Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, July 05, 1916, Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    VlgNZ OmllZt XrtTIni
V
K
A
Ariegssstevn
von Frcdrik Böiik im ..AtocKyokms Dagvcad".
.4.4 - ,4 - 4 -
II. I
Anderseits wäre eS sicher unbegründet,
von einer kriegerischcn Stimmung in der
deutschen Reichiihauptstadt zu sprechen.
Man ist allzu geprüft, um irgendwie
schäumenden Ingrimm z empfinden, all
zu nüchtern, um auf unbedingte Gcrech
) tigkeit zu pochen. Und vor allem eine:
man hegt ein allzu bergfcstcS Zutrauen zu
der verantwortlichen Leitung, um irgend
wie da persönliche Bedürfnis zu haben,
feine Gefühle zu demonstrieren. Man hat
sich von Grund aus in den Gedanken ein
gelebt, daß nur der, der die ganze Lage
überschaut, zielbewußt zu handeln der
mag. Ich hörte dieser Ueberzeugung
einen Soldaten Ausdruck verleihen, der,
kurz nachdem er für eine scharfe Ant
Wort" an Amerika eingetreten war, .hinzu
'süßte: .Aber auf jeden Fall, ich bin mit
nrn Sx'tut ftftofsen und wein, dak mai
LjjichU, buchstäblich nicht? von dem versteht.
I was geschieht; nur die Herren im Stab
begreifen, WaS sich tun läßt. Anders ist
et hier wohl auch nicht.' ES ist keine Rede
r r .! . r . at.
uapon, oan, eine ikirgierniig iiaj von öc
fühlsstimmungen und volkstümlichen For
derungen treiben lassen muß, wo eS sich,
wie hier, um eine Nation handelt, die
,' während deS Krieges eine solche politische
I Erziehung durchgemacht hat.
Bei den gebildeten und politisch fuh
t renden Klassen stehen die beiden Strö
'. münzen einander schroff, gegenüber. Daß
l der englische Aushungerungskrieg der
i Grund zu allem Elend ist, daß Amerikas
Auftreten einseitig war, darin sind sich
,4 olle einig; aber die Meinungen gehen auö
(einander, teils in bezug auf die Bedeutung
der Feindschaft Amerikas, teils in bezug
auf die Möglichkeit, durch einen noch mehr
i verschärften Unterwasserkrieg einen ent
I scheidenden Einfluß auf den Gang des
7 Krieges auszuüben. Dabei kann sich der
neutrale Zuhörer nur fchwer verhehlen,
) daß die zurückhaltenden Elemente den be
' sinnungsvolleren und kritisch schärferen
i Standpunkt einnehmen. Und man be
kommt den bestimmten Eindruck, daß die
mäßigende Tendenz jetzt, nachdem der erste
Ehoe überwunden worden ist, täglich
1 Fortschritte macht. DernburgS Artikel.
Y mit dem klaren Hinweis darauf, daß die
j Scharfmacher eigentlich die liebsten Wün
f fche der Entente begünstigten, kann seinen
t Eindruck nicht verfehlen,
i Der Tag nach dem Osterfest scheint
ier bisherige Höhe und Wendepunkt der
Krise gewesen zu sein. Man konnte einen
durchaus richtigen Eindruck von der
Spannung schon während eines Vormit
!AJlH iiv
Anita Stewart. '
ilmzÄUber.
Lielgeplagte SzennrioNcdakteure. '
Hundert Kinostlicke. Schwarze Liste
für abgedroschene Titel. Ergüsse der
Kino.Schriftsteller. Wie man tut
einer Bombe besondere Aufmerksamkeit
auf fein Manuskript lenken kann.
Sie sollten sich nicht über die Szenario
Redakteure lustig machen,' sagte mir mal
einer von den Leuten, die täglich mit unge
fähr hundert Filmstücken von Schriftstel
lern und blutigen' Anfängern bedrängt
und belästigt werden und jedeS einzelne
davon durchlcsen und beurteilen müssen.
.Es mag ja vorkommen, daß die Szena
rio-Rcdakteure mein Drama von einem
ganz anderen Gesichtswinkel betrachten,
daß sie daS oberste nach unten kehren und
mit dem Ende anfangen, aber in den mei
ften Fällen verlangt es die Filmtechnik fo.'
