Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, August 16, 1916, Image 7

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Tägliche Cmnsia Trisiuitr. Toniierb!!,, fcVu 17. August
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Koma an der Eegeulvart von Philipp VergkR 2
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133. Fortsetzung und Schluß)
s.i nützt nicht. Sie müssen mich
I I ,':nbe kommen lassen. Alles, waZ
' zu sagen habe, können Sie ohne
.cu anhören. Sie haben gehandelt
ein Ehrenmann. Wir haben ein,
.der beide nichti vorzuwerfen. Wäre
- - aber früher über die tiefe Neigung
7" ' Bellas zu Ihnen und über Sie
; fbst. dem diese Neigung galt, besser
'lterrichtet gewesen, ich hätte mich
,cht mit Estella verlobt, trotzdem
, ch der Verzicht damals einen harten
impf gekostet hätte. Nun hören
t, lieber Kamerad, wie ei mir er
kiangen ist. Estella war meine Ju.
fzendliebe, aber ich kann mich nicht
aühmen, daß sie mir eine nur annä
'" Hcrnd gleiche Neigung entgegengebracht
chätte. Ehe ich inS Feld zog, hätte ich
--isie nicht ohne Kamps und Schmerz
baufaeaeben.' Aber ein anderer bm ich
zurückgekommen. Die Welt, erscheint
mir in anderm Lichte, seitdem ich
keine Ansprüche mehr an sie machen
kann. Noch ehe ich wußte, wer der
Herzenserwählte Estella sei. hatte ich
den Entschluß gefaßt, ihr die Freiheit
zurückzugeben. Ich fühlte mich nicht
mehr berechtigt, sie an mich zu fesseln.
Estella hat aber den Gedanken, sich
von mir zu trennen, weit von sich ge
wiesen."
.Und mit Recht,' sagte Lavenöurg.
I .Ja. ja. ich kenne euch," erwiderte
Krämer mit einem wehmütigen Lä
cheln, .ihr würdet euch jetzt lieber
selbst opfern, als mir, der ich nun
' ein Krüppel bin. einen Schmerz zuzu
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Men. jieueichr yane iq ujicua
Opfer doch angenommen. Seitdem
ich aber weiß, wen sie liebt, ist mein
Entschluß unwiderruflich. Ladenburg,
ich gebe Ihnen mein Wort, ich kanit
Estella jetzt gar nicht mehr heiraten.
ES ist unmöglich. Sie gehört Jh
nen."
Ladenburg saß da wie in einem
Traum. Er wagte eZ noch nicht, an
da Glück. das sich ihm näherte, zu
i ; glauben. ES schien ihm. als dürfe
er die dargebotene Hand deS Freundes
i nicht ergreifen. Die Wendung traf
f ihn so unvorbereitet, daß er sich noch
I', nicht mit ihr auseinanderzusetzen ver,
', ) mochte. ,
Als Ladenburg mit einer' Antwort
t ' zögerte, fuhr Kramer fort: .Sie
' müssen ganz klar sehen. Hier isi
l nirgends eine Schuld, auch nicht auf
t)Ut Seite des Konsuls, EstellaS
jf Nater. Sie müssen wissen, dak ich
im Haufe Mariens von Jugend auf
fast die Stellung eines Sohnes ein
nahm. Der Konsul liebt mich wie
ich ihn er hat eS nicht begreifen kön
nen. daß EstellaS Glück an einer an
deren Stelle gesucht werden könne als
bei mir. Estella hatte umsonst der
sucht, den Bater umzustimmen? :!
war' ihr unmöglich, ihm zu trotzen.
AlleS das habe ich damals Nicht ge
wußt, aber ich weiß es jetzt. Laden
bürg, ich bin zu Ende. Sie sehen eS
jetzt selbst, Estella ist wieder frei
Oder glauben Sie wirklich, ich würde
sie jetzt, wo ich über dieses ganze
Drama unterrichtet bin, noch an mich
fesseln wollen? Ich müßte ja ein
Barbar sein und die Franzosen
hätten recht mit ihrer Behauptung,
daß wir Deutschen Barbaren sind.'
Ladenburg holte tief Atem und
schüttelte wiederholt den Kopf. .Dar
auf war ich nicht vorbereitet," sagte
er. .Ich sitze hier wie ein Junge, der
nichts zu erwidern weiß. Kramer,
was sind Sie für ein Mensch! Ich
habe draußen Ihren Heldenmut be
wundert, jetzt sehe ich. daß der, Ade!
Ihrer Gesinnung Ihrer Tapferkeit
gleich ist. Nun denn, ich begreife,
daß Sie ' sich zu dem Entschlüsse,
Estella die Freiheit wiederzugeben,
durchgerungen haben. ., Mer dal
vergessen wir ganz waS wird sie
selbst dazu sagen?"
Zlramer lächelte. .Gleich können
wir sie fragen. Da ich höre ihre
Stimme draußen auf dem Gange."
Ladenburg erhob sich, ein wenig
bestürzt, aber noch he er zurücktreten
konnte, trat Estella in die Stube.
