Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, November 29, 1916, Image 7

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    I
! Das weifzs
Roman von
(18. Fortsetzung.)
.Ich möchte gern etwa wissen'
.Ich auch!" unterbrach ihn Ar.
nold. .Ich möchte gern wissen, Wal
Sie hier zu tun haben?"
.Oh. mit mir ist olleZ in Ord.
nung. Ich habe mich sehr lange mit
einer gewissen jungen Dame unter
halten, die frisch und hold wie eine
Maienrose ist. und von ihr erfuhr
ich so viel Einzelheiten der Mord
angelegenhtit, bah ich mir vornahm.
..der Sache näher zu treten. Aus
diesem Grunde mietete ich die Woh
nung hier. Einen netten Tanz hatte
ich mit dem alten Jlerl, dem HauS
eiaentümer! Ich mußte eine Menge
Referenzen aufgeben, die Miete im
voraus bezahlen und tym wer weig
noch für andere Sicherheiten geben.
Gestern bin ich hier eingezogen und
schrieb Ihnen sofort. Und hier bleibe
ich. bis ich die Wahrheit erforscht ha
be! Wahrscheinlich wird das sehr
lange dauern, aber meinetwegen."
Arnold blickte erstaunt auf.
.Ich verstehe Sie nicht," murmelte
er.
.Na, ich will mich näher erklären.
Also ich bin mit Gerda Valdwin.
Fräulein Masons bester Freundin,
verlobt. Ich habe ffraulem Mason
sehr gern und interessiere mich auch
für Sie, Herr Calvert. und dar.
um will ich versuchen, Ihnen beiden
zu helfen. Jawohl, so ist es. Wenn
- ich jemanden gern habe, stehe ich ihm
auch bei. Ich bleibe hier ' wohnen,
bis der Gatte Frau Brands aus
Australien zurückgekehrt ist. und ich
sage Ihnen: mcht eher verlaßt er das
HauS, bis ich ihm die Wahrheit nt
lockt habe. Ich werde schon mit ihm
fertia werden."
.Aber wie kommen Sie dazu, sich
der Sache so anzunehmen?
.Wie ich dazukomme? Sehr ein
fach! Fräulein Mason kam eines
TageS in erbarmungswürdig erreg
tem Zustand zu Gerda Baldwin. Ich
glaube, ihre Schwester hatte sie halb,
tot gequält, so daß das arme Mäd,
chen nicht mehr aus noch ein wußte.
Sie wollte Gerda nichts erzählen,
sondern weinte und schluchzte nur
immerfort. Ich kam gerade dazu
und schickte Gerda zu ihrer Mutter,
i damit sie diese fern halte. Dann
setzte ich mich zu Fräulein Mason.
versuchte sie zu trösten und lockte die
Wahrheit aus ihr heraus.'
.Was?" brauste Arnold auf. .Hat
Laura Ihnen erzahlt
.Alles! Ja, ja! Und ich nahm
mein seidenes Taschentuch heraus,
und trocknete ihr die schönen Äugend
Ruhe. Nuhe, junger Freund!
Sie brauchen gar nicht zu explodie
ren! Ich bin mit Gerda Baldwin
verlobt, und sie ist für mich die Ein
zige auf der Welt. Jawohl, Herr!
Ich bin ein offener und ehrlicher
Mensch. Also Fräulein Mason sprach
sich ganz offen gegen mich aus: daß
Sie in der Villa waren und die Ge
schichte mit dem Dolch und mit der
Köchin, die den Dolch gefunden. Ich
redete Fräulein Mason zu, sich nie
beizulegen, und ging dann hierher.
Nun sind Sie da, und nun bitte
ich Sie, daß auch Sie mii-alleS er
Vntä tii. Vtsf rtA tilsl
gUtyitHf 4VU if vikuviw; livuf iiiut
weiß."
Arnold war innerlich wütend, daß
diefer.neugierige Amerikaner . wie er
ihn bei sich nannte, sich in feine in
timstcn Angelegenheiten mischte. Aber
da Gesicht TraceyS sah so ehrlich
und treuherzig aus, daß er nicht um
hin konnte, zu lachen. .Sie sind
sehr freundlich, Herr Tracey," sagte
er endlich, .und ihr Beistand wäre
mir ganz willkommen; aber ich habe
bereits einen Detektiv engagiert.
.Na ja." versetzte Tracey. .Ich
hübe mir aber Gerda Baldwin zuliebe
,n den Kops gesetzt, Ihnen und Frl.
Mason zu helfen, und ich werde Jh
nen mehr nützen, als ein Detektiv
von Beruf. Swn schütteln Sie mir
mal arundlich Ihr Herz aus!
.Aber ich habe wirklich nichts mehr
zu erzählen! Fräulein Mason scheint.
Sie doch bereits über alles unter
in-i -.. r,
Tirni.r an iniiirii.
.Na ja, wie Frauen es zu tun
vflcaen: das heißt so im allgemei
nen ohne Einzelheiten, die ich jedoch
unbedingt wissen muß. Aber Frau,
lein Mafon war so aufgeregt und
weinte immerfort, und ich hatte so
viel mit dem Trösten zu tun, daß
ich mir nicht alles gemerkt habe.
