Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, November 09, 1916, Image 7

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    Tägliche Omaha Tr!be
V
FslKssimmung in Fußland.
Von Dr.
AIS ich cc etwa einem halben Jahr
den damalige Stand der ruffischkn
Krisis schilderte, sprach ich ,Z , bnf)
die Stimmung des russischen Volke! 'u
verlüffig und ai. Ausruhr nicht zu denkn
sei. Ich kann mich jetzt nicht mehr mit
gleicher Bestimmtheit zu derselben An
ficht bekennen.
iAt revolutionäre und anarchistische
Propaganda schlaft fit Rußland nie und
private Nachrichten, die Vertrauen der,
dienen, besagen, das, sie jetzt eifriger am
Werke ist. denn je. Die ist auch 'keines,
weg! verwunderlich. Ganz allgemein,
auch silr die westkiiropäischen Staaten
gilt Z. dah dieser Krieg durch seine lan
ge Dauer, durch den bedingungslosen
und unbegrenzten Lieg des staatlichen
Prinzips über das individualistische,
durch die bisher unerhörten Opfer, die er
dem ganzen Volke und federn einzelnen
auferlegt, geeignet ist, als Gegenwirkung
anarchistischen Tendenzen Vorschub zu
Kisten. In Rußland aber kommt hinzu,
daß die Gründe, die .den russischen Lide,
ralismuS und einen Tci. der Sozial
demokratie zu bedingungslosem i.rieejS
willen bestimmen, viel ii kompliziert
sind, um den infamen Massen einzu
leuchten. Diesen fehlt daher das posi
tive Moment, das ihnen Widerstands
kraft gegen zerfetzende Einsliisse verleihen
könnte. Und es liegt auf der Hand, das)
Zustände, wie die geschilderter,, eine
wahre Brutstätte siir revolutionäre und
anarchistische Strömungen bilden mscn.
Zwar die sogennnitn. 'ussisckie Jntelli
gcnz", die an der Revolution vor elf
Jahren einen hervorragenden Anteil
hatte, ist jetzt nur für Evolution und
Segen alles, ,oa! di; kriegerische K.aft
es Staates schwächen könnte. Aber in
den breiten Massen des Volkes beginnt
ls stärker und stärker zu gähren. Her
Ezialdemokrat Äurjanow sagte schon in
der Dumasitzung vom 13. Juni: Der
- wirtschaftliche Versall. der im Lande
wütet, verstärkt sich mit jedem Tage. Die
Verarmung der breiten Massen schreitet
mit schnellen Schritten vorwärts und die
Unzufriedenheit wächst." De: Sozial
demokrat Skobclew, der es ebenfalls
wissen muß. erklärte in der Duma am
18. Juni: Die Streikbewegung der Ar
dciter beginnt in breiter Welle über ganz
Rußland hinzurollen." '
Aber es ist nicht nötig, sick, auf private
Nachrichten und die Aeußerungen sozia
listischer Abgeordne!,: z berufen. Ob
gleich die Zensur natürlich streng darüber
zu wachen sucht, daß nichts de gcS in
die Zeitungen drinat, findet doch, wer die
russische Presse ausmerksam verfolgt, in
den letzten Monaten so , viele deutliche
Anzeichen der wachsenden Unzufrieden
hat, dasz nu. ein geringer . eil davon
hier angeführt werden kann.
Nachrichten über die Streikbewegung
werden natürlich unterdrückt. Aber selbst
wenn in der Tuma nicht davon die Nlde
gewesen wäre, müßte man ihr bedroh
jicheS Anwachsen aus der besonderen
lglichkeit schlisün, mit dem das
'Zentrale Kriegöindus!rieKon-itee" jetzt
die Begründung von Einigungskammern
zwischen Arbeitern und Unternehmern
betreibt. Dies Komitee ist keine amt
liche, sondern eine soziale Organisation
von größter Bedeutung, die sich jetzt schon
über ganz Rußland erstreckt und zur
Förderung der kriegerischen Aufgaben
des Reichs ins Leben gerufen wurde.
TaZ Komitee hat natürlich Vertrauen
zur Organisation der sozialen Kräfte,
also auch der Arbeiter, und fordert die
EiniguMkammern IS ein Mittel, die
Streikbewegung einzuschränken. Aber
diese Einrichtung kann weder im Wege
der Verwaltung, noch der Gesetzgebung
ins Leben gerufen werden. Denn die
3!cj ung weigert sich, weil sie weit
pelj 'scher in bezug auf die Arbeiter
scha,. ..als das Komitee. Die 31 f
gierutz fi schon bisher die Rolle, die
den A, jergruppen im Kriegsindustrie
somit ifä'flt, mit dem größten Miß
traue oUichtd, sieht in ihnen eine Art
revol inärer Zentralstellen und fürchtet
offen t, die Gefahr noch zu vermehren,
wen ,,e den Arbeitern in Norm der
Eirfl'' zgskammern eine neue Organisa
tik.Sbt. Dagegen hat sich die Mos
kauer Abteilung des Komitees, Uu die
Rjetsch" berichtet, noch am 10. August
auf den Standpunkt gestellt, daß im
Interesse der Ruhe die Eiliigungskam
mein -hre Tätigkeit unverzüglich begin
nen und. jfcabri hauptsächlick, auf die
öffentliche Meinung stützen müssen, in
dem sie.. '..Beruhigung in die Arbei
tkimassen hineintragen."
Aber das Mißtrauen d.. Regierung
richtet sich keineswegs nur gegen die Ar
btitergruppen. sondern In ihrem ganzen
Umfange gegen die drei gewaltigen so
zialen Organisationen, die während des
Krieges in Rußland entstanden sind:
den allgcmeil.m landschaftlichen Verband,
den allgemeinen städtischen Verba.id und
das Kriegsindustriekomitee. Jwor ficr
kennt die Regierung keineswegs die große
Tragweite der Unterstützung, die sie auf
allen Gebieten der Rüstung, Verpflegung
und Kricgshilfe von diesen Verbänden
nhaltm hat. Demwch hemmt sie deren
kgamfatorischk Tätigkeit, wo dies nur
angängig ist, verbietet ihnen die Einberii'
fung von Kongressen, und so fort. Die
' Gründe dafür lagen auf 'r Hand, sie
wurde aber vollends aufgedeckt, als vor
iniger Zeit, wie telegraphisch richtet,
in der Presse Nachrichten Über eine Denk
,christ erschienen, die, aus der nächsten
Umgebung Stürmer stammend, sich inkt
den sozialen Organisatiinien befaßte.
