Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, December 07, 1916, Second Edition, Image 1

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Tägliche Oulähä ttllnt
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historische und Politische Bedeutung der Stadt im Zusammenhang
mit den Reformen
IKphrigbt von
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erade in bet gegenwärtigen
Epoche de Ringen um Er,
Haltung Von Macht und
Welistclluna und Löluna von
yragen, Die dkk nahe Oricnt an v,e
Spitze europäischer Politik stellt, ist ein
Blick auf die Entwickelung jene Teile!
rn kernen v ten von nicht abzuleugnen
der Wichtigkeit, wo außer allem Zweifel,
nach der Losung europäischer Machtfra
gen, große Umwälzungen statthaben wer
den. ES ist die die Hauptstadt deS
chinesischen Reiches. Peking, eigentlich
Pelich,ng, gemäß nordchinestscher Auö
spräche.
In ihrem tausendjährigen Bestand, in
ihren Veränderungen, Verschiebungen
und in dem Aufbau der großen chlnest
schen Metropole mit ihren Kaiserpalä,
sten, wie Marco Polo dieS in seinen
me, c djnslcn tm dreizehnten abrhun
dert so wunderbar hervorhebt, wie auch
in den Veränderungen, die sich gerade in
Peking bei dem Sturze und der Wieder,
einschung von chinesischen Dynastien
zeigten, hat wohl kaum je in einem Reiche
eine solche Reihe von Umwälzungen statt
gefunden, als in China seit dem söge
nannten Opiumkriege 184042.
China war bis zum Ausbruche Kieses
Krieges ein verschlossenes Reich, fast eine
terra lncoirmta. Sie Ehine en erhiel,
ten sich von den Produkten ihres Lande.
log in Eanton und Macao hatten
gremoe eine kaum nennenswerte Mög
likcit den Austausch von Produkten mit
litjrna zu unterhalten und Beziehungen
zwischen der Außenwelt und dem .Reich
der Mitte" zu pflegen. Allerdings zeigt
die Geschichte, daß nicht allein in den
genannten beiden Städten der Südosiecke
de' Reiches Beziehungen mit dem Aufz
lande herrschten, die Russen waren eS,
welche schon feit lange her mit Peking in
erubruiig standen und Freundschasts
beziehungen mit China auszuweiten such
ten. TieS ist ja erklärlich auf Grund
der nachbarlichen Beziehungen mit EI
birien. Auch findet man in der Ge
schichte, daß nicht allein, die Jesuiten
ihre Beziehungen zum Throne Chinas
schon hundert Jahre vorher in Pekmg
hatten; f.'lbst wenn man auS dem Aus
tausch von Kunstgegenständen sich ein
Bild? beispielsweise der Beziehungen
Frankreichs zu China machen will, so
findet man, daß gerade in einem Kunst,
zweig, dem CloifonnS, welches zur Zeit
der französische, Renaissance in Peking
in feiner Blüke stand, auf allen Arten
chinesischer CloikonnS Kunstwerke die
' Einbrennung von künstlerischen Darsiel
lungen französischer Motive mit den chi
nesischcn Eigenarten landschaftlicher
Tarstellungen verschmolzen ist. Bilden
doch diese und anders Erzeugnisse chinesi
scher Kunst, besonders Porzellan die
man heute als .Verlorene Kunst4 be
zeichnet, schon deshalb hochgepriesene
Kunstwerke, weil in den Revolutionen
und Kriegführungen, die über China feit
Tausenden'von Jahren hingeraufcht sind,
heute die Methode der Herstellung nicht
auf annähernd ahnliche Höhe gebracht
wird.
