren anders. Bei den Offizieren vom
Stab und besonders beim Flottenchef
selbst war der Krampf des schweren
Wartens und der verhaltenen Kraft aus
den Zügen gewichen. So sehen Sieger
aus. Ich hätte viel darum gegeben,
wenn ich den Admiral Jellicoe und seine
Offiziere einmal unbeachtet hätte sehen
können. Aus ihren Gesichtern wäre die
Wahrheit besser zu lesen gewesen, als
aus ihren Artikeln in der Tcmps".
Der Flottenchef empfing mich mit der
gaitzen herben Einfachheit scincs' Wesens,
die etwas Wohltuendc? an sich hat:
Kein Mensch braucht zu, fürchten, daß
ich hochmütig werde über die Erfolge
unserer Flotte. Ich bin ein protestanti
scher Pfarrersohn und weiß, vor dem
Skagerrak bin ich von dem da oben hin
ein und auch wieder herausgeführt wor
den. Sie verstehen mich, was ich sagen
will. Aber, wenn ich der Adniiral Jelli
coe wäre, so würde ich mich schämen und
um den Zylinder bitten. Denn er hatte
die lang ersehnte Gelegenheit bekommen,
endlich einmal das zu tun, was uns seit
Jahr und Tag von England und durch
feine Presse, sein Parlament und feine
Regierung angedroht wurde, nämlich uns
zu vernichten. Und was ist daraus nc
worden? Wir haben ihnen zweimal so
zwischen die Zähne geschlagen, daß sie
sürs erste genug daran haben. Wir Ion
nert die englische Flotte nicht vernichten
und haben das auch nie als unser Ziel
aegcfthcn. Aber den Engländer immer
wieder einmal treffen, so schwer wie jetzt
orm Skagerrak. bis er uns in Ruhe
läßt, darin sehe ich unsere Aufgabe, und
wird's uns an Hilfe von oben nicht
fehlen."
Das war der Hauptinhalt dessen, was
mir der Flottenchef in der Stunde sagte,
wo ich zum zweitenmal ihm gegenüber
in seinem Arbeitszimmer saß. Ich kann
mir keinen Führer der Land oder See
macht Deutschlands denken, bei dem so
viel soldatischer Ingrimm und so un
bittlicher Ernst sich paart mit einer so
wahrhaftigen Bescheidenheit und sach
lichcn Wärme, wie bei dem Chef der
deutschen Hochseeflotte. Er ist äußerlich
und in seiner ganzen Geistigkeit das
Gegenteil von der hochra-ndcn Gestalt
deö gewandten und süddeutsch-herzlichen
Chefs des Allfklärungsgeschwaders, Ad
miral Hipper. Und der ergänzt wie ein
glückliche Verkörperung des Sinns und
Zwecks der Panzerkreuzer den Führer der
großen Linienschiffe geradezu ideal.
Trum werde ich auch gar nie den Ton
vergessen, mit dem die vorhin gcnann
ten" Matrosen während des Vorbeifah'
rens an unseren fast unversehrten gro
ßen Liuienschiffcil unter sich sagten:
Solang wir die zwei haben, den Scheer
und den Hippcr. solang geht's gut!"
Da meinte der Semmelblonde, cw
schließend: Der eine ist halt ein Preufz'
und der andere ein Bayer. Die tun im
Frieden nicht gut beieinander, aber im
Krieg, da sleckt'S, wenn die zusammen
schaffen!"
Mit einem übervollen dankbaren Her
zen trat ich den Heimweg von der im
ganzen fast zweimonatigen Flotten
fahrt an. In Berlin umflatterten mich
schau die Dutzende von Auslegunaen der
englischen Presse, die den ersten Bericht
Jellicoes mit seinen großen Eingeständ
nissen schon in einen Sieg Albions zu
rechttorrigieren. Tie deutschen Blätter
kämpfen schon ängstlich mit Tonnen
zzhlen gegen die englischen Lügendeutc
lcien. und da und dort schien englische
Treistiakeit wieder einmal den deutschen
Anstand erschüttert zu haben. Die erste
Frage von Freunden in der schmäbischen
Hauptstadt lautete: Wer hat nun
ngentlick am Skagerak gesiegt, die Eng
liinder oder wir?"