Tust wurde w der Der.lsdnif ohne
Umschweife siaatkgefuh.lichkr Sefiicj'it
beschulöfgtt sie Uitlm t sich WM Aele
, gesetzt, tk .höchKes. MttdeS enttiKl"
zu biiden, das di: sozialen Kräfte des
Landes auf Grund .einer gewissen Ein!
gung und Disziplin dirigiere' mit dem
konspirativen" Zweck, eine t!sn
. wa'szung herbeizusühren,"
Besonders interessant war ein Passus
- über die Lerpflegungsorganijatio der
Hsvk Borst.
genannten Verbände. Die llUilxiide,
hieß k da (ich referiere dies aus dem
ft'bh'chtni), tottkn erkannt, b-i da so
litische Programm des sortsairittlichen
Blocks kxt den Ziolkömassen nicht genil
$tn') Zugkraft besitze, und daß die Un
Zufriedenheit des Volkes daher den ge
nannten Organisationen über den Kopf
zu wachsen und einen allgemeinen Um
stürz vorzubereiten drohe, d. auch die
sozialen Organisationen verschlingen
könnte. Diese hatten daher ihre ganze
Aufmerksamkeit der Verpflegung der B
völkerung zugewandt, um durch ihr Lei
stlingcn auf diesem Gebiet ihr Ansehen
beim Proletariat zu befestigen. Si sei
deshalb erforderlich, daß die Regierung
ihrerseits als Gcnmaßregkl die Ver
pflcgungsfrage energisch in die Had
nehme, um das Proletariat zu gewinnen
und die Verbäüde Ihre Nimbus zu ent
kleiden.
Dies ist nun freilich leichter gesagt als
getan. Daß aber o'.e Denkschrift kci
nesmcgS nur durch ZeitungStritsch den
Anschein der Wichtigkeit erhalten hat.
sondern tatsächlich im allgemeinen die
Ansichten er höchsten Regierungsstellen
widcrgibt. erseht man aus vielen Tat
fachen der Regierung den Verbänden ge
ger.über. Nur ein Beispiel dafür, wie
weit daS geht: 5)as Kli.gsindstriekomi
tce hat biehcr einen außerordentlich gro
ßen Teil der gesammten Leercslieferun
gen übernommen und ihre Ausfüb'ung
dadurch überhaupt erst ermöglicht. üjen
noch beabsichtigt aS Kriegsmiiik'erium
jent. dem Komitee, um eS zu sch.cächen,
die Aufträge, so weit als irgendmöglich,
zu entziehen, obgleich die Landesverteidi
gung dadurch gewiß eine empfindliche
Einbuße erleiden wird.
Die von der Regierung subventionierte,
konservative Semschtschina" geht sogar
noch beträchtlich weiter und bezichtigt die
gesamte Majorität der Dum . revolutio
närer Absichten. Das Blatt schrieb An
fang Juli mit Bezug auf greifst Be
ftimmungen des Baucrngesetzes: Nickt
die Sorge um die Bauern hat die ' ,ma
geleitet, sondern der Wunsch, die Branv,
ftifter, Pferdediebe und Schankwirte in
den Dörfern zu belassen, als die zuver
lässigsten Agitatoren für den Fall neuer
Wirren."
Alle diese Ansichten sind zweifellos
schief und übertrieben. Der fortschritt,
liche Block und die großen Verbände sind
von revolutionären Zielen weit entfernt.
Gewiß ist e! richtig, daß eine mächtige
und weitverzweigte Organisation, wenn
sie einmal besteht, auch zu einer Macht
probe benutzt werden kann. Aber jetzt
Wcht die Gefahr nicht von hier, nicht
von der Intelligenz, die h'.er d'. Füh
rung hat, sonder von unten her. Die
erwähnten Zeugnisse sind deshalb na
mentlich inso'crn wicbtig, daß sie bewei
scn, wie unsicher sich die herrschenden
Kreise fühlen rd mit welcher Besorgnis
sie auch die Stimmung des Proleta ials
beobachten.
Es gibt dafür noch eine Reihe anderer
sicherer Anzeichen. Die Furcht, die Be
völkerung noch mehr zu erregen, waltet
offtnkundicz in allen Maßregeln Vor
einiger Zeit wurde in der PdetfHrgti
Stadtverwaltung, !n Anbetracht der all
gemeinen Knappl)eit, über die Einfüh,
rung von Lebensmittelkarten beraten.
Nach den möglichst diplomatisch gefaßten
Berichten war diese: Plan mit folgender
Begründung abgelehnt worden: Da man
nicht dafür garantieren kann, daß die Vor
rate derartiger Produkte, wie fflcisch und
Zucker, stets in genügender Min,,, vor
Handen sein werden, so ist die Einfüh
rung des, Kartensystems unmöglich, ohne
die Erregung von Unzufriedenheit in der
Bevölkerung befürchten zu müssen." Wie
der Vogclstraußpolitik. Denn daß die
betreffenden Waren in völlig unzurci
chendcr Menge vorhanden waren und
sind, mußte die ganze Bevölkerung ja
täglich biter fühlen. Aber man furch
tcte sich, durch die Einführung der Kar
tcn dokumentarisch darzutun, wie gering
die Mengen jwd, die auf den einzelnen
Einwohner entfallen. Das wäre neuer
Agitationsstosf gewesen. Genau das
selbe hat sich auch in anderen ' tä'dten
eignet.