Es wurde jedoch' zu weit führen, in
die Details einzugehen, die auf die
Kunstvollendung hinweisen, die gerade
in Peking, schon seit geschichtlichen Zeiten
ihren Boden hatte. Tatsache ober ist,
daß vom Momente deS Opiumkrieges
bis zum heutigen Tage, also in weniger
alö achtzig Jahren Umwälzungen einan
der folgtm, die in ihrer Hauptsache stets
in Peking zum AuStrag kamen. ES ist
daher kein Wunder, daß unter diesem
Einfluß endlich auch Peking auS der
Lethargie aufzuwachen begann, welche
insbesondere in der späteren Regie,
rungszeit der MandschuS auftrat, vom
Jahre 1644 bis 1912. d. i. nach
dem Zusammenbruch der über dreihun
dert Jahre herrschenden Ming-Dynastie,
die Ziigel der Herrschaft von Peking an
sich rissen. Es kann im Zusammenhang
hiermit darauf hingewiesen werden, daß
man erst vor circa zehn Jahren damit
begann, die schönen, meilcnlangen Ave
nuen durch daS Herz Pekings, zu fahr
baren Straßen umzugestalten. Man
fab endlicb ein. dak es mit den finden
losen Wegen nicht länger ging, auf denen
man selbst in starkgebauten zweirädri
gen Karren ohne Federn, die man überall
auch heute noch in Nordchina alö Fuhr
werk oenütji; fußtief in den Morast der
sank. Peking hat sich seitdem wesentlich
verbessert, denn in den Hauptarterien
der Stadt findet man heute zumeist
macadamisterte Straßen, aus welchen sich
nebst den karren und JinrikshaS, auch
Equipagen und Automobil mehr und
mehr alS Verkehrsmittel zeigen. Aber
auch bis zum heutigen Tage gibt es in
Peking weder eine .Elektrische", noch
eine Pferdebahn.
Peking liegt in der sogenannten nord
chinesischen Ebene, nahe den Siid und
Ostabhängen der .Westlichen Berge",
die Nordchina von der Mongolei tren
nen. über welche Höhenzüge, durch Täler
und über Berge sich die berühmte .Chi
nesische Mauer" in ihrer taufende Mci
len langen Entwicklung ausspannt. Die
im Hintergründe der mongolischen Step
pen sich ausdehnende Wüste Gobi bringt
im größeren Teile des Jahres auch für
Peking große Trockenheit, wie auch fer
ner im Herbst und Winter über Peking
wehende Sandftürme mit sich; aber in
sonstiger Hinsicht könnte man daS Klima
Peking's dem von New Z)ork oder Chi
go gleichstellen. Liegt doch auch Peking
unmittelbar nahe dem Golfe von
Veitchili und hat fast tropische Hihe im
Sommer, wie sibirische Kälte im Win
kr. . .
Peking ist von mein h-M, ch!eZ;g
der
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geformten, starkgebauten, fcstungSähn
lichen Cteinwall umschlossen. Diese
Mauer umfaßt in Wirklichkeit zwei
große Rechtecke: da nördliche, stark ge
bautet, meilcnumfassende Mauerwerk
der Tartarenstadt. mit ihren Neben
städien, und da südliche, Weniger hohe
und mehr zerfallene Mauerwerk, die
Chinksenstadt. Im Gruni. genommen
ist die Ausdehnung dieser beiden großen
Rechtecke ungefähr die gleiche, nur zeigt
sich, daß die ältere Tartarenstadt hiib
scher gebaut, schöner und ruhiger
daliegt, dagegen enthält die äußere oder
Chinesenstabt eine Anzahl hervorragen
der Kunstwerke, wie den Himmelstempcl
und den Tempel de Ackcrbauc. Ferner
findet auch jetzt sich dort da hastin
GQUNDRlSfi, DER. TARTAREN
Leben i nd Treiben der Geschäftswelt
und der Basare, sowie die Vergnügungs
Plätze und das Demimonde?Viertel. .
Wie unter anderem die Berechnungen
des früheren Ministers der Vereinigten
Staaten Dr. W. W. Rockhill besagen.
besitzt Peking eine Bevölkerung, die auf
700.00 bis eine Million geschäht wird.
Ein wirklicher Zensus ist zum ersten
Male in der Geschichte Chinas erst in
Vorbereitung.