Sie stand wie erstarrt, als sie den
Geliebten erblickte. Ihre Sicherheit
halle sie so ganz verlassen, daß sie
umsonst nach Haltung und Fassung
suchte. Ihr Stolz sträubte sich mit
Gewalt dagegen. Kramer eine Komödie
'vorzuspielen und den Gast schewbar
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llllyl zu iciilicu, 141 ivciuuuyu zjU
stinkt raunte ihr binwiederum zu, daß
"'sie unbefangen erscheinen müsse. Aber
Nramer riß sie . schnell aus - allen
Zweifeln.
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's, ihr entgegen, .deinen Freund hier bei
"k mir zu sehen. Die Freiheit, die ich
dir angeboten habe, hast du zurück
! Y wiesen. Vielleicht nimmst du sie
icijt an. wenn' ich dir zugleich auch
den Geliebten, zurückgebe."
Estella stürzte auf Kramer zu und
nrf st mit einem Ausschrei bor
' ) seinem Lager in die Knie, ihren Kopf
I in die Kissen bettend. Ein stumme?
N schluchzen schütt:lte ihren Körper.
1 Alles, was an Leid auf sie eingestürzt
), , var. wenn sie in stillen Stunden mit
(ich selbst gerungen hatte, kehrte noch
I :in.nal zurück und goß' sich in die
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der wiesen. $
große Freiheit, die ihre strahlenden
Tore so jäh geöffnet hatte. Lust und
Trauer stritten miteinander. Ihr
war, ali ob sie jetzt erst begänne, den
edlen Dulder zu lieben.
AIS sie den Kopf erhob, sah sie die
Augen beider Männer voll Zärtlich
keit auf sich gerichtet. Sie begriff,
daß ein Festhalten an Kramer, ihrem
Verlobten, jetzt nicht mehr möglich fei.
Aber das Mitleid mit ihm floß in
ihrem Herzen über.
.Wie kann ich dich verlassen, Karl,"
sagte sie, .jetzt, wo "
Kramer unterbrach sie. Sorge
dich nicht um mich. Estella, ei ist
alle? bedacht und beschlossen. Du
kränkst mich, wenn du mich bemit
leiden willst, denn dessen bedarf eS
nicht. Ich tue, was ich muß. Be
halte mich lieb. Du wolltest mir,
als ich um dich warb, eine Schwester
fein. Sei es jetzt. Dann bleibst du
in mcinemHerzen, auch wenn du mit
meinem Freunde in seine Heimat
ziehst."
Estella erhob sich und umarmte
Kramer unter Tränen. Dann reichte
sie Ladenburg die Hand, die dieser
innig drückte. Beide bezwängen ihre
Herzen, um die Empfindungen Kra
mers zu schonen.
.Noch eines." sagte dieser. '.dein
Vater, Estella, ist von allein unter
richtet. ' Ich hatte gestern eine lange
Unterredung mit ihm. Es steht euch
nichts mehr im Wege. Er wird
übrigens gleich hier fein, ich habe ihn
herbitten lassen
In diesem Augenblick trat der
Konsul auch schon ein. Er brachte
jene aufrechte Nuhe mit. die sich schein
bar durch nichts erschüttern läßt.
Ohne eine Vorstellung abzuwarten,
trat er auf Ladenburg zu und reichte
ihm die Hand. .Das Schicksal hat
unS auf Umwegen zueinandergeführt."
sagte er. .Erst letzt, da meine Kin
der es nicht anders wollen, denn auch
Ihren Freund betrachte ich als mei
nen Sohn, kann ich sagen: Will
kommen."
Estella warf sich an den HalS ihre!
Vaters und führte ihn zu Kramer.
der nach einer kleinen Weile selbst
bat, ihn jetzt der Ruhe zu überlassen,
morgen erst wolle er den Freund
richtig und von Herzen genießen.
Als die Gäste sich entfernt hatten,
trat die Schwester wieder in die
Stube und setzte sich an daS Lager
des Patienten.
.Jetzt bin ich ganz allein, Käthe,
sagte er. .Willst du noch ein Weil
cken bei mir ausbauen?"
.Solange du mich haben willst
antwortete das Mädchen und küßte
die Hand Kramer!.
S. Kapitel.
Wenige Stunden nur noch trennten
Ladenburg vom zweiten Abschied aus
der Heimat. Der völlig Genesene
kehrte :nS' Feld zurück. Schon früh
morgens war er in seinem Arbeits
zimmer. dessen Fenster auf den Park
hinausgingen, mit dem Ordnen seiner
Angelegenheiten und mit dem Packen
des notwendiqen Nei egeratS btqa
tigt. Florschütz ging ihm zur Hand
wie in alter Zeit, als ob es sich um
einen Ausflug in ferne Regionen ge
handelt hätte. Und daS tat eS ja
auch wirklich. Keiner wußte, wie
weit. ,
Der Offizier und der Unteroffizier
unterhielten während der Arbeit ein
vertrautes Gespräch. Nahe gestanden
hatten sie einander schon, seit sie als
Knaben Spielkameraden gewesen wa,
ren, jetzt war wieder eine Schranke
gefallen.' Der Krieg brachte alle
Menschen einander näher, hier aber
war noch der Einzug Estellas nebst
Gefolge mit im Spiele.
.Und du gehst also morgen nach
dem Osten?" fragte Lodenburg.
