Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, June 10, 1916, Image 3

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    TZgNcZe Omaha IrHün
Aie dmllclje Flotte .;
, vor Aweslost.
Die Hauplnrsache der zahlreichen Fehler
und Mißerfolge Englands in diesem
Kriegt, schreibt die .Ztolnische Zeitung"
vom 7. Mal. war, daß e in sehr dielen
Fallen gezwungen war, eine Prestige.
Politik zu treiben. (? hat Zausende von
Mannschaften und 'Millionen Geld der
'zettelt bet Unternehmungen, die keinen an
Hern Zweck hatten, als ja nicht von seinem
Ruf al Wellbeherrscher innerhalb eine
bestimmten Umkreise etwa? zu verlieren.
;3i ist der gewöhnliche Nachteil okler
Weltreiche, von denen jede in feiner Lu
sammensetzung etwas NllnstlicheS hat, das
,ber bei Enaland an, besonder aus
'einem künstlichen Unterbau iiiid auf einer
xtqi ichmaien m)i beruht. In tlj-cct
Marine-Politik haben die Engländer da
gegen wahrend diese Kriege wohlweislich
von aller Prestigen.Politik abgesehen.
jDenn da wissen s,e, worum fiel)' handelt
, und daß t da um sehr reale Dinge geht.
Die Leiter der Admiralität haben die Po
.litiker in den Versammlungen ruhig
schreien lassen von einem Ausräuchern
flet Deutschen Flotte' oder Herausbeißen
cm ihren Löchern' und sclchen Phrasen
.mehr. Sie denken nicht an dergleichen.
Wenn die englischt Flotte, nachdem sie un
fere Kreuzer von der See weggefegt hat
j wenigsten die, die sie bis jetzt gesehen
,hat In der großen Bucht in den Oik
ney-Jnskln liegen bleibt, so weifz sie, nai
:fit tut. Sie zieht von da bis zur Süd
spitze Norwegen eine gedachte Blockade
'Linie. Bon da kann sie immer nach Sü
den verbrechen, wenn ihr das geeignet und
folgversprechcnd erscheint. Erschwert ist
ihr die Ausgabt nun durch die Opera
tionZlinie und Flottcnbasi, die wir an
der flandrischen Küste errichtet haben
Da liefe sich im Ansang des Krieges nicht
vorhersehen, und die Besetzung von Ant
wnpen, Ostende und Zeebrügge, dieses
letzt so oft sichtbar werdende Zusammen
arbeiten von 'deutschen Schiffen im Nor
den und deutschen Schissen im Süden ist
ein böser Strich durch die englischen See
Iriegkberechnungen. Ja, und wenn wir
Helgoland nicht hätten! Heute wird cS
leinen richtigen Engländer geben, der nicht
dem Kabinett Salisbury, das die kost
ban Insel an Teutschland abtrat, einige
Flüche ins Grab nochsandte. Die deutsche
Seefestung mitten in der deutschen Bucht
deckt heute unsere Flußmündungen und
unsere Handelestadtc. Ohne sie. laßt sich
da Schicksal von Hamburg und Bremen
in diesem Kriegt gar nicht ausdenkcn,
Von solchen Erwägungen aus muß
man solche Borstoßk, wie sie kürzlich un
sere Flotte gegen die englische Ostküste,
gegen Daimoiith und Lowestoft machte,
beurteilen. Das große Publikum wird
Wohl selbst nicht annehmen, daß es sich
da bloß um die Beschießung einiger be
.festigte! Küstenstädte handelt. Jedenfalls
Wäre da ein Irrtum. Auch, wenn man
glaubt, daß das nur ein Aussluß des Un
ternehmungsgeistes unserer jungen !Ka
rine wäre. Dieser ist freilich gerade in
diesen Tagen so fiisch wie nur je, er dur
siel geradezu nach Taten, und wenn man
Offiziere und Mannschaften sieht oder mit
rhnen spricht, so lieft man förmlich ihnen
von den Lippen den Wunsch ob: ,Nur
heraus!' De, Frühling und da Stille
sitzen im Winter mögen dabei auch ihre
Rolle spielen. Nur eine wohlüberlegte
Führung weiß, wann sie diesen Taten
durst einsetzen und bei Unternehmungen
verwenden wird, die das große Ganze im
Auge behalten. Unsere Marine hat es
Gott sei Dank nicht nötig. Prcsi!gePo,
Iltis zu treiben, dazu waren die Dienste,
die sie uns schon bisher geleistet hat. zu
wesentlich und zu wichtig. Das Unter
nehmen auf Lowestoft und Aarmoulh in
der vergangenen Woche ist aber zugleich
ein klassisches Beispiel, wie die Engländer
ihn Berichte über die Angriffe auf die
englische Oftküste verdrehen und fälschen,
und ein naheliegender Schluß! wie
lästig ihnen diese daher sein müssen.
Die deutschen Seestreitkräfte kamen an
dem fraglichen Tage um 5 Uhr morgens
vor dem befestigten Städtchen Lowestoft
an der Ostküste an. ES war bereits hell
geworden und man konnte Kirchtürme
und. Häuser des Ortes deutlich erkennen.
Die Beschießung begann unmittelbar, und
daß unsere Granaten gute Wirkung ta
len, kann man aus dem Bericht der Times
einige Tage später ersehen, daß im süd
lichen Teile der Stadt allein über 30 Häu
ser zerstört seien, und im Norden zwei
Häuserblocks in Brand geraten seien.
Nachträglich ist ja auch gemeldet, daß ein
englischer Dampfer Sunderland von einer
deutschen Granate getroffen worden und
verbrannt sei. Eine italienische Zeitung,
der Corriere della.Scra, meldete sogar,
es seien 150 Häuser in Lowestoft zerstört
worden, und machte sich offenkundig über
die englischen Berichte lustig. Unser Kreu
zergeschwader wandte sich, nachdem die
Beschießung einige Zeit gedauert hatte,
nach dem nördlich gelegenen Farmouth,
das nur 7 Seemeilen entfernt liegt. Um
6 Uhr 30 Minuten etwa kam dieses in
Sicht und wurde unmittelbar unter Feuer
genommen. Unsere Kanonen trafen ihr
j)ie jchvereLrti5erie im
Vom Obcringmicur (?. (?. Hcymann.