Wenn man daS Gesamtbild Peking's
auf einem Plane vor sich sieht, so bildet
gewissermaßen die Chinesenstadt den
Grundbau für die mit ihrer schmaleren
Südseite daraufstehende Tartarenstadt.
Wenn man auf der nördlichen Mauer
der Tartarenstadt steht und einen Blick
über die Tartarenstadt bis hinunter zur
weit entfernten Südmauer der Chinesen
Itadt wirst, und da! Auge gegen die
westliche und nördliche Vergeskette her
Umschweifen läßt, so hat man nicht nur
das Bild einer großen Stadt vor sich.
fondern weit mehr noch daS Bild eines
Riesenparks. Die meisten Bauten Pekings
liegen inmitten von Gehöften. In fast
jedem dieser Höfe steht ein alter, großer
Baum. Außerdem befindet sich im Her
zen der Stadt der sogenannte .Kohlen
Hügel" mit seiner hübschen Parkanlage.
Ferner die Parkanlagen, die sich inner
halb der sogenannten .Verbotenen
Stadt" und in der sogenannten
.Kaiser , Stadt' zeigen Stadtanlagen,
welche im Herzen der Tartarenstadt.
ihre separate hohe Mauereinfassung ha
den, und zwar jede mit ihrem eigenen
Feskungsgraben. All die bringt es mit
sich, da man, mit Ausnahme der in
den letzten Jahren aufgeführten euro
päischen Gebäude, die zumeist admini
strativen Zwecken dienen, nur die nied
rigen chinesischen Wohnstätten sieht. So
wohl die Chinesenstadt als auch die
Tartarenstadt besitzen an den verschiede
nen Seiten ihrer Mauer Durchgangs
tore, welche nachts über meist geschlossen
sind.
Diese Tore besitzen Türme, welche wie
fortähnliche Basteien aussehen. Die mei
sten derselben sind gerade nicht im besten
Zustande und zeigen, daß sie hundert
zahre langen Stürmen und häutigen
Belagerungen getrotzt haben. Für den
Fremden, der Peking besucht, enthalten
gerade diese Türme, roie auch dir Dächer
orientalisch aufgebauter Paläste, ebenso
die Tempel, Pagoden und dielen anderen
Sehenswürdigkeiten, großes Interesse
und Anziehungskraft, denen kaum Aehn
licheS auf irgend einem anderen Punkte
der Welt an die Seite zu stellen ist.
Kein Wunder daher, daß in den letzten
zehn Jahren, seit der Bau von Taufen
den Meilen von Schienensträngen in
China zu Stande kam, die Möglichkeit
der Eisenbahnreise von Peking nach
Europa über Sibirien mit jährlich grö
nerem Komfort sich entwickelte, Peking
ein Mekka für Globetrotter von Amnika
und Europa wurde. Früher bot sich
dem Besucher bloß ein schmutziger, euro
päischer'Lssthof.dar;, aber l ach dem
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- UND CHINESEN ST ADT.j
Boxeraufstand bou 1900 wurden ele
gante europäische Hotels im und um das
Zentrum des sogenannten Legations
Viertels errichtet, wo europäischer Luxus
und fremdartiges chinesisches Leben sich
verschmelzen, eine Stätte interessantester
Beobachtungen für den Touristen. Bis
zum Ausbruche der Revolution vom 9.
Oktober 1911. die der Mandschu-Dyna.
stie ein Ende machte und eine neue
republikanische Regierungsform über
China schuf, fühlte sich der Fremde
beim Besuche der Stadt sehr eingeengt.