.Jawohl, Herr Oberleutnant." ant
wertete Florfchütz. .Die Meinigen
haben eS letzt gut. Sie liegen an der
ostpreußigen Grenze und haben sich's,
wie mir meine Kameraden schreiben,
ganz gemütlich gemacht. Ich wollte
aber doch jetzt, ich könnte Hierbleiben
oder der Krieg wärt zu Ende."
.Wer wollte daS nicht? Aber dazu
ist vorläufig keine Hoffnung. Wir
müssen weiterkämpfen. Fritz, und
unsere Frauen verlassen."
Fritz sah seinen Herrn froh an.
.Wissen der Herr Oberleutnant noch,
wie tch vorschlug, meine Ellen sollte
ihrer Herrschast einmal hierher
folgen?"
Ladenburg lächelte. .Ich weiß eS
noch, Fritz, aber ich hab'S damals
nicht geglaubt."
.Wie merkwürdig nun alleö ge
kommen ist. Ich kann'S kaum glau
ben. daß eS wahr ist. Und doch habe
ich alles im voraus gewußt."
. .Da hast du wahrhaftig mehr ge
wußt als ich.'sagte Ladenburg mit
fröhlichem Lachen, winkte aber dann
nach rückwärts mit der Hand ab und
trat ans Fenster.
Da war es, daS Bild, das er so
oft in seinen GlückSträumen g.'chaut
hatte. Ueber die Parkwege nahte die
herrliche, schlonle Gestalt der Gelieb,
ten heran. Wie der leibhaftige Früh
ljng nahm sie sich zwischen den kahlen
Bäumen beS durchsichtigen Parke!
auS. Jetzt spähte sie nach dem Fen
sier. und als sie den Satten gewahrte,
grtjßte sie mit strahlendem Antlitz zu
ihm hinauf, zugleich ihre Schritte be
schleunigend.
Ladenburg schloß einen Augenblick
die Augen vor den, Glückögefühl, daS
ihn überströmte. Wie in einem in
zigen Rausch waren die kurzen drei
Wochen seit seiner Kriegstrauung in
Hamburg vergangen. Der Krieg war
gleichsam vergessen gewesen, er war
zurückgetreten hinter Frohlocken und
Scherzen. Wie im Scheine eines
Blitzes, so hell standen die eiklzelnen
Erlebnisse wieder vor ihm. Sein
Aufenthalt im Hause des Konsuls,
den er so ganz verkannt gehabt hatte
und der in Wahrheit sin .königlicher
Kaufmann" war; sein inniger Wer
kehr mit dem adligen Kramer; der
Teenachmittag bei Burmeifler mit
seiner hanseatischen Gediegenheit und
seiner ' Komik, denn die liebe alte
Frau war ganz au dem Häuschen
gewesen. Ladenburg doch endlich zum
Tee bei sich zu sehen; endlich die Ab
reise nach Berlin und die Bereinigung
mit der Geliebten. Und dann die
Heimkunft! War eS möglich, daß ein
Mensch ein solches Uebermaß des
Glückes .zu fassen und zu ertragen
vermochte? Durch die Heide, die im
Schmucke frisch gefallenen SchneeS
prangte, war er mit Estella gefahren;
vor dem agdlchlosse zu Letzlingen
hatte er, wie sonst, gehalten; der alte
Adam v. Ladenburg war auS feiner
Gruft gestiegen und hatte durch den
Mund seines Nachkommen die junge
Frau feierlich begrüßt. Und endlich
war man in die Wische gelangt, wo
der Einzug sich zu einer Triumph
fahrt gestaltete. Nicht nur Ladenburg
war nach Hau'e gekommen, auch
Estella selbst, denn alles schien ihr so
bekannt und vertraut, als sei es ihr
schon durch Traume und Ruckermne
rungcn bekannt. AIS dann, wenige
Stunden später, die Mutter den Sohn
in die stille Bibliothek führte und.
ihn umhalsend, sagte: .Mein Sohn.
deine Wahl ist gut. Welch ein Herr
liches, edles Geschöpf!" und als der
Bater als alter Kenner von Frauen
art und schönheit schmunzelte, kannte
sein Gluck keine Grenzen mehr. Seit
dem war sein Herz voll von Dank
barkeit gegen das Geschick und gegen
das Weib, das ihm die Erfüllung des
Lebens gebracht hatte.
Jetzt trat sie selbst inS Zimmer und
flog dem Gatten um den Hals. .Ich
komme, dich abzuholen," sagte sie.
Noch drei Stunden gehörst du bei
nem Helm. Laß uns die letzten Worte
m Park miteinander tau chen und
unten Abschied nehmen, damit die
Eile des Ausbruchs später nicht unsere
Empfindungen trübt." -.Komm.
Allerliebste." rief Laden
bürg, warf den Mantel über und
folgte.
Ein milder Wintertag webte im
Park. Weit zurück schimmerte zwi
schen den Bäumen das Herrenhaus
Frieden und Stille ringsumher.
Schwarzglänzende Amseln trieben 'sich
am User des Reiches umher. Bon
fern auS Dorfe tönte Hunde
gebell uns das Peitschenknallen eines
Fuhrmanns. Arm in Arm wanderte
das Paar schweigend durch den Park.
