Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, May 30, 1916, Image 5

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Jedem wird (1 srfion so finfn ff In
fcafc durch irzendeinen ganz uuwkskntlichkn
äußeren Anlaß. ein Wort, eine Stirn
mung. Ine Begegnung. ganz plötzlich
die Erinnkkung an bestimmte Borgängc
und Erlebnisse langst Vergangener Reiten
in Ihm wachgerufen wird.
fflöl einig: Togei, suß ich in der Sub
fco. Die Wagen Kann überfüllt, und
eie enicyen, Die keinen (Sitzplatz mehr
Befunden hatten, binaen. bin und ber
schwankend, in dem dahinrasenden Expreß
an den an der Decke besesttigten Schlaue
ien. Ai, ich einen Augenblick von meiner
Zeitung aufsah, grinste mich durch eine
ruae oer oen Mlltcigang füllenden Men
chenmauer ein gelbbraune, Gesiebt an
Verschmidte, schraggestellte. kohlschwarze
Augen, eine platte. leichfam eingestampfte
Nase mit breiten Flügeln, wulstige Lip
pen. zwischen denen kräftige, schneeweiße
Zahne blickten, stark hervorstehende Sa
ckenknochen und über der Stirn, von wel.
ryer oer SQut zurückgeschoben war. ganz
fllTl ttrnflhnnrt in K.n.n h,' (TO... -
haust zu haben schienen. Schon schloß sich
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v x,uat wiener, uno va, grinienoe Ge
?!chl verichwand. Aber in meinem Hirn
Kar irgendeine noch unbestimmte Vorfiel.
lung ausgelöst worden, die mich nicht mehr
ZUM Teufel, wo 'hatte ich denn diese
Niggerfratze schon gesehen?
Et gelang mir nicht mehr, mich in den
kllartilel .War' der Eveinig Mail' zu
vertiefen. Ich stand wie unter einem
Zwang und ließ meine Gedanken wan
dern und suchte und suchte in meinen Ei
innerungen. '
Und plötzlich wußte ich',. Ich sah ihn
leibhaftig wieder vor mir stehen, den Kerl,
an den mich da, grinsende Gesicht in
nerte:
Ulli. da, Schwein!
Und da! war so:
Am 11. August des Jahre 1304 halt::.
ir unter Oberstleutnant Deimling den
Omeverumavak des Waterberae, mit felnn
Ist Waffe Qtfiiitmt. ?ln die toten Gra
nitwände der Acrac waren krackend un
sere Granaten geschlagen und halten die
schwarzen Leiber der flüchtenden Herero
zerfetzt. Bon allen vier Windrichtungen
war da? Hererovolk eingekreist worden.
Doch in dem dichten Tornbuschwald hat
ten nicht alle Lücken geschlossen werden
können, und die schkbarze Welle der Auf
ständischen hatte sich, die Abteilung dcS
Majors d. d. Heyde bei Hamalkari über
rennend, einen Ausweg aus der Umklam
merung zu schaffen gewußt. Freilich einen
AuSweg, der sie nur desto sicherer in das
Verderben führte: Dos wasserlose Sand
feld der Kalahari nahm sie auf, mit hier
vollendete steh die Tragödie des geschlage
nen, betörten Stammes.
Unsere Siegesbeute waren diele Tau
sende von Rindern und