Calvert. Also vertrauen Sie mir,"
fügte er in ernstem Tone hinzu, .ich
bin Ihr aufrichtiger Freund Gott
weiß. Sie brauchen einen solchen
höchst notwendig!"
Meinen Sie, mir drohe Ge
Wr . ' . i
Ja, daS meine ich!"
.Aber ich kann doch mein Alibi
nachweisen!"
.Nun gut wodurch?"
.Ich schlief an jenem Verhängnis
Sollen Abend in meiner Wohnung bis
neun Uhr. Eme halb Stunde spa
. , . -!. : x. i ltv tyf
n '" "" . "7 -"' y-
tat ni .i'i iiij tun JJ ik in . u u iuv
i. . tu.-- mitrn nnr ttpiiti n nr t
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mordet."
DaS ist alles recht schön und gut."
kiwiderte der Amerikaner gemächlich
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Siininev ! I
Fergul Hnme.
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.aber Sie waren später in der Bil.
la Ajax Sie haben durch Frau
Lrandi Tod ein ungeheures Bermö.
gen geerbt, und der Dolch ist Jhl
Eigentum!"
Tracey. ich schwör Ihnen be,
Gott, daß Frau Brand bereit tot
und eiskalt war, IS ich ihre Leichc
erblickte!"
.Warum riefen Sie da nicht die
Polizei?"
.Weil ich den Kopf verloren hat!
te!" entgcgnete Arnold verzweifelt.
Tracey schüttelte den Kops. e
rade in dem Moment muhten Sie
den Kopf verlieren, wo Sie ihn am
notwendigsten brauchten! Wenn Sie
die Polizei gerufen und erklärt hät
ten, wie Sie in die Willa kamen,
dann wäre alles gut gewesen."
.Aber daS Geld, daS ich durch
Frau BrandS Tod erbte?" warf Cal
vert ein.
.Sie wußten damals noch nichts
davon?"
Nein. Ich erfuhr es erst durch
den Brief des Nechtsanwalts
Merry."
.Das Gericht wird annehmen, Sie
hätten vorher darum gewußt, und
man hätte daS dann als Schuldbe
weis betrachtet."
.Schuldberveis?" fragte Arnold.
.Wie meinen Sie das? Ich glaube
nicht, daß man mich "
Ich glaube, daß man Sie verhaf
ten wiro," fiel der Amerikaner un
erschütt:rlich ein. .Seien Sie je
denfalls darauf gefaßt. Ihr griechi
scher Professor gibt die Erbschuft
seiner Cousine ohne Kampf nicht
auf!"
.Sie mißtrauen ihm?"
.Na und ob! Solange er hinter
seinen Büchern sitzen blieb, war er ein
g,nlz harmloser Geselle. Jetzt aber,
da e8 sich für ihn um ein so gro
ßes Vermögen handelt, setzt er alles
ouran, zu gewinnen. Also Borsicht,
Caloert! Nun erzählen Sie mir al
leS ausführlich. Wir wollen dann
gemeinsam beraten, was zu tun ist."
Arnold zögerte noch ein Weilchen,
dann erzählte er dem Amerikaner bis
in die kleinsten Einzelheiten alles,
was sich zugetragen von dem Mo
ment an, da er den gefälschten Brief
erhalten hatte. Als er geendet,
wünschte Tracey die gefälschten Briefe
zu sehen.
.Ich habe sie nicht bei mir," der
setzte Arnold.
.Erinnern Sie sich noch Ui Da
tums?" fragte der Amerikaner.
Gewiß. Beide Briefe waren am
23. Juli geschrieben."
Hm, hm und am 24. auf die
Post gegeben. Sonderbar!"
Nur einer wurde durch die Post
expediert. Der andere wurde durch
einen Boten i'berbracht."
.Haben Sie auf den gefälschten
Brief geantwortet?"
.Nein. Ich erhiei. tyn erst spat
am Nachmittag. Da ich bestimmt
annahm, er käme von Laura, hofft
ich sie eyer zu sehen und zu sprechen,
ehe ein Brief sie erreichte."
Hat Fräulein Mason nach dem
Poststempel gesehen?"
Nein. Sie hat daS Couvert ver
vrannt."
Schade, schade. Wir hätten dann
wenigstens feststellen können, in wel
chem Bezirk der Brief aufgegeben
war. Aber vielleicht erfahren wir
noch, auf welchem Amt der Brief auf
gegeben war."
.Das wird schwer halten.
Ick) werde es schon herausöekom
men." entgegnete Tracey kaltblütig,
.und wenn ich ganz London durch
jagen sollte.- Sagen Sie, Calvert.
haben Sie kein Geräusch gehört,
während Sie in dr Villa waren?"
.Nein, nicht das geringste. Und
doch " er zögerte.
Wer hat denn eigentlich gesungen,
während Sie mit Miller sprachen?"
fragte der Amerikaner.