Ihre Herzen waren zum Zerspringen
voll. An einer Wegbicgung, als
Ladenburg einen Augenblick unschlüf
sig stehen blieb, richtete sich Estella an
ihm aus. schlang ihre Arme seit um
r r. .(3 . . tmri 1. i : -.
1 einen jyut9 uno jiun innig
.Mein Geliebter du. Mein Gatte.'
Fest umschlungen wanderten sie am
Teichuser entlang. .lln,cre Beslim
muna hat uns zusammengeführt
sagte Ladenburg sinnend. .Unser
Schicksal hat sich erfüllt. Und ich
hatte nicht mehr an die Stimme
geglaubt, d zuerst o heu in meinem
innern gesprochen hatte.
Estella schmiegte sich noch fester an
den Geliebten. .Soll ich eS dir ge
stehen? Im verborgensten Winkel
meiner Seele glomm immer, selbst im
tiefsten Dunkel, noch ein Ho nungs.
funken. Ihr Männer sprecht über
das Ewige und über das Wunoer
bare, aber wir Frauen glauben daran.
Seit ich dich vom Bord des SchisfeS
m Hongkong zuerst sah. suhlte ich,
daß du mir gehörtest. Und als ich
erfuhr, daß du mich auS den vielen
Passagieren herausgefunden hattest,
ohne mich je gesehen zu haben, da
begann ich schon, dich zu lieben. Du
hattest dein Weib erkannt."
Und während Estella sprach, tauchte
in beiden Menschen die wunderbare
Zeit voll Glanz, da sie in den slld
lichen Breiten der Erde einander sich
näherten, wieder aus und stand in
greifbarer Lebendigkeit vor ihnen.
.Denkst du noch," fragte Laden
bürg, .an jene zauberisch Nacht auf
dem Indischen Ozean, als wir mit
den Sternen sprachen? Weißt du
noch, wie ich voll Verlangen die Arme
nach die ausstreckte und du mir ent
schlüpftest?"
.Wie könnte ich jemals dieLiebesfahrt
vergessen? Wie häufig spreche ich in
meinen Gedanken mit dem wunder
baren Greis, der uns zuerst hell
seherisch unser Schicksal verkündete,
der es aussprach, daß unsere Seelen
eng verschlungen seien. Berfprich
mir. Liebster, daß wir, und sei eS in
Jahr und Tag. nachdem der Friede
zurückgekehrt ist, noch einmal eine
Fahrt in die Wunderländer auf der
anderen Seite der Erde antreten.
Alle di. Orte, wo wir dorahnenö
unser Liewsglück genossen, will ich
noch einmal an deiner Seite wieder
sehen. Wir gehören zueinander durch
Zeit und Ewigkeit. Ich kann eS nicht
glauben, daß du drauM aus oer
Walstati bleiben solltest, da doch alles,
waS der Weise unS verkündet hat,
wahr geworden ist."
.Dennoch, mein geliebte! Weib.
mußt du auf den Tod wie auf das
Leben gefaßt fein," sagte Ladenburg.
Unsere Heimat ist Nicht die kleine
Erde allein, sondern die Himmel
singt um uns her, und die Kette
unseres Schicksals mag sich in einer
anderen Welt weiterknüpfen. Laß
unS aber offen, das dürfen wir und
müssen wir auch. Wir haben die
Wechselte unseres Geschicks mit
Kraft getragen, das wollen wir auch
ferner dies mußt du nnr ver pre
chen, tch möge nun zurückkehren oder
fallen."
.Noch mehr wm ich dir versprechen,
liebster Mann. Das Scheiden will
ich dir leicht machen. Ich bin ja dein
und du bist mein, kein Geschick der
Erde, nicht einmal der Tod kann unS
wieder auSeinanderreißen."
.So ist es recht. Estella. Heiter
und voll Hoffnung auf die große Zu
kunft unseres Vaterlandes wollen
wir unS trennen. Und vergönnt mir
der Himmel, dich wiederzusehen und
dich in meine Arme zu schließen zu
einem langen, ungetrübten Glück, vor
dem mir fast schwindelt, dann will
ich'S wie ein Gnadengeschenk deS lie
ben Gottes hinnehmen.".
Bon fern tönten die Schläge deö
GonqS herüber und riefen in HauS.
.Mein Geliebter," sagte Estella
innig, .Gott geleite dich und führe
dich zurück in meine Arme. Ich danke
dir für das unaussprechliche Gluck
das du mir gegeben hast."
Ladenburg schloß Estella an sein
Herz. Mein Weib und mein Kind,
sagte er aus tiefem Herzen. Auf
Wieder chen i:
Umschlungen wandelten sie zurück
nach dem Herrenhause. , Keines sprach
ein Wort mehr.
Die Familie harrte schon, mit dem
Scheidenden den ' letzten Imbiß zu
nehmen. Der Vater in gewohnter
Ruhe und Heiterkeit, die Mutter weh
mutig und ernst, Negine mit um
florten Augen.
Während deS Mahles erwähnte nie
mand die Scheidestunde. Der Land
rat führte das Wort. uns suchte dies
Gedanken des Sohnes auf die großen
Aufgaben Deutschlands abzulenken, t
.Ehe der Krieg ausbrach," sagte er.
fühlte ich mich schon als alter Mann.