Bis dahin blieb doch die .Verbotene
Stadt", mij ihren schönen Palästen und
weiter Ausdehnung, ein Bild, das man
bloß von einzelnen hohen Punkten, wie
dem Glockcnturm und dem Trommel
türm, von ferne betrachten sonnte. Die
republikanische Regierungsform sah bald
ein, daß eS doch besser fei, größere Teile
der Verbotenen Stadt und des Winter
Palastes in der Kaiser-Stadt für die
Besichtigung freizugeben. Verbessernn
gen und Verschönerungen wurden ge
schaffen, so daß ein Besuch der Haupt
stadt des chinesischen Reiches heute loh
nender ist denn je. Um zu-erklären, was
eigentlich die Verbotene Stadt und Kai
scrftadt bedeutet, ist darauf hinzuweisen,
daß In dem großen Rechteck der Tar
tarenstadt sich Im Zentrum eine Burg
mit hohen Mauern und Zugangstorm
befindet, die .Hwang Cheng" oder zu
Deutsch .Kaiserstadt" heißt. In dieser
Kaiserftadt befindet sich dann eine wei
te Innenstadt, die eigentliche .Ver
botene Stadt", mit ihren hohen recht
eckig geformten Mauern, mit vier er
habencn Eingangspforten, einer slld
lichen, "nördlichen, östlichen und West
lichen, in welcher Innenstadt die vielen
Gehöfte und schmucken, jedoch zum Teil
in Ruinen liegenden Paläste des kaiser
wichen ,.'fstaateS stehen. In diesen
Stadtteil hatten bloß jene Sterblichen,
außer dem Herrscher, seinen Frauen und
Familienmitgliedern, Zugang, die dem
kaiserlichen Hofgesinde, Dienern etc. an
gehörten, .die insgesamt beim Zusam
menbruche der letzten Dynastie auf 8000
Köpfe geschätzt wurden. Im Uebrigen
durften diese Verbotene Stadt bloß jene
Personen betreten, die zu den kaiser
lichen Audienzen befohlen wurden, oder
die, wie die fremden Gesandten, bei ein
zelnen Gelegenhten vor dem .Sohne
dek Himmels" erschienen.
Die Frage der Audienzen der frem
den Gesandten vor dem Kaiser von
China hatte durch lange Jahre eine gar
wichtige Rolle gespielt. Die Chinesen
wollten stets, daß auch die fremden Ge
sandten nach alter chinesischer Tradition
In Audienzen vor dem Herrscher mit
Kotau, das Ist mit Fußfall und die
Stirne den Boden berührend, erscheinen
sollten. Gegen diese Art der Aufwar
tung der Repräsentanten der fremden
Mächte sträubten sich die Gesandten mit
Recht, bis diese seitens Europas und
Amerikas nie anerkannte ZwangSdor
schrift de? Hof-CeremonicllcS abgeschafft
wurde. Auch haben mit dem gfaHt der
letzten Dynastie die
aufgehört, sich vor
Haupte mit Kotau
Formalität damit auch für
aus der Mode gekommen ist.
Soweit die in Peking bestehenden
Aemter und Behörden der Zentralregie
rung in Betracht kommen, sind die alt,
modischen Eintcilungm." die bis 1900
und selbst darüber hinaus, bis zum Zu
sammenbruche der Dynastie in 1912 be
standen, einem neuen Geiste gewichen.
Dem Muster europäischer und amerika
nischer Zentralbehörden gleich, findet
man auch jetzt in Peking .Ministerien
für Auswärtige Angelgenheiten, für
Finanz, Erziehung, für Handel und
Ackerbau, wie auch die Ministerien der
Armee und Marine. Zudem findet man
die neu errichteten Aemter, wie den
Ober-Gerichtshof, die -)ost und Tele
graphen-Administrationen, ferner die
Seezölle, da! Salzmonopol und so viele
andere öffentliche Aemter, in welchen sich
der Geist ' allmählichen Fortschrittes
zeigt.
Nach dem Dekret der Abdankung der
Mandschu-Dynastie in 1912 und den
Zugeständnissen, welche die republika
nisch-chinestsche Regierung den Mand
schus gemacht hat, thront auch heute
noch, ohne jede Macht, der kleine, kaum
12jährige Kaiser HsunTung in dem
ihm verbliebenen kleinen nördlichen Vier
tel der Verbotenen Stadt. Das Ober
Haupt der republikanisch-chincsischen Re
gierung, Präsident Li-Fuan-Hung, hat
seine administrativen wie auch Wohnge
mächer in dem der Verbotenen Stadt
nahegelegenen, an reizenden Szenerien
reichen Winterpalast der letzten Dyna
stie. Hier hat auch, entlang den schönen
großen Seeanlagen, die dem Winter
palaste ihren Hauptreiz darbieten, der
verstorbene erste Präsident der Republik,
FuenShi-Kai, das Szepter durch die
großen politischen Stürme geführt,
welche die Revolution von 191112
nach sich zogen.