Also wieder eine Auferstehung der ge
liebten Miesmacherei. Ich antwortete
mit einem Fluche.
Zwei Tage darauf kam der zweite
Bericht des Admiralstabs, in dem noch
nachträglich der Verlust der Lüsiow"
und der Rostock" gemeldet wurde.
Sehen Sie," sagte man mir, real noch
alles dahinter steckt. Schließlich haben
die Engländer doch recht gehabt, wenn
sie sagen, wir hätten den Kampfplatz
geräumt."
So ging es weiter. Und der deutsche
Michel stand wieder einmal sprachlos
vor der eleganten Hosenfalte des John
Bull und vor seiner wortsicheren Kunst,
auf der Bühne des Erdballs als der
redlichste Mensch aufzutreten, während
er selbst, der Michel, wie ein armer
Sünder hinterherstotterte, weil der Ad
miralstab aus guten Gründen nicht gleich
alles gesagt und ein Schiff nicht für vcr
loren erklärt halte, das noch schwamm.
Und der alte Unmut über unser deut
sches Volk, das an seine eigenen Siege
nicht glauben will, während die andern
Völker ihre Niederlagen z Triumphen
umdichten, erfaßte mich wieder einmal.
Muß denn da nicht gesagt werden,
was England eigentlich wollte, als eS
Krieg mit uns anfing, und waS es er
reicht hat? Und was wir wollten, und
was wir erreicht haben?
Die größenwahnsinnige Trivialität
des Wortes von den Ratten, die in den
deutschen Flußmündungen 'ausgegraben
werden müßten, und von dem deutschen
Admiralstab, der am Tage nach Kriegs
ausbruch erfahren würde, daß er einmal
eine Flotte gehabt, darf uns durchaus
nicht abhalten, immer wieder an diese
trampelnden Geschmacklosigkeiten zu er
innern. Denn sie enthalten nichts we
Niger als den ursprünglichen Kriegsplan
der englischen Flotte.
Die fast zweijährige Aufschiebung die
c8 PkaneS hat zwar die Maulfertigkeit
Englands in ihrer ganzen Größe ent
hüllt, dem Plan selbst aber an Gefähr
lichkcit nichts genommen. Im Mai deS
zweiten Kriegsjahres wollten die Eng
länder die Schlacht, so wie wir sie längst
gewollt und gesucht hatten, und Herr
Jellicoe beabsichtigte nichts Geringeres,
als unsere Vernichiung zur See. Wer
mit der ganzen verfügbaren Scegewalt,
d. h. mit 53 der größten Schiffe, von
drei Seiten zugleich herdampft, natür
lich "begleitet von den Schwärmen von
kleinen Kreuzern, Zerstörern und Tor
pcdobooten, der lügt, wenn er es in Ab
rede stellen will, daß ihm die langer
sehnte Stunde gekommen schien, wo er
durch ine großangelegte Einkreisung die
deutsche Flotte abzufangen und dann sei
tw Majestät, dem goldenen Minotau
rus von Albion, gehorsamst zu Füßen
legen wollte.
Und daS Endergebnis?
Aon der Tonnenzahl möchte ich
eigentlich nicht reden. Mit den Schiffs
tonnen bei einer Seeschlacht ist es wie
mit den Menschen und mit dem Herzen.
Sie müssen gewogen und nicht nur gc
zählt werden. Trotzdem stehen, wenn
man noch den Warspitc" als gesunken
annimmt, was die englische Admiralität
bisher nicht zugestanden hat, 143,000
Sonnen englischer Verluste gegen 60,000
deutsche verlorene Kriegsschifftonnen.
Die Engländer haben keinen einzigen
Gefangenen gemacht, wir an zwcihun
der,.