Dann wies er auf einen Berg von Ma
nuskriptcn. alle fein säuberlich geheftet.
Der Titel stand in der linken Ecke, der
Name des Verfasser in der rechten Ecke
des eisten BlattcS:
.Di:sen Berg von Zuschriften erhalten
wir hier jeden Tag', erklärte der Szena
rk'Mann und warf dabei einen nicht
gerade liebevollen Blick auf den Papier
in Berlin. 1
- 4 - t .)'t'')'''l
tagSspaziergangeS durch die Wilhelm
st rabe und dU angrenzenden Viertel fe
kommen. In der Wilhelmslraße erkannte
ich schon von der Ferne die stattliche Ge
stalt dei Äeheimrat Wilamowitz'Mocl
lcndorf: er ging ungijhnlich rasch und
sein Aeuszere trug zweiftlloi Aeichen
einer sehr großen Eile, trotzdem konnte
man in den Gcsichtsziigen lesen, daß nicht!
Unangenehme geschehen war. Zwei
Stunden nachher meldeten die Zeitungen
den Inhalt eine! Telegramme!, da! die
Leitung der Germanh Unidersily League
of Amerika an den Rektor der Universität
in Berlin geschickt hatte und worin die
Ueberzeugung ausgesprochen war, dah die
Mehrzahl de amerikanischen Volkes
Frieden mit Deutschland wünsche.' ES
war also diese Botschaft, die der alte Ge
lehrte in aller Eile in Reichskanzler,
Palai brachte. Im Garten deS HotelS
Adlon sehe ich die amerikanischen Jour
nalisten versammelt; sie genießen lächelnd
und Zigaretten rauchend die Frühling!
sonne, und wie einer einen Kollegen
fragt, ob er den Pah fertig habe, hört
man am Ton, daß ei harmloser Scherz
ist. , Dieses Schauspiel flößt Hoffnung
ein: aber man fragt sich, ob diese ruhige
Fröhlichkeit nicht ganz besondere Gründe
hat, die nur der Fachmann ganz richtig
einzuschätzen vermag: diese amerikanischen
Gentlemen, von denen mehrere zu den er
fahrensten und einflußreichsten ihre! Zan
des gehören, sind auaenblickllch ganz
außerstande, ein einziges Riesentelegramm
zu kabeln, sie haben für eine Woche nichts
anderes zu tun, als auf die deutsche
Antwortnote zu warten, und ihr sorqeni
loses Glück im Sonnenschein ist vielleicht
etwas mit der Ferienfreude der Schul
fugend verwandt. Ich spreche mit Mr,
von Wiegand, dem Korrespondenten der
offiziösen New Fork World', den viele
für den besten Journalisten dieses Krieges
halten und dem die Aeußerung Winston
Churchills hinreichend Ehre macht, daß
sein bekanntes Interview mit dem Papst
bisher die größte diplomatische Niederlage
der Entente gewesen sei, und eS zeigt sich,
daß dieser keineswegs eine pessimistische
Auffassung von der Lage hat. Im e
gentcil. Den gleichen Eindruck der 23er
besserung bekommt man, wenn man dem
lauscht, waS innerhalb der kleinen Gruppe
für den Krieg geboten wird: 52 für den
Frieden, 43 für den Krieg. Auf dem
Rückweg durch die Wilhelmstraße fehe ich
die hohe Gestalt des Reichskanzlers mit
einem zahlreichen Gefolge in fein Palais
eintreten; er ist in Felduniform und soll
Haufen. .WaS meinen Sie, waS da alleS
drin steckt?'
Ich war gespannt und wollt über das,
was da drin steckte, etwas mehr erfahren.
Wir fchlugen daS erste Szenario auf. Ti
tel: .Die Rache der Verstoßenen'. Da
legte der Szenario-Mann gleich loS:
.Sehen Sie sich den Titel an. .Die
Rache der Verstoßenen'. Wie oft glauben
Sie, daß wir diesen Titel zu lesen bekam
men? Mindestens dreimal jeden Tag!