In der Folge des Vertrages von Ran
king vom 29. August 1842. welcher der
Eröffnung von fünf Vcrtragshäfen:
Canton, Amoy, Foochow, Ningpo und
Shanghai mit sich brachte, konzedierte
die chinesische Regierung im Laufe der
Jahre die Eröffnung von weiteren Vcr
tragshäscn, sodaß mit 1900 über hun
dert Berkehrszentren China'S zur Eröff
nung kamen. Aber auch bis heute hat
die chinesische Regierung nicht das Zu
geständnis gegeben, Peking als offenen
Vcrtragshäfen zu erklären, wenn sie auch
gegen die jährlich stärker werdende
europäische und amerikanische Kolonie in,
Peking keinen Anstand nimmt. Die Er
öffnung Pekings ist bloß eine Frage der
Zeit. Der große Zuzug von Fremden
wurde zum Teile durch die Fremden
Expeditionen heraufbeschworen. Abge
sehen von der Expedition der vereinigten
Engländer, Franzosen und Amerikaner,'
die Im Jahre 1860 als vereinigte Straf
ezpedition stattfand, und welche den
wunderschönen Sommerpalast 'Auan
Ming'Anan in Ruinen legte, war es die
gemeinsame Expedition der fremden Na
tioncn und ihrer Streitkräfte zum Eni
satze der fremden Gesandten während des
BoxeraufstandeS von 1900, die fremden
Kaufleuten die Tore Peking? öffnete.
Diese Expedition, an welcher sich
Deutschland, Großbritannien, Frank
reich. Amerika, Japan, Rußland, Ocster
rcich-Ungarn etc. beteiligten, stand unter
der Oberleitung deS Grafen Waldersec.
D Unterdrückung des Bozkraufsiande!
brachte auch die Gründung des neuen
.Gcsandtschasts-Viertels" von Peking
mit sich. Dieses breitet sich an der Süd
mauer der Tartarenstadt östlich vom
Chien-men-Tore bis zum Ha-ta-mcn
Tore aus. In diesem Viertel liegen Ge
sandtschaftcn von Deutschland, und Oe
stcrreich-Unqarn, dann Großbritannien,
Frankreich, Rußland. Ver. Staaten, Bel
gicn, Holland, Italien, Japan und Spa
nien. Die Gesandtschaften von Mexiko,
Portugal und Dänemark befinden sich
außerhalb des Gcsandtfchafts-Viertels.
Die meisten der fremden Vertretungen
haben palastartige Gebäude mit hübschen
Parkanlagen, um die sich nach chinesischen
Mustern eine große hohe Mauer zieht,
sodaß es dem Passanten unmöglich ist,
einen Blick auf die Anlagen zu werfen.
Allerdings bietet sich bei einer Prome
nade auf der hohen Südmauer der Tar
tarenstadt die Möglichkeit, einen Blick
auf die darunterliegende, ausgedehnte
Gcsandtschaftsanlage zu werfen. In dem
exklusiven Gcsandtschafts-Viertel ist es
Chinesen, mit Ausnahme des Gesindes
der fremden Gesandtschaften und Be
wohner des Gesandtschafts-Viertels. un
tersagt zu residieren. In dem schmucken,
rechteckig geformten Gesandtschafts-Vier
tel befinden sich gleichfalls die Paläste
der fremden Banken, darunter der
Deutsch-Astatischen Bank, wie auch die
Baracken der einzelnen Gesandtsckxifts
schutzwachen, die hier seit 1900 statio
niert sind. Ferner ist im Zentrum das
berühmt gewordene .Hotel des Wagons
Lits". In dem südwestlich gelegenen
Teile de Gesandtschafts-Viertels drei
ten sich die Gehöfte der amerikanischen
Gesandtschaft aus, in welchen sich sowohl
der Palast deS Ministers, wie auch fepa
rate Gebäude für den ersten Sekretär
und den chinesischen Sekretär befinden.