Jetzt sprang Arnold auf und blickte
Tracey entsetzt an. .DaS war ja
daS furchtbarste von allem, Tracey!
Ich weiß e nicht!"
Sie waren doch aber in dem
Zimmer?"
Ja, ick, war in dem Zimmer und
ich sah sie Ermordete, in der ich
meine Cusin erkannte. Ich sah den
Polizisten draußen auf und abgehen.
AlS ich dachte, er fei nicht mehr da,
verließ ich daS HauS."
.Einen Augenblick. Sie haben zu
Fräulein Mason gesagt. Sie hätten
gesehen, wie er sich auf das Geländer
des Gartens lehnte. Denken Sie mal
ordentlich nach."
Arnold errötete leicht. .Ich sage
Ihnen die strengste Wahrheit. Ich
war so verwirrt und so bestürzt, daß
ich alles untereinander mischte. Ich
o-rließ oaS Zimmer, bevor der Ge
sang begann. In der Halle wartet
ich ungefähr zehn Minuten, dann
öffnete ich die Tür "
.Warum gingen Sie nicht zurück
und sahen nach, wer drinnen sang?"
.Tracey, ich konnt nicht! Wahr
haftig. ich konnte nicht! Ich war vor
Entsetzen wie wahnsinnig, als ich
das weiße Zimmer verließ. Ich er
kannte die Gefahr, in der ich mich
befand. Als ich in der dunklen
Halle wartete, hörte ich ine weibliche
Stimme .Heimat, süße Heimat" sin
gen. Ich war so entsetzt, daß ich
nicht wußte, waS tun. Mein einzi
ge Verlangen war, aus dem schreck
lichen Hause zu kommen. Ich Lff
netz die Tür und erblickte den Bolizi
sten am Tor. Erst zögerte ich
dann schritt ich auf ihn zu da
andere wissen Sie."
Tracey betrachtete ein Weilchen
angelegentlich seine Stiefelfpitzen
und überlegte.. .Wie töricht von Jh
nen, daß Sie nicht zurückgingen
und nachsahen, wer sang. Vielleicht
hätten Sie dann die Mörderin ent
deckt." .Di Mörderin?"
Ja, die Mörderin. Da eö eine
Frau war, welche daS Lied sang "
.Ich glaube nicht, daß eine Frau
den Mord beging," unterbrach ihn
Kalvert. .Eine Frau hätte sich nicht
der Gefahr ausgesetzt, daß ich zu
riickkehrti."
O, Sie wird schon gewußt haben,
vnß Sie zu Tode erschrocken waren!
Vielleicht dachte sie, Sie wäreu be
reits fort. Machten Sie die Tür
leise zu?"
So leise, daß nicht einmal Mil
ler es hörte."
Tracey schritt ein paarmal im
Zimmer auf und ab. ,Na, ich habe
mir vorgenommen, hier allcS gründ
lich zu durchsuchen
.Wozu?" fragte Calvert verwun
dert.
Um Briefe, Photographien, Tage
buchaufzeichnungen oder ähnliches
Zeug zu finden."
.Sie werden damit kein Glück ha
den. Derrick hat doch bereits die
Entdeckung gemacht, daß mit sol
chen Dmgen hier ordentlich aufge
räumt worden ist wahrscheinlich
hat der Mörder das besorgt, damit
o.is Geheimnis ja nicht enthüllt
wird."
Hm. ja, das mag sein. Abec Der
rick ist ein Narr. Er mag alles aufs
gründlichste durcliiorscht haben
die Aschengrube hat er doch nicht
untersucht! Ich aber habe es getan
und ich fand eine zerrissene Photo
gruphie "
,Bon Brand?" unterbrach ihn Ar
nold rasch.
Nein, von Frau Brand."
Caloert machte ein enttäuschtes
Gesicht. Eine solche besitzt Derrick
bereits
Na ja. er schein! aber nicht zu
wissen, waS er damit anfangen soll.
Auf dem Bild steht doch der Name
des Photograph,'n."
Nun und?"
Und ich werde zu diesem Phoio
graphen gehen und ihn fragen, ob
er vielleicht ein Bild von Herrn
Brand besitzt. Verheiratete Leute
pflegen sich doch mal zusammen pho
tographieren zu lassen. Aber auch
wenn Herr und Frau Brand sich nie
zusammen haben photographieren las
sen, dann ist immerhin die Möglich
seit vorhanden, daß Herr Brand seine
Frau zum Photographen begleitete.
Ich werde schon ein Bild des Herrn
Brand auftreiben."
.Aber wozu?"
Vielleicht führt es mich auf eine
Spur. Vielleicht hat er diejenige
geliebt, die seine Frau ermordete."
Das ist alles Theorie", wandte
Arnold ungeduldig ein.
Schadet nicht," entgegnete der
Amerikaner. Hallo, was ist das?"
Es hatte an der Haustür geklin
gelt. Arnold Caloert trat rasch anS
Fenster, zog sich jedoch schnell wieder
zurück und sagte: .Jafcher steht drau
ßen."