Ungeahnte Steigerung der Leistung
hat in diesem Kriege die schwere Artillerie
dargetan, die selbst unseren Feinden trotz
ihrer unifangreich? Spionageorgani
sation völlig unbekannt geblieben war.
Ebenso groß wie die technische Wirkung
war daher denn auch bei unseren Feinden
die moralische, als unsere 4'Zentimeter
Mörser, die österreichisch ungarischen
:j0,i Zentimeter Motorbatterien und
schließlich unsere weittragenden" Ge
schütze gegen Dünlircken, Belfort und
Berdiin zu, feuern begannen. Diesen
Mörserarten haben unsere Feinde nichts
LeknlicheS, geschweige denn Gleichwertiges
Ziel, wie die auflodernden Brände be
wiesen. Mittlerweile, eö'wor gegen drei
viertel sechs, waren von Süden her fcind
liche Streitkräsle gesichtet worden. Ein
Geschwader von vier leichten Kreuzern und
einer Anzahl Torpedobootzerstörern nahte,
alle ganz moderne Schisse, ober an Ka
liber der Bewaffnung den deutschen Schis
fen nicht gewachsen'. Diese letzter began
ncn unmittelbar da Feuer und stellten
sich, von der Beschießung der Küstenstadlt
ablassend, kampfbereit ihrem Wtnntx, Die
Engländer hatten eö gar nicht eilig, ihre
heimatliche Küste zu verteidigen, sondern
sobald sie ihre Unterlegenheit erkannten,
wandten sie sich nach Süden. Die deut
schen Granaten, die ihre See fegten und
Wassersäulen aufspritzen ließen, folgten.
Es wurden sosort Treffer unserer Artil
lerie beobachtet, und die Verfolgung nahm
einen energischen Charakter an. Aus dem
feindlichen Kreuzer Pcnelope entstand ein
W
merer Brand, auch war. ein Schornstein
umgesauen. Xtt Kreuzer soll spatern
Nachrichten zusolge fast völlig ausgebrannt
und unbrauchbar sein. Die deutschen
Seeleute beobachtete das Sinken eines
Zerstörer. Weiteres war nicht zu be
merken, da die feindlichen Schiffe vermöge
ihrer größer Geschwindigkeit bald außer
Treffweite kamen. Als sie aber unsern
Kreuzern entwischt ' waren. liefen sie zu
ihrem Empfange bereiten U-Booten in die
Arme. Es war ein Jagen von einem Netz
in da andere. ' Ein englischer Kreuzer.
Nachrichten zufolge, die Galatea. ist rich
tig von einem unserer UBoote torpediert
worden und ein englische U-Boot fiel,
wie die Zeitungen bereits gemeldet haben.
einem deutschen U-Boot zum Opfer, Um
sechs Uhr ward der ganze Kampf been
digt. Unsere Schiffe nahmen, da sie nicht
das Herankommen stärkerer feindlicher Ab
teilungkn erwarten wollten, den Kurs nach
Osten auf. Sie hatten alle Ursache, mit
dem Ausgange des Gefechts zufrieden zu
sein. Und die Unverletzbarkeit des engli
schen Bodens war wieder einmal glänzend
dargetan. .
Die englische Berichterstattung über
Lowestoft ist ein Schulbeispiel. Die
Deutschen flohen nach Osten", heißt es in
der amtlichen Mitteilung, die den meisten
Blättern zugestellt wurde. Daß sie auf
ihre Basis zurückgingen, nachdem sie ihre
Ausgabe gelost hatten, ist selbstvcrstcmd
lich. Die Unzulänglichkeit der a der
Küste liegenden englischen Sireitkräfte
war von ihnen ja zur Genüge dargetan,
ihre Arbeit war vollbracht. Nach etwa
zehn Minuten Beschießung zogen sich die
feindlichen Streitkräfte zurück", heißt es
in dem englischen Admiralitatsbencht
vom 25. April. Wenn es sich um feind
liche Beschießungen handelt, hapert's im
mer mit de englischen Uhr. Eine titlle
Stunde haben die deutschen Kreuzer sich
an der englischen Ostküste aufgehalten,
zwei Städte beschossen und ein siegreiches
Gesecht bestanden. An der Besuchsze'.t
unserer Kreuzer in Enaland wird ober
selten in London eine Minute zugegeben
Der Englander ist so zartfühlend! Un
sere Flottenangriffe und die Zcppclinbe
suche haben die englische Ostküste allmäh
lich zu einem Schmerzenskind der Insel
gemacht. Nicht allein wegen jener beiden
Städte ! So wertvoll für Enaland die
Befestigungen von Farmouth und Lomes
tost sind, so haben die Orte selbst keine
überwältigende Wichtigkeit. ?Iarmouth.
das heute, dielleicht 80,000. bis 00,000
Einwohner zahlt (Great-Farmouth heißt
es eigentlich), hat als ' Fischerei-Mittel-
Punkt und Handelsplatz eine viel größere
Bedeutung als das hauptsächlich als Bade
platz bekannte Lowestoft. das kleiner ist.
Von Farmouth aus wird ein Teil deZ
täglichen Fischbedarfs von London gelie
fert, besondere Fischzuge gehen mit der
rilchgesangenen Ware nach Billinqsqate.
auf den Londoner Fischmarkt. Unsere
Angriffe auf die Ostküste haben bereits
den Erfolg gehabt, daß der allergrößte
Teil der englischen Fischerflotte weggezo
gen ist nach dem Westen. Auch die Bade
Plätze, die wegen der gegenüber dev Kanal
kllste viel kräftigern Luft sehr gesucht wa
ren, veröden nach und nach. Man kann
das aus den Zuschriften in den Londoner
Tageszeitungen ersehen, worin immer
wieder auf die Notlage in den östlichen
Badeorten hingewiesen und um Abhilfe
gebeten wird. Die ganze Ostlüste von
Newcastle herauf bis Margate im Süden
lebt jetzt in der täglichen Erwartung deut
scher Angriffe. Ganze Stadtteile haben
schon in Ruinen gelegen, und Tausende
sind sicher weggezogen, was die Londoner
Zeitungen aber naturlich nie erwähnen.
Durch das einst so stolze Jnselreich zit
tert die Wut über die eigene Hilflosigkeit.