Aber der Krieg hat , mich verjüngt.
Den großen Sieg Deutschlands über
feine Feinde will ich, miterleben und
auch die große Zeit des Aufschwungs
und der Wiedergeburl,, die dem Siege
folgen wird. Die Welt war in einen
blöden Materialismus versunken, der
deutsche Gedanke, der , germanische
Idealismus wird sie mit einem neuen
Geiste der Kraft, dcr Reinheit und
des Glaubens erfüllen. Und daß der
Sieg unser sein wird, wer wogt es,
daran zu zweifeln?" rf
.Militärisch haben wir schon ge
siegt." rief der Oberleutnant.
.Wahr, mein Sohn. Unsere
Heere haben Belgien besetzt und stehen
tief in Frankreich, der Russe ist zu
rückgeschlagen und unser Ostheer ist
ihm nach Polen hineingefolgt. Eng
land ballt in ohnmächtiger Wut die
Fäuste,, seine Rechnung war falsch,
anstatt durch die aufgehetzten Völker
des Kontinents Deutschland zu Boden
zu werfen, sieht es selbst seine Herr
schaft über das Meer schwinden. Nur
eines bleibt noch zweifelhaft, wann
dieser Krieg der Völker zu Ende
gehen wird."
.Tief bis in das Frühjahr oder in
den Sommer hinein wird er auf jeden
Fall noch dauern," meinte Ladenburg.
.Die Wege sind unpraktikabel, ent
weder mit tiefem Schnee bedeckt oder
aufgeweicht und in Morast verwan
delt. Wenn wir erst aus dem Posi
tionskrieg zum frischen, fröhlichen
Angriff übergehen können, werden die
Entscheidungen sich Schlag auf Schlag
folgen. Was uns allerdings an
neuen Verwicklungen noch bevorsteht,
können wir nicht missen. Italien be
findet sich schon feit dem Ausbruch
des Krieges in jeder Woche aufs neue
wieder am Scheidewege."
.Viel Feind. -?W Ehr!" sagte d
Landrat.
.Aber keine Ehre, sondern Schande
für Italien." warf Estella ein. .Wie
kann man dem einzelnen Menschen
noch Ehrlichkeit und Treue zur Pflicht
machen, wenn ein ganzer Staat alle
Ehrenhaftigkeit so weit vergißt, dem
Bundesbruder, der ihm drei Jahr
zehnte lang die Treue bewahrt hat.
in der Stunde der Gefahr meuchlerisch
in den Rücken zu fallen!"
.Du hast recht, Tochter," antwor
tete der Landrat. .Denen, die die
Gebote der Ehre und der Treue ver
lernt haben, sie äufs neue zu lehren,
auch das ist eine der deutschen Auf
gaben."
In diesem Augenblick trat Flor
fchütz in den Saal und meldete, daß
der Kraftwagen, wie von Ladenburg
befohlen war, an der äußeren Pforte
vorgefahren und, daß alles zur Ab
fahrt bereit sei.
Der Offizier, in dem Bestreben,
allen den Abschied leicht zu machen,
erhob sich rasch. Er trat auf den
Landrat zu. der den Sohn umarmte
und auf beide Wangen küßte. Citott
geleite dich sagte r nur. - Die
Mutter hielt ihren Einzigen ' lange'
umschlungen, eh: sie ihn entließ. Re
gine reichte dem Better die Hand,
aber er zog daS Mädchrn an sich und
küßte es herzhaft aus den Mund.
An der Tür tauschte Ladenburg einen
Händedruck mit Florschütz und mit
Ellen, die herbeigeeilt war. .Halte
dich brav, mein Junge," sagte Laden
bürg zu dem Bur chen. .Hier zu
Hause wollen wir uns wiederfinden.'
Die Familie stand aus der Ter
rasse, als Ladenburg durch den Park
schritt und noch ein paarmal zurück
grüßte. Estella allein begleitete ihn
biS an die Pforte. Ehe Ladenburg
das Auto bestieg, umarmten sie ein
ander noch einmal.
Kehr zurück, mein Gatte", flüsterte
Estella.
.Leb wohl, Geliebte, meine Ge
danken bleiben bei dir. Unsere See
len sind verbunden."
AIS Estella den Kraftwagen ouS
den Augen verloren hatte, wandte sie
sich still um und schritt zurück. Kein
Abschiedsweh beugte sie ilieder. In
ihren blauen Augen war ein großes
Leuchten. Nur eine Empfindung be
herrschte sie: Bereint auf ewig! BiS
zum Rande deS Lebens, wenn der
Geliebte ruhmbedeckt einst zurückkehrte;
über das Grab hinaus, sollten sie den
gefallenen Helden in Feindesland
betten, aufs neue vereint, vielleicht in
fernen Welten.
Am Tore harrte Regine. Berrö
terifche Tränensturen schimmerten
noch auf ihren Wangen.
.Wie schön du bist, du Starke
sagte sie. .Jetzt begreife ich. daß er
dich lieben mußte, ich habe dich selbst
liebgewonnen."
Estella schlang ihren Arm um den
Nacken Regines. So schritten sie
langsam dem. Hause zu.