Die englische Artillerie war der deut
scheu nicht nur an Zahl, sondern auch in
Kaliber bedeutend überlegen. Trotzdem
sind alle unsere Schisse fast heil zurück
gekommen. Ein einziges nur ist schwer
mitgenommen worden, wird aber schon
wieder zu neuen Taten bereit sein, wenn
diese Zeilen gedruckt zu lesen sind.
Die Antwort des englischen Königs
auf den ersten Bericht des Admirals
Jellicoe, die mit den Worten beginnt:
Ich bin tief bestürzt über die Verluste,"
klingt nicht nach der Sprache eines Sie
gers.
Die Absägung von drei englischen
Admiralen sofort, nach der Schlacht kann
unmöglich als ein starker Vertrauens
beweis zu den führenden Männern auf
englischer Seite aufgefaßt werden. Der
deutsche Reichsanzeiger" wußte nur
von Beförderungen und Auszeichnungen
zu berichten.
Alles in allem ist es nicht anders denk
bar, als daß der Admiral Jellicoe nach
den ersten vier Stunden der Schlacht in
unerwartetem Maße die Sprache ver
loren hatte. Tas ist auch verständlich,
denn wenn David den Goliath nicht mit
ten in die Stirne, sondern mir auss
Maul getroffen und ihm dabei ein paar
Zähne eingeschlagen hätte, so wären die
Philister auch schon ausgerisscn. Du
aber, deutscher Philister, bleib' stehen!
Die Schlacht vor dem Skagerrak war
der deutschen Flotte erste Davidstat.
Stimmt da nun eigentlich mit dem
David und dem Goliath?" höre ich eine
rechtdenkeude Leserin einwenden, die aus
der Schule noch weiß, daß Grohbritan
nien mit Irland zusammen rund 300,
000 und das Deutsche Reich etwa 500,
000 Quadratkilometer groß ist, und daß
die Engländer ein Fünfzigmillioncnkolk
und wir ein Siebzigmillionenvolk sind.
Eine solche Frage ist gar nicht ver
wunderlich. Der Deutsche ist Gemüts,
mensch. Der Michel und feine Michelin
nehmen bei den Feinden immer am lieb
sien den günstigsten Fall an. Was die
Engländer über uns alles wissen und
was wir über die Engländer alles nicht
wissen, das geht lnS Aschgraue. Darum
hier nur drei einfache Zahlen:
England besitzt den vierten Teil der
Erde und beherrscht den vierten Teil der
gesamten Menschheit. Die Kolonialecke,
in der sich der Michel auch ein wenig
an der tropischen Sonne wärmen möch
te, beträgt noch kein Vierzigste! olles fc
stcn Erdreichs. Und weqen dieses der
brecherischen Wunsches fühlte sich Albion
gkölaiigt, mit den Völkern, die den Nest
der Erde besitzen, einen Bund )u fchlic
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ßen, zur Austilgung der Germanen. Ein
einziges Konzentrationslager des Hun
gerS sollte Deutschland werden. Was
man uns an Menschen und Erde übrig
lassen wollte, daS sollte gerade genügen,
damit wir die ungezählten Milliarden
Kriegsentschädigung an die Entente in
einem Jahrhundert der Fron abverdic
nen konnten.
Das sind keine Phantasten, das sind
hundertfach ausgesprochene Wünsche des
maulenden Goliath gegen den kieselhar
ten David.
Die andere Zahl ist noch einfacher:
In 7G Jahren hat England 41 Kriege
geführt. Es lebt von Krieg. Der Krieg
ist seine beste Erwerbsquelle.
Nun wirft aber vielleicht die gerecht
denkende Leserin noch einmal ei, daran
seien eben Englands böse Feinde schuld.
Nun gut! Wenden wir uns an Eng
lands Freunde! Die sagen uns dann die
dritte Zahl:
Seit Kriegsausbruch bis im Mai die
ses Jahres hat England auf 16,451 neu
tralen Schiffen die Post ausgeraubt und
gestohlen. Gegen seine übrige Tätigkeit
auf diesem Gebiete ist das ja ein Sonn
tagsvergnügen. Aber Albion kann's nun
einmal nicht lassen, auch nicht bei seinen
Freunden.