Ein Obelisk nahe dem Eingange zur
britischen Gesandtschaft erinnert an die
Zeit vom 20. Juni bis 14. August
1300. als die fremden Gesandtschaften
von den .Boxern" belagert wurden, um
nachher von den vereinigten fremden
Streitkräften, die über Tientsin nach
Peking stürmten, befreit zu werden; diese
Episode öffnete China die Augen, sodaß
in der Zukunft das Auftreten ähnlicher
Ereignisse gegen die Fremden wohl aus
geschlossen ist, hat doch in den heißen
Revoliitionstagen von 191112 der
Chinese alle Europäer und deren Eigen
tum 'vor Schaden und Gefahr ganz
wunderbar geschützt. Das an jene Zeit
erinnernde marmorne Monument, der
Kettelcr-Pai-Lou' welches den Tod
des deutschen Gesandten. Baron Kette
lerS, verewigt, trägt die Inschrift:
tti Monument Ist aus Bkfkbl teS
Kaisers don China errichtet Korden, für
den an dieser Stelle durch nichlole Mör
derbmid am 2, Juni 1900 gesalienen
kaiserlich oealst'N Gisandten ffreiherrn
Klemens bon Keileler. Zum ewigen Ge
dütlniZ an leinen Ram'n. zum bieiben
den Beweis sür den Zorn des Kaisers
ob dieser gleveliat, ur Warnung siir
Alle!"
Dieser enorme, den ganzen breiten
Straßenzug überspannende Pai-Lou,
besser Erinnerungsmonument, befinde!
sich im Herzen der Hata-men Straße
an der Stelle, wo während des Boxer
oufstandes der Gesandte dem meuchleri
schen Attentate eine Boxersoldaten zum
Opfer fiel. Im Gcsandtschafts-Viertel
sind, wie auch in dem sich daranschließen
den offenen Glacisgebiete, die fremden
Spitäler; darunter das deutsche Laza
rett, dann das Spital der .Coeurs de
Charitö du St. Vincent" und das Ho
fpitol der .American Methodist Mrf
Zion". Auch befindet sich in der söge
nannten Legationsstraße, welche das Ge
sandtschafts-Vicrtel von Osten nach We
sten durchkreuzt, die Kirche St. Michael,
die besser als Legations-Kirche bekannt
ist. Die englische Gesandtschaft hat ihre
eigene Kapelle. In der. österreichisch
ungarischen Gesandtschaft befindet sich
das Mausoleum für. den Fregatten-Ka
pitän Thomann, der während der Ver
teidigung des Legationsviertcls gegen die
Boxer das Oberkommando führte und
der Pflicht zum Opfer fiel.
Nachdem bereits von der Legations
kirche gesprochen wurde, muß auch dar
auf hingewiesen werden, daß sich eine
Anzahl von Missionen in den verschiede
nen Teilen der Tartarenstadt . befindet.
Die historisch bedeutungsvolle Nord
kathcdrale, Pei-Tang genannt, ist in
dem westlichen. Teile der Kaiserstadt,
nahe dem Westtore dieses Viertels.
Dabei mag auch darauf hingewiesen
werden, daß schon im 16. Jahrhundert
Jesuiten nach Peking kamen und deren
Einfluß am Hofe China's seit 20 Iah
ren sehr bedeutend gewesen ist.
