Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, July 05, 1916, Image 3

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Täglich, Cmofja Tribune
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Oesterreich und Italien vor 50Ial)ren.
Die österreichische Offensive g,'gen Jta.
kien ist in ollem Wange. Am VI Mai
eröffnete die k. u. k. Artillerie aus vielen
hundert Geschiitzen aller Kaliber gegen
die feindlichen Stellungen auf dem
Armenier Bergrücken im Suganer
Tal, aus den Höhen östlich .und siid
lich der Hochebenen von Folgareit und
Lafraun, auf der Zugna Toria südlich
don Roveredo ein vernichtendes Feuer und
bereitete den Sturm der Infanterie vor.
Am nächsten und am folgenden Tage wur
den die sturmreif gewordenen Höhen mit
dem Bajonett genommen, wurde die seit
Beginn des Krieges auf tirolischem Boden
aufgebaute eiserne Bkauer an ihren drei
stärksten Stellen durchbrochen. Wie die
Deutschen bei Berdun, so haben die Oester
reicher an der Tiroler Grenze den Stier
bei den Hörnern gepackt und ihn da ange
rissen, wo er am stärksten ist. Am 23.
Mai, dem Jahrestage der italienischen
Kriegserklärung, standen sie bereits an
verschiedenen Punkten auf italienischem
Gebiete. Und seither sind sie unaufhalt
sam weiter vorgedrungen, haben sie den
Gegner mit wuchtigen Schlägen der Po
Ebene zugetrieben, auf deren fruchtbaren
Feldern in einem letzten heißen Ringen
die Entscheidung fallen wird, wie sie vor
fünfzig Jahren im letzten Kriege zwischen
Oesterreich und Italien gefallen ist.
Wie vor fünfzig Jahren! Wir haben
im Sturm und Drang des Bölkerringen
ganz darauf vergessen, daß das goldene
Jubiläum des Krieges von 18C6 fällig ist.
Des Krieges, der ein neues Deutschland,
ein neue? Italien und ein neue? Oester
reich geschaffen hat. Jawohl, ein neue
Oesterreich. Heute, ein halbes Jahrhun
dert nach Königgrätz. gibt eS in der Dop
pelmonarchie keinen einzigen verständigen
Patrioten mehr, der eS bedauert, dah Bis
marck damals Recht behielt, und der
Kampf um die Vorherrschaft in Deutsch
land zu Preußens Gunsten entschieden
wurde. Wohl hat eö lange gedauert, bis
man sich mit dem Gedanken vertraut
machte, daß Oesterreichs Wege die Wege
Deutschlands nicht mehr kreuzen, wohl
aber ihnen parallel laufen sollen, daß dem
Donaureiche eine neue Aufgabt gesetzt
wurde, zu deren Lösung eS seiner ganzen
Kraft bedürfte. Die Ereignisse von 1866
sind Oesterreich zum Heil ausgeschlagen.
DaS neue Oesterreich hat in den zwei
"infam s'it dem Verbrechen von Sara
jevo die ihm aufgezwungene Kraftprobe
glänzend bestanden uns alle Piopyezeiun
gen von Niedergang und Zusammenbruch
zu schänden gemacht. Die durch die inne
ren Zmistigieiten und Reibungen während
der letzten fünfzig Jahre verursachten
Risse und Spalten im Staatskörper sind
drcb dn! an drei Fronten aesloffene Blut
österreichischer und ungarischer Soldaten
ausgefüllt worden, und dieses Biul seiner
Heldensöhne kittet die Bestandteile des
alten Reiches fester und inniger aneman
der, als fiuatSmännifche Kunst, gemein
same Sprache und gleiche Volkswirtschaft
liehe Interessen eS zu tun vermöchten. Au!
dem Weltkriege wird Oesterreich als Sie
ger nicht nur über seine Feinde, sondern
auch über alle!, waS im eigenen Hause
faul und schlecht war. hervorgehen. Und
nicht so bald werden hämische Neider und
ländergierige Nachbarn eS wieder wagen,
den stolzen Doppeladler in feinem Felsen
horst zu belästigen. An den von il.m emp
fnnamtn Scknabelbieben und an den
Schlägen feiner mächtigen Fittiche und
Fange durste daö Raubzeug m Suden uns
Osten für lange Zeit genug haben. Und
für noch längere Zeit wird der falschen
wälschen Katze die Lust vergangen sein,
dem Doppelaar auf den Rücken zu sprin
gen.
ftiir Italien bedeutet dieser Weltkrieg
den schmachvollen Zusammenbruch des
Gebäudes, an dem kluge Estaatsmanner
und ein opferwilliges Bolk seit dem Wie
nr Kanarek, also seit bundert Jahren.
unermüdlich und mit bewundernswerter
Zähigkeit gebaut haben. In unvegrelsn
cher Verblendung wich die Regierung von
der bewährten Politik Crispis ab, der
nur zu gut wußte daß daS junge König
reich, wollte es seine Absichten auf Ge
bietöerwcrb in Nordafrika und auf Be
festigung und Erweiterung seiner Macht
sphäre an den Gestaden des Mittelmeeres
der Verwirklichung näher bringen, sich
einen Rückhalt bei uninteressierten Groß
mächten, also bei Deutschland und
Oesterreich, sichern mußte. Was hätte auch
Italien von Frankreich erwarten sollen,
dz ibm das bcikbeaebrte Tunis vor der
Nase wegschnappte, was von England.
das sich in Acgypten sestlcjte. was von
Rußland, dessen Sinnen und Trachten
Knn ifhn aus die Strafte der Dardanellen
gerichtet ist. Als Mitglied des Dreibundes
konnte Italien ohne tfuichi vor iremoer
Einmischung seinen Abenteuern in Eryth
rän nd Trivolis nachgeben, ia es hätte
sogar ohne einen Schwertstreich einen
Teil seiner nationalen Aspirationen
befriedigen können, wenn es den bewähr
hn ftrmnhen tu geblieben, oder wenig
stens ihnen nicht in den Rücken gefallen
wäre. Dem schönen Traum von der Wie
deraufrichtung deS alten Römerrciches
ird in Kürze ein schreckliches Erwachen
folgen. Das italienische Volk wird zur
Erkenntnis kommen, daß es auf das
falsche Pferd gewettet und das gerade
Äegenteil von dem getan hat. was es
hätte tun sollen Die Errungenschaften
?ines Jahrhunderts sind durch die weder
läge in diesem Kriege, wenn auch nicht
rmififet. so dock, in mancher Hinsicht
ertlos gemacht worden, und Italien steht
zeute. ganz abgesehen von der Einvune an
Prestige bei Freund und Feind, politisch
and materiell auf viel schwächeren Füßen,
ils je zuvor.