Kann da ein Mensch sein Herz fried
lich beisammenhalten, wenn er diese
Zahlen liest, ohne daß es einen Ruck
in ihm gibt? Ich habe ja nur drei Zif
fern genannt. Man könnte ein dickes
Buch schreiben, ohne jede Randbemer
kuug und Erklärung, ohne Eifer und
Voreingenommenheit, nur angefüllt mit
solchen nüchternen Zahlen, aus deren
dürren Reihen Ströme von Blut quellen
und aus deren stummen Zeichen marker
fchiilternde Schreie herausbrechen.
Darum schelte mir keiner die Hasser
Englands, die aus ihrem Haß eine hei
lige' Cache machen wollen und Hymnen
der Vernichtung hinübcrdonneni gegen
die Insel!
Nur eine leise Frage möchte ich an sie
selbst richten, an diese Herzen voller
Galle der Wahrhaftigkeit gegen die dun
kein Giftmischer der Welt, die den Völ
kern wieder einmal den Becher des MarZ
zu brauen verstanden, gefüllt bis an den
Raud.
Wissen sie nicht, daß jetzt der Haß ge
gen England gerade in den deutschen
Städten am schwersten fchwält, wo vor
Kriegsausbruch die Liebe zu Albion am
größten war, und man sich etwas zugute
darauf tat, im Gegensatz zu schlichteren,
weniger beweglichen Leuten etwa? Eng
lisches an sich zu haben"?
Kennen sie nicht die alte Gerechtigkeit
der Weltgeschichte, die jedes erbarmnngs
lose Ausrottervolk szu dem sie s
gerne Teutschland der Insel gegenüber
machen möchten) nach dem Siege die
inneren Schwärm der Besiegten erben
läßt, um derentwillen jene diesen ein
Acreiernis waren?
Ist es ihnen unbekannt, daß gerade in
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der Zeit, wo Berufene und Unberufene
dem Fremdwort den Krieg aufs Messer
erklärt haben, Deutschland wieder ein
mal, wie schon so oft, fein neues Evan
gelium aus der Hand eines Propheten
sich anbieten laßt, der trotz seines auf
dringlichen Deutsch'TunS ein Mischling
des Geistes ist und sich nur deshalb keine
Zurückhaltung auferlegen kann, weil daS
allem Englischen wider die Natur geht.
Ich will also nur leise vor der anderen
englischen Gefahr warnen, die sich nicht
im Haupt und Kassabuch zeigt.
Da ruft mir jemand zu: Und Car
lyle?"
Da muß ich doch sehr bitten. Jener
Ringer und Sucher nach Licht ist im
Land geblieben uno hat ehrlich nur den
Seinen gepredigt. Die neuen Teutschen
und alten Engländer aber mischen zu
vier Fünftel lebenspendender Wahrheit
ein Fünftel lebensgefährliches Gift. Das
ist die Lehre von der allein seligmachen
den Faust. .
Ich stehe nickt im Verdacht, der
Weichheit das Wort zu reden. Aber in
unseren Tagen ist es eine Beleidigung
der Männer an den Fronten, der Kämp
fer zu Land und zu Wasser, wenn man
sie kriegerisch aufinuntcrn will. Unsere
Getreuen aus allem Volk gebrauchen im
Ost und West, im Norden und Süden
Faust und Schwert, Ruder und Torpedo
in einer Art, daß unsereiner nichts tun
kann, als still zur Seite stehen und
schweigen, in Ehrfurcht und Erschütte
rung vor solch unerhörten Hcldenleben,
wie es ihnen ein selbstverständliches
Tagewerk geworden ist.
Warum ich das alles sage?
Wir wollen England nur dadurch
nicht besiegen, daß wir selber vercnglän
dern,
Diese Gefahr ist nicht so sehr klein.
In tausend vcrmcsscnenen Worten erhebt
sie da und dort ihr Haupt. Ueber die
Waffe ist kein Streit in Deutschland,
nur über die Herzen. Und wir glauben
trotz des Lächelns vieler Ueberkrieger auf
deutschen Kathedern an das alte Wort
vom deutschen Wesen, daran wir und
die Welt noch einmal genesen sollen.