Scheint tl nicht oft, als wenn gerade
die Anekdote, die Affäre", der russischen
Politik der Gegenwart ihr unheilvolles
Gepräge gibt, wie der französischen in
der Zeit vor der großen Revolution, in
der Zeit der Haisbandgeschichten? Ich
erinnere nur an den RschewskiSkandal,
die Afsären Schuchom'.inom und Raspu
tin-Kagliostro. die sämtlich i die höchste
Politik des Staats hincinspielen und an
Abenteuerlichkeit von keinem Roman des
älteren Dumas iibertrosfen werden. Doch
dies ist ein besonderes Kapitel.
Inzwischen erscheinen Erlasse, die in
Rußland ungewöhnlich sind und auch
nichts Gutes bedeuten. Der Moskauer
Stadlhauptmann hat seiner Polizei be
foMen, doppelte Aufmerksamkeit auf
höfliche und korrekte Behandlung de,
Publikums zu verwenden." Hin von soll
jetzt sogar die Karriere der Beamten ab
hange, zu der doch sonst mehr Schneid
IS Höflichkeit gehörte. Vor Tische las
mons eben anders.
Auch in der Armee scheint nicht alles
mehr in Ordnung zu sein. Die 'Militär
gesängnisse sind ossenbar überfüllt, durn
Ende Mai wurde die Bestimmung er
lassen, daß eine ganze Anzahl von Ka
tegorien der Militärsträflinge auch in
Zivilgcsängnisscn untergebracht werden
dürfen.
Die militäsIjN Moglühkellei, zu be
urteilen, nruß Ich deck Spialiste. über
lassen. Wenn abtt durch das Walai,
iin NÄiklaiidI 'und w Alluthn vtö
vin tVöfn dMie w rookn, auf ttti
EiscböpfungSkrieg ankommt, so rnag das
russische Reich sich vorsehen!
Freilich bin ich überzeugt, daß auch
die schwerste. Katastrophe, die Rußland
während dieses Krieges ereilen könnte,
den Fortschritt diese zukunsisreichen
Stuatci und Lolkit nur aushalten, nicht
Die amtlichen Berichte der deutschen
obersten Heeresleitung sind weltgeschicht
llchc Urkunden, die in Gegenwart und
Vergangenheit ihresgleichen suchen. Nach
Form und Inhalt am nächsten kommt
dem deutschen Tagesbericht, wie der ab
gekürzte Name lautet, sein österreichisch
ungarischer Zmillingöbrudcr. In wei
term Abstand folgen die gegnerischen
Berichte. Auch sie suchen sich nach ihm
zu formen, aber mit weniger Glück, weil
ilmen die Grundbedingung schlichter
Sachlichkeit, und Wahrhaftigkeit mangelt.
Durch diese Eigenschaften hat. sich der
amtliche deutsche Bericht im Nachrich
tenkricg, der auf der Gegenseite vielfach
in so widerwärtigen und abstoßenden
formen geführt wird, als eine ebenso
blanke wie wirksame Waffe In der Hano
der Deutschen erwiesen. Nicht nur als
Mittel dieser neuen Methode der Kriegs
sührung, sondern überhaupt in der Ge,
stalt, die er nach mancherlei 'Wandlun
gen seit Ausbruch des Krieges angcnom
inen hat, wie auch die Berichte der übri
gen Kriegführenden eine Neuerscheinung
des an Neuerungen fruchtbaren Welt
kriegcs. bildet er als etwas geschichtlich
Gewordenes den Schlußstein einer Ent
Wicklung, die sich bis auf die Anfänge
einer geregelten Kriegsführung zurück
verfolgen läßt.
Das klassische Vorbild des deutschen
Tagesberichts sind die Berichte des Gro
ßen Hauptquartiers aus dem deutsch
französischen Kriege. Die Kriege zwi
schcn 187 bis 1914 haben mit der Ver.
mchrung und Verfeinerung der Nach
richtenmittel deren Bedeutung für das
Kriegswesen verlieft, deren Nutzen und
Gefährlichkeit richtig schätzen gelehrt und
den Grund zu der heutigen Monopol
stellung der amtlichen Berichterstattung
gelegt. Die Zeit von 187 bis Napoleon
I. rückwärts erwies sich trotz der Ein
sührung der Eisenbahnen und Telegra
phcn wenig fruchtbar und anregend. Die
Bulletins" Napoleons ragen als ein
weithin sichtbarer Höhepunkt hervor.
Ruhmredig, phrasenhaft und zuletzt, wie
das berühmte Bulletin aus Smorgan
nach dem Untergang der großen Armee
in Rußland 1812: S. M. der Kaiser
hat sich nie besser befunden!" nicht mehr
frei von Spuren des Cäsarenwahns, sing
die politischen und stilistischen Kunst
werke, wie denn ihr Autor den Bulle
tiuismus" zu einer politischen Kunst er
hoben hat. die er in den Dienst der
Stimmungsmache, des ,,Gloire"Bedürs
isscs stellte. Wie manche möchten ihm
heute das wieder nachmachen! Der Zeit
der Kabinettskriege des 13. Jahrhun
derts und weiter zurück lagen solche Ab
sichten fern. Die Kriegsberichte streifen
den amtlichen Charakter mehr und mehr
ab. verlieren sich ins Formlose, Zusäl
lige. Ungeordnete, und erst im römischen
Weltreich schcn wir sie wieder bestimm
ten Regeln und, dem Wesen des Mi
litär und JuristcnstaatcS entsprechend,
strenger Gesetzmäßigkeit unterworfen.
In den hellenischen und hellenistisch:
Staatengebilden zeigt die Entwicklung
im Gegensatz zu Rom ungebundene Frei
heit und Mannigfaltigkeit der Formen.
Am Anfang der Reihe stehen als Vor
läuscr die monumentalen bildlichen Dar
stellungcn, in denen die Despoten des
Orients ihre Kriegstaten verewigten.
Die äußern Bedingungen der militä,
rischen Berichterstattung, die von dem
Urproblem der Ueberwindung von Raum
und Zeit beherrscht werden, haben sich
im Lause der Zeiten stark verändert und
verschoben. Von den drei Phasen, in
die äußerlich die Tätigkeit zerfällt: Ab
safsung des Berichtes im Felde, Ueber
scndung in die Heimat und Verbreitung
unter der Bevölkerung, erledigt sich die
dritte automatisch durch die Tagcspresse
mit ihren hochentwickelten Hilfsmitteln.