Jascher? Was will denn der hier?
Na, ist mir auch recht. Bin doch
neugierig, den Mann zu sehen,
den Sie als Detektiv angestellt ha
den."
Gleich darauf stand Jascher, dick
und rund und rot und außer Atem,
im Zimmer und war nicht wenig r
staunt, seinen Auftraggeber hier zu
finden.
Ich kam bloß, um mir daS HauS
mal genau anzusehen", sagte er.
.Aber ich hätte es mir nicht träumen
lassen, Sie oder Herrn Tracey hier
zu treffen.
Wie?" fiel der Amerikaner ein,
.Sie kennen meinen Namen?"
Jascher setzte sich auf einen Stuhl
und wischte sich die Stirn mit dem
Taschentuch.
Jawohl. Ich guckte eineö TageS
bei Professor BocaroS zum Fenster
hinaus und sah Sie vorübergehen.
Sie gingen mit einer jungen Dame.
Der Professor nannte mir Ihren
Namen un
.Schon gut. schon gut. Also Sie
sehen mick hier, weil ich das den
Mord umgebende Natsel losen will.
Jaschcr blickte fragend auf Cal
rt.
Sie haben doch diese Angelegen,
heit mir übertragen, Herr Cal,
oert," sagte er in vorwurfsvollem
Tone.
Freilich har er daS", rief Tracey.
ehe Arnold antworten konnte. .Aber
Sie werden für Ihre Arbeit bezahlt,
und ich bin AmateurDetektio. ' E
kann doch niemand was dagegen ha,
ben. wenn ich mich für die Sache in,
Kressiere?"
Nein, daS nicht", versetzte Jaschcr
steif. z.Aber ich ziehe eS vor, allein
zu arbeiten.
tIorisetzung folgt.)
Tiigttche Omaha Tribüne. Mittwach, bett 29. Noiinbet 191ft.
Das Spinnennetz.
Novelle von Kurt AühnS.
Leutnant Jürgenfen war in
Rechtester Laune. Er stand auf
,em Vorschiff deö kleinen Fischdamp
er .Undine" und klopfte ärgerlich
eine Pseife auf dem Geländer der
Schanzkleidung aus. Andere Käme
raden, mit denen er zusammen in die
Flotte eingetreten war, fuhren, der
eine auf einem UBoot, der andere
auf einem kleinen Kreuzer, sie
hatten Gelegenheit zu großen Taten,
und wahrlich, sie hatten diese Gele
genheit wahrgenommen! und er
saß hier auf diesem kleinen Kasten
von ischdampfer, der zum Minenle
ger eingerichtet worden, und war im
ganzen Kriege noch nicht über die
Danziger Bucht hinausgekommen.
Wie hatte er sich gefreut, als ihm
ein selbständiges Kommando anoer
traut worden, und ein Bordkommando
dazu, wo doch so viele Kameraden am
Land Dienst tun mußten, aber jcht,
wo Wochen und Monate verstrichen,
und immer noch sich ihm keine Aus
ficht eröffnete, hinauszugehen, einju
greifen in den großen Kampf, da
verging einem schließlich doch die
Laune, aber gründlich. .
Es war ein trüber Nachmittag,
der Himmel grau wie der Fluß, der
mit schnellen Wogen an dem kleinen
Fahrzeug vorbeirann. Drüben die
flache Küste lag grau m grau, und
die Türme und Dächer der Stadt,
die durch einen leichten Schnkkschleier
verhüllt waren, hoben sich in unstche-
ren Rissen in den trüben Himmel.
Es wurde Zeit zur täglichen Pa
lrouillenfahrt. Jürgensen griff zum
Maschinentelegraphen, und, leicht in
die Wogen tauchend, setzte sich die
Undine in Bewegung.
Wenn sich die Schrauben drehten
und die Wogen unter ihm rollten,
fühlte sich Jürgensen noch am freie
sten und am ersten ausgesöhnt mit
cm Schicksal. Er atmete Seebrise,
fuhr in See, wenn es auch immer
dieselbe Krebsfahrt längs der Küste
und quer durch die Bucht war, um
die Minengürtel nachzusehen. Ach,
mit förmlicher Sehnsucht dachte er
an semen großen Frachtdampfer, den
cr in Friedenszeit geführt, und an
die freie Unendlichkeit des Ozeans.
Indes lief die .Undine" mit voller
Kraft. Bald lag die Flußmündung
hinter ihr, ein sieiser Nordwest wehte
ihr entgegen, und schäumende Wo
genrücken rollten gegen ihren Bug.
Ein wackeres Schiffchen, dachte Jur
gensen. Es war doch kein schlechtes
Fahrzeug, das er führte.
Das Land hinter ihm, die ferne
Stadt mit ihren verschneiten Da
chern, war verschwunden. Nur wie
cin dunkler Strich hob sich die ferne
Küste mit ihrer vorspringenden
Landzunge ab. Da tauchten lenftits
dieser Landzunge Mäste auf, graue
!schljfskorper, mehrere lange Rauch
sahnen wehten über die bewegte See.