Was sollen wir also tun? ruft eS
unwillig.
Deutsche werden. Sonst nicht!. Die
angeborenen Keime unseres Volkes aus
wachsen lassen zur vollen Blüte und zur
reifen Frucht. Dann kommt die Welt
geltung, nach der wir Sehnsucht haben,
ganz von selber. Es geht in unseren
Tagen iibcr die Erde wie Sensenklingen
und Erntcskgen. Wir führen die Sense,
und wir fahren die Ernte ein. Wir ha
ben es gut. Wenn eS der Torheit zu
viel wird in Deutschland, dann prasselt
ein gnädiges Ungemitter über uns loS,
da? olleö noch zur Zeit zurechtbringt.
ES geht uns immer früh genug noch
schlecht genug.
Drum ist Deutschland ein so ratsel
hafteS Schiff. ES sieht die neuen Ufer
erst, wenn ei schon dicht vor den Küsten
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Lazarett au Bord eines deutschen Linienschiffes.
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.gt. Immer wieder einmal muß es
durch schwere Stürme hindurch und weiß
nf t nickt hin!! norden soll. Dann kommt
die erlösende Wut, der furor". Und
auf einmal steht wieder der Regenbogen
am Himmel. Dann sind wir hindurch
gedrungen zum Größeren. Aber wie eS
zuging, das hatte kein Mensch gewußt
und geahnt. DaS Tauchboot .Deutsch
land" traf auch gerade zur rechten
Stunde vor Amerika ein. Unser uner
schütterliches Vertrauen auf Führung
durch alle Ungewitter und unsere Ziel
blindheit ist nicht das Geringste an
Deutschlands Kraft in seinen schweren
Zeiten. England hat sich's bequem ge
macht, ein großes Volk zu werden.
Deutschland muß den umgekehrten Weg
gehen. Der Fluch der Schwere ist bei
uns ein Segen. Am weitesten kommt
immer der, der bei einem festen Herzen
nicht weiß, wohin die Fahrt geht. Das
war Siegfrieds Weg und ParzivalS
und auch der aller nichtsageuhasten deut
schen Volkshelden.
Glück auf, Deutschland, du rätselhaf
tes Schiff! Glückliche Fahrt, du hcili
ger Panzerkreuzer der Welt! Alle Man
iien an Bord!
Tie das Turchhnlten erschweren.
Im Moncrt Oktober 1916 sind im
Landespolizeibezirk Berlin wegen Ver
gehen und Uebertretungen der kricgs
wirtschaftlichen Verordnungen auf dem
Gebiete des Lebensmittelverkehrs bestraft
worden: 25 Schlächter. 126 Obst, und
Gemüsehändler. 43 Kolonialwarcnhänd
ler. 57 Milchhändler. 19 Bäcker. 14 Ver
käufcrinnen, 7 Schankwte. 1 Fisch
Händler, 1 Konfitürenhändler, 23 Pri
vate, ? Butterhandler, 9 Seifenhändler,
1 Gcflügelhändler, 10 Eierhändler, 13
Kaufleute. 3 Mehlhändlcr und 2 Fou
ragehändler.
Gold für Eisen.
Die Kronprinzeffin, die Schirmherrin
der Goldankaufsstcllcn ist. besuchte kürz
lich die Goldankaufsstell,! im Abgeord
netenhaus. Empfangen wurde sie von
dem Vorsitzenden und Ehrenausschuß.
Oberbürgermeister Vermuth und dem
Präsidenten der Reichsbank Dr. Haven
stein. Anwesend waren ferner die Grä
sin Radolin-Königsmarck, der städtische
Dezernent Siadtrat Sausse und der
LLrgerdeputierte Worthmann. Viele der
von allen Seiten eingelieferten Goldsa
chen wurden besichtigt; es wurde berich
tet, daß In Berlin in den ersten drei
Wochen neben vielen Juwelen a ch t b i i
neun Zentner Gold abgeliefert
worden sind.