Die mutigen und geschickten Angriffe un
serer Marine haben dieses Gefühl bis zur
Unerträglichkeit gesteigert. England, das
einst seine Soldheere aussandte und in
fremden Ländern brennen, morden und
rauben ließ, daheim zu Hause ruhig sein:
Gärten begießend, spürt jetzt den Krieg,
spürt ihn bis ins innerste Mark; eS hat
Wind gefäet und hat vernichtenden Sturm
geerntet. ,
gegenüberzustellen, und nur des weit
tragende" Geschütz wird in Joffres Be
richten öfters erwähnt, . hauptsächlich in
den Artilleriekämpsen bei Verdun, wobei
es gegen den Bahnhof von ConflanS. ge
richtet wir, inzwischen aber von uns er
obert wurde.
Te wesentliche Unterschied zwischen
Haubitze oder Mörser und weittragendem
Geschütz besteht darin, daß die ersteren im
Steilschuß mit kleiner Anfangsgeschwin
digkeit, die anderen aber im Flachschuß
mit größerer Anfangsgeschwindigkeit feu
ern. Als populärstes Beispiel ist schon bei
Lüttich der neue jl2-ZentimeterMörscr,
Kriege.
die .dicke Berta", bekannt aeworden
Seine und der anderen Mörserarten Auf
gäbe ist t, starke Betondeckungen. Pan
zertiirme, Gewölbe und tief unter der
Erde liegende Unterstand mit Steil oder
Wurfschuß von oben zu zerschmettern und
zu sprengen; da sie große, schwere Ge
schösse mit starker Sprengladung der
feuern, die nicht weit, aber sehr hoch
siiegen, genügt eine verhältnismäßig ge
ringe Anfangsgeschwindigkeit und eine
entsprechend schwache Ladung zum Ab
seuern. Die Mörsergranate soll erst
mehrere Meier tief in da Ziel eindringen,
ehe sie explodiert, wa durch die ihr inne
wohnende bobrcnde Wirkung erleichtert
wird. Diese Bohrmirkung kommt durch
vielfache Unidrehungen de Geschosse um
seine Längsachse zustande, indem da
Erschoß vor ftinem VluMritt an dem
Rohr den spiralförmig in daS letztere ein
geschnittenen Gängen folgt. Nimmt man
für einen der großen Mörser die Entfer
nun vom Geschütz bis zum Ziel aus
12. Meter an und den Elevations
Winkel deS Geschützrohres auf 60 Grad,
so ergibt sich eine Geschoßbahn, deren
Scheitelpunkt annähernd 000 Meter hoch
über der Wagerechtcn zwischen Geschütz
stand und Ziel liegen dürfte. Bei einem
angenommenen Geschoßgewicht von etwa
700 Kilogramm kann sich auch der Laie
einen Begriff von der Kraft machen, die
einem solchen Geschütz innewohnt und
welche die ezplodierende Granate äußert.
Mörserrohre haben 10 bis 13 Kaliber
längen, das heißt, ihre Länge beträgt das
10 15fache ihres Kalibers. Für die
dicke Berta" ergäbe dies mithin eine
durchschnittliche Rohrlänge von 5,25 Me
tern. Im übrigen werden sämtliche Kon
struktionsdaten diese fürchterlichen Ge
schühes streng geheimgehalten, und obige
Angaben können nur zur Gewinnung
eine allgemeinen Begriffes über die We
sensart der neuen Cteilfeuergcschütze
dienen. '
Während beim Heere die 15-Zenlimeter
sseldhaubitze schon zu der schweren Ar
tillerie zählt, gehören bei der Marine noch
die Kaliber bis zu 13 Zentimeter zur
Mitielartillie. und das schwere Geschütz
beginnt erst beim 21er. Bei der Berwen
dung im Landkrieg kann aber-ein Teil der
Mittelartillerie der Flotte auf fahrbare
Lafetten gesetzt werden. Die schwere
Schiffsartillerie besteht aus Schnellade
Kanonen, von welchen das 30,iZcnti-meter-Geschutz
noch einen Schuß in der
Minute abfeuern kann. Ein dieser weit
tragenden Niesengeschütze ist von uns
zuerst gegen Tünkirchen in Tätigkeit ge
setzt worden und hat lange Zeit den Über-
raschtcn Feinden ein Natsel aufgegeben.
wenngleich die Franzosen in ihren eigenen
,s),!i-Zentinieter-Gesch!itzen sogar 60 Ka
überlangen und 34-Zentimetcr-Geschützen
von noch geheimgehaltener Kaliberlänge
und auch die Engländer erst recht, in ihren
.:4,?je,it,meter- und 38,1-Zeniimcter
SchiffSgeschiiken von nur 45 Kaliber
längen ebenfalls Kanonen besitzen, die
gleiche Leistungen wie unser langer
Maz" g?gen Dünkirchen vollbringen müß
ten. Mit ihrem neuen 38-entimeter-
Geschütz, mit dem die Queen Elizadeth"-
Klasse bewaffnet ist. scheinen die Eng
länder bei den Dardanellen schlechte Er
sahrungen gemacht zu haben, denn das
Schiff wurde wegen Schäden bei der ar-
tilleristifchen Ausrüstung zurückgezogen.
Diese weittragenden Schiffsgeschü
haben im gegenwärtigen Kriege auch auf
dem festen Lande mannigfache Berwen
dung gefunden, in Flandern zur Küsten
Verteidigung und zur Störung des
Feindes hinter seiner Front (Dünkirchen
und Belfort) und von feiten der Franzo
sen zum Aufhalten unserer Angriffe gegeii
das Fortsgelände oder von unserer Seite
zur. Beschießung von fernliegenden
Festungen selbst (Reims und Berdun).