Jürgensen griff zum Glase: cin
deutsches Kreuzergeschwader. Wie
graue Schatten zogen die schnellen
Schisse heran. Im selben Augenblick
schlug der Funkspruchapparat an.
Der Telegraphist brachte die Depe-
sche: dem Geschwader anschließen,
Jürgensen stockte fast der Herzschlag
vor freudigem Schreck, als er daö
las.
So fchnellen, rafchen Schrittes
war cr noch nie auf seiner Kom
mandobrucke aus und abgegangen als
heut. Im Kielwasser der großen
Kreuzer stampfte seine kleine Un
dine" fröhlich dahin. Die Dunkelheit
sank; von der fernen Küste, die sonst
mit Blink und Leuchtfeuern so reich
ausgestattet war. glühte kein Licht;
auch das Kreuzergeschwader fuhr ab
geblendet dahin, nicht der kleinste
Lichtschein fiel aus ngend einem
Fenster. In scharfer Fahrt ging es
durch die Nacht. Nur die Wogen
klatschten, und der Wind wehte.
Jürgensen. in der Freude seines
Herzens, hatte sich einen Grog berei
ten lassen, so steif wie möglich. Den
schlürfte cr, sobald er auf einen
Augenblick in das Kartenzimmcr fei
nes Steuerhauöchens trat.
Es wird ja doch blos solche Kü
stenkrebserei," sagte der alte Peters,
sein Steuermann, der trotz seiner 57
Jahre noch freiwillig Dienst tat.
Sind Sie aber ein unzufriedener
Mensch!" lachte Jürgensen. .Ich bin
heilfroh, daß wir überhaupt mal auf
See kommen. Ihnen ist das noch
nicht genug."
Der Alte beförderte seinen Priem
über Bord, zuckte die Achseln und
erwiderte: Auf See! Hat sich was
mit See, Herr Kapitän.- Wie die
Spinne am Netz arbeiten wir."
Wieder lachte Jürgensen. Nich
übel, der Vergleich!" antwortete er.
Leider sehr wahr!"
Als der Tag graute mit trübem
Schein, erschien wieder der Küsten
streifen in Steuerbord. DaS aber
war kein deutsches Land mehr, es
war die russische Küste.
Ein anderes Lüftchen wehte hier
Ein rauher Nordwind fchnob über
die grau und wild sich aufbäumende
See, Flocken rieselten aus dem Ge
wölk, und die flache Küste glänzte
weiß herüber: weißer Schnee. Ein
paarmal mußte man große Felder
Treibeis durchschneiden, das Eis
knirschte gegen die Flanken der
Schisse und krachte unter den Schla
gen der Schraube. So führte man
einen doppelten Kampf gegen den
Feind und gegen eine wilde, feindli
che Natur.
Ein einiges Mal erschienen Ee
gel auf der einsamen See: eine Fi
-r,-ji!ff- m.Aj.m
cycrsioiiiu. iiuie im ytin uma"
ich der eine Kreuzer auf dieselben
und nahm sie gefangen. Die Beman
nungen mußten an Bord des Kreu
zerö gehen; fo konnten sie den Vor
marsch des deutschen Geschwader
der feindlichen Flotterlleitung nicht
mehr verraten.
Jürgensen hatte sich wahrend der
Tagesstunden etwaS niedergelegt, um
frisch zu sein. Die nächst Nacht
würde die große Stunde bringen, die
lang und heiß ersehnte: den ernen
Zusammenstoß mit dem Feind.
Je mehr sich da Veschwaoer vem
Ziel feiner Fahrt näherte, desto mehr
vergrößert es seine Marschgeschwin
digkeit. Die stolzen Kreuzer jagten
dahin, daß die See vor dem messer
charfen Bug in schneeweißer Aran
dungslinie aufschäumte.
Die Maschine der kleinen .un
dine" arbeitete waS sie konnte; daS
wackere Schiffchen hob sich aus dem
Wasser wie ein Tümmler, aber die
Entfernung zwischen ihm und dem
Geschwader wurde großer und gro
ßer. Als es wieder Nacht wurde über
dem brausenden Meer funkte Jür
gensen hinüber: Kann nicht mehr
folgen! Ein kurzer Augenb.lck,
dann kam die Antwort des Geschwa
derchefs, chiffriert. Jürgensen trat in
das Stcuerhäuschen, sie aufmerksam
zu entzifsern.
Gllchtumspruht zagten die machn-
gen Meeresrenner jetzt von bannen,
wie ein dahingaloppierendes Roß,
eine lange Wolke Staub, so eine
spritzende Wolke Gi cht, eine lange
Fahne zerflatternden Rauches hinter
sich zurücklassend.
Bald war die .lindine auein aus
der nachtdunkeln See.
Der Maschinist schlug den Te'.e
graphen an Und rief durch daS
prachrohr hinauf, die Kessel yiel
ten den Ueberdruck nicht mehr auS.
Jürgensen mußte die Fahrt mäßigen.