Die Wilhelmsdorfer Goldankaufsstelle
hat in den ersten zwei Wochen ihres Be
stehen? 43 Kilogramm reinen Goldes ,.-
worden und über 52.000 Mark dcfür
ausgezahlt. Der Verkehr beziffert sich
auf täglich etwa 150 Personen.
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Imnkreichs Schuld am Krieg.
Fälschungen und Unierschlagunzen, die den russischen
freund reinwaschen sollten.
In einem Artikel der Neuen Zeit"
weist der bekannte Sozialdemokrat E.
Hellmann nach, daß die französische
Parteipresse alle Mitteilungen über die
russische Gesamtmobilmachung, welche
den Krieg unvermeidlich machte, völlig
verschwiegen oder durch Fälschung der
Depeschen für ihre Leser s unkenntlich
gemacht hat, daß diese unmöglich die
Tragweite der von Rußland ergriffenen
Maßnahmen erkennen konnten.
In einem großen russischen Kriegsrat
unter' Vorsitz deS Zaren wurde am
Sonnabend, den 23. Juli, die Mobilma
chung der vier russischen Armeebezirke
von Kiew, Odessa, Moskau und Ka
san beschlossen. Das war bekanntlich
noch vor Ablauf des Lfterreichisch-un
garischen Ultimatums an Serbien oder
gar der ersten Kriegserklärung. Am sel
ben 25. Juli gingen die englischen
Flottenmanöver zu Ende. Aber die
englische Flotte wurde nicht auf den
Friedensstand zurückgeführt, sondern
aus Veranlassung des. englischen Mari
eministers Churchill in Kriegszustand
zusammengehalten, wie er selbst im Un
terhaus und in der Presse zu seinem
Ruhm verkündet hat. Im Temps"
vom 31. Juli wird in einem Telegramm
au Petersburg mitgeteilt, daß diese
Tatsache in Verbindung mit den Ver
sprechungen Japans. Rußlands Ent
schluß. Festigkeit zu zeigen", sehr ge
stärkt habe. Auch in Frankreich bcgan
nen die kriegerischen Vorbereitungen
schon am 25. Juli. In La Republic
Frangaise" vom 31. Juli steht das
naive Bekenntnis. Seit dem 25. Juli
regiert in Frankreich die Rue de Gre
nelle". Dort ist der Sitz des französi
schen Generalstabes.
In der Nacht vom 29. zum 30. Juli
hat Rußland dann den Versuch ge
macht, Frankreich zur formellen Ge
samtmobilmachung aller Streitkräfte zu
veranlassen, was natürlich sofort den
Weltkrieg bedeutet hätte. Die russische
Botschaft in Paris hatte der französi
schen Regierung mitgeteilt, daß Deutsch
land kriegerische Maßnahmen getroffen
hatte und in Petersburg eine drohende
Sprache anschlage. Nachts um Z Uhr
trat das französische Ministerium zu
einer entscheidenden Beratung zusam
men. Im letzten Augenblick gelang eS
erst, es davon zu überzeugen, daß die.
russischen Mitteilungen falsch waren.
Es war die Emser Depesche im entge
gengesetzten Sinne", sagte JauröS dar
über, wie der Poculaire du Centre"
am 2. August 1914 in einem Artikel
deS Abgeordneten Pressemane berichtet
hat, den dieser noch zu Lebzeiten von
Jaures niedergeschrieben hat.
Da Rußland der Anschlag mißglückt
war, den Anstoß zum Kriege von Frank
reich auS zu geben, mußte es ihn selbst
herbeiführen. Am 29. Juli griff es
zu Mobilmachungsmaßnahmen, die
einer Gesamtmobilmachung nahekamen.
Diese Maßnahmen wurden von der amt
lichen Petersburger Telegraphenagentur
am 30. Juli früh 6 Uhr ins Inland
und Ausland berichtet und zugleich
durch Anschlag in den russischen Staa
ten bekanntgegeben. Die Drahtung der
Petersburger Telegraphenagentur, die
mit einer sehr merkwürdigen Vcrspa
tung in Berlin beim Wolffschen Tele
graphenbureau erst gegen 4 Uhr nachmit
tags eintraf, gab die Ageiice Havas
schon um 10 Uhr vormittag weiter.