Doch haben sich nebenher einzelne ältere
Formen der Verbreitung noch erhalten,
wie öffentlicher Anschlag an belebten
Plätzen und fliegende Blatter (Extra
blätter), Kanonenschüsse und Glocken
geläute bei Siegesmeldungen, sogar die
älteste und ursprüngliche Form der
mündlichen Verkündigung vor dersam
meltem Volke. So hat noch 1870 der
deutsche Botschafter in Wien der Volks
menge von den Stufen eines Portals
herab die Meldung von Sedan durch
Zuruf mitgeteilt. Durch die Auswüchse
der Kriegspsychose im, ersten Stadium
des Weltkrieges ist jedoch dieses Versah
ren um den Kredit gekommen. Im
ganzen genommen hat die dritte Phase
gegen früher die geringsten Verandcrun
gen erfahren, um so starker die zweite
und erste, die obendrein, was die Schwle
rigkeitcn der Ausführung betrifft, Ihre
Rollen getauscht haben.
Die Beförderung des Berichtes aus
dem Felde in die Heimat beansprucht
heute selbst auf weiteste Entfernung
kaum einige Minuten. Früher ersorderie
dieser Akt je nach der Größe der Ent
sernung Tage, Wochen, ja Monate. Und
das ist noch gar nicht so lange hu. D
Depeschenbcfördcrung war bis gegen die
Mitte des vorigen Jahrhunderts aus die
feit den ältesten Zeiten üblichen Organe,
Eilboten (Kuriere) zu Fuß, zu Pferd
(Stafetten) oder zu Wagen angewiesen.
Und uns erscheint der simple Telegraph
heute schon als veraltetes Besörderungs
Mittel! Aber, höre ich fragen, telegra
phiert denn nicht schon Agamcmnon bei
Acschylus den Bericht vom Falle Tro
jas an Klnth'mnkstia? Nein! Er telc
graphicrt ihn nicht, sondern signalisiert
ihn von hn Dardanellen nach Mykenä
wrch verabrevele 'Fk,uvz?zchen Ea-nale).
Außerdem Xsisht die MW KrM.
boM 'SchjjlNkilng Ml" TMUzö huH
vernichten könnte. Gerade während des
gegenwärtigen Völkcrkampfcs sind in
Rußland in reichem Maße positive
Kräsä und Resultate hervorgetreten, die
dem Lande neue glanzeie Möglichkeiten
eröffnen, sobald es ihm gelingt, aus der
S?zsnvsrIi2k.N Krisis hcroorzuIchtn. -.
Fus der Heschichle der
amilichen Kriegsberichte.
AeschhluS in den Einzelheiten (Abstand
der Stationen u. a.) keine technische
Nachprüfung. Immerhin war zu Acschu
Ins' Zeiten und lange vorher die Ueber
mittlung von Nachrichten auf kürzere
oder längere Entfernungen durch Feuec
zeichen bei Nacht. Rauchsignale bei Tag
unter den meisten Völkern gebräuchlich,
ei konnten dadurch aber nur voraus
gesehene und verabredete Mitteilungen
einfachster Art ausgetauscht werden.
Aber auch die Telegraphie ist eine Er
findung des Altertums. Polybius kennt
und beschreibt um 150 v. Chr. eine voll
kommen durchgebildete Methode der
Ferniibertragung alphabetischer Lautzci
che durch Fackclsignale, und von dem
telegraphischen Polnbius-Alphabet zum
wcltbehcrrschenden Morse Alphabet ist
nur ei Schritt, allein es bedürfte zweier
Jahrtausende, ihn zu machen, und ehe
das geschah, ist praktisch nicht telegra
phiert worden. Einzelne besondere
Mittel, wie die ebensalts schon dem Al
tektum bekannten Brieftauben, die bei
den Persern. Galliern u. a. gebrauch
liche Ruspoft kamen ebensowenig in Be
tracht wie die seit der französischen Re
Volution bekannten optischen Telegraphen
nach dem System Chappe. Der Kurier
blieb der so gut wie ausschließliche Zrä
ger beschleunigter Meldungen (Depe
sehen).
Die alte und neuere Literatur führt
vereinzelte Fälle an, daß zu Pferd oder
Wagen unter günstigsten Verhältnissen
bei äußerster Kraftanstrengung bis zu
.4 Meilen (300 Kilometer) an einem
Tage zurückgelegt wurden. Lassen wir
diese leidlich verbürgten Angaben auch
gelten, so können sie doch bei weitem
nicht als Maßstab für die Tagesleistuu
gen der Kuriere dienen. Diese erreich
ten, wenn es hoch kam, 200 Kilometer,
aber nur unter der Voraussetzung gutcr
Straßen und ständiger, jederzeit verfüg
barer Einrichtungen sür Pferde-, Rci
ter oder Wagenwechscl in nicht zu gro
ßen Abständen auf allen Hauptstraßen.
Beides finden wir unter den alten Per
serkönigcn und ihren hellenistischen Er
den, im römischen Reiche seit Augustus
(ur8us pudliu) und dann erst wieder
unter Napoleon I. Die Taxispost hat
in ihren besten Zeiten den römischen
eursu publicus uns de Rclais-Ku
rierdienst Napoleons nicht erreicht. Die
ser brachte es auf 200 bis 250 Kilo
meter täglich, so daß Napoleon in Paris
auf seine Depeschen Antwort aus Mai
land beispielsweise am L., aus Neapel
am 12. Tage haben konnte. Vor ver
Einführung des cur puklie
brachte der alte Caw eine Siegesdepcsche
von den Termopylen in 9 Tagen nach
Rom, die Siegesmeldung von Pydna
(aus der Gegen von Salonil) brauchte
nach Rom 12 Tage. Freilich liefen Ge
rllchte davon schon am 4. Tage um, al
lein wir wissen heute nur zu genau,
wie solche Gerüchte entstehen. Mit Hilse
des eursus publiou brachte der frei
gelassene Jcelus die Botschaft vom To?e
Neros in sieben Tagen an Galba nach
Clunia (Spanien). Das galt als eine
erstaunliche Schnelligkeit, ebenso wie der
Ritt des Kuriers, der mit der Meldung
vom Tode des Kaisers Mazimin bei der
Belagerung von Aquilcja am vierten
Tage in Rom eintraf (täglich 25 bis '60
Meilen). In feiner heute noch lesens
werten Schrift Das Berkchrswcscn im
Altertum" setzt der nachmalige Reichs
Postmeister" Stephan die Depeschen
gcschwindigkcit im römischen Kaiserreich
etwas schematich gleich der doppelten
Reisegeschwindigkeit und nimmt sür De
peschen von Rom nach Konstantinopel
einen Zeitoerbrauch von sechs, von Kon
stantinopel nach Antiochia drei bis vier,
von Rom nach Köln fünf Tage an.