Der kriegerische Papst Julius H. hat
,or 40 Jahren die Richtlinien der pan
italienischen Politik in dem Ausspruch
niedergelegt: Jtalia ab ezteris liberan
ia." Nur zu gut wußte der kluge Ponti
tr knk hns in dukende von Fürsten
iümern und Republiken zersplitterte Land
zur dann zu einem einheitlichen taatt
von Nudolf Amort.
Wesen zusammengeschweißt werden könne,
wenn ihm Hilfe von außen käme. Der
große Staatsmann Eavour und manche
seiner Nachfolger handelten noch der ju
lianischen Maxime und sind nicht schlecht
dabei gefahren. Ohne die Mitwirkung
Frankreichs gäbe eS heute noch kein eini
ges Italien. Aber den Heißspornen unter
den italienischen Achtundvierzigern stiegen
die errungenen kleinen Erfolge zu Kops,
sie wollten au sich selbst frei werden,
ganz allein mit den Gegnern den Kampf
aufnehmen, und so 'prägten sie die stolze
Parole: Jtalia faril da sS!" Diese vier
Worte, von theatralischen Rednern in eine
leicht zu begeisternde Menge geschleudert,
verfehlten ihre Wirkung nie. Der Errei
chung bei vorgesteckten Zieles waren sie
jedoch häufiger hindernd als fördernd,
und Cavour hielt ei lieber mit Papst
Julius Maxime. Er sicherte sich Frank
ichs Beistand zum Kriege gegen Oester
reich im Jahre 1859, und sieben Jahre
später handelte Lamarmora noch dcmsel
ben Grundsatz, als er mit Preußen ein
Bündnis schloß und sich nach Frankreich
hin den Rücken deckte. Allerdings unter
lief dabei ein kleiner Rechenfehler. Man
vertraute mehr auf die Phrase Jtalia
sarä da sS". als auf die tatkräftige Mit
arbeit eine! Freundes, und die Folge war,
daß Italien im Jahre 1866 zu Wasser
und zu Land von Oesterreich ausS Haupt
geschlagen wurde. Auf sich selber ange
wiesen, hat die italienische Armee nie her
vorragendes geleistet. Den Krieg von
1859 gewannen die Franzosen, 1866
wurden die Italiener nicht nur bet (ju
stozza, sondern auch in Südtirol zurück
geworfen, in 1895 und 1806 erlitten ie
im Kriege gegen die halbwilden Abcssi
nier zwei gepfefferte Niederlagen, und im
Türkenkricge 191112. resp, der Ezpevi
tion gegen Tripolis, standen die erzielten
Resultate außer allem Verhältnis zu den
gewaltigen Opfern an Gut und Blut.
Daß man mit Phrasen keinen Sieg errin
gen kann, haben die Italiener hoffentlich
gelernt, feit ihr wiederholter Angrrn ge
gen die Jsonzofront zerschellt ist, und der
Krieg in den letzten Wochen für sie eine
so üble Wendung genommen hat. Mit
der: .Jtalia sarä da s6" istS nichts. Jta
lien wäre besser gefahren, hätte es ab
erteris" in diesem Falle von Oesterreich.
die .unerlösten" Gebietsteile befreien",
besser gesagt, sich schenken lassen. Wie ihm
ja auch 1866. trotz deS verlorenen Feld
zueS, die schöne Provinz Venetien als
Geschenk in den Schoß siel.
Der italienisch-österreichische Krieg vor
60 Jahren hat mit dem von 191516
ein Hauptmoment gemein: Auch er wurde
auS purer Gier nach Ausdehnung deS
Besitzes begonnen. Im übrigen ähneln
sich die beiden Feldzllge nur wenig, selbst
daS Kampfgebiet ist, wenigstens bis jetzt,
heute ein andere, alS im Jahre 18ta.
Von der Verschiedenheit in der angewandt
ten Taktik ganz zu schweigen. Doch halt!
In der Strategie sind die Italiener die
selben geblieben, die' sie vor einem halben
Jahrhundert waren. Sie machen näm
lich heute genau dieselben Dummheiten,
wie damals. Cadorna und Lamarmora
sind einander würdig. Beide haben Feld
zugspläne entworfen, die, wie wir vom
Erstgenannten wiederholt behaupteten
und die Ereignisse der jüngsten Zeit ga,
den uns recht in der Grundanlage der,
fehlt waren, weil sie sich aus falschen Voll
ausschungen aufbauten.
Als sich wegen des schleswig-holsteini'
schen Mißverständnisses die Beziehungen
zwischen Oesterreich und Preußen immer
kritischer gestalteten, erachtete Lamarmora,
damals rtalienischcr Minister des Auswar
tigen, den Zeitpunkt zum Losschlagen für
gekommen. Am 8. April 1866 schloß er
mit Preußen einen Bündnisvertrag, in dem
er Italiens Waffenhilfe zusicherte, saus
Preußen binnen drei Monaten den Krieg
erkläre. Vor Ablaus dieser Frist, am 14.
Juni, brach der Krieg zwischen Preußen
und Oesterreich aus, und sechs Tage tpo.
ier, am 20. Juni, erklärte auch Italien
dem Erbfeinde den Krieg. Es konnte die!
mit umso größerer Zuversicht tun, als es
eine gutausgerustete Feldarmee von 260,
000 Mann, ferner GaribaldiS 35.000
Freischärler. und überdies noch 150.000
Ersatz und Garnisonstruppen, die man
im Notfälle heranziehen konnte, zur m,
fügung hatte, während die sür die Opera
tionen in Italien und Südtirol disponible
österreichische Armee nur aus drei, dazu
noch schwachen Armeekorps, insgesamt
etwa 80,000 Mann stark, bctand.