In der französischen Presse hatte diese
Meldung ein sehr bemerkenswertes
Schicksal. Der der französischen Regie
rung nahestehende Temps" brachte sie
im richtigen Wortlaut in der Abendaus
gäbe vom 30. Juli; dieselbe Nummer
Die Drohung" des Fürsten Dttlow.
Line italienische Tatsacbenentstellung durch Dokumente
erwiesen.
Die Norddeutsche Allgemeine Zei
tung" schreibt:
Die offiziöse Tribuna" hat sich gc
gen die Feststellung des Reichskanzlers
in seiner letzten Rede gewandt, daß Fürst
Blllow vor seiner Abreise aus Rom der
italienischen Regierung mitgeteilt habe,
die italienische Armee werde in ihrem
Kampf mit Oesterreich-Ungarn auch auf
deutsche Truppen stoßen. Das Blatt bc
hauptet, Fürst Bülow habe diese Droh
ung nur angedeutet, aber nicht in dem
Augenblicke des Eintretens in den Krieg,
weil sie alödann keinen Zweck mehr ge
habt hätte, fondern während der Unter
Handlungen. Sie hätte als Abschreck
ungSmittel dienen sollen.
Da sich die feindliche Presse die Be
hauptung der Tribuna" zu eigen ge
macht und zum Anlaß genommen hat,
zu behaupten, der Reichskanzler habe mit
seiner Erklärung bezweckt. Unfrieden
zwischen Italien und seinen Bundesge
nossen zu stiften, so veröffentlichen wir
nachstehend den Wortlaut der dem Für
sten Bülow seinerzeit erteilten Jnftruk
tion und seiner Meldung über die er
folgte Ausführung.
Berlin. 22. Mai 1915.
Wenn die italienische Regierung ihre
Beziehungen zu der östcrreichisch-unga
rischen Regierung abbricht, wollen Sucre
Durchlaucht ebenfalls Ihre Pässe fordern.
Beim Abschied bitte ich Sie. Baron
Sonnino zu erklären, Sie müßten ihn
darauf aufmerksam machen, daß die
östcrreichisch-ungarischen Hcercsvcrbä,.dc
überall mit deutschen Truppen vermischt
seien und datz ein Angriff gege öster
enthielt aber einen Leitartikel, daß Nuß
land ausschließlich die vier Armeebe
zirke an der Lsterreichischcn Grenze mobi
lisiert habe, aber nicht mit einem
Schritt darüber hinausginge; trotz die
ser Mäßigung treffe Deutschland weit
gehende militärische Vorbereitungen.
Die Republique Franeaise" brachte
die Meldung gleichfalls im Wortlaut,
strich ober den lttzten Absatz, in dem,
mitgeteilt wird, daß die Leuchtschiffe
von Libau. Lyscrt-Ort und Swalfer
Ort eingezogen, der Leuchtturm von
Renscher und die Leuchtfeuer von Ro
sengrund gelöscht seien. Der Sinn die
ser Streichung ist klar: schon diese Orts
namen hätten den Leser darauf auf
merksam machen können, daß eS sich
hier nicht um Kriegsvorbereitungen ge
gen OesterreichcUngarn, fondern um
solche gegen Deutschland handelte, daß
Rußland Deutschland zum Krieg pro
dozierte.
Die HumanitS", daS Hauptorgan
der französischen Sozialdcmokratic,
nahm an der amtlichen Meldung dieselbe
Kürzung" wie die Republique Fran
Laise" vor.