Wie schon hervorgehoben, sind mit dem
Beginn der Republik eine Anzahl von
Sehenswürdigkeiten und Promenaden
dem öffentlichen Verkehr zugänglich ge
macht worden. Darunter In erster Hin
ficht die größere, und zwar südliche Aus
dehnung der Verbotenen Stadt, mit
Ihrem enorm imponierenden Süd.'in
gangstore, dem Tien an man, dem
Tore des himmlischen Friedens", und
dem zur Ost und Westfeite der Verbo
tcnen Stadt befindlichen östlichen und
westlichen .Älumentore". Innerhalb
dieser Ausdehnung, die im Norden durch
eine Mauer hinter dem ehemaligen
Tronpalaste Tai Ho Tion" endet, lie
gen die imposanten Gehöfte der Verbo
tcnen Stadt, mit ihren Marmorpnlästen.
Die große Parkanlage der Verbotenen
Stadt, an ihrer Slldwestecke, ist gleich
falls de: Öffentlichkeit freigegeben wor
den. Die romantisch-schöne Nordprome
nche des früheren Wintcrpalastes, von
der großen Marmorbrücke ausgehend,
welche Baücke den Mittelsee von dem gro
ßen ordteiche trennt, ist auf Grund dcö
Beschlusses der republikanischm Bchöl
den dem Blicke des Brückcnpassantcn
tagsüber frei offen. Welche reizende
Aussicht bietet sich hier! Die uf dm
Hügel der Insel dieses Teiches stehende,
hoch emporragende weihe Lhama Pa
gode, mit den in der Ecke dieses Viertels
gelegenen Palastruinen und Monumen
ten aus der Zeit des berühmten Miiid
schu-Kaisers Chien Lung (17361796).
bieten eine in ihrer Art einzige Sehens
Würdigkeit; sie ist es, die nebst den Herr
lichen Promenaden durch die Gefilde und
Kunstbauten der Himmelstempel-Anlage,
wie auch der sonstigen Sehenswürdig
leiten Pekings, so dem ObservaforZuin,
dem Tempel des Konfuzius, der Holle
der Klassiker und dem Lhamatempel, d?m
Touristen viel Neues und Schönes dar
bieten.
Jedenfalls muß aber in einer Be
schreibung Pekings auch darauf hinge
wiesen werden, daß sich in der Umge
bung der Stadt gar viele Sehenswürdig
leiten befinden, von denen einzelne noch
hier hervorgehoben sind. ,
Eine kaum dreistündige Eisenbahn
fahrt von dem Nordwesttore der Tarta
renstadt bringt einen heute auf die Höhe
des berühmten Nankau-Passes, vor die
Tore der Mongolei. Hier erhebt sich
über das bloß 160 Fuß über dem Mee
resspicgel liegende Plateau. von Peking
ein ' 2000 Yttg'hoher ! Bznnschnitt?cUS
Karawanenstraße. Ueber diesen Paß
führt die 1250 Meilen lange .Große
Mauer des Himmlischen Reiches", welche
von den Kaisern der Chin-Dhnastie
etwa um 230 v. Chr. als ein Bollwerk
gegen die nördlichen mongolischen Hör
den errichtet wurde. Ganz in der Nahe
vor diesem Passe befinden sich die so
genannten .Dreizehn Mausoleen" der
Ming-Dynastie in einem enorm weiten
und von Bergen umschlossenen Tale.
Durch die Mitte desselben läuft die !e
rühmte .Avenue der Männer und Tiere
aus Stein", die einen interessanten Zu
fahrtsweg zu dieser Grabstätte darbietet.
In einem anderen Teile der westlichen
Berge sieht man die panoramisch-schö.ie
Anlage des .Wan Shao Shan". Die
ist der Berg, an den die früheren kaiser
lichen Sommerpalast-Anlagen sich an
schließen. Auf der Hllgelanlage befinden
sich die romantischen Paläste mit dem
davorliegenden großen Teiche, dem Ku
Ming-Hu, dessen Wasser aus der unweit
entspringenden .Jade Edelstein Quelle"
zuströmt. Der alte, sogenannte Fuzn
Ming Auan" Sommerpalast, der im
Jahre 1860 zerstört wurde, liegt unmit
telbar östlich hinter diesem Sommer
Palast. Weiter daran schließt sich jene
Parkanlage, die von dem sogenannten
Boxerprinzen Tuan bewohnt wurde, der
in die Verbannung nach Turkestan ge
schickt wurde. Dieser Park enthält heute
die prächtigen Gebäude und Wohnungen
der vielen amerikanischen Lehrer und
Lehrerinnen, die daS Vorbereitung;
College .Tsing-Hwa-Fuan" in sich faßt.