Er übergab seinem Steuermann
die Wache und studierte im Karten
Häuschen das Fahrwasser. Ab und
zu trat er wieder hinaus und suchte
mit seinem scharfen Gla e den Ge
sichtskreis ab. Kein Wort kam über
eine Lippen, er war in seiNe Arbeit
versunken.
In Backbord tauchte letzt ebenfalls
ein Streifen Land auf. Am Ziel!
Zs war die Einfahrt in den großen
Meerbusen, dem der Angriff des Ge-
Ichwaders galt. Jürgensen atmete
unwillkürlich tief auf und verdrp
pelte seine Aufmerksamkeit.
Es mochte Mitternacht sein. Da
erschien plötzlich ein kurzes blitzarti
geS Leuchten in den Wolken, mehr
mals, dann eine Pause, und übet
mals.
Nanu?" brummte der alte Pe
ters, ein Gewitter? Kömmt bei
Schneeluft vor. Sieht aber doch wie
ein Gewitter nicht aus.
Jürgensen beobachtete den Him,
rnel. Das ist Widerschein von Ge
schützfeuer!" fagte er dann. Sie sind
aneinander.
Der alte Peters rieb sich frohlok
kend die Hände. Da müssen wir
auch ran!" lachte er in den Bart.
Volldampf voraus, Kapitän!"
Wir können nichts dabei tun,"
sagte dieser. Was sollten wir dort
nützen?" Zugleich ließ er das Nuder
hart umlegen und hielt scharf aus
die in Backbord erschienene Küste zu.
.Donnerwetter! fluchte Peters,
er war Kriegsfreiwilliger, nie Sol
dat gewesen und an die strenge, mili
tärifche Unterordnung nicht gewöhnt.
.Wir haben neun Monate den Hafen
abgekrebst. Jetzt geht's los! Kapitän.
wir messen dabei sein.
Ich habe meine gemessenen Be
fehle," versetzte Jürgensen, die Stirn
runzelnd. Verstanden?
Der alte Seebär unterließ eint
Entgegnung, aber er ballte die Fäu
sie erregt in der Tasche seiner dicken
Flauschjacke.
In den hohen Wogen rollend
stampfte die .Undine" dahin. Eme
Weile standen die beiden nebeneinan
der auf der Brücke, Von fern leuch
teten und blitzten die Schusse; den
Donner verschlang der Wind. .Hol
der Deuwel unsern alten Kasten!"
fluchte der alte Peters, der nicht
mehr ün sich halten konnte, wieder
los. .Hol der Deuwel unsere ganze
Spinnenarbeit. Pfui Spinne!" Und
wieder beförderte er ein Primen über
Bord.
.Jeder hat sein Teil zu tun," er
widerte Jürgensen scharf, selbst er
regt. Wer sich in das Ganze nicht
einordnen kann, der bleibt besser da
von."
Abermals entgegnet der alte Pe
ters nichts; er brummte nur leise
und gereizt m feinen alten Schiffen
bart.
Ein halbes Stündchen Damp
voraus, und man hatte sich der Küste
bedeutend genähert. Man sah die
vorgelagerten Scharen, kleine Felsen
inseln, die die See mit schäumenden
Wellen überspülte; man erkannte die
felsige, schneedehangene Küste, an der
die Brandungslinie in , hellen
Schaumwollen wild emporsprang,
Und fern leuchteten und blitzten die
Schusse. Jetzt ein flammender Schein
der ven ganzen Himmel kötete.
,Da war eine Explosion, ein
Torpedo!" rief der alte PeterS. .Ka
pitän, am Ende einer von unsern
Kreuzern! Wir müssen hin, ret
en!" Beinal, flehend packte er einen
Kapitän am Arm und schüttelte ihn
auS Leibeskräften.
Jürgensen hatte seine alte Ruhe
wiedergewonnen. Ein freundlicher
Blick traf den Alten. Aber er schüt
elte den Kopf. .Nichts da!" erwt
teile er fest.
Der Alte drehte sich um, vervii
en, wütend, und stampfte mit dem
Bein auf. .He het keene Courage!
knurrte er achtungswidrig.
Iuraemen überhörte die Bemer
kung. Seine Aufgabe nahm ihn voll
in Anspruch.
In den Brandungswellen furcht
bar rollend, suchte die kleine .Undi
ne" ihren Weg, Jürgensen hatte die
Karte vor sich und verfolgte darauf
unverwandt ihren Kurs.
Auf einer Schäre erhob sich ein
dunkler, kurzer Leuchtturm; natür
ich führte er kein Feuer.' Eine
chmale Straße erosinete sich hier
und ein kleines geschütztes Hafenbek
ken. und darin lagen drei dunkle
Schiffskörper, russische Linienschiffe.
.So!" sagte Jürgensen ganz lel,e.
ganz ruyig. aber m leucylenoen,
eine innere .Erregung verratenden
Augen, hier wollen wir unser
Spinnennetz weben, Alter!
Der Mafchinentelegraph schlug an.
w t . rm . r r i
,m unneyen war vie cann cyasi
alarmiert, alles flog an die Arbeit.