Nominell übernahm ilönig Viktor Ema
nuel daS Oberkommanbo über daS angrel
sende Heer, aber als Generalstabschef und
als eigentlicher Heeressuhrer hat Lamar
mora zu gelten, der kurz vor Ausbruch des
Krieges den Diplomatendegen mit dem
Säbel vertauscht hatte. An militärischer
Erfahrung mangelte eö ihm nicht. 1843
hatte er sich bei der Belagerung von Pe
schiera sv ausgezeichnet, daß er zum Bri
gadegeneral ernannt wurde; im folgenden
Jahre leitete er die Operationen gegen
Parma und Toskana, im Mai 1855 führte
er daS sardinische Kontingent den auf der
Krim operierenden Westmächten zu und
im Kruge von 1859 war er Chef deS Ge
neralstabeS der sard'nischen Armee. Auch
hatte er wiederholt den Posten eines
KriegS und MarineministerS bekleidet, ehe
er sich auf die höhere Diplomatie verlegte.
Lamarmora war ein sehr eitler, auf
feine Kenntnisse und Fähigkeiten ungcmein
eingebildeter, rechthaberischer Mann. Als
ihm der preußische Generalstab einige gut
gemeinte Winke betreffs der Kriegsführung
gab und im speziellen anriet, mit einem
kräftigen Vorst ß die kleine österreichische
Armee über den Hausen zu werfen, cm
Pfand er diesen Rat als eine ihm, dem
Helden so vieler Kampagnen, zugefügte
Beleidigung und wies ihn indigniert zu
ruck. Er hatte einen viel besseren Plan.
als eS der von den Prussiani ausgeheckte
war. Er beschloß, die Armee zu teilen
Mit 12 Divisionen gedachte er über den
Mincio zu gehen und durch das Festung!
Viereck vorzudringen. General Cialdini
sollte mit 8 Divisionen den Unterlauf deS
Po überschreiten, Venetien erobern und
den Oesterreichern in den Rücken fallen.
Wie mit einer Zange sollte der Feind ge
saßt und zerquetscht werden. Der Plan
war. wie man sieht, furchtbar einfach, i:i:d
er würde sicherlich geglückt sein, wenn der
österreichische Heerführer Erzherzog Alb,
recht, der Sohn Erzherzogs Karl!, de!
Siegers von Aspern, und Onkel des gegen
wältigen österreichischen FcldmarschallS
Erzherzog Friedrich, nicht ein so mutiger
und kluaer Soldat gewesen wäre. Dem
Erzherzog kam die Zweiteilung der italie
Nischen Armee wie ein Geschenk vom Him
mel. Gegen eine dreifache Uebermicht
hätte er mit feiner Handvoll Truppen richts
ausrichten können, aber wenn nur zwei
Italiener gegen einen Oesterrcicher gingen,
dann konnte der Tanz getrost riskiert wer
den: denn zwei zu eins war von jeher die
Vcrhältniszahl gewesen, wenn Italiener
und Ocsterreichcr aneinander gerieten.
Erzherzog Albrecht konzentrierte seine
drei Armeekorps am linken Ufer der Etfch
hinter der Festung Verona und westlich von
Vicenza. Er mußte dies tun, weil er nicht
wissen konnte, ob der Angriff vom unteren
Po oder vom Mincio kommen wurde. So,
bald er aber von der famosen Zweiteilung
erfuhr, entschloß er sich, den stärkeren Teil
anzugreifen, ihn überraschend zu schlagen
und dann die andere Hälfte der feindlichen
Heeresmacht im Vcnetianischen anzugehen.
Letztere Armee, die unter General Cialdini,
sollte bis zur Erledigung der don Lamar
mora und dem König befehligten, hinge
halten werden. Und zwar betraute der
Erzherzog mit dieser schwierigen Aufgabe
den Oberst Grasen Szapary mit vier Es,
kadronen des 13. Husaren-RegimeniZ und
dem 10. Feldjäger-Bataillon, nebst einigen
Batterien, im ganzen knapp MO Mann
gegen die 90.000 Cialdinis! Das war
schon kein gewagtes, das war ein freche!
Unterfangen. Aber es schlug zum guten
aus. Das kleine Häufchen der Oesterrei
cher verstand eS so gut, die Po'-Uebergänge
zu decken, den, Feind zu tauschen, den no
tigen Pflanz" (wie man in Wien sagt)
zu machen, daß Generalleutnant Cialdini
die ganze österreichische Armee vor sich zu
haben wohnte und, wahrend oben im Nor,
den, 40 Meilen entfernt, bei Custozza die
Schlacht tobte, nicht nur seine Stellung
veränderte, sondern sogar seinen König um
schleunige Zusendung von Verstärkungen
ersuchte.
Einen weiteren geschickten Schachzug
tat Erzherzog Albrecht, indem er durch
einen Gewaltmarsch bei glühender Hitze
am 22. Juni seine Armee über die Etsch
brachte und bis zum Sudostufer deS Gar
dasees vorführte. Er stand also in näch
fter Nähe des Flusses Mincio. auf dessen
anderem Ufer weiter ,'nten die Italiener
noch weilten. Lamarmora, im Glauben,
die Oesterrcicher seien noch auf der linken
Seite der Etsch, ließ sich mit dem Ueber
gang über den Mincio Zeit. Erst am
23. brachte er zwei Drittel seiner Armee
über den Fluß, das restliche Drittel ließ
er sinn und zwecklos auf der andern Seite
stehen. An diesem Tage kam es zum ersten
Vorpostengefccht mit den verblüfften Jti
lienern, denen es nicht im Traum einge
fallen wäre, daß der Feind in so bedroh
licher Nähe sein könne und mit seinen
schwachen Kräften überhaupt wagcn würde
sie anzugreifen. Der Erzherzog vollzog
nun eine Schwenkung scharf nach Süden,
überschritt die Bahnlinie Mailand-Vcrona
und hielt bei Sommacampagna. wo unter
freiem Himmel genächtigt wurde. Gegen
Mitternacht brach ein fürchterliches Ge
Witter los. Es hatte das Gute, daß es
de.i unerträglichen Staub niederschlug,
aber die ersehnte Kühlung brachte eö nicht.