Diese Gcschwindigkcit hält W. Riepl für
zu hoch gegriffen. An der Hand fest
stehender geschichtilchcr Termini ante u:ft
Post bei Tacitus und Plutarch errechnet
er einen Zeitverbrauch von sieben bis acht
Tagen für die Depeschen, die in der er
sien Januarhälfie 6g n. Chr. über den
Abfall der rheinischen Legionen und die
Schilderhebung des Vitellius zwischen
Köln und Rom (über Reims-Lyon) hin
und herliefen.
Die Entfernungen im römischen Kai
fcrreich decken sich ungefähr mit den Ab
Messungen des heutigen Hauptkriegs
theatcrs (Ostende Bagdad. Wilna
Sues). Für die vornapoleonische Zeit
kamen solche Entfernungen auf dem
Kontinent kaum in Betracht. Von den
böhmisch-fchlcsischen Schlachtfeldern des
Siebenjährigen Krieges gelangten Depe
sehen durchschnittlich am 3., spätestens
am 4. Tage nach Berlin wie nach Wien.
Von dem Sieg bei Minden am 1. Au
gust erhält Friedrich der Große bei Ku
nersdorf (nicht weit von Frankfurt an
der Oder) die Meldung am 6. August.
Von dem gewaltsamen Thronwechsel in
Petersburg in der Nacht vom 8. auf den
!). Juli ,1762 erhält der russische General
Tscherniischew bei Burkrrdorf am 20.
Juli Nachricht. Am 21. nützt der König
die zutreffende Voraussetzung, daß man
im österreichischen Lager davon noch
keine Kenntnis haben könne, die bloße
Anwesenheit der Russen noch zu einem
erfolgreichen Angriff aus. Auf die kurze
Entfernung von Brüssel nach London
(etwa 300 Kilometer) braucht die Meld
ung von Watcrloo drei Tage. Ein Eil
böte soll vom Schlachtfeld weg unter
äußerster Anstrcgung und Gefahr in
zwei Tagen London tlieicht und seine
iuMim vmn Siege Natt Rvtschild
?i i.sfL fi:... t'.r rn-t-j.i
kcir' Uniet- solchen VerMtni-sseki fdtk
der Gedanke, selbst auf geringere Sntfer
nungen schon noch 24 oder gar 12 Etun
den einen amtlichen Bericht über kriege
rifche Ereignisse zu erhalten, utopisch er
scheinen müssen, aber auch, und das ist.
wie wir och sehen werden, eine seqr
wesentlich SsLc.die-Gefahr, . durch
MIMttUI UUIKM, tf PXVt, Zkyr
tarn, sgi ig DZ!,ll, Mft dyy.
aßäW klckZcrtrdliKk ffuitffjiiikf ber.
G
solche Berichte dem Gegner brauchbare
AnhaltSpunkte für die Anlage feiner mi
litärischen Operationen zu liefern. Auf
ganz kurze Entfernungen, wie sie für
die Kriege oder vielmehr Fehden unter
der deutschen oder italienischen Klein
staaterei, in der Jugendzeit der römische
Republik, unter den ollgricchifchcn
Stadtstaaten in Betracht kamen, wurde
ein amtlicher Bericht durch Zufallöbotcn.
Flüchtlinge, Versprengte und dergleichen
leicht überholt.
Hat die Uebcrsendung des Berichtes
ans dem Felde nach Hause heute auf
gehört ein Problem zu sein, das sie lange
gewesen ist, so ist die erste Bedingung
der Berichterstattung, nämlich die Ge,
winnung einer genauen Kenntnis von
den Ereignissen an Ort und Stelle, die
einst in der Zeit des Fcldhcrrnhügels"
überhaupt kein Problem, sondern eine
leichte und einfache Ausgabe war. in un
screr Zeit der Millionenheere mit Fron
tenausdchnuugcn auf Hunderte und tau
sende von Kilometern, der Verlegung des
Hauptquartiers mehrere Tagereisen hin
ter die Front und Wochen, ja monate
langer Dauer takitschcr Entschcioungcn
ein Problem für den Feldherrn gewor
den, und dazu noch ein überaus schwic
riges, das mit den Hilfsmitteln der Zeit
Moltkcs oder gar Napoleons schlechthin
unlösbar wäre. Der Fernsprecher, in
großem Stil erstmals Im russischjapa
nischen Kriege angewandt, hat in Gc
stalt eines dichten, bis in die vordersten
Graben verästelten Leitungsnetzes in
Verbindung mit einem wohldurchdachten
System zweckmäßiger Arbeitsteilung der
Führung die fortlaufende Uebersicht über
alle Vorgänge und Verhältnisse an den
einzelnen Frontabschnitten und bei allen
Truppenkörpern ermöglicht. Dieser kunsi
volle Präzisionsapparat, der, dem Ner
vensystcm dcS menschlichen Körpers ver
gleichbar. von allen Gliedern des ge
wältigen Hecrcsorganismus unaushör
lich die Meldungen nach dem Gchiri,
dem Großen Hauptquartier, leitet, von
wo sie, in Entschlüsse, Weisungen und
Befehle umgesetzt, auf demselben Wege
zurückgcleitel werden, dient selbstver
ständlich in erster Linie der Leitung der
Operationen und Führung der Trup
pen. Erst In zweiter Linie, sozusagen
als Ueberschußleistung, stellt er seine Tä
tigkeit als Berichterstattung nach außen
zur Verfügung. Es bedarf dann nur
eines einfachen Hebeldruckes, um ihn auf
diese andere Tätigkeit umzustellen, unv
das geschieht täglich zu bestimmter und
gewohnter Stunde. Dann lausen von
der Kompagnie Im Schützengraben uns
weiterhin von Bataillon, Regiment, Bri
gade. Division, Korps, Armee und Hee
resgruppe die Einzelmeldungen als Un
tcrlage. für den Bericht mit, der Pünlt
lichkeit eines Uhrwerls im Großen
Hauptquartier zusammen, wobei von
Stufe zu Stufe auswärts immer mehr
Einzelheiten fallen gelassen werden, bis
zuletzt, nach siebenfacher Durchsiebung
nur ein knappes Inhaltsverzeichnis
übrigbleibt. Die sallen gelassenen Ein
zclhciten sie würden täglich ein star
kcs Buch und seit Ausbruch des Kriegcs
schon eine ansehnliche Bibliothek fül
lcn gchin übrigens nicht verloren;
sie werden einst für die Geschichte des
Krieges neben den von den Tagebüchern
dcS Großen Hauptquartiers gelieferten
schweren Bausteinen das kleine Bau
Material liefern.