Leise glitten die Minen über Bord,
anasam webte die Undine , gedeckt
von den Felsen, ihr unheilschwange
res Netz. In kurzem war die schmale
Einfahrt von einem doppelten Ml
nengürtel übersponnen.
Geräuschlos, wie sie gekommen,
uchte die .Undine , alle Maschinen
kräfte anspannend, das Weite.
Das seine Blitzen hatte 'ndes aus:
gehört. Da stob es heran, von wer,
em Gischt umhüllt, das deut.che
Geschwader. Noch immer rötete der
erne Feuerschein den Himmel, von
einem brennenden feindlichen Schiff,
der brennenden Stadt dort unten rm
geschütztesten Winkel des Meerbu,
sens. Der Vorstoß war gegluckt.
Noch war die deutsche Flotte fern
ab. Jetzt war's Zeit, ihr den Weg
zu verlegen. Auf der russischen Flotte
in der engen Felsenducht wurde Xjc
ben, die Anker gingen auf, die gro
ßen Panzer dampften in Kiellinie
an.
Man sah die Rauchwolken ihrer
Schlote fchwarz über die fchneebe,
hangenen Felsen steigen. Mit ge
spanntest Aufmerksamkeit spähten
Jürgensen und der alte Peters hm
über.
Jetzt erreichten die Panzer die
Ausfahrt. Jetzt mußten sie auflau-
fen! Nichts! Immer noch nichts?
Wieder horchten und spähten die bei
den. Da ein furchtbarer Knall,
Flammengarben, zum Himmel auf,
schießend, rn brandiger Glut.
.Der hat's weg!" schrie der alte
Peters. Kapitän! Dat is Ihr
Sieg." Jürgensen lachte leise und
herzlich. Er kannte ja feinen Atten
mit dem heißen, jugendlichen Her,
zen.
Am andern Tage lag die .Undi
ne wieder aus ryrer Neeoe rm im
len Wasser. Der alte Peters ließ rein
Schiff machen, aber wie rem Schiff
Blitzsauber mußte sie aussehen, ihre
kleine, tapfere .Undine .
Ich sage nichts mehr gegen die
Spinnengewebe, Herr Kapitän," sag
te er zu Jürgensen, der eben an Deck
kam, .namentlich wenn sich so ein
dicker Brummer drin sängt. Ich war
ein rechter Esel, Herr Kapitän! Je
der tut sein Teil, das ist wohl
wahr, Herr Kapitän, wohl wahr!"
Jürgensen klopfte dem wackeren
Alten nur auf die Schulter, lächelnd.
Er erwiderte nichts.
Lebensprogramm.
In hellen Tagen
Die Saiten schlagen.
Daß jauchzend mein Lied zu den Wolken
zieht;
In Höh'n und Gründen
Die Blume finden.
Die mir nur Nein zur Lust erblüht.
In trüben Zeiten
Die Sonne erreiten,
Die fern zum Lande der Schatten floh;
Die Grillen und Klagen
um Teufel jagen.
Im Herzen heiter und kampfeZfroh.
',ur rechten Stunde
Nit lackendem Munde
Das Glück mir zwingen in Ewigkeit;
Aus blinkenden Sternen
Mein Schicksal lernen
Und singend dann lvantern tveltenweit.
In Nacht und Stürmen
Die Rose schirmen,
Die einst mir die Liebste an'S Herz ge
steckt
Rößlein, wir reiten
In lachende Weiten!
Ich habe mein leuchtendes Ziel entdeckt I
C. Kshhepp.
Arthur Starb, bet 17
jährige Sohn des Prof. E. D. Star
duck von der Staats-Universität in
Iowa City. Ja., wurde von den
Großgeschworenen wegen Diebstahls
in Anklagezustand gestellt. Der zung
Mann hatt eingestanden, aus ver
schließbaren Garderobe-Schränken deö
County ClubS 60 Dollars gestohlen
zu haben,
Lazarctt-Jdyll.
Tle Berdrüderung deutscher und ftan
Ssischer Verwundeter i der Schweiz.
Ein Saal des Schweizerischen La
zaretteS in L., so berichtet ein Berner
Blatt, war mit acht Kranken, vier
Franzosen und vier Deutschen be
legt. Sie waren als invalide Gesänge
n eingeliefrt und hier einer rneuien
Operation unterzogen worden.
Zwi chen Bett No. 4 und Bett No.