Nach kurzer Rast und nachdem auf Bc
fehl des Erzherzogs ein reichliches Früh
stück verabfolgt worden war, brachen die
Truppen auf und marschierten auf den
Feind loS. Lamarmora hatte tagS zuvor
in unverantwortlicher Weise eS versäumt,
den Höhenzug bei Villafranca, dicht am
Mincio zu besetzen. Natürlich machten
sich die Oesterreicher diesen Umstand zu
nutze und setzten sich in dieser wichtigen
Position, von der auS sie die italienischen
Zufahrtslinien sowie die beiden Höhen
nördlich Custozzas mit ihren Geschützen
bcstreichen konnten, fest. Diese beiden
Custosizahöhen Monte Croce und Mon
te della Torre ziehen sich bis Santa
Lucia und Sommacampagna hin, welche
Orte die Schlllssclpunkte der italienischen
Stellungen bildeten. Den Feind von den
Höhen zu vertreiben, war die Hauptauf
gäbe des Tages, die dank der Tapferkeit
der k. k. Truppen und dem schneidigen
Vorgehen der Kavallerie denn auch mcl
stcrhaft gelöst wurde. Namentlich ' die
Reiterei leistete Unerhörtes. Die Kaval
leriebrigade des Obersten Ludwig Pulz,
bestehend aus dem Regiment Kaiser
Husaren und den freiwilligen Ulanen, spä
ter Trani Ulanen genannt, kam zu
erst mit den Feinden in Berührung.
Leutnant Torresani, der später Schrift
stell wurde, und dessen Bücher Aus der
schönerl wilden LeutnantSzeit", Schwarz
gelbe Reitergeschichten", Die Juckerkom
tesse", Von der Wasser bis zur Feuer
taufe" usw. heute noch gern gelesen wer
den, damals ein blutjunges Bllrschchen
von 20 Jahren, vollführte frech und keck
eines der schneidigsten Reiterstückchen in
der Geschichte der österreichischen Kaval
leric. Begleitet von sechs Ulanen, denen
sich der Kurschmied der Eskadron freiwil
liz angeschlossen hatte, zog er als Pa
trouille los und durchritt zwei Garibal
diancr-Bataillone, die ob des unerwarteten
Besuche! so erschraken, daß sie links und
rechts über die Seitengräben der Straße
sprangen und dann in blinder Hast sich
gegenseitig unter Schnellfeuer nahmen.
Ehe sie wieder zur Vernunft kamen, war
Torresani bereits weit vom Schuß. In
wenigen Minuten stieß der verwegene
Leutnant auf beträchtliche Massen Jnfan
terie, die angesichts der nahenden Gefahr
schleunigst bajonettstarrende Vierecke for
miertcn und auf die acht Reiter eine Salve.
nach der andern abgaben, freilich ohne zu
treffen. Die Sache wurde dem Leutnant
nun doch etwas zu brenzltch. Er kehrte
um, sprengte nochmals durch die Gari
baldianer durch, und kam, ohne erheb
lichen Schaden erlitten u haben, wcchlbe
halten wieder bei feinen, Regiment an.
Erzherzog Albrecht hatte für den
Schlachttag eine zweite Kavalleriebrigade
aus der den einzelnen Armeekorps zuge
teilten Reiterei in aller Eile zusammen
geschmiedet und unter Kommando de!
Oberst Bujanowilsch gestellt. Beide Bri.
gaben sollten die linke Flanke der Armee
decken. Auf dem Vormarsch trafen sie die
Kavalleriebrigaden der unter dem Befehl
dci General! Bizcic) und deS italienischen
Kronprinzen Humbert stehenden Divisio
nen. Ohne sich einen Moment zu bestn
nen. warfen sich die braven Ulanen der
Brigade Pulz auf den Gegner, in rasender
Karriere uberritten sie die feindlichen Jen
ter, jagten BersaglieriBataillone auSein
ander, sprengten zwei sich bildende atail
lonSvierecke, wobei einzelne Offiziell und
Ulanen über die Bajonettmauer inS Zn
nere deS Vierecks sehten und die Italiener
zusammcnhiebkn. Schließlich durchbrachen
sie noch zwei eben zum Feuern abgeprotzte
Batterien und nahmen die Geschütze.
Mittlerweile waren die Kaiscrhusaren
der Brigade Pulz auch nicht müßig gewe
sen. Sie bemerkten, 'daß die Division
Bizio im Aufmarsch begriffen war und
sich entwickeln wollte. Wie ein Wirbelwind
brachen die schneidigen Ungarn in du
Reihen der Italiener ein und richteten
heillose Unordnung ,an. Und ehe sich die
Infanterie von der urplötzlich gckomme
nen Ueberiaschung erholen konnte, kam
wie ein Gewittersturm die Brigade Buja
nowitsch einhkigkjagt und warf die flie
henden Reiter. Bespannungen und Fuß
soldaten der Division Bixio auf die nach
rückende Division des Kronprinzen, die
dadurch natürlich ebenfalls in Konfusion
geriet. Diese kühne, sur die Oesterreicher
mit ganz wenig Verlusten verknüpfte
Reitcrattacke erzielte den gewaltigen Er,
folg, daß die Jnfanterie-Divisioncn Bizio
und Humbert, sowie die Kavallcrie-Divi
sion Sonnaz für den ganzen Schlachttag
schachmatt gefetzt waren und nicht mehr
in Betracht kamen. Dabei war es erst 8
Uhr srüh.
Nun stießen auch die österreichischen
Jnfanteric-Kolonnen bor. Es kam zu
einem harten, zähen Ringen. Die Italic
ner, die in ausgezeichneten Stellungen
auf den Höhen standen und immer noch
in der Ueberzahl waren, schlugen sich gut,
vermochten aber keinen Boden zu gewin,
nen. Um 10 Uhr nahm Fcldmarschall,
Leutnant Marojcic mit wuchtigem Vor,
prall das Bclvedere, um 1 Uhr war der
strategisch wichtige Punkt wieder verloren,
nur um bald darauf von den Tiroler
Kaiserjägern abermals genommen zu
werden. Die Brigade Benlo. die den
Weiler Mongovia gestürmt hatte, geriet
schwer ins Gedränge. Da griff abermals
die Kavallerie ein. Rittmeister Bcchtols
heim von den Zwölfer-Ulanen ii&crrili
mit seiner Eskadron die Brigade Pisa,
hieb die feindlichen Stäbe zusammen,
zersprengte die Brigade Forli und machte
so den Bedrängten wder Lust. . ,
Um 2 Uhr trat eine Pause in der
Schlacht ein, erst um 3 Uhr begann wie
der das Feuergefechi. Die Oesterreicher
hatten um diese Zeit bereits erheblich an
Terrain gewonnen und auf einzelnen
Höhen oder doch auf deren Abhängen
festen Fuß gefaßt. Um 4 Uhr 30 befahl
Erzherzog Albrecht den allgemeinen An
griff auf den Monte Croce und das da
hinter liegende Custozza. Die Italiener
wehrten sich verzweifelt, Schritt für
Schritt nur wichen sie zurück. Am tapfer
sten hielten sich die Divisionen Cugaia
und Gavone, aber auch sie mußten sich
schließlich zum Rückzug bequemen. Und
als zu guter Letzt die Kavalleriebrigaden
Pulz und Äujanowitsch nochmals mit
vernichtender Reitergcwalt einhergebraust
kamen, da löste sich der Rückzug in wilde
Flucht auf. Um 6 Uhr wehte vom zer
schossenen Kirchturm Custozzas die
schwarzgelbe Fahne, um 7 Uhr siel in den
Feldern um Villafranca der letzte Schuß
gegen die den Rückzug, besser gesagt, die
Flucht der Italiener deckende Kavallerie.