.Die Rache der Verstoßenen' steht schon
längst auf der schwarzen Liste, zusammen
mit einigen hundert anderen Titeln, m
auch zwei Dutzend mal in jeder Woche an.
geführt werden. Dazu gehören: .Die
Liebe einer Mutter', .Da Kind der
Straße', .Erblich belastet', .Die Königin
der Unterwelt', .Dc Weib mit den
Glühaugen', .Vom Vater verstoßen'.
.Unschuldig km Zuchthause' .Alte Liebe
rostet nicht", .Der bestochene Richter'.
.Ein Freund ,n der Not', .Da Geheim
nis von irgend einem Nest oder iner
Straße in der Welt', .Dem Galgen ent
rönnen', .Der Mutige gewinnt', .Eine
Nacht in der . . .'. Die unschuldige
Frau und noch Dutzend andere meor,
Von diesen Titeln kommt un täglich
mindesten immer einer einmal unter die
- " 1 "' 1 1 1 ""' ' ' " 1
l-
,
'
'i
i . fcShi- j A
um.
grau Ludwig Hehl.
le ronprinze m on
' i . ! '
die altes Kunstgewerbe auS Privatbesitz
nachmittags inS Hauptquartier abreisen,
um dem Kaiser den Entwurf zur deut
scher Antwortnote vorzulegen.
DaS amerikanische BotschaftshauS am
Wilhelmsplatz liegt in völliger Ruhe da und
zwei Strümpfe strickende Kindermädchen
auf einer Bank und zwei Kinderwagen,
mit ihren weißen, in der Sonne leuchten
den Dächern, sind die einzige Bewachung,
die zu entdecken ist. Ich stelle mir vor,
daß eS andere Hauptstädte gibt, h denen
in einem entsprechenden Fall der Platz
schwarz von Volk und ein Polizistenkordon
um ,das Gcsandtenhaus gezogen wäre.
Auf der Leipzigerstraße sieht man unge
wöhnlich viele Fußgänger mit einer Zei
tung in der Hand, das ist alles. Wenn
ein Mensch, der feine Ideen über Deutsch
land aus der Ententepresse bekommen hat,
hierher kommen würde, würde er diese
Stimmung unmöglich anders denn als
dumpfe Apathie auffassen, als die voll
kommene Interesselosigkeit eines ermatteten
Volkes, das schon jeden Hoffnungsschim
mer verloren hat. Wie könnte er der
Neue Bilder bekannter Fttmmersterne.
Theda Bara zum ersten Male nicht als Vampyr. Joft EollinS.
Nase. Man muß wirklich siaunen, wenn!
man bedenkt, daß jeder zehnte Mensch aus
irgend einen abgedroschenen, zehnmal be
nutzten Namen zurückkommt. Das ist an
sich schon em Armutszeugnis für vie n
Ulligenz ver sverianer.
Nun laben wir uns den Inhalt mehrerer
Filmstücke genauer an. Die .Rache der
Verstoßenen' wird von einem unschuldigen
Dienstmädchen verübt, da die zanksüchtig!
Hausfrau au der Villa wirft, weil sie
glaubt, vas 'caoel woue iyren E?oyn ver
führen. Die harmlose Verstoßene fällt
ntrr di Räuber und lvielt im nächsten
Bild eine hervorragende Rolle in der Un
terwelt, wo sie als Juweien-Ä,yea' muym
und Ansehen erlangt. Der Sohn der
Hausfrau ist mittlerweile leichtsinnig ge
worden und frequentiert Lokale, von denen
seine Mutter ihn gerne ferngehalten hätte.
Dort wird er mit der Verstoßenen, die er
natürlich nicht wiedererkennen darf, be
kannt, und daö ehemalige Dienstmädel,
auS der in den ersten sechs Minuten deS
FilmS eine gefährliche Männcrjägerin ge
worden ist, zieht ihn immer fester und se
ster in ihr Netz, bi! sie ihn foweit getrie
ben hat. daß er den väterlichen Geldschrank
erbricht, um ihr meterlange Perlenketten
zu den schönen Füßen legen zu können.