Mit der geschilderten Präzision, von
vorübergehenden Teilstörungcn abgefe
hen, arbeitet der Apparat' nur im Stcl
lungskrieg, in dem übrigens dem Fern
spreche! trotz seiner vielfachen Vorzüge
wegen gewisser Nachteile (Mithören
durch Unbefugte, Mangel an bleibenden
Belegen) neuestens das Feld von vcrbes
scrten Formen des Telegraphen schon
wieder streitig gemacht wird. Den An
forderungen des Bewegungskriegs ver
mag er nicht mit gleicher Präzision nach
zukommen. Diese Feststellung verdanken
mir schon dem amtlichen Bericht über die
erste große Fcldschlacht zwischen M:tz
und den Vogcsen am 20. und 21. Au
gust 1914, der nur eine Rohbilanz des
Ergebnisses zieht und die aus der Weit
räumlichkeit des Schauplatzes entsprin
genden Schwierigkeiten sehr klar durch
einen Vergleich mit den Kämpfen um
Gravelottc hervorhebt. Nebenbei bemerkt,
übersah man am Abend des 18. August
187 im Großen Hauptquartier auch
noch nicht die entscheidende Wendung auf
dem linken Flügel bei St. Privat. Mit
dem Anwachsen der Heercsmasscn hnticn
sich eben die Schwierigkeiten der Ueber
ficht schon früher in verstärktem Maße
geltend gemacht. Aehnlich verhielt eS sich
in der Entscheidungsschlacht zwischen Re
publik und Monarchie im alten Rom bei
Philipps, wo ebenfalls Masscnheere mit
einander kämpften. Auch sonst sind die
Fälle nicht selten, wo man am Abschluß
des Kampfes über dessen Ergebnis noch
im Zweifel war, fei eS wegen frühzaiti
gen Anbruchs der Nacht (Preußisch-Ey
lau, 1807), wegen Unübersichtlichkit des
Geländes (Torgau, 1760) oder sonstiger
Umstände , (Pulverdampf oder dergici
chen). Die Leere des Schlachtfeldes'
ist eben auch eine neue Erscheinung.
Die vollkomcne Organisation des
Meldedienstes, die Regelmäßigkeit und
Pünktlichkeit, mit der er, einmal auf ein
bestimmtes Ziel eingestellt, von selbst ar
beitet, legte an'sich schon den Gedanken
nahe, täglich zu bestimmter Stunde einen
Berick,t auszugeben, wozu sich unsere
Hrenlc,i!ung noch im 1. Vierteljahr des
KricLeF entschloß. DaM kammk, daß in
5Mk,nr $kk2? jcr ziemlich an aller 265
iajjcn bei Jalff,esckämps ixd, und
daß auf beiden Seiten das gcmze'wehr
fähige Volk unter Waffen steht. Die
Franzosen berichten sogar täglich zwei
mal. Andere, wie die Bulgaren, halten
noch an dem alten Braucke fest, nur
von Fall zu Fall über wichtige Vor
kommnisse zu berichten. Wie das noch
vor ea-Jayreri'die Regel kr.kslhtAm!5stcllen, an die Verbündeten u. .
Fonvegen im Wellkriege.
E h r i st i a n I a. 28. September.
Ein hoher norwegischer aktiver Diplo.
mat gewährte mir eine einstiindige Un
lerredung. Im Hinblick auf die Stel
lung dieses Staatsmannes ist eS unzu
lässig, seinen Namen der Öffentlichkeit
pl iezugeven. Mit dieser Einschränkung
wurde mir erlaubt, die nachfolgenden
Aeußerungen deS Diplomaten der deut,
fchen Oeffentlichkeit zu übergeben.
Von der Ministerberatung In Ehri
stiania ausgehend, äußerte sich der
Staatsmann:
Es dürfte aller W.'lt klar sein, daß
die letzte offizielle Kundgebung der skan
dinavische Minister an Ausführlichkeit
und Gewichtigkeit die Kundgebungen, die
den beiden ersten Konferenzen folgten,
bei weitem übertrifft. Worauf es an,
kommt, ist der unerschütterliche Wille
Skandinaviens, nach allen Seiten hin
loyale, unparteiische Ncuralität auf
rechtzuerhalten. Gewiß gibt eS rein
schwedische, wie rein dänische Fragen;
eine solche ist zum Beispiel der Noten.
Wechsel zwischen Schweden und den En
tcntemächten über die Kogrund-Rinnc;
aber es ist klar, daß Spezialfragcn eines
skandinavischen Staates bei ihrer Lösung
skandinavische Fragen werden können.