Es war ein heißer Tag gewesen. 7956
Oesterrcicher bedeckten daS Schlachtfeld,
jeder neunte Mann war gefallen. Aber
der Sieg war des Einsatzes wert gewesen,
freilich nur in militärischer Hinsicht. Er
verhinderte Cialdini, der inzwischen er
fahren hatte, wie er getäuscht worden
war, am vorläufigen Einfall ins Vene
tianische und rettete Südtirol. dessen
Westgrenze bereits hart bedrängt wurde.
Garibaldi war mit seinen Freischaren in
Judikarien und im Ledrotal eingedrun
gen. andere Abteilungen operierten am
Stilsscrjoch und am Tonale-Paß. Die
Verteidigung Tirols oblag drei Kaiser
jäger-Bataillonen zu je sechs Kompagnien
und den freiwilligen Landesschützen. Die
Söhne der Berge haben sich aber prächtig
der vielfachen Uebermacht erwehrt. Am
Tage der Schlacht von Custozza säuberten
sie daS Stilsscrjoch. am folgenden Tage
schlugen zwei Kompanien Kaiserjäger und
die Jnnsbruckcr Landesschützen den Feind
am Grenzbach Caffaro in Judikarien
zurück und drangen zum Jdro-Sce vor.
Hier kam es am Monte Suelo am 3.
Juli zu einem wütenden Kampf zwischen
600 Kaiserjägern unter Hauptmann
Gredler und 6000 Freischülern, die Gari
bald! in eigener Person befehligte. Die
Garibaldiancr wurden vernichtend ge
schlagen und ließen über 700 Tote und
Verwundete, unter den letzteren befand
sich Garibaldi selbst, den man aber noch
rechtzeitig in Sicherheit brachte, auf dem
Schlachtfelde zurück. Ein bedeutendes
Treffen spielte sich am 21. Juli bei Bez
zccca im Ledrotal ab. Hier wurden 12,
000 Garibaldiancr von 6000 Landcsschü
tzen durch Umgehung überrascht und zer
sprengt. Sie verloren 500 Mann an To
ten und Verwundeten. 1100 Gefangene
fielen in die Hände der Tiroler. Und an
LeonidaS und seine Spartaner erinnert
die Tat der nur 113 Mann zählenden
Landeckcr Landesschützen Kompanie, die
am 23. Juli bei Tezze an der Landesgrenze
die in die Valsugana eindringende 15,000
Mann starke Division des Generals Mc
diel zwei volle Stunden aushielt, so daß
die Italiener unter großen Verlusten
Schritt sü, Schritt durch die Enge sich
durchkämpfen mußten.
Nack der Schlacht bei Königgrab am 3.
Juli sah sich Oesterreich genötigt, feine
Armee von der italienischen Front abzu
ziehen, um sie auf dem nördlichen Krieg
schauplatz zu verwenden. Kaiser Franz
Joses ersuchte den Kaiser der Franzosen,
Napoleon III., den Frieden mit dem be
siegten Italien zu vermitteln, und nai
Venetien an Napoleon ab, natürlich in der
Voraussetzung, daß dieser die Provinz an
Italien weitergeben werde. Da! geschah
dann auch im Frieden zu Wien am 3.
Oktober. Die Welt erlebte vamai va
Schauspiel, daß der Sieger an den Be
siegten eine Provinz verlor. Italien nahm
jedoch die Vermittlung Napoleon? nicht
an und lebte die militärischen Operatio
nen gegen daS von den österreichischen
Truppen entblößte Venetien fort. Am 8.
Juli ging Cialdini endlich über den Po
und besetzte Venetien ohne Schwertstreich,
da ja keine österreichischen Truppen mehr
da wann. Auch, die Operationen gegen
Südtirol wurden wieder aufgenommen,
freilich, wie oben gezeigt, mit nur sehr ,
schcidenem Resultat. Die Zurückweisung
der Vcrmittlungsvorschläge ist für den
Charakter der Italiener sehr bezeichnend.
AIS sie wußten, daß die österreichische Ar
mee auf dem Wege nach Böhmen war.
bekamen sie auf einmal wieder Mut und
gingen forsch vor. Ihr Heldenmut schlug
aber bald in Gegenteil um. Zwischen
Preuken.und Oesterreich kam am 26. Juli
in NikolSburg ein Waffenstillstand, rich
tiger ein Präliminarfriede zustande.
Oesterreich setzte sofort feine Heere gegen
Süden in Bewegung, um dem tückischen
Wällckien ,um zweitenmal eine derbe
Lektion zu verabreichen. Und nun auf
einmal wurde Italien wieder ganz nein
und ltiea vom hohen Roß herunter. Es
war heilfroh, als Bismarck ihm den Rat
gab, mit den Oesterreichern nicht nochmals
anzubandeln, schloß schleunigst einen
Waffenstillstand und zog seine Heere vom
österreichischen Gebiete zurück.
Ehe dies aber geschah, sollte es noch
mals von Oesterreich einen Denkzettel be
kommen, und zwar dicsesmal zur See.
Die öffentliche Meinung in Italien hatte
die Niederlage der Landtruppen als eine
tiefe Demütigung empfunden und lechzte
nach einem großen Triumph über die der
haßten Austriaci. Mit der Armee, das
sah man ein, war nach Custozza kein
Staat zu machen, wohl aber mit der
Flotte, die bisher untätig im Hafen ge
legen hatte, trotzdem sie doppelt so stark
und überdies von viel modernerer Kon
struktion war, als die österreichische. Dem
Drängen der Presse und der Maulhelden
in den großen Städten nachgebend, er,
teilte das Ministerium dem Admiral Per,
sano wirklich den Befehl, einen Hand
streich gegen die österreichische Küste aus
zuführen. Am 16. Juli lief eine Flotte
von 23 Schiffen, darunter 11 gepanz
t,n. von Ancona aus und nahm Richtung
auf die kleine Insel Lissa an der dalma
tischen Küste, die am 18., in Sicht kam.