.Laß mich deine Freundin sein m
der , Einsamkeit." fuhr Regine leise
fort. Ich habe ihn auch lieb wie
eine Schwester. Wir wollen zusam
men an ihn denken, von ihm sprechen
und für ihn beten."
.Wir wollen Schwestern sein."
sagte Estella.
Da umfaßte Negine die junge Frau
und küßte sie unter Tränen. .Ihr
seid jetzt beide wie zjneS in meinem
Herzen.
O Frauenliebe, unser Hort und
unsere Zuflucht!
(C N 0 1.)
ZNuttchru.
Bon G. Drossel.
Muttchen war eine kleine, ängstliche
Seele. Sre alle hatten ihr gegenüber
etwas Gönnerhaftes: ihr Mann, der
immer noch schöne, stattliche Bernhard
Krugerer, und die großen, seiostliche
ren Kinder.
Sie wußten es alle: mit Muttchen
mußte man Nachsicht haben. Wenn
man mit ihr, was selten genug vor
kam, einen Besuch machte oder einer
Festlichkeit beiwohnte, mußte man ge
nau darauf achtgeben, ob Muttchen
auch wirklich die Bluse so am Rock
sestgesteckt hatt, daß sie nicht heraus
rutschen konnte, ob sie auch einen pas
senden Stiefel, einen passenden
Handschuh zum Besuchskleid trug, und
auf der Treppe noch mußte man ihr
einschärfen, wie sie sich bei Anrede
und Gegenrede zu verhalten habe,
Ja, an Muttchen haftete noch immer
all die Enge und Kleinlichkeit der
Kleinstadt, trotzdem sie schon bald
fünfundzwanzig Jahre in dem gro
ßen Berlin lebte, das dicht vor ihrer
Wohnungstür, schnaubend, schrillend,
fauchend, ratternd und pfeifend da
lag wie ein Fabelungetüm, mit dem
man Kinder schreckt.
Noch immer getraute sie sich nur
zaghaft allein über die großen, belebe
ten Plätze und atmete erst auf, wenn
ihr Mann oder eines der Kinder ihren
Arm berührte und sie sührte. Am
wohlsten war ihr zumute in ihren
vier Wänden, in denen sie als die
sorgsamste und sauberste Hausfrau
waltete, ewig nach nnneno und bejchas,
tigt, wie sie ihren Lieben das Daheim
so gemütlich und anheimelnd nur. mög,
lich machen konnte.
Da war ihre kleine, unscheinbare
Erscheinung am Platz. Güte strahlte
von ihr aus und Zufriedenheit. Das
tolle Leben draußen ober erschreckte
sie. Bei jedem heftigen Klingeln an
der Haustür war ein leiser Schein
von Furcht in ihren schönen, sanften
grauen Augen, die erst froh ausleuch
teten, wenn alle ihre Küchlein um den
ruilden Eßtisch versammelt saßen und
der Schein des Lampenlichtes auf die
Häupter fiel, die sie liebte.
.Ja, Muttchen!" Das war bald
ein Seufzer, bald ein Liebeswort, bald
ein Spötteln, ein Bevormunden. ' Ei,
ner lernte es vom andern und tat es
ihm nach.
Bereits wenn die Kinder begannen,
das Schulränzel zu tragen, war
Muttchens Autorität und Unanfecht.
barleit schon dahin. Es war, als ob
die Kleinen da draußen in dem frem.
den Leben unter den fremden Men
schen auf einmal scharf fehende Augen
bekamen, die plötzlich begannen zu
sondern, zu vergleichen, zu beobachten,
zu bekritteln. Was trug Muttchen
doch immer für altmodische, langwei
lige graue und braune Kleider? Wie
steckte sich Muttchen nur die dünnen
Zöpse unvor7eilhaft im Nacken auf?
Wie hilflos war Muttchen. wenn, die
gewichtjge Berliner .Perfekte" auf
trumpfte, sobald Muttchen schüchtern
dies oder da an ihrer Arbeit zu be
mangeln fand.
Jeder bemutterte Multchen, yieik
ihr das Unangenehme fern, handelte,
ohne ihre Meinung einzuholen, kam
stch ihr unendlich überlegen vor.
Und Muttchen war e so zufrieden.
In ihrer sauberen Hausschürze trip
pelte sie durch alle Zimmer, sitaie.
näht, flickte, kochte wa? immer da
und verhielt sich loch so lautlos und
unausfällig, daß man kaum ihre An
Wesenheit bemerkte. Nur wenn eine
der Familienmitglieder ernstlich er
krankte, stieg München! Würde und
Wert. Wenn man so dalag mit sie
banden Adern, schmerzendem Kopf,
dann dachte man wohl, wenn sich
Muttchen kleine Hände linde auf die
Stirn legten, so geschickt Kompressen
und Umschlage erneuerten, Tropfen
einflößten: .Engelshände seid ihr
doch!" -Und
Muttchen rückte immer mehr
in den Hintergrund, je älter die Kin
der wurden. Sie waren nun alle
erwachsen und große, schöne, starke
und fröhliche Menschen geworden.