Dieses Erziehungsinstitut, in welchem
600 junge Chinesen alljährlich aus allen
Teilen des Reiches für die Entsendung
zur College-Ausbildung in den Bereinig-,
ten Staaten unterrichtet werden, wird
aus den Mitteln unterhalten, die die
Vereinigten Staaten an China zurück
erstatten, und zwar aus dem Ueber
fchusse der aufgerechneten Kosten für die
Beteiligung und Bestreitung der Boxtt
Expedition.
Wenn wir in der Ausdehnung von
Promenaden, die sich in unendlicher
Fülle in jenem Teile der Westberge zci
gen, ganz nach Süden zu der marmor
nen Brücke Lu-Kau-Chiau kommen, so
sehen wir hier die wunderbare, siebzehn
Bogen aufweisende, sogenannte Marco
Polo Brücke, die, ähnlich dem Nankau
Passe, ihre große Geschichte hat. So
wohl über diese Brücke, als auch
durch den Paß, wurden die Produkte
Chinas nach der Mongolei und Sibi
rien, bis selbst in das Herz Rußlands
feit Hunderten von Jahren transportiert
und ausgetauscht. Gerade über die
Marco Polo Brücke vollzog sich der
Kameltransport bei sogenannten Kara
wanen oder .Russischen" Tees vom Sü
den nach dem Norden seit Jahrhunder
icn.
Der Kekm der Marijerin.
Im Pariser Figaro' liest man:
Einer unserer Freunde sah kürzlich auf
der Straße einen Poiluhelm auf dem
Kopfe einer spazierenden Dame. Dieser
Helm ist offenbar nicht der einzig sei
ner Art. denn wir hatten gestern in der
Rue Lafayette das Glück, noch ein zwei
teS Exemplar dieser allerneuesten Kopf
bedeckung zu sehen. Und das war ent
schieden ein anderer Held, denn der, den
unser Freund zu sehen bekam, hatte an
der Seite eine Rose und ganz oben einen
kleinen Pompon, während .unser" Hut
fast ganz den militärischen Vorschriften
entsprach und mit keinerlei Modistcnbci
werk versehen war; nur daß daS Sturm
band am Helmgitter durch eine Schnur
in den Farben deS Kriegskreuzes ersetzt
war.
Wir müssen ungalant genug fein, zu
erklären, daß es nicht sehr erwünscht
wäre, wenn diese Kopfbedeckung Anklang
fände und noch öfter auftauchte. Ab
gesehen davon, daß sie für Damen nicht
hübsch aussieht, betrachten wir diese
Mode als etwaS Frivoles und Unchr
erbie.'iges. Der Helm unserer Soldaten
Ist doch wirklich kein Modeartikel. Er
ist für die Geschichte geschaffen und nicht
für Bisiten. Die Pariserinnen haben so
oft über die Berlinerinnen gespottet, daß
sie verkhrt handeln würden, wenn sie es
jetzt ebenso machten wie diese; es ist ja
wohl bekannt, daß die Frauen von Bcr
lin die Kopfbedeckungen der Totenkopf
Husaren tragen. .
Wer dem guten .Figaro" daS wo!)?
aufgebunden haben mag?
Anläßlich des Rcformationsjubi
laumS der evangelischen Kircüe im näch
sten Jahr wird, wie auS Frankfurt a. M.:
gemeldet wird, von dortigen evangelischen
Kreisen die Stiftung einer theolvjiischkn l
Fakultät an der Universität Frankfnrt
geplant.. Die Mittel sollen durch eine'
ÄS.l'S4immlurZa,!sh?acht-vekdkä.''! '
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