Die skandinavischen Regierungen arbeiten
in allen Angelegenheiten, die im fain.
mcnhange mit dcr SIcbcrheit Skandina
viens nach außen hin stehen oder stehen
können, einheitlich zusammen. Diese!
immer engere Zusammenarbeiten hat
sicb rlich die Stellung der drei skandina
vischcn Staaten in dcr Welt wesentlich
gestärkt. Wir sind übcrzeugt, daß die.
ses Zusammenarbeiten sich immer enger
gestalten und daß unsere Stellung Immer
stärker werden wird.
Wie die jüngste offizielle Kundgebung
besagt, beschäftigten sich die skandinavi
schen Minister auch eingehend mit den
Fragen, die erst nach dem Kricgsende
Wirklichkeit erlangen dürften, mit Jra
cn handelspolitischer Natur. Es st der
cstc Wille dcr drei skandinavischen Re
gikiungen, rn allen Dinacn nach außen
hin auch nach dem Kriege absolut freie
Hände zu behalten. Wir wollen uns
nach keiner Richtung hin festlegen. Das
Gegenteil würde die skandinavischen In
teresscn schädigen.
Was insbcsondcre Norwegens Verhält
nis zu Deutschland bctrisft, so gibt es
zwischen den beiden Ländern keine Rei
bungspunkte. Die Unklarheiten, die sich
Ihrer Ansicht nach anläßlich gewisser
norwegischer Aussuhlverbote in unse
i ren handelspolitischen Beziehungen mit
Deutschland gezeigt haben, werden, so
' hoffe ich, geklärt werden können. Nor
wegen befindet sich in keiner leichten
Stellung. Von einem bösen Willen Nor,
wcgens gegenüber Deutschland kann keine
Rede sein.
Was die Stelle in der offiziellen
Kundgebung betrifft die von der Ver
nichtung oder Zurückhaltung neutraler
Schiffe und Ladungen handelt, so be
steht, wie Sie richtig betont haben, dcr
Artikel des norwegiscken offiziösen Blat
tes Jntelligcnsscdlcr" zu Recht, in dem
dieses Blatt kurz vor Zusammentritt dcr
Ministerkonscrcnz in ciner Polemik gegen
ein anderes normcgisches Blatt energisch
dagegen Einspruch erhob, daß man nor
wegischerseits die Versenkung norwegi
scher Schiffe mit Bannwaren durch
deutsche Tauchboote als feindliche Hand,
lung betrachte. Denn man weih hier,
daß die Versenkungen deutscherseits nur
vorgenommen werden, um die Bann
warcnzufuhr zu den Gcgnern Deutsch
lands zu verhindern. Die norwcgiseye
Regierung teilt den Standpunk' der
Jntelligensscdlcr". Niemand hat das
Neckt, Teutschland wegen derartiger Ver
fenkungen einer feindlichen Handlung
gegen Norwegen zu beschuldigen. Es
wird Ihnen in Deutschland verständlich
fein, daß diese Versenkungen das nor
wegische Volk schmerzlich berühren müs
sen. Das Leben norwegischer Seeleute
man am besten aus der heute fast archa:
stisch anmutenden Frage: Hat eine
Schlacht stattgefunden?", die Kaiser
Franz Josef dem ablehnenden Bescheid
auf Bencdeks dringende Vorstellungen,
in Nordböhmcn keine Entscheidung an
zunehmen, am Schlüsse beifügte. Sonst
wird auch das ältere Verfahren, in gro
ßern Zeitabständen, nach Abschluß einer
Reihe von zusammenhängenden Opera
tionen, oder anet) wohl eines ganzen
Feldzuges zusammensassend zu berich
ten, als Ergänzung zu den Tagesberich
tcn, noch beibehalten. Dcr deutschen
Heeresleitung verdanken wir schon eine
Reihe solcher zusammenfassender Dar
stellungcn. Wo diese Sammclberichte
an die Stelle der Tagesberichte treten,
wie bei den Kämpfen in den Kolonien,
geschieht es aus besondern zwingenden
Gründen.
Eine weitere Folge der geschilderten
Organisation des Meldedien stcs besteht
darin, daß jeder Bericht über die Er
eignisse an der Gesamtfront oder auch
langer Dauer taktischer Entscheidungen
zwangsläufig aus den einen und einzigen
Weg. über das Große Hauptquartier,
erwiesen ist. Es ist daher auch nicht
reckt denkbar, daß d amtliche Bericht
durch irgendeinen andern überholt wer
den könnte. Die wenigen Fälle, wo die
ses scheinbar doch geschah, als z. B. nach
der entscheidenden Wendung am Duna
setz lange vor Ausgabe des amtlichen Bc
richts sich in Berlin die Häuser beslagg
tcn, oder die Wiedereinnähme von Prze
mysl aus München früher gemeldet
wurde als durch den Tagesbericht, sind
darauf zurückzuführen, dah aus den be
ltö doiliegenden amilichm Berlchteg
etwclZ bekannt wmde, ehe die öffmtlichk
Ausgabe der Berichte erfolgte. Das
HMPiquSrtick liefet ntimlich nicht bloß
die für die Ocffentlichkcit bestimmten
Berichte, mit denen allein wir uns hier
dcfchaftigcn, sondern noch verschiedene
andere, fast durchweg vertrauliche Be
richte an den Herrscher, in Deutschland
auch an die Bundcsfiirften. an bestimmte
wird dabei großen Gefahren oukgescht;
ihr Angehörigen schweben manchmal
Tage und Wochen lang in Todesangst
um ihre Väter, Brüder und Söhne auf
dem Meere. Daß, wenn auch nicht mehr
in letzter Zeit, Norweger durch C:rfen
kuiigm um Z Jau fltkji.ii). eil such, K,issc.i
Sie ebenfalls. Die Meldung von einem
versenkten Schisse muh dahcr viel tiefe
ren Eindruck auf das norwegische Volt
machen, als die Zurückhaltung norwegi.
scher Einfuhrwaren selbst von vielen
Millionen Werten und die Behinderung
des norwegischen Uebersce-Jmportes.