Die große Tragweite der modernen
Niesengeschütze . wird erzielt durch hohe
Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse und
diese wieder durch entsprechende Ber
langerung der Nohrlange.-de, wie bei dem
besonders langen französischen 30,5-Zen
timeter-Geschuß Modell 1906 sich bis auf
18,20 Meter belaufen kann. Aus 35 Kilo
metern Entfernung ist, wie seinerzeit be-
richtet wurde. Dünkirchen beschossen und
daö Ziel, die Hasenanlagen genau ge
troffen worden. Dzu gehören denn auch
gewaltige Pulvcrladungen, die beispiels
weise beim englischen 38,1-Zeniimeter
Geschütz etwa 205 Kilogramm betragen,
und das damit Granaten von 885 Kilo
gramm Gewirkt verfeuert, die mit einer
Anfangsgeschwindigkeit von 760 Metern
in der Sekunde die Nohrmündung der
lassen. Bliebe diese Geschwindigkeit die
gleiche, so benötigte das Geschoß zur Zu
rücklegung einer Entfernung von 35 Kilo-
Metern rund 46 Sekunden; da aber die
Flugbahn gekrümmt und mithin länger
und die Geschwindigkeit am Ende ab
nimmt, so kann man für diese Entfernung
eine volle Minute Flugzeit annehmen.
Nahe der Mündung werden von 38-Zenti-nieter-Granaten
Panzerplatten, je nach
Material, von 1.25 Metern bis 1.53
Metern Stärke durchschlagen, auf 800
Meter noch 40 Zentimeter dicke Panzer
platten und auf 10.000 Meter noch 34
Zentimeter starke Panzer.
Die Leistungsfähigkeit unserer eigenen
Niesengeschütze ist aber eine noch erheblich
höhere, daher denn auch das maßlose
Staunen und die Zweifel an seiner Er
stcnz bei unseren Feinden, als es seine
ersten Proben ablegte. Das Kaliber allein
tut's eben nicht; die Konstruktion der
Kruppschen Geschützrohre können die Eng
länder mangels geeigneter Materialbear
beitung nicht nachmachen. Ihre Rohre
hben infolge ihrer Konstruktion eine
sehr kurze Lebensdauer (0 Schuß),
aber eine um so längere Herstellungszeit
nötig, die sich allein tur das Wickeln eines
30er Trahtrohres auf neun Monate be
lauft. Grund genug, mit dem Material
sparsam umzugehen und nicht damit zu
schießen, denn die Blamage könnte noch
größer werden als mit der Großen
Lizzi vor Gallwoli. Auch eine noch
längere Dauer dieses Krieges wird die
feindliche schwere Artillerie unserer cige
ncn nicht cbenbiilüg machen können.
Die neue Apulische Wasserleitung
hat eine Gesamtlängt von 16ÜÖ Kilometer.
Berliner Irief.
von Zlrthur G. Zlbrecht.
Teutsche Kunst wöhmid deS WcltkrirgS. Aliöstcklungkn in H!i5e und
Fälle. Aerztliche und technische Ansstellungen. Arbeite verwun
deter Krieger.
' Berlin. Im April 1016.
In der Reichihauptsiadt ist immer
'wa los." Berlin ist seit Jahren die
Ausstellungsstadt Deutschland gewesen.
Sogar jetzt im Kriege darf sie noch aus
diesen Ruhm Anspruch erheben. Zählt
man die zur Zit stattfindenden Ausfiel
lungcn zusammen, so wird wohl ein
Dutzend herauskommen, vielleicht noch ein
paar mehr. Einige, wie die große Kriegs
Ausstellung beim Zoologischen Garten,
sind direkt auf 'den Wettbrand zurückzu
führen diele aber sind nicht wegen, son
dein trotz des Krieges da. ein beredtes
Zeugnis dafür, daß Berlin auch noch suc
anderes Sinn hat, als die Sorgen um
Butter. Fleisch. Brot, Zucker und was
sonst von amtswegen eine BerbrauchSre
gelung erfahren hat oder erfahren wird.
Ta hat der feinsinnige Fritz Gurlitt in
seinem Salon eine Sammlung von Wer
ken deutscher Kunstler des 10. Jahrhun
dertj ausgestellt, zum Besten der Kriegs
Hilfe für bildende Künstler.' An 70
Meister, meist lang verstorbene, geben sich
dort ein Stelldichein mit Bildern, die
durchschnittlich ein halbes bis ein ganzes
Jahrhundert alt sein mögen. Bis in die
Goethezeit geht's zurück, Philipp Hackert,
Wilhelm Tischbein und Gerhard von Kü
geigen , sind vertreten. , Ludwig ieck's
Bruder, Friedrich, der Bildhauer, prä
sentiert in Biskuitt auf Porzellan ein
Profilbild Schinkels. Jakob Alt. der Wie,
ner aus Frankfurt, ist mit einer Ansicht
von Schonbrunn, Louiö Gurlitt, der
Stammvater des Hauses, mit Landschaf
ten zur Stelle. Eduard Magnus fuhrt
uns mit einem Bildnis der Henriette
Sonntag nach Alt-Berlin zurück, n Ja
cob Schlcsinger, Karl Blechen. Karl Stef
feck vorbei kommen wir zu Mcnzel, der
die Brücke zur Neuzeit schlägt. Knaus,
Meyerheim, Moritzvon Schwind, Enhu
ber und Sparer, Eduard von Cteinle,
Makart und Tefregger. der letztere mit
einem brieflefenden Dirndl aus seiner
frühen Zeit (1873). Theodor Alt, Jo
hannes Sperl, Karl Schuch, Wilhelm
Trübner und Hans Thoma und viele an
dere vereinen ihre Kunst früher Tage zu
einem tiefen, satten Eindruck.
Im Salon Eassirer ist gleichfalls
Fruhjahrsschau auserlesener Werke. Leibl,
Liebermann, Trübner, Auguste Renoir
und Theo, von Broclhuscn sind neben
Werner Heuser die hervorragendsten de:
hier vertretenen Namen, und die Kari
taturisten des Simplicissimus haben eine
beträchtliche Sammlung von Originalen
ihrer amüsanten Kiiegskarikaturcn aus
gestellt. Im Lichthof des Königlichen Kunst
gcwerbemuseums sieht man zur Zeit die
Wanderausstellung ,der Mannheimer
Städtischen Kunst halle Kriegergräber.'