5 war keine Grenze, fondern nur ein
schmaler Gang, und das Tischchen am
Kopsende trug die Geräte für beide
Patienten. Jakob Wagner lag vxi
Bett No. 4, No. 58 waren von den
vier Franzosen belegt. No. 5 hieß Ga
ston Lemer. .Bon iour , lagt die er
am Morgen nach Bett No. 4 hin. .'n
Tag", antwortete Jakob, und beide
drehten den Kops weg. Gaston hatt
eine schwere Schußverletzung unterhalb
des Knies gehabt, das Bein war steif
geblieben. Jakob war der Oberschenkel
durchschossen, immer neue Knochen
splitter mußten entfernt werden. Ga
ston war einen Tag später als Jakob
Wagner drangekommen. ' Nach einem
schmerzensreichen Tag schlief Jakod
am zweiten Abend nach der Operation
übermüdet ein. Da wachte er von ei
nem leisen Stöhnen auf; bei dem mat
ten Licht sah er, wie sein Nebenmann
No. 5 ein Tuch auf den Mund drückte
wohl um durch das Stöhnen niemand
zu wecken. Das Stöhen wurde zu ei
nem Aechzen, und Jakob sah eme
fieberheiße Stirn und dunkle Lip
pen. Er wollte dem Pfleger nicht klin
geln, um die andern, in erschöpftem
Zustand eingeschlummerten Patienten
nicht zu wecken, auch wußte er, daß
der Pfleger in kurzer Zeit zurückkeh
ren müsse. Ein kurzes Zaudern und
Ueberlegen: würde er sich aufrichten
können, lohnte es sich wegen des
Franzosen?" Leise fragte seine Stim
me: Was hascht. Kamrad?" Ein
paar unverständliche Laute als Ant
wort. Vorsichtig schwang sich Jakob
auf feinen Bettrand und in sitzender
Stellung rollte er mit dem gefunden
Fuß sein Bett naher zu dem Bett No.
5. Seine kühle Hand legte sich prüfend
auf die Stirn des Fiebernden, der
undeutliche Worte stammelte und die
Gebärde des Trinkens machte. Mit
der freien Hand goß Jakob Wasser in
das Glas und gab dem andern zu
trinken; an dem Blick der Augen er
kannte er den Dank, dessen Worte er
nicht verstand. Er legte fein in Wasser
getauchtes Taschentuch dem Kranken
auf die Stirn, dann wendete er daZ
feuchte Kissen um. Wie ungewollt blieb
die eine Hand an dem Kopf des Fie
bernden liegen. Es war ine große,
kühle Menschenhand, und der andere
mochte die Selbstverständlichkeit der
Geste nicht fühlen, aber er empfand
die beruhigende Nähe eines Menschen.
So blieb Jakob sitzen und rührte sich
nicht, bis der Pfleger kam und sich
des Kranken annehmen konnte.
Tage waren vergangen, beide Pa"
tienten kämpften mit Schmerzen und
Erschöpfung. Wochen vergingen, bis
sie aufstehen sollten. Wie sich No. 5
mit feinem dick verbundenen Bein zum
erstenmal auf den Bcttrand setzte und,
vom Wärter gestützt, erhob, tönte es
zu Jakob hinüber, beinahe fragend,
demütig dankend .Bon jour, Kam
rad". .Bong Schur", antwortete Ja
lob und humpelte zur selben Tür hm
aus. Es kam, daß beide, No. 4 und
No. 5, sich täglich auf dieselbe Bank
im Garten niederließen, auf die Bank,
die so warm von der Herbsifonne be-
strahlt wurde. Sie fahen sich nicht an
und sie sprachen auch nicht miteinan
der, denn keiner hätte des andern
Sprache verstanden. Sie saßen, wenn
Post verteilt war, und rauchend, wenn
Liebesgaben eingetrossen waren. Heute
faßen fie wieder, beide mit einem Brief
in der Hand, auf der Bank im Gar
ten. Die milde Herbstsonne verklärte
den einfachen Garten. Langsam, wie
goldene Tropfen, sanken die Ahom
blätter auf die Erde herab.
Fröres ennemis beide gleich in
ihren grauen Lazarettkutten und den
dicken Tuchschuhen an den Füßen.
Beide mit zögernder Hoffnung in ein
Noch dunkles Leben zurückkehrend. Ein
jeder las seinen Brief, und las ihn
wieder, und plötzlich wandten sie ein
ander die Gesichter zu, und jeder sah
in des andern Augen Tränen stehen.
.Maman?" fragte No. 5, .Mama",
antwortete No. 4 mit feuchten Augen,
nickte und deutete fragend aus deS an
dern Brief. Da legte sich eine trö
stende Hand in warmem Empfinden
auf Jakobs Schulter, der Dank für
die empfangene Wohltat im Lazarett,
das Mitgefühl für den Menschen, der
sich heim sehnte, gleich dem andern.
Bon jour Kamrad", tönt es von
nun ab jeden Morgen im Lazarett,
sobald sich Deutsche und Franzosen
begegnen. Bong Schur, Kamrac",
antworten die Nachbarn.
Henry I. Schanewerk, der
vor drei Jahren eine unbemannte,
über die Schienen in voller Fahrt
hinrasende Lokomotive zum Still
stand brachte und für die hierbei be
wiesene Bravour mit einer Carnegie
Medaille geehrt wurde, hat in Fort
Worth, Tex.. seinem Leben in Ende
gemacht. Schanewerk litt seit meh
rercn Jahren an heftigem Rheuma
tismus und es wird gesagt, daß er
die furchtbaren Schmerzen icht lnn
ger aushalten konnte,