Die Töchter mit ihren Walkürenge
stalten, den hellen Haaren, den nor
bischen Augen daS Urbild deS deut
schen Mädchens; die hochgewachsenen
Söhne mit den breiten Schultern, den
ehrlichen, gesunden Gesichtern, belebt
und verschönt durch den Glanz der
treuherzigen, rtinblauen Augen, er
scheinend wie die Neckengestalten der
Sage. Und zwischen dem Mann und
den herrlichen Kindern stand das
kleine, bescheidene, rührende Muttchen
wie ein schüchterne!, welkendes Beil
chen unter dem Gezweig starker Eichen.
Der älteste Sohn und die älteste
Tochter verheirateten sich. Dadurch
wurde der Haushalt und die Mitglie
derzahl der Familie nicht kleiner, son
dern größer. Schwiegersohn und
Schwiegertochter fügten sich ein in den
Kreis des Elternhauses. Sie hatten
ihre Wohnungen in der Nachbarschaft.
So waren die drei Haushalte wieder
fast wie einer. Durch sie waren zu
den sieben andern noch zwei Menschen
mehr dazu gekommen, die sagten:
.Nein, Muttchen. mit dem Hut kannst
du wirklich nicht mehr gehen "
oder Hier, Muttchen, ich habe dir
genau die Straßenbahnlinien aufge
schrieben, die du benutzen kannst, wenn
du morgen nach Lichterseide willst
Und Muttchen lächelte ihr beschei
deneS Lächeln und sagte: .Ja, wie
ihr wollt, ihr Lieben. Ihr wißt m
alleS so viel besser, seid so gescheit
und verständig. Wenn es euch nur
gut geht und ihr glücklich und zusrie
den seid. Auf mich kommt's nicht an.'
Und als der Krieg kam : und die
Sohne und Schwiegersöhne im seid
grauen Rock das Haus verließen, sich
einreihten ins Heer, und zeder em
Stein war in der Mauer, die schür
zend stand um Deutschland herum,
da sah Muttchen ihnen mit hilflosen
Augen nach und stand auf der
Schwelle, ais wüßte sie nicht, wohin,
als wüßte sie nicht, sollte sie ins
Haus zurück, zu denen, die daheim
geblieben waren, oder denen nach, die
der Gefahr entgegengingen, um ihnen
nahe zu sein mit ihrer Liebe. Und
die Briefe, die die Söhne und Schwie,
gerföhne (denn Edith hatte sich vier
Wochen, bevor der Geliebte ins Feld
rücken mußte, kriegstrauen lassen, und
auch Berta hatte einem Freier daS
Jawort gegeben) aus dem Feld, aus
Schlacht und Gefahr an Muttchen
schrieben, waren viel harmloser, viel
schönfärberischer gehalten als die an
die andern Familienmitglieder. Mutt
chen mußte man ja verschweigen, was
man nur irgend verschweigen konnte.
Alles aber konnte man doch nicht
verschweigen. Es kam eine Stunde,
in der Edith, die junge, kriegsgetraute
Frau schluchzend hinsank neben Mutt
chens Stuhl und den Kopf barg in,
ihrem Schoß. Und aus dem Gestam
mel erfuhr Muttchen, was Edith
schon tagelang heimlich mit sich her
umgetragen. Ihr Mann lag in ei
nem belgischen Krankenhaus, und daS
zerschmetterte Bein hatte ihm abge
nommen werden müssen. Und Mutt
chen blieb ganz still und strich nur
wieder und immer wieder mit ihren
schwachen Händen über daS Goldhaar
der Tochter, die vor ihr kniete, wieder
ein trofibedurftigeS Kmd, daS Zu
flucht suchte am Mutterherzen.
So gingen die Monate. AuS
Herbst ward Winter, auS Winter
Frühling. Und immer noch war die
Erde rot von Blut, der Himmel rot
vom Widerschein deS Feuers.
Und alS ein herber, lieblicher Mai
über den Landen lag, und die ersten
Lerchen schmetterten über den Feldern,
aus denen daS deutsche Brot wuchs,
kam der finstere Tod mit schwarzem
Schatten in die hellen Stuben, die
Muttchen ihr ganzes Leben lang so
hell und traulich und freundlich wie
möglich für ihre Lieben erhalten.
HanS und Ernst, die vergötterten
Lieblinge der Familie, die schönsten,
sonnigsten, herrlichsten der KrügererS,
die als Brüder und Negimentskame
raden Schulter an Schulter die ganze
Zeit gefochten und ausgehalten, wa
ren gefallen bei demselben Sturman
griff. Das traf die starken Menschen
bis ins Mark. Sie schauten aneinan
der vorbei, und keiner wagte zum an
dern zu sprechen. Sse. die so lachend
und stolz durchs Leben gegangen, sa
ßen zerbrochen da, unfähig sich zu er
heben aus ihrem tiefen Schmerz. Urz
erit an, Abcnd merkten sie. daß Mut!,
chen schon viele Stunden lang d:c
schwunden war, und daß nieman?
kam und Ihnen eine Lampe ins dunkle
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jimniLi. imiu;iu
.Um GotteS willen! rttsen die
Kinder. .Nehmt euch nur zusammen,
daß Muttchen unS nichts anmerkt,
daß sie noch nichts erfährt, wenig
stcnS heute noch nicht! Sie könnte ti
nicht ertragen. Wir müssen sie lang
kam vorbereiten, sie glauben machen.