In Mannheim hieß die Schau Krieger
grabmal und Kricaerdenkmal"; der in
Berlin verfügbare Raum erforderte eine
Beschränkung der Auswahl auf die Grad
statten und Grabmäler. Die Ausstellung
zerfällt in sechs Teile: Aufnahmen von
Gräbern aus dein Felde, Entwürfe zur
Ausgestaltung von bereits vorhandenen
Gräbern, freie Entwürfe' deutscher und
österreichischer Künstler sllr die verschie
denen Aufgaben des Kriegergrabes, Ty
pen Von Grabkreuzen und Gedenksteinen,
Aufnahmen don Krieger-Grabstätten auf
dem Waldfriedhof bei München und an
derwärts und endlich eine historische Ab
teilung mit ausgesuchten Beispielen von
Gräbern und Grabdenkmälern aus alter
Znt.
Diese Ausstellung will in erster Linie
geschmackbildend wirken; sie will erziehe
risch wirken durch das aufgestellte Bei
spiel. Die Ausstellung sagt zu jedem,
der kommt: So kann es gemacht werden.
Sie .mahnt jeden, daß die Anlage wie der
Schmuck eines Grabes eine Angelegenheit
der Feinfühligkeit, des guten Geschmacks
sein soll, daß das Unedle, Starre, Sche
matisierte unserer modernen' Stadt-Fried-Höfe
etwas ist, das nicht Schule machen
darf. Sehr schön heißt es in dem Füh
rer, der für die Besucher gedruckt worden
ist: Wir verlangen den tiefen Ernst und
die schlichte Würde, die allein der stillen
Größe der toten Helden gemäß sind, eine
besonnene Kunst, die nicht im äußerlichen
Formenspiel, sondern durch Sachlichkeit
und Selbstbeherrschuna' den mannhasten
Geist der schweren Zeit ausdrückt."
Unter den hier gezeigten Entwürfen
finden wir Namen wie Wilhelm Kreis,
Bruno Paul. Franz Seeck. Hans Grässel.
Ulfert Jansscn, Joseph Hoffmann. Bru
no Möhring, Adolf von Hildebrand.
Fritz Klimsch und Joseph Wackerle, also
mit die Besten. Der Umfang, den die
Bewegung angenommen hat, ist ein Be
weis dafür, daß sie nicht mehr Sache von
einigen Wenigen ist: der neue Geist, der
das Schöne und Zweckmäßige mit den
einfachsten und würdigsten Mitteln zu
gestalten sucht, hat weite Kreise crgrif
fen, und seine Fürsprecher sitzen jetzt auch
schon in den Behörden und obersten
Aemtern.
Ebenso, wie noch kein Krieg auch nur
entfernt so umfangreiche Literatur ge
habt hat, wie der gegenwärtige, ist auch
noch keiner auch nur entfernt im gleichen
Maße bildlich dargestellt worden. WaS
der Krieg an Literatur bereits hervorge
bracht hat, dcivoii legt die Abteilung
Kriegsliteratur" der großen Kriegs
Ausstellung in der Halle am Zoo bered
tes Zeugnis ab. Tort ist auch daS
Kricgs-Bild in beschränktem Umfang zu '
sehen. Ihm hat man jetzt in den Räu !
men der Berliner Akademie der Künste
eine eigene Ausstellung bereitet, in der
die deutschen Militärbehörden zeigen wol
len. was die eigens ins Feld entsandten
Kriegsmaler wie die als Mitkämpfer
draußen stehenden Künstler in der bild
lichm Darstellung des Krieges zu leisten
vermögen.
Win man durch die Säle dieser ein I
zigartigen Ausstellung wandelt, kommt
einem so recht der Unterschied zwischen
photographischcr und künstlerisch schaffen
der Tarstellung zum Bewußtsein. Gewiß
vermag die photographische Kamera Per
sonen, Gegenstände und Situationen mit
unefreichter Schärfe auf die Platte zu
fesseln; aber der Photograph gelangt nicht
überall hin, er bleibt meist hinter der
Front, bevorzugt die in verhältnismä
ßiger Ruhe bcsindlichen Szenen, knipst
mit mehr als nötiger Häufigkeit früh
stückende Soldaten, Gulaschkanonen, mar
schiercnde Kolonnen, dringt in die Schii
tzengräben wegen unzureichender Beleuch
tung nur selten ein und kommt überhaupt
nie dazu,, einen wirklichen Kampf abzu
konterfeien, es sei denn, ein zuvorkom
mender Kommandirendcr' arrangiert
für ihn solch Manöverchen allerdings
in sicherer Entfernung vom Feind. Nur
selten gelingt es einem Kinomann, eine
Attacke auf den Film zu bannen, und
sein Wagemut ist meist mit Lebensgefahr
verbunden. Die Hauptsache aber ist: der
Photograsie fehlt die Farbe, e fehlt ihr
die Seele. Der Künstler malt aus sich
herau, er bringt das Wesentliche, das
Charakteristische in den Vordergrund und
drängt das Uebrige zurück. Die persön
liche Note klingt hier hell und scharf und
alles, andere übertönend herein.
Der Eindruck der Kriegsbilder-Aus-sicllung
ist schon wegen des Thema ge
waltig. nicht minder aber wegen der
Kunstleistungen, unter denen Hervorra
gcndes neben Tüchtigem allerdings
auch Wertlose, wie es jede Kunstausstel
lung bringt zu sehen ist. Viel von
dem Ausgestellten ist nur flüchtig fkiz
ziert: der Maler hat vielleicht während
des Kampfes mit seinem Malzeug in den
vordersten Reihen gestanden, die Eindrücke
haben sich überstürzt, er konnte nur an
deuten, nicht ausmalen. Aber vielleicht
gerade darum sind seine Bilder ungleich
eindringlicher, als die sorgfältigste Tech
nik, ungleich wuchtiger.
Ernst Vollbehr, der vor etwas über
eincmJahr, als wir bei den Heerführern
von Heeringen, von Zlvehl, von Emmich
weilten, uns einen- Teil seiner wunder
vollen Sachen gezeigt, hat hier prachtvolle,
überaus schlagkräftige Momentskizzen
von einer Vogesenschlacht ausgestellt;
Prof. Ludwig Dettmann präsentiert in
der umfangreichsten Sammlung von Skiz
zen alle Phasen des Kriegslebens, aus
ziehende Freiwillige, denen die Bezeiste
rung aus den Augen lodert, Reiterat
tacken, Artillerieangriffe, den mühseligen
Bormarsch der Munitions und Pro
viantkolonnen auf den aufgeweichten
Straßen des russischen Kriegsschauplatzes,
Soldoten-Begräbnisse, den unsagbar
traurigen Anblick des aufgeräumten
Schlachtfeldes über das des Krieges Fu
rie schon hinwegqebraust, alle möglichen
Situationen im Schützengraben, alle nur
denkbaren Zustände in den Quartieren
und so fort.