Zwei politisch ganz verschiedene Zei
hingen, zwei anscheinend voneinander
ganz unabhängige Redaktionen strichen
aus einer Meldung ub?mnfr imend den
Absatz, der symptomatisch am nichtigsten
war! Aber der HumanitS,, genügte
das noch nicht. Sie fügte in fctr Wort
laut der Meldung noch eine Amderung
ein. Diese beginnt bekanntlich mit den
Worten: Der Ukas des Kaisers ruft
zu den Waffen"; statt dessen steht in
der HumanitS": Der Ukas der teil
weisen Mobilmachung ruft zu den Was
fcn".
Wiederum ist die Absicht der Iäl
schung klar. Kein Leser der Huma .
nit6" wird nachgesehen haben, daß oie
russische Mobilmachung, die hier als
Teilmobilmachung bezeichnet wird, von
den 50 Gouvernements des europäisches
Rußlands nicht weniger als 41 um
faßte und nur die allcreniferritesten am
Ural noch ausschloß. Die Hervorhe
bung der Teilmobilmachung, die noch
mals in der Ueberschrift der Notiz er
folgte, sollte vielmehr dem Leser den
Glauben einflößen, es handele sich bloß
um die vorbereitenden russischen Maß
nahmen, von denen man schon wußte.
Darauf arbeitete die Humanits" ge
nau ebenso hin, wie Republique Fran
gaife" und Temps". Sie handelten
augenscheinlich nach gemeinsamer An
Weisung durch das ftanzösische' Ministe
rium des Auswärtigen.
Diese Irreführung der öffentlichen
Meinung durch Fälschungen ist die fran
zösische Emser Depesche von 1914: aus
der Fanfare der russischen Mobilma
chung auch an der deutschen Grenze ist
die Schamade gewissenhaftester rufst
scher Zurückhaltung und Beschränkung
auf Vorsichtsmaßregeln gegen Oester-reich-Ungarn
geworden, um Deutschland
die Schuld am Kriege auflügen zu kön
nen. Heilmann berichtet dann noch folgende
interessante Tatsache: Er spricht von
dem bekannten Extrablatt des Berliner
Lokalanzeigers" und fährt fort:
Beachtenswert ist aber die Mitici
lung der Republique Franaise" vom
31. Juli, daß eine Pariser Zeitung ein
eben solches Alarmeztrablatt bereits eine
Stunde vor dem gleichen Exzeß der
Sensationsgier in Berlin herausgebracht
hat. Auch daß Frankreich Krlcgsgeld,
Papiergeld über einen und zwei Franken,
bereits am 30. Juli amtlich ausgegeben
hat, wird dort und in den anderen Pa
riser Zeitungen mitgeteilt."
reichischungarische Truppen sich also
auch zugleich gegen deutsche Truppen
richten werde.
gez. Bethmann Hsllweg.
An Fürst Bülow. Rom.
.
Rom. 23. Mai 1913.
Das dortige Telegramm traf erst
nach meinem letzten Besuch bei Baron
Sonnino ei. Ich habe daher den Bot
schaftsrat v. Hindenburg beauftragt, sich
dem Generalsekretär im Ministerium des
Acußern, Herrn de Martins gegenüber
im Sinne der mir erteilten Weisung
auszusprechen.
Herr v. Hindenburg meldet mir über
die Erledigung seines Auftrages:
Herr de Martina bemerkte mir, dies
sei eine sehr ernste und höchst bedauer
liche Nachricht. Wenn deutsche Truppen
sofort w eine ernste Aktion gegen italie,
nische Truppen einträten, so würde das
in Italien auch einen Haß gegen
Deutschland hervorrufen, von dem' ge
genwärtig keine Rcdc sei. Dadurch
würde zwischen beiden Böllern ein Ab
gründ entstehen, den viele Jahre fried
licher Annäherungsarbeit nicht würden
überbrücken können. Herr de Martins
war so bewegt, wie ich ihn sonst noch nie
gesehen habe. Als ich ihn verließ, be
tonte er wiederholt, daß Deutschland und
Italien keine widerstrebenden politischen
Interessen hätten. Er gäbe sich der
Hoffnung hin, daß der Krieg nicht zu
animoS geführt und auf diese Weise zu
einem unheilbaren Brnch zwischen beiden
Völkern führen werde."
a?z. B ü l s w.'.