Von alledem ahnt natürlich die zanksüch
tige Mutter nichts. Sie erfährt erst den
ganzen Schwindel, als ihr Sohn total
verkommen und verlumpt ist, da! VermS
gen draufgefchlagen hat und von Detektivs
'
'
? ,
' S -
.u - .V -
" - (f
t
1 .'!. -., V
l
-.! f
. f . ,
. i
: ,
t
'V,,J-
v- '
T-
DI rnprln,ellin.
l fr .'l e t . ftr.. of..j
orr rv?inng orr u,trug u
-.-X -
Mi 'i V
ä ,
Mt . '
' ' fr I
K j - r.
:-'
5 .':
zeigt und vom deutschen LyceumKlub in Berlin zu wohltätigen Zwecken veranstaltet
wurde.
stehen, daß eS die tiefe Ruhe der Kraft
und der zielbewußten Arbeit ist.
Wer in Berlin nichts anderes als die
Straßen und Restaurants .sieht, bekommt
kaum einen starken Eindruck von den
Schwierigkeiten, mit denen diese! krieg
führende Volk wirklich zu kämpfen hat.
Natürlich ist e! das beste, wenn man seine
Brotkarte nicht vergessen hat obwohl
man in Wirklichkeit vortrefflich ohne sie
auskommt, da verschiedene Brotsorten frei
sind und man muß sich mit den fleisch
freien Speisekarten der Dienstage und
Freitage begnügen; aber daS sind Kleinig
leiten ohne Bedeutung, und der Schwede
stellt mit Leichtigkeit fest, daß die Re
staurantS in Berlin billiger sind als die
in Stockholm, genau so wie derjenige, der
von Paris kommt, sich leicht davon über
zeugen kann, daß Hiller den Vergleich mit
Voisin, Rictz und wie sie alle heißen. auS
gezeichnet vertragen kann. ES gibt Speise
stellen, wo sich der Arme für 65 Pfennig
gründlich satt essen kann, und noch habe
ich nie ein Restaurant gesehen, dessen Vor.
verfolgt wird'. Die Erkenntnis wird ihr'
von der Verstoßenen beigebracht, die im
Auto vorfährt Und triumphierend die
ganze Wahkhelt verkündet. Damit endete
die aufregende Geschichte plötzlich und ue
befriedigend. ,
ia wenn fc Nersasser sentimental ae
wiin iniir." Ukk bei SzenarioMann
dazu, .dann hätte er die Sache in'S End
lose ausgedehnt, den verbummelten Sohn
in die Gerichte geschleppt, die .Verstoßene'
plötzlich ihre Liebt zu iyrem Gipser erien
nen und divers Meineide schwören lassen,
wgrk sie kinen outen Lebenswandel be
ginnt, und die ganze Sache mit einer fröh
liehen Hochzeit endet.
Drei andere Dramen behandelten samt
Iiifi da helnrmk ,dreuckiae Verbältnis'
und nahmen alle drei den gleichen Aus
gang. Ein andere unter vcm evensaus
abgedroschenen Titel .Im Tode gerächt',
brinnt in, 3?ifi hon Werkolaunaen. die
ein Unschuldiger erleiden muß. Der Ver
folgte wirft sich schließllch. um seinem re
ben ein Ziel zu setzen, vom Dache eines
Wsiockigen Gebäudes, ram aus uno er
schlägt den zufällig vorübergehenden Ver
folger, womit dik Rache im Tode vollzo
gen ist.
DaS nächste Schriftstück kam au einem
gottverlassenen Nestchcn in Pike County,
Pennsylvanien. Es war nicht mit der
Maschine, sondern von einer groben Hand
mit Bleistift auf ein au dem Heft geris
sene Blatt geschrieben und vermittelte, wie
,
- i
, "V"
'
. .
Vrüfln Perponcher.