Fritz Erler ist in seinen Themen ahn
lich, grundverschieden aber in der Aus-
führung. Bon allen ausstellenden Kunst
lern hat er vielleicht die originellste, per
sönlichste Technik. Pastellzeichnungen mit
wenig Farbe und geringer Tiefenwirkung,
aber wunderbar charakteristischen Kontu
ren der Figuren. Meinhard Jacoby zeigt
eine Reihe von Blcistifts-Porträts von
Offizieren; Hans Kohlschein, Hans W.
Schmidt. Wilhelm Schreuer. Fritz Reu-
sing und Hugo Vogel der letztere mit
dem bekannten Doppelbild: Hindenburg
und Ludendorff beim Kartenstudium
sind die anderen hervorragendsten Namen.
Auf ein ganz anderes Gebiet des Krie
ges, auf dem nicht die Glorie des Kam
pfes verherrlicht wird, führen uns zwei
Ausstellungen: die anläßlich des zehnjäh-
rigen Stiftungsfestes des Kaiserin Friedrich-Hauses
für das ärztliche Fortbil
dungswesen veranstaltete Kriezsärztliche
Ausstellung" und die in den Räumen der
Ständigen Ausstellung sllr Arbeiterwohl
fahrt in Charlottenburg veranstaltete
Ausstellung von Ersatzgliedern und Ar
beitshilfen für Kriegsderstümmelic. Nicht
der Kampf wird hier gezeigt, nicht der
Auszug ins Feld, fondern das, was zur
Heilung der vom Krieg geschlagenen
Wunden auf den mannigfachsten Gebie
ten geschieht.
Auf der kriegsärztlichen Ausstellung
lernen wir eine erstaunliche Fülle der Er
rungenschaften moderner Kriegsheilkunde
kennen. Da ist ein russisches Panje
Haus" mit seinem Urväterhausrat mit
den einfachsten Hilfsmitteln als Truppen
Verbandplatz hergerichtet: auf den Rega
len, wo sonst Kochgeschirr und Heiligen
bilder stehen, hat man in der Eile Bei
bandmaterial aufgestapelt; das dürftige
Mobiliar ist zusammengerückt und ein
Strohlager an feiner Stelle Hergerichte!.
Das französische Estaminei" dient als
Opuationsstube, auf dem Herd in der
Ecke werden die Instrumente sterilisiert,
als Operationstisch muß ein derbes Holz
gestell genügen. Ein schräg von der Decke
herabhängender Spiegel sorgt für Ober-
licht; die Küche nebenan rst Borderei
tungsraum. Aus Maschmengewehrstrei
fen. Telegrafendraht, aufgeschnittenen
Stieseln. Klangen, Ae ten, vtei ern uno
Stroh macht man hier NotverbLnde. Man
sieht die verschiedenen Behelfungsvorrich
tungen ' zum Tragen Verwundeter, im
Schützengraben, die Bahn und Wasser
beförderungsmittel, Entlausungs und
sonstige Ungeziefervertilgungs-Vorrichtun
gen im Felde teils in Nachahmungen, teils
in Bildern.
Einen großen Raum nehmen Verbände
und Verbandsmaterialien ein. Die Fest
stellung der Lage eines Geschosses durch
Röntgenstrahlen wird an den neuesten Lo-
kalisationsapparaten vorgesuhrt. ausge
zeichnete farbige Wachsnachbildungen ge
ben eine Uebersicht über die wichtigsten
Blutgefäßverletzungen, die Erfolge der
Kieferchirurgie sind an zahllosen Opera
tionsinodellen zu sehen, die mit zu den
originellsten Ausstellungsgegenständen ge
hören. Man sieht, welche Maßnahmen
zur Seuchenbekämpfung getroffen werden
und zur Bekämpfung der Gaövergiftun
gen, Hunderte von Bilderg zeigen Laza
rettarbeiten der verschiedensten Art, und
eine historische Abteilung gestattet einen
Vergleich mit vergangenen Zeiten.
Einen Ueberblick Über die Ersatzglieder
technik Deutschland und Oesterreich-Un
gärn giebt die Ausstellung von Ersatz
gliedern und ArbeitShilsen für KriegSver
stümmelte, an der sich alle Orthopäden,
Bandagisten und Ingenieure, die an der
Lösung der Frage mitarbeiten, alle Krüv
pel-Heime und einschlägigen Behörden be
teiligt haben. Die Ausstellung sangt an
mit der eisernen Hand Götz von Berli
chingen, doch wird dabei zugleich gezeigt,
daß diese Prothese' nicht der erste Glie
derersatz war, sondern daß schon zur Zeit
Christi, spater durch da Altertum wie
da ganze Mittelaltcr. reckft kunstreiche
Formen solchen Ersatzes und Behelf für
Krüppel vorhanden waren.
In der Haupt-Aussteuungshalle seyen
wir eine Fülle von Er atzgliedern der ver,
schiedensten Arten. In ihrer überwiegen
den Mehrzahl sind die ausgestellten künst
lichen .Arme . sogenannte ArbeitSarme.
Vorrichtungen, bei denen eS weniger auf
die Nachahmung von Form und Bewe,
gungen der natürlichen Hand, als auf die
Brauchbarkeit sur die andhavung von
Werkzeugen der verschiedensten Art an
kommt. Daneben finden wir auch di:
eine oder andere willkürlich bewegliche
Kunsthand, die also Arbeits und Schon
beitshand zugleich sein will. Die primi
tivste Form einer solchen Hand ist wohl
die. bei der durch Erweiterung des Bru i
korbs beim Einatmen der Daumen
geöffnet und geschlossen wird. Eine an
dere Kunsthand, die auf Anregung deS
Oberstabsarztes Prof. Wullstcin von ei
nem Bochumer Lazarett ausgearbeitet
worden, besitzt selbsttätige Fingerbewe
gung, ausgelöst durch Fernwirkung vom
Schultcrgclenk.