HanS und Ernst waren nur verwun
det -V
Da aber am die Türe auf. und
Muttckien stand im Reaenmantel und
schiefsitzendem Hütchen in der Stube
nd sagte: .Ihr braucht nur xua?ra
zu verschweigen. Ich weiß eS schon
den ganzen Tag." -
Die Familie sah lq veiroisen an.
.Muttchen. wo bist du denn ewe
sen im Regen und Wind?" fragte die
Schwiegertochter.
Und MuttchenS Stimme war ganz
fest und bebte nicht: .Ich habe dafür
aekorat. dak scknellstenS alleS et
Weht, um zu versuchen, unsere Jun
gen hierher zu bekommen, damit wir
sie betten können in heimischer Erde,
draußen unter den Bäumen, wo un
sere kleine Hede ruht"
Wieder suchten sich die Blickt ver
KrügererS voll Staunen. Ja, natür
licki. dak daran auch keiner aedackt
hatte. , In deutscher Erde mußten die
geliebten Jungen schlafen neben lein
Hede, dem Engelskind, daS schon mit
vier Jahren die süßen Augen geschlos
sen hatte zum ewigen Schlummer und
heimgekehrt war zum Herrn.
Muttchen , brachte die brennende
Lampe und zog die Vorhänge zu.
.Weine nicht. Edith." 'sagte sie ,u der
jungen Frau. .Denk an dein Kind.
Laß e nicht Tränen trinken. Ein
lachender Mensch muß eS werden und
ein starker Mensch."
.Bernhard, liebster Mann, wen
die Jungen dich so sähen!"
Und Bernhard Krugerer, der zu
sammengebrochen, mit starren Augen
dagesessen, richtete sich steiler aus.
Und Muttchen deckte den Abend
tisch. Muttchen schickte jedes der Kin
der zur Ruhe.
Muttchen führte mit fester Hand
die Berftörten, Verzweifelten, zurück
zum freundlichen Alltag, zu den
Stätten, wo die Quellen ihres Le
bens sprudelten.
Muttchen lehrte sie, daß Arbeit und
Pflichterfüllung die festen Anker sind,
an denen unsere Herzen ruhen.
Muttchen lehrte sie beten für ' die
Verstorbenen, ihrer gedenken mit
treuester Seele und sich dann zu den
Lebenden wenden, um denen zu geben,
was ihres Rechtes ist. Und alle beug,
ten sich der kleinen, sanften Hand und
taten nach ihrem Willen. ,
.Was ist nur über dich gekommen.
Muttchen?" sagte eineS AbendL im
Schlafzimmer, als sie sich zur Ruhe
begeben wollten, ihr Mann nachdenk
lich. Als wir alle stark waren, warst
du schwach. Nun wir alle schwach
sind, bist du eine Heldm. Ättr
ich hätte dich nie gekannt und sähe
dich erst jetzt. Was bist du eigent
lich?"
Und Muttchen lächelte ihr altes
schüchternes, bescheidenes Lächeln.
.Ich bin eine Mutter, und ich
habe euch lieb, Bernhard. DaS ist
das ganze Geheimnis," antwortete sie
und flocht das graue Haar in dünne
Zöpfchen, um es unter die Haube zu
stecken für die Nacht.
In dcr Ofterprufung.
In Schnabelsdorf ist öffentliche
Osterprüfung, wozu auch die Eltern
der Kinder erscheinen. Auch der
Eisenbahnschaffner - Schnorrenberger
hatte den Bitten seiner zehnjährigen
Elly nicht widerstehen können und
war mitgegangen, 'obwohl er am
Abend vorher strammen Dienst hatte
und müde war zum Umsinken. Der
Lehrer prüft über Geographie Thu
ringens, und das Aufzählen der
Berg und Flußnamen wirkt so ein
schlafend auf den müden Schaffner,
daß er schließlich dem Traumgott sein
Opfer nicht mehr vorenthalten kaun.
Der Lehrer merkt wohl, daß sein
Gast sanft entschlummert ist, und ge
denkt ihn durch einen ihn mehr inter
essierenden Gegenstand wieder zu er
muntern, er prüft jetzt über die Vcr
kh:sverhältnisse. Die Stationsna
men der Thüringer Bahn schlagen an
deS Schaffners Ohr und dann auch
die der Saalbahn, und immer ist es
ihm im Halbschlafe, als wäre dabei
etwas nicht ganz richtig. Jetzt kommt
auch feine eigene Strecke daran, und
das Mädchen an der Landkarte dekl,
miert eben: Kösen, Naumburg, Leiß
ling. ' Weitzenfelö. Corbctha. Mer"
bürg da läßt 3 dem ge
wissenhaften Schnorrenberger keine
Ruhe mehr, und mit seiner jcdcg
Schnellzugsgerassel übertönenden Lö
wenstimme ruft er in die Klasse hin
. ' Off. 2 Trt v1nrt4ir trft 0!niirt
CIm; n'4ürK Ul iU4Vtn;u mtuy
umst'igen! Zehn Minuten Aufent-
halt!'
In der Magiftratsslt
n 3. Meine Herren, der Spring
brunnen im Part muß errichtet wer
den, und wenn er noch, mehr Staub
aufwirbelt.'''