. . . (T
,it
"uu- ,
räte erschöpft waren. ES ist keineswegs
schwierig, Beweise für reichliche Vorräte
zu sammeln: Gemüse wird überall in
Masse angeboten; auf dem Markt m Steg
litz kann man nach Schluß de! Marktes
ganze Wagenlasten von Eiern sehen, die
zu 20 Pfennigen daS Stück nicht verkauft
wurden, und Kartoffeln gibt eS in un
begrenzter Menge zu vollkommen normalen
Preisen. ES fehlt weder an Bananen,
noch an Apfelsinen; diese letzteren kommen
nicht nur auö Spanien, sondern auch auS
Italien, und wenn man sie liegen und
dunkelrot im Sonnenschein brennen sieht,
dann haben sie etwaö unbeschreiblich
Komisches an sich: sie erröten, aber sie
kommen auf jeden Fall. Immer wieder
stellt der Kellner ungebeten einen neuen
runden Bierkrug vor die Kneipenden hin,
obwohl der Berliner darüber jammert,
daß daS Bier dünner geworden ist;
ständig rauchen die Zigarren und noch ist
der Kaffee nicht knapp geworden, obwohl
die Zeit wohl kommen kann, wo er in
hohem Grad synthetisch wird. Nicht ver.
nach längerem Studium l,:r rerworrenen 1
Schrift erkenntlich wurde, folgende Kunde:
Werter Herrl Ich habe eine Idee, die
fur's Wandclbild großartig ist. Ich habe
die Idee schon ausgeschrieben. Falls Sie
da! Stück haben wollen, schicken Sie sofort
jemand her, der eS ansehen kann.' Patrick
McD , . . 5W
Solche Anforderungen werden an un
gestellt,'' rief dr SzenarioRedakteur ge
reizt und schlug nervo mit der Hand auf
den Tisch. .Dieser Mann ist aber noch
harmlos. Schlimmer find die Schlauen,
die ganz Schlauen. Die schicken uns ir
gcnd einen verzeihen Sie daS harte
Wort, Mist her. wir lesen die Geschichte
und schicken sie prompt zurück. Zwei Tage
darauf ist dasselbe Stück mit einem ande
ren Titel wieder hier, und so wiederholt
sich die Sache wohl vier oder fünfmal.
Wenn darauf dem Verfasser geschrieben
wird, er solle uns mit diesem einen Ding
doch verschonen, dann schreibt er un! einen
groben Brief, sagt, wir wären Rindsvich
cker. die keine Ahnung von einem anstän
digen Szenario hätten und zu dämlich
seien, um ein gute! Stück überhaupt be
urteilen zu können. Oder er schreibt, daß
wir daS Szenario nur zurückgeschickt hät
ten, nachdem wir fene .gute Idee' darau
gestohlen hätten, um sie selbst irgendwie
anzubringen.'
Manchmal verfallen die Verfasser von
Filmstücken auf sonderbare Ideen, um
besondere Aufmerksamkeit der Szenario
gebett! stellen die deutschen Kinder jeden
Abend einen Napf mit Wassere In die
dunkelste Ecke der Garderobe; am Morgen
hat dann der Osterhase, da scheue und
graziöse Marchcntier, da! Wasser auö
getrunken und die herrlichsten Schokolade,
eier mit Marzipan gelegt. Ja, im Pa
noptikum an der Friedrichstrabe wird noch
Immer Eoloß. der dickste Mann der Welt,
vorgezeigt; ich habe nur sein Bild gesehen,
nicht ihn selbst; aber e schien mir zwei
felhaft, ob die Entente etwas Wohlbelcib
tere! auszuweisen hat.
All das aber ist doch nur die Hälfte der
Wahrheit; schon die langen Reihen vor
den Fleisch und Butterläden zeigen, daß
e solche gibt, die leer auSgehen, und
spricht man mit den Hausfrauen, f be
kommt man eine klare Vorstellung davon,
daß es Schwierigkeiten gibt und sich
Überall einschränken muß. Da! Fleisch
kostet mehr, al iz mal so diel wie früher,
manchmal nähert sich der Preis dem
Doppelten; auf die ykeifchkarte bekommt
man nur knappe Rationen. In einem
Trambahnwagen kann man Arbeiterfrauen
und alte Frauen ihre Erfahrungen au!
taufchen hören und sich einen Eindruck von
Ihren Sorgen machen. Meisten! geht e!