Lissa hatte an Verteidigungswerken ein
altes Fort und ein paar Strandbatterien
Das Fort St. Georg war mit vorsintflut,
lichen Kanonen bestückt, .die. Artillerie der
Batterien war ebenso unzureichend. Gegen
diese Fortifikationen eröffnete Persano
aus allen schweren Geschützen, über 100
an der Zahl, ein surchterliches Feuer, das
jedoch von den 13 österreichischen Kanonen
so wirkungsvoll erwidert wurde, daß die
italienischen Schisse, von denen mehrere
lichterloh brannten, sich zurückziehen muß-
ten. Wie dieser Angriff, so mißlang auch
am folgenden Tage ein Landungsversuch.
Am 20. Juli hatte Persano eben einen
dritten Angriff begonnen und Truppen
zur Landung ausgeschickt, als der Auslug
auf dem Admiralsschiff R6 d'Jtalia"
gegen 10 Uhr vormittags das mit voller
Dampfkraft von Pola kommende öfter
reichische Geschwader, dessen Nahen ein
dichter Nebel verborgen hatte, in ganz
kleiner Entfernung austauchen sah.
Kontre-Admiral Tegetthoff, der fchon
im Seegefecht gegen die Dänen bei Hclgo,
land zwei Jahre vorher sich als genialer
Stratege und noch mehr als kühner
Draufgänger erwiesen hatte, sührte die
österreichische Flotte. Sie war um ein viel
facheö schwächer und minderwertiger als
die italienische, und bestand zumeist, aus
veralteten Schiffen, während der Gegner
über eine bedeutende Anzahl ganz moder,
ner Fahrzeuge verfügte. Das Verhältnis
zwischen den Flotten war ungefähr 3:1,
Kein Wunder, daß Tegetthoff beim Aus.
bruch des Krieges vom Strategcn-Stamm-tisch
in Wien, auch Kriegsrat genannt, die
gemessene Weisung erhalten hatte, hübsch
in Pola zu bleiben und nur im äußersten
Notfalle, namentlich wenn die Italiener
Trieft angreifen sollten, einen oder den
anderen seiner alten Kästen zu riskieren.
Zum Glück hatte der erst 38 Jahre alte
Tegetthoff nicht Tinte, wie die Wiener
Fossile, fondern rotes, heißes Blut in den
Adern, und als der Telegraph die Nach,
richt brachte, Lissa werde von Persano
bombardiert, ließ er den Kriegsrat Kriegs,
rat sein und dampfte, ohne Erlaubnis von
Wien einzuholen, auf eigene Verantwor,
tung gen Süden. Sein Geschwader
von einer Flotte kann man eigentlich nicht
sprechen bestand aus sieben sogenannten
Panzerfregatten, d. h. mit dickem Blech
beschlagenen Dampfern, sieben blechfreien
Holzschiffcn (Linienschiff .Kaiser", fünf
Fregatten, 1 Korvette) und 10 Kanonen,
booten, Schoonern und ähnlichem Kropp
z?ug, im ganzen also aus 24 Fahrzeugen.
Die italienische Flotte vor Lissa hatte am
19. Juli betrachtliche Verstärkungen erhal:
ten und zähltz nun 12 Panzerschiffe mo
dernster Konstruktion, sowie 22 hölzerne
Linienschiffe und Fregatten, nebst mehre,
ren Begleit und Hilfsschiffen. Es ver,
fügten demnach die Italiener über 34, die
Oesterreicher nur über 14 Kampfschiffe,
und nur solche kommen bei einer See
Macht in Betracht.
Tegetthoff, der mit voller Dampfkraft
die Strecke Pola Lissa zurückgelegt hatte,
teilte fein Geschwader in drei Tressen.
Daö erste bildeten die gepanzerten Fregat,
ten, das zweite, die sieben Holzschiffe, das
dritte die kleinen Einheiten, die aber, da
sie nur langsam fahren konnten, erst ein
trafen, als die Schlacht im vollen Gange,
ia fast schon entschieden war. AIs Per,
sano die Oesterrcicher aus dem Nebel her,
aukslitzen sah, versuchte er, so etwa wie
eine Schlachtordnung herzustellen, WaS
ihm ober nicht recht gelang, da etntge sei
ner Schiffe vom Feuer der Küstenbatte
rien schlimm mitgenommen waren, andere
nicht schnell genug herangezogen werden
konnten. Drei Panzerschiffe teilte er
dem ersten Treffen u. vier, darunter sein
Admiralschiff RS d'Jtalia" dem Zen
trum, drei, darunter die frisch yerzuge
kommene Varese", der Nachhut. Der Rest
der Schiffe lag weit hinten in Reserve und
stand unter dem Befehl de VizeAdmi
rals Albini. Die auf dem Weg nach der
Insel befindlichen Landungstruppen wur
den natürlich schleunigst wieder einge
fchifftt.
In sausender Fahrt kam Teggetthoff
angestürmt, ohne vorerst auch nur einen
Schuß abzugeben. Umso wütender pfcf
fertcn aber die'Jtaliener los, mit dem Re
fultat, daß in wenigen Minuten die ganze
Gegend in pechschwarzen Pulverrauch ge
hüllt war, der. mit dem Nebel sich mi
schend. wie ein dichter Schleier sich auf
Schiffe und Wasser legte und ein sicheres
Orientieren absolut unmöglich machte. ,
Diesen Vorteil geschickt ausnützend,
drängte sich Tegetthoff zwischen Spitze
und Zentrum deS Feindes, und nun be
zann ein furchtbarer Kampf, Schiff an
Schiff. Schiff gegen Schiff. Tegetthoff,
der sich im Manövrieren als der weilüber
legene Meister zeigte, nahm sich den RS
d'Jtalia" besonders aufs Korn, so daß
Persano eö für geraten fand, die Admi
ralsflagge auf dem stolzen Panzer einzu
ziehen und mitten im Gefecht sich auf das
Turmschiff Affondatore" zu begeben,
daS seiner werten Person besseren Schutz
bot. Der österreichische Admiral befand
sich auf der vom schneidigen Kapitän Ster
neck befehligten Panzerfregatte Ferdinand
Maz". Die nach dem Bruder des Kaisers,
dem unglücklichen Kaiser Maximilian von
Mexiko benannte Fregatte verlor für ge
räume Zeit den RS d'Jtalia' auS dem
Auge. Plötzlio, aber stieg in ein paar
hundert Fuß Entfernung ein grauer Ko
loh aus dem Nebel es war der RS".