Eine ganze Anzahl Kriegsverstummeite
führen dem Besucher am Amboß, Dreh
dank und Hobelbank die Berwendung der
Arbeitsprothesen" praktisch vor.
Im Königlichen Kunstgewerbemuseum
hat sich eine Ausstellung österreichischer
Kunstgläser Haida-Steinschönau einquar
tiert. Sie ist vom Verband der nord
böhmischen Glasindustriellen veranstaltet
und soll zeigen, daß wir bei den Bundes
brüdern jenseits der deutschen SUdgrenze
mindestens ebenso prachtvolle Glaswaren
inden. wie renseits der Westgrenze m
Feindesland.
Aus vergangener Zeit betitelt sich die
vom Deutschen Lyzeumklub ,n den Nau,
men des Hohenzollern-Kunstgewerbehau
es zugunsten der Eecilienhilfe veranstal-
tete Ausstellung, die so recht als ein wür-
diges Zeichen dafür angesprochen werden
darf, daß unsere Zeit über der Not deS
Alltags nicht, den Sinn für Schönheit
und Kunst verloren hat und das Berständ
nis für die edleren Schätze der Kultur
auch in weiteren Kreisen so rege ist, daß
man sie in den Dienst der Wohltätigkeit
stellen darf. ,
Die Ausstellung zeigt Kleinkunst unö
Kunstgewerbe im Dienste der Frau deS
Zeitalters 17601860. Was sonst der
streut in den Vitrinen der deutschen Für
stinnen, der Frauen des Adels und der
Hochfinanz als vielbewunderte Erinner
ungen an Großmütter und Urgroßmütter
ruht, ist hier zu einer Schau zusammen
getragen, die in ihrer Vielfältigkeit und
Schönheit eines MuseumS würdig Ware
und in manchen Teilen den wertvollsten
der bestehenden Sammlungen gleichgestellt
werden darf. ' Herrliche alte Porzellane,
fein ziselierte Geräte aus Gold. Silber,
Schmuckstücke aus der alten Berliner kö
niglichen Eisengießerei, Miniaturen aus
Elfenbein und in feinster erhaben auflie
gender Haararbeit auf Perlmuttergrund,
Fächer in Emaillefluß und Silberfiligran,
ir. Elfenb.in und Perlmutt, fein und zart
geschnitzt. Dann edle Spitzen, alte Braut
und Taufkleider, Gewänder der Königin
Luise, der Großherzogin-Mutter Alezan
dra von Mecklenburg-Schwerin. der Land
gräfin von Hessen, Sammlungen von Fin
.Avi'tltn ? 5s!ii,N stinsh e?7Niii"'
lllJUlllt lt -yv.ji.MWJi, vyv.v, VIIIU.U.,
von Dosen in Schildplatt und edelstem
Metall. Geschenke von Marie Antoinette.
Zar Peter, Friedrich dem Großen und
vielen anderen.
In der alten Hochschule für Musik in
der Potsdamer Straße sind Arbeiten von
Invaliden ausgestellt, die aus den Tech
Nischen Lehranstalten' in Offenbach ftam
men. Diese Anstalten gehören zu den
vielen ihrer Art, die während des Krie
ges begründet wurden, um Invaliden zur
Rückkehr in ihren alten oder auf einen
neuen Beruf vorzubereiten. Das Offen
bacher Institut zwar hat schon früher
bestanden, doch hat es seine neugebauten
Räume zu einem Lazarett mit 240 Bet
ten umgewandelt und überträgt sein be
währtcs Lehrsystcm auf die Kriegs-Ver
Mundeten und Verstümmelten, unterrich
tci sie, daß sie trotz fehlender Gliedmaßen
ihrem früheren Berufe wieder nachgehen
können, lehrt ihnen einen neuen, wenn sie
für den alten nicht mehr taugen. Die
künstlerische Leitung der Offenbacher
Anstalt liegt in den Händen des Archi
tekten Prof. Hugo Eberhardt. Dieser
Mann ist es, der mit der ärztlichen und
wissenschaftlichen Sorge für das Wohl
der Invaliden den Gedanken verband, zu
gleich der Hebung der Arbeit in Geschmack
und Qualltat zu dienen. Eine solche Ber
bindung war nur möglich durch die Art,
wie die deutschen Aerzte ihre Aufgabe er
faßten. Hätten sie sich mit dem Mindest
mäh begnügt, mit der notdürftigen Her
stellung, so hätte niemand ein so weit
gehendes Programm aufstellen können.
Aber sie begnügten sich nicht. Sie fetz
ten sich das höchste Ziel. Es sollen die
Invaliden nicht nur zu nützlichen, sondern
auch zu reudigen Menschen gemacht wer
den, zu Menschen, die nicht einmal da?
Almosen des Mitleids brauchen. Dazu
war neben der ärztlichen Behandlung
auch eine technische Unterweisung not
wendig. Und nun. wenn man dafür eine
Anstalt schuf, war es ebenso möglich, eine
Musteranstalt zu schaben und nicht nur
irgendeine, fondern gute Arbeit zu lehren.
So ist an dem Reservelazarett in Ofen
bach, da Oberstabsarzt Medizinalrat Dr.
Rebkntisch leitet, da BerusiSübuiigslaza,
rett entstanden, au dessen ZUerlstätten
die hier ausgestellten Arbeiten stammen. ,
E wird hier natürlich mit den kin
fachsten Stoffen und Techniken gearbeitet.
Aber gerade deshalb ist der Erfolg so
überzeugend. Wer allerding! die Aus
stellung ohne Erklärung sähe, der würde
sie für nicht andere halten, al für die
Schau einer gut geleiteten Handwerk!
schule, einer Schule, deren Leiter daran
glaubt, daß die Quellen, au denen die
alte Volkskunst floß, wohl verschüttet,
aber nicht versiegt sind, und daß man di;
Menschen de Volke leichter vom Kitsch
befreien kann, al die Gebildeten.' AI
Beispiel für da, wa h'.:r geschcisfe.r
wird, fei ermähnt, wa Professor Eber
hardt von einem gedrehten eisernen Arm
leuchterzu erzählen weiß: Ein früher
ausgezeichneter Eisendrcher kam zu un
mit Radialslähmung der rechten Hand.