gegen die Zwischenhändler, die mit den
Waren wuchern und sie vom Markt der,
schwinden lassen, wenn der Höchstpreis
festgesetzt worden ist; ich habe eine kleine
bezeichnende Einzelheit gehört, die sich bei
der Nachprüfung all vollkommen richtig
erwies. Anfang März wurde der Höchst
preis für Zwiebeln auf 25 Pfennig pro
Pfund festgesetzt, mit dem Ergebnis, daß
man keine einzige Lwieoei in ganz Berlin
uftreiben konnte. Am Ende des Mo
natS wurde der Höchstpreis aufgehoben
und nun konnte man ganze Wagenlasten
von Zwiebeln für 6 Pfennig kaufen. In,
zwischen waren doch keine Zwiebeln ge
wachsen", wurde mit unwiderstehlicher
Wahrheit gesagt. Ein solches Beispiel
zeigt, daß der Wucher in der Tat eine
große Rolle in der Lebensmittelknappheit
spielt; es sind nicht nur die Armen, die
hiervon überzeugt sind. Die Fleischkrise,
die während der Ostertage eintrat, hatte
ohne den geringsten Zweifel ihre Ursache
in der Festsetzung der Höchstpreise.
ciub soigt.)
n$5,
Die verlotterte Stadtyygiene
in Irankreich.
Wie sehr die sogenannte Kultur der
Franzosen nur auf Äußerlichkeiten aufge
baut ist und einen trügerisch glänzenden
Firnis bildet, hinter dem sich Zustände
verbergen, die mit den selbstverständliche
ften Forderunqen der modernen ErrungeNl
sihaften in Widerspruch stehen, läßt sich
am besten be, näherer Betrachtung der Hy
Hattie
Redakteure auf 'hr? Erg'l!! lenken:
In der Szenario-Aöleilung einer gro
ße Filmgesellschaft wurde kürzlich vom
Briefboten ein ziemlich umfangreiches Pa
pierbllndel abgeliefert, daS sorgfältig mit
Bindfaden umwickelt und mit dicken roten
Siegeln versehen war. In der Hülle von
Packpapier lag eine flache Schachtel mit
der Aufschrift: .Italienische Rache'. Der
Office Boy, zu dessen Obliegenheiten eS
gehörte, die Briefe zu öffnen, war ein
Office Boy von der alltäglichen Sorte,
und daher konnte er dem Dränge nicht
widerstehen, den Deckel der Schachtel an
einer Seite etwa? hochzuheben, um in da!
Innere zu spähen. Was er sah, war
Sägemehl. Da wunderte ihn. und er
rief den Szenario-Redakteur herbei, der
ihm befahl, daS Sägemehl wegzuschütten.
Kaum war da geschehen, da sah man auf
dem Boden der Schachtel zwei elektrische
Glühlampen, von denen eine mit einer
dunkelfarbigen, die andere mit einer was
serigen Flüssigkeit gefüllt war. Beide wa
ren durch dünne Drähte verbunden, und
gegen die Seitenwand de Pappkasten
war ein Winzige Trockenelement geklebt,
wie man si für elektrische Taschenlampen
benutzt. Kaum hatte der Szenario-Re
dakteur diese .Maschinerie' gesehen, da
wurde er kreidebleich im Gesicht. Vor
Angst zitternd, befahl er den OfficeJun
gen hastig: Leg daS Ding hin' und
dann riß er den Jungen in eine sichere
Ecke deS BurcauS. Andere Angestellte der
gienederhältnisse und der sanitären Ein
kichtungen in den französischen Städten
erkennen. Wer jemals ine Reise durch
Frankreich unternommen hat, kann bcstci
tigen. daß die Reinlichkeit zu den Tugcn
den gehört, die bei den Franzosen, wie üb
rigenl ja auch ihre lateinischen Bunde?
genossen, den Italienern, nicht gerade einen
Ehrenplatz einnehmen. Die beste Gelegen
heit zum Studium dieser Zustände hatten
die deutschen Feldgrauen, die die nord
französischen Städte Medien. Ucverail
wurde ein cni'iefpwchen'r Mangel an
NcinlichkeilsgcsUhl festgestellt, und e! gab
keinen Stadtbereich, in dem die Tätigkeit
der GefundheiiSbehörden nicht zu wün
schen übrig ließ.