In Wirklichkeit erkennt die norwegische
Negierung also an, daß deutsche U
Boote bei der Versenkung neutraler
Schiffe, die sich In Bannwarensahrt be
finden, in Uebereinstimmung mit dem
Völkerrecht handeln. Allerdings hat
man deutscherseits die Ausnahm zur
Regel gemacht, denn nach dem Haag
Uebereinkommen war wohl die Vernicht
tun ausgebrachter Prisen als Aus
nahmefall anzusehen. An ,U"Vootc
dachte man damals eben nicht. Ich sehe
ein. daß dieser ,U"-Bootkrieg für dic
Deutschen eine ''liebt härtester Nolmen
diqkeit sein muß.
Ihre Ansicht, daß die in Norwegen
herrschende Teuen'ng ihre eigentliche Ur,
fache nicht in der norwegischen Aussuhr
nach Deutschland habe, ist richtig. WaS
in Norwegen zu der Teuerung in erster
Linie geführt hat, ist die maßlose Prei--steigerung
für Mehl, Korn, Kolonialw,
ren, Kohle, Koks und ähnliches, also
Dinge, die wir überhaupt nichf ach
Deutschland senden, sowie die hohen
Schisfsfrachten.
Aeußerungen, wie sie der Odelsihing
Präsident Castberg anläßlich seines Be
suches in Frankreich getan haben soll,
muß natürlich jedes verantwortliche Mit
glied der normegisckcn Regierung ent
schieden zurückweisen, was ja auch mit
aller Deutlichkeit in dem heutigen Leitz
artikel der Jntelligensscdlcr" (stehe
unten) ausgesprochen ist. Solche ein
kcitige parteiische Aeußerungen stehen im
schärfsten Gegensatz zu der Auffassung
der norwegischcn Rcgicrung, die alles in
allem nur ein Ziel kennt: mit den beiden
anderen skandinavischen Staaten zufam,
menzustchen und unverbrüchlich eine ehr
liche. loyale, unparteiische Neutralitäts
Politik zu beobachten zum Nutzen und
zur Stärkung ganz Skandinaviens.
Dieser unser gemeinsamer Wille wird
von ganz Europa, davon sind wir über
zeugt, in immer höherem Maße respck
tiert. Dieser Krieg um uns hat ein einigeI
Skandinavien geschaffen. Einigkeit Hot
immer stark und stärker gemacht, und ds
einige Skandinavien läßt sich nicht :s
der Neutralität hinausdrängen. Diese
Erkenntnis muß sich jedem aufzwingen,
der die gemeinsame Kundgebung der lep
ten nordischen Minifterkonsercnz so ver
standen hat, wie sie verstanden sein will."
Nitls Hoher.
C h r i st l a n i a, 27. September.
Die der Regierung nahestehende Z i
tung Jntelligensscdler" tadelt in einer
offiziösen Auslassung aufs schärfste dZö
neutralitätswidrige Auftreten des Ode!:
thing-Präsidenten Castberg in Frankreich
und seine skandalösen Aeußerungen im
Temps". Das Blatt stellt sest. daß
Castbergs Auftreten mit Recht' Aufsehen
und Bedauern hervorgerufen hat. Er sei
allerdings als Privatperson nach Frank
reich gereist .aber es sei nicht zu um
gehen gewesen, daß er gemäß seiner Stel
lung und feinem Auftreten in Frankreich
durchaus nicht als Privatmann cmgese
hcn werden würde, was er selbst gewußt
haben müßte und auch wußte. Castberg
hätte deshalb die Pslicht gehabt, seinem
Lande gegenüber Rücksicht und Diskre
tion zu üben. Er selbst habe um eine
Audienz beim französischen Präsidenten
und beim Ministerpräsidenten nachgc
sucht und auch erhalten. Stimme das
Telegramm des Temps" über seine drn :
gemachten Aeußerungen, so müsse s.'iii
Auftreten in Norwegen lebhaft bedauert
werden, denn Norwegens äußere Politik
während des Krieges fei -loyal, unpar
iciifch und neutral, und solle es bleiben.
Die Gerechtigkeit verlange jedoch, daß erst
die Nichtigkeit des Telegramms geprüft
und Castberg nach seiner Rückkehr an
gehört werde, bevor in endgültiges Ur,
teil über fein Auftreten gefällt werde
Zoyann Keß, der ZZreskauer
Reformator.
Seit längerem schon wurde in BreS
lau die Errichtung eines Denkmals für
Johann Hcß, den ersten evangelische
Geistlichen in Schlesien, beabsichtigt. Ür
sprünglich war dafür die 400. Wieder
kehr des Reformationsfestcs im Jahre
1917 in Aussicht genommen. Es sollte
an der Breslauer Maria-Magdalenen-kirche,
an welcher Johann Hcß seit 132:
als Prediger der Reformation'wirktc, tia
Standbild errichtet werden. Nunmehr
aber hat man sich rtfchwssen, von der
Aufstellung einer Statue. Abstand zu
nehmen. Statt dessen soll ein Relief
hergestellt werden, das dem Bresla,'!'
Bildhauer Paul Schulz zur Ausführ,,,!,i
übertragen worden ist. Es wird an kr
östlichen Außenseite der Maria-Maga
lencnkirchc angebracht werden.
Johann Hcß, der 1490 in Nürnbera
gcborcn wurhe, weilte schon als Dreiund-.
zwanzigjähriger bei dem Bischof Johann
Turgo als Sckntär in Breslau. Cpü
tcr wirkte er als Hofprediger deS Her
zog? von Oels im evangelischen Gnste.
Seit feinem Amtsantritt in Breslau tilä
Predig (1523) gewann die Resorma
fm m Breslau immer mehr an Boden.
Er schloß sich aus! Engste an Lu7gcr
nnö Mclanchthon an. In Breslau machte
sich Hcß vor allem um das Schul- und
Bildungswesen, sowie die Unterstütz!!!!?
dcr Armen und Kranken verdient. Sein?
Schöpfung ist das heute nvch bestehend'.'
Allerheiligen, Hospital in Breslau. ' tf;
starb im Jahre 1Z47.