Er will den Beruf-aufgeben, da er kein
Pfuscher sein möchte, er will Kausmann
werden. Alle Mühe, ihn an Maschinen
teile zu bringen, ist umsonst. Da der
lobt er sich. Da gab den Weg. Ich
schlage ihm vor. als letzte Arbeit im alten
Beruf an der Drehbank einen Leuchter zu
fertigen sur die Braut nach Zeichnung.
Bei kunstgewerblichen Arbeiten komme es
ja auf genaue Arbeit gar nicht so seh:
an. Er fertigt den Leuchter, es geht ganz
gut. Er macht einen zwqiten, da packt
ihn der Ehrgeiz. Bei einem kleinen Wett
bewcrb um die beste Werkstattarbeit er
scheint er und will eine ganz große Sache
machen. Er fertigt den großen Arm
leuchter. Und al dann von Krupp eine
Anfrage kommt nach guten Drehern, mel
det er sich und denkt nicht daran, den Be
ruf aufzugeben.'
Denkt man der Tragweite solcher Be
sirebungen nach, so erscheint sie riescn
groß. Neben den Invaliden werden ja
auch die Erkrankten in den Lazaretten be
schäftigt. ES find also Hunderttausend:,
auf die man wirken kann, für das Leben
wirken, da sie lange bleiben und ' diese
Zeit nicht leicht vergessen werden. Kerb
fchnitzcrei, Papparbciten, Linoleumdrucke.
Laubsägearbeiten (aber nicht in der her
kömmlichen, veralteten geistlosen Art,
sondern farbig behandelt mit prachtvollen
Tier und Menschenfiguren, von Charak
ter im Umriß und von dekorativer Wir
kung). Lederarbeiten, Knüpf- und Flecht
arbeiten, Kartonnagearbeiten und vieles
andere, was sonst zum kunstgewerblichen
Vcrsuchsgebiet der Dilettanten gehört,
wird hier, zu betrachtlicher Reife durch
gebildet, gelehrt und die Erzeugnisse diese: .
Musterschule weisen ganz neue Wege zum '
künstlerischen Erfassen.
Zum Schluß noch eine Ausstellung. In
Magdeburg ist vor kurzer Zeit der erste
Versuch gemacht worden, einer Kunstge
Iverbeschule eine Fachklasse für Frauen
klcidung" anzugliedern, und im Berliner
Hohmzollcrn , Kunstgewerbehaus wurden
die Ergebnisse des ersten Semesters der
Oeffentlichkeit vorgeführt. Seit langer
Zeit ist man darauf bedacht, die Mode
von fremden Einflüssen zu befreien,
Frankreich die Vorherrschaft auf diesem
Gebiete aus der Hand zu nehmen und
eine Deutsche Mode' zu schaffen. In
der Magdeburger Fachklasse ist man be
strebt, die Begabten herauszufinden, de:
Modeindustrie zuzuführen und ihrem Ta
lcnt den zur Entwickelung nötigen Spiel
räum zu geben. Was nun auf der Aus
stellung gezeigt wurde, war ja allerdings
recht : respektabel und anerkennenswert,
aber die Mode", die ihre eigenen
Launen hat, dürfte dadurch kaum beein
flußt werden. Ist wenigstens bish::
nicht beeinflußt worden. Das erkennt
man am besten aus der Tatsache, daß
man heutzutage, in der Zeit der Wolle
teuerung, Röcke trägt, aus denen man zur
Zeit des hobble skirt" gut drei hätte ma
chen können, daß man rn der Zeit der Le
derteuerunz die Frauen zwingen will
und so starker Zwang ist nicht einmal
nötig die höchsten je dagewesenen Stie-'
sei zu tragen. Wir haben es ,a bereits
erlebt, daß hier und dort ein General
kommando vorläufig nur väterlich
warnend gegen die neue Äcode aus
getreten ist, und es dürfte dazu kommen,
da der Stoff- und Lednverschwendung
durch militärischen Machtspruch ein jähes
Ende bereitet wird. Bekommt man üb-ri
gens gar durch Zufall eines der be! uns
gar fo seltenen Pariser Modejournaie
zur Hand, so macht man die überraschende
Entdeckung, daß man sich in Paris genau
so kleidet, wie hier., Also vorläufig ist
der Beweis, daß man wirklich eine deut
sche Mode schaffen kann, nicht erbracht.
Kleider, deutsche Kleider? Jawokl, fo
gar sehr tdle und vernünftige Kleider,
geschmackvolle Kleider; aber Mode? Nein.
Wenn dieser Bericht auf Vollständig
seit Anspruch erheben wollte, dann müßten
alle die Dutzende anderer, kleinerer Aus
stellungen angeführt werden, die in den
Kunstsalons, den Kunstgewerbehäuscrn,
den Warenhäusern und Ausstellungssälen
stattfinden, und von denen eine die andere
ablost. Es müßten die eigentlich mehr
einen Anschauungsunterricht als eine
Schau bildenden Ausstellungen der wis
schaftlichen Bearbeitung auch des klein
sten. Hausgartens, die Vorführungen
aller nur erdenklichen , Ersahartikel , die
Vorführungen der Bereitung von Kriegs
speisen' aus den uns zur Verfügung fte
henden Materialien, die Kriegsbäckcrei-,
Kriegs , Dörrobst, Kriegs Gemüse-,
Kriegs-Notstandsarbeitcn, und alle die
zahllosen anderen Demonstrationen und
Schaustellungen erwähnt werden, von de
nen jede Woche mindestens eine neue
bringt. Ich müßte zurückgreifen auf die
prächtige Ausstellung des Vaterlands
dank', der im Kunstgewerbemuseum
Gold und Silbergegenstände ausgestellt
hatte, die ihm für feine Sammlung zum
Besten der Hinterbliebenen der im Kriege
Gefallenen zugegangen sind, und ich dürf
te vorgreifen nach dem Projekt einer nach
Abschluß des Krieges geplanten , .Ver
bündeten-Ausstcllung", mit der sich seit
einiger Zeit schon die Verkehrsbehörden.
die Berliner Handelskammer und die Ael
testen der Kauffmannfchaft beschäftigen.'
Aber bis der Gedanke in die Tat umgefetzt
werden kann, derweil werden wir noch
viele andere, kleinere, aber nicht minder
anregende Ausstellungen hier erleben.