Ein kurzer Befehl Sternecks, und der
scharfe Bug des Ferdinand Max" siand
senkrecht auf Backbord des Gegners. Mit
Volldampf voran!" lautete daS zweite
Kommando, und als die Entfernung zwi
schen den beiden Schiffen nur mehr einige
Ellen betrug, hallte es über Deck: Alles
sich fest halten, Maschine reversieren!" Die
Maschine begann prompt in verkehrt;!
Richtung zu arbeiten, aber daS Momen,
tum der Fahrt war so stark, daß der 'Bug
der Fregatte mit elementarer Gewalt in
die Seite des Italieners ein und fast
bis zur Mitte des durch den furchtbaren
Stoß tödlich verletzten Schiffes vordrang.
Im nächsten Augenblick begann die rever
sierte Maschinmkraft 'zu wirken, der
Oesterreicher machte sich von seinem Opfer
los, und durch die klaffende Wunde deö
Gegners drang die salzige Flut inS In
nere ein und zog durch ihr Gewicht den
stolzen RS d'Jtalia" in die Tiefe.
Noch war der Kampf nicht entschieden.
Der Feind, durch den Verlust seines besten
Fahrzeugs aufs höchste erbittert, konzen
trierte nun sein Feuer auf daS Linien
schiff Kaiser", das in Brand geriet und
schließlich sich gezwungen sah, nach Helden
wütiger Gegenwehr den Kampf mit den
feindlichen Panzern aufzugeben und im
Hafen von San Giorgio einzulaufen, um
den Brand zu löschen. Aber auch auf
mehreren italienischen Schiffen wütete der
Feuerdämon. Am schlimmsten auf dem
Paleftro", den sich mehrere österreichische
Fregatten und Kanonenboote ausS Korn
genommen hatten. Plötzlich fährt vom
unglücklichen italienischen Schiff zischend
und prasselnd eine rote Funkengarbe senk
recht in die Höhe, die Flammen haben die
Pulverkammer erreicht. Freund, und Feind
flüchten sich eilig aus der Nähe des Tod
geweihten, ein Augenblick beängstigender
Stille dann ein ncrvenerschütternder,
betäubender Krach. , und der Palestro"
fliegt in die Luft, feine ganze Bemann
nunz, soweit sie nicht vorher durch die
Explosion zerrissen wurde, versinkt mit
den Trümmern in den Fluten.
Nun hat Persano aber genug. Albini
ist ihm unbegreiflicherweise mit den Re
ferven nicht zu Hilfe gekommen, zwei sei
ner besten Schiffe sind vernichtet, zwei
andere völlig kampfunfähig gemacht, der
Rest ist böse mitgenommen. Der alte Ad
miral, der einige Jahre vorher auf neu
tralcm Boden einem jungen, Seeoffizier
der kaiserlichen Marine gegenüber eine
höchst taktlose Bemerkung über die lächer
liche" österreichische Flotte gemacht hat, er
lebt die Demütigung, daß derselbe junge
Seeoffizier und dieselbe lächerliche"
Flotte sich an ihm furchtbar gerächt haben.
Fluchtartig tritt er um 3 Uhr den Rück
zug an. Kaum ist er im Hafen von An
cona, den er vor fünf Tagen in Lberhe
bendem Siegesbewußtsein verlassen, ange
langt, so sinkt eines der zerschossenen
Schiffe zum Meeresgrunde hinab. Der
Tag von Lissa hat Italien drei schöne
Schiffe, 43 Offiziere und rund 600 Ma
trosen gekostet. Die Oesterreicher haben
kein Schiff verloren und nur den Tod von
38 wackeren Seeleuten zu beklagen gehabt.
Admiral Persano wurde in Anklagezu
stand versetzt und am 15. April 1867 vom
italienischen Senat zur Amtentsetzung
verurteilt. Noch 17 Iah lang mußte
der alte Mann die Bürde der Erinnerung
tragen, bis ihn 1883, eine Woche nach
dem Jahrestag von Lissa, der Tod erlöste.
Die Italiener find ein feftfreudigeö
Volk. Die fünfzigjährigen Gedenktage
von Custozza und Lissa werden sie aber
schwerlich feiern. Dazu sind die Zeiten
doch zu ernst. Und wer weiß, am Ende
donnern auch in Bälde die Kanonen
auf den Höhen von Custozza noch einmal,
nur viel heftiger, als sie am 24. Juni
1866 gedonnert haben. Wer toi, viel
leicht öffnen sich auch am 20. Juli 191S
die Schlunde der österreichischen Schiffs
geschütze, wie sie sich am 20. Juli 1866 ge
öffnet haben, und überschütten mit einem
Eisenhagel, wenn auch nicht die italieni
sche Flotte, denn die bleibt vorsichtshal
ber in Spezia in stiller Verborgenheit,
sondern die Forts von Venedig und An
cona. Denn auch die Oesterrcicher sind
ein fcstfreudigcS Volk, und sie hahen einen
ganz besonderen Grund, daS Jubiläum
von Custozza und Lissa recht kräftig zu
, begehen.
Hroßbelgilche Sorgen.
u! Brüssel wird Anfang' Mai ge
schrieben Die großbelgischen Pläne be
schäftigen noch immer die Ententepresse, .
namentlich ober die belgischen Flüchtling
blatter. Da .XXiöme Ciücle' druckt
immer noch Briefe von der Front ab. in
denen die Soldaten da größere Belgien
verlangen. Inzwischen aber ist ein belgi
scher Dcpurtiertcr ank Le Hadre nach
Holland zurückgekehrt und hat die Erklä
rung abgegeben, die belgische Regierung
habe niemandem da Recht gegeben, in
ihrem Auftrage für ein vergrößerte Bel
gien einzutreten. Sie wünscht da! alte
Belgien und wolle frei bleiben. Zu gleicher
Zeit aber wirft dieser selbe Parlament
riet die Frage der freien Fahrt von Han
dels und Kriegsschiffen auf der Scheide
auf und betont, Belgien und seine Bun
deSgenossen müßten unter allen Umstän
den über die Scheldefahrt frei verfügen
können.