So konnten die beutschen Besetzung
Mannschaften in Lille. wie Schwalbe
in der Deutschen Medizinischen Wochen
schrift berichtet, den schlechten Gesund
heitSzustand und den Mangel an Körper
pflege in der französischen Zivilbevölkerung
beobachten. Bei Untersuchung der sladti
schen Wasserleitung wurden geradezu un.
glaubliche Zustande aufgedeckt. Bon den
an sich nicht schlechten Quellen wird daS
Wasser in Kanälen, die unversntwortlt ,
chcrweise nach unten offen sind, zu dem
Pumpwerk geleitet. Eine bakteriologische
Untersuchung dieseS Wassers ergab einen
hohen Prozentsatz an schädlichen Keimen,
der sich nach Regengüssen innerhalb kurzer .
Zeit auf daS Drei und Vierfache stei
gerte. Trostlos waren auch die vorgefun
denen Kanalisationsverhältnisse. Die Ka
näle sind während mehrerer Jnhrhunderte
entstanden, indem jeder Hausbesitzer für
seinen eigenen Gebrauch ein Kanalstück
errichten lieh. Daher sind die Querschnitte
vielfach voneinander verschieden, und der
Untergrund der Kanäle war der Durchseu ,
chung preisgegeben. Vielfach fand man die
die hygienischen Verhältnisse d:r Städte in
einer Weise vor, die sich durch nichts von
den Zuständen in Toulon unterscheiden,
wie sie der zum Studium der in Süd
frenkreich ausgebrochenen Cholera ent
sandte Robert Koch im Jahre 1884 schil
derte. .Toulon', heißt eS in diesem auch
für die französische Gegenwart fast noch
typischen Bericht, .besitzt keine Abfuhr,
keine regelrechte Kanalisation. Man kann
sich keine Vorstellung von dem Inhalt und
Geruch der Rinnsteine machen. Trotzdem
habe ich öfter beobachten können, daß die
Einwohner ToulonS vor ihrem Hause im
Rinnstcinwasscr Scheuerlappen und der
gleichen spülten.' Wenn wir erfahren, daß
nach den deutschen Feststellungen das
Trinkwasser von Lille auS einem ver
sumpften Boden stammt und infolge von
Rissen im Mauerwerk ofr auch mit Ab
flüssen der Kanäle in Berührung kam, so
läßt sich wohl behaupten, daß die aller pri
mitivften modernen Kultur spottenden hy
gienischen Verhältnisse in Frankreich sich
im Laufe der letzten Jahrzehnte kaum we
fentlich gebessert haben.
BurV.
Firma hatten den Warnungsschrei gehört
und waren hinzugekommen. x$egt lianoeg
sie alle in respektvoller Entfernung un,
schauten aus die Bombe nieder. Irgend
einer schlug vor, Vi Polizei zu rufen.
Doch daS wollte der W des ause, nicyl
zulassen, damit der Anschlag auf seine
Firma nicht bekannt werde. Darauf be
fahl jemand, einen Eimer mit Wasser zu
bringen, worauf der Mutigste vortrat, um
den gefährlichen Pappkasten mit den un
heimlichen Glühbirnen und der Batterie
vorsichtig inS Wasser zu legen. Alle An
wefenden warfen sich dann mutig auf da!
Packpapier der Schachtel, um nach dem
Namen de Absender zu suchen. Sie
fanden den Name und darunter den Lei
merk:
.Diese Glasbombe sind harmlos. Die
bilden den .Plot' in meinem Filmdrama
Italienische Rache'.
WaS der Szcnario-Redakteur über die
sen Vorfall hinterher zu sagen hatte, ist
vom Zensor gestrichen worden. In seiner
ersten Wut steckte er .Bombe', Sägemehl
und Manuskript wieder in daS Packpapier
und wollte eS sofort zurückschicken. Spä
ter überlegte er sich die Sache, nahm das
Szenariö vor und la,e durch. Es war
nicht zu verwenden!
Aber der Vorfall, der sich in der Sze
nario-Abteilung abspielte, der soll wahr
scheinlich den Mittelpunkt eine! humori
stischcn FilmS werden, den der Office Boy,
oder sonst jemand selbst schreiben wirdl
.'iuWt !VlMÄ V
.i!;.!.!!.. Mdb!t-t..-fff