Der Deputierte, der diese Aeußerung
getant hat, kann kein anderer fein al! der
Generalsekretär de! internationalen sozia
listischen Burauk Camille HuysmanS. Er
wärmt mit der Scheldcfrage einen alten
Streit wieder auf, der im Jahre 1912 die
öffentliche Meinung in ganz erheblicher
Weife beschäftigt hat. Damals war es der
Chefredakteur der Jndöpendance Bclge",
Roland de Marös, der diese Diskussion
anzettelte und in geschickter Weise als
Korrespondent deS Pariser .Temps", und
als Redakteur des Brüsseler Franzosen
blatteS für eine Diskussion dieser Frage
in Belgien und in Frankreich sorgte. Die
holländische Presse hat damals in nicht
mißzuverftehender Art zu erkennen gege
ben, daß diese Frage für sie in jener Art
und Weise, wie sie die Franzosenfrcunde
auffassen, nicht diskutierbar ist. Den glei
chen Standpunkt wird die holländische
Presse auch jetzt einnehmen. Es hat des
halb gar keinen Wert, die Frage ernstlich
zu erörtern, denn wir glauben gerne, daß
die Entente, besonders nach den Ersah
rungen diese! Krieges, namentlich aber
England über die Scheldemündungen frei
verfügen möchte. Die holländische Regie
rung aber hat den Politikern, die von der
artigen Plänen träumen, erst bor wen!
gen Wochen eine deutliche und auch jen
seits deö Kanals wohl verstandene Ant
wort gegeben. Herr Camille Huysmans
wird deshalb sehr enttäuscht darüber sein,
daß die kleine Neuheit", die er von Le
Havre mit nach Holland brachte, in dem
zunächst beteiligten Lande keinen Absatz
gefunden hat. Er müßte fchon Besseres er
finden, wenn er den üblen Eindruck ver
wischen will, den die belgische Regierung
in Holland dadurch erzielt hat, daß sie ihr
Regierungsorgan unbehindert die Annex
ion holländischen Gebietes an Belgien
propagieren ließ. Sein Dementi hat gar
keinen Wert, das können nur die dazu Be
rufenen, in diesem Fall die vier Minister,
die von Belgiern selbst als annexionswü
tig bezeichnet wurden: Der Ministerprä
sident de Broqueville, der Justizminister
Carton de Viart, der Äolonialminister
Renkin und der Minister ohne Portefeuille
HymanS. Da glauben wir doch den 200
Belgiern, die än Genf eine antiannexioni
stische Liga gegründet haben, eher als dem
politisch so gewandten Generalsekretär deS
internationalen sozialistischen Bureaus,
der so oft Worte gebraucht, um seine Ge
danken zu verbergen. Jean Vary bchaup
tet vor wie nach, daß von Le Havre aus
die Presse beeinflußt werde, und daß es
nicht Journalisten, nicht Privatleute, fon
dern Politiker und belgische StaatsmLn
ner sind, die an den Rtsein wollen, die
sogar schon Pläne haben, wie man die
Rheinländer in Zukunft regieren müsse.
Diese .erlösten' Brüder, die man im
Jahre 1815 den Belgiern geraubt hat und
die seit langem auf Befreiung warten,
sollen Staatsbürger zweiter Güte werden.
Fünfzehn Jahre Probezeit sollen sie
durchmachen, und wenn sie, sich dann die
Gunst des Chefredakteurs des XXiSme
Siöcle', der ja jetzt die belgische Politik
leitet, erworben haben, dann sollen sie in
den großen Bund für Zivilisation, Men
schenrecht und. Freiheit aufgenommen
werden. Erst dann sind sie vom Barbaris
muS befreit und wahre Kulturträger.
ES ist notwendig, auf diese neueste
Phase der belgischen Politik hinzuweisen,
weil es gar nicht ausgeschlossen ist, daß
nach dem Saltomortale Huysmans dem
nächst ein Saltomortale de BroquevilleS
festzustellen fein wird. Er wird ihn zwar
selbst nicht schlagen, sondern dies Herrn
Ncuray vom XXiSme Siöcle' überlas
sen, der eine gute Feder führt und alle
Dinge mit der erforderlichen Wärme zu
vertreten weiß. Nach Bary und feiner
Zeitschrift La Belgique JndSpendance"
ist er der Diktator von Le Havre und
macht dort Regen und Sonnenschein. Wer
das Herrn Paul Hymans im Jahre 1912
erzählt hätte, hätte es erleben können, daß
dieser Staatsmann von seiner Nachbarin
daö Riechfläfchchen verlangt hätte.
Erst durch Leiden mürbe geworden
oder den Tod im Angesicht fangen die
meisten an zu philosophieren; so wenig ist
ihr Verstand don Hause auS befähigt, sich
über das kleine Ich hinauszuheben.
Zum 100. Geburtstage Friedrich
Gerstackers wurde am 10. Mai im Hause
Adolfstraße 45 in Braunschweig, in dem
Gerstäcker von 1869 bis zu feinem am 31.
Mai 1872 erfolgten Tode wohnte, eine
Gedächtnisfeier abgehalten, der auch zwei
Töchter Gerstäckers, die Konzertsängerin
Fräulein Margarete Gerstäckcr aus Han
nover und Fräulein Ilse Gerstäcker, bei
wohnten. 'Am Schlüsse der Feier wurde
eine am Hause angebrachte Gedenktafel
enthüllt. Die Inschrift lautet: Hier
wohnte Friedrich Gerstäcker 18691872.'
Die Verwaltung der Niederfüll
bacher Stiftung des Belgierkönigs Leo
pold II. hat daö am Adamiberg in Ko
bürg gelegene Grundstück käuflich erwor
ben, in dem sich das sogenannte Jean
Paul-Häuschen befindet und wo sich Jean
Paul Friedrich Richter während deS Som
merS 1803 gern und oft aufgehalten hat.
DaS Grundstück ist einer der schönsten
Aussichtspunkte mit dem Blick auf Stadt
und Feste und soll als Park erhalten blci
ben und der Oeffentlichkeit zugänglich ge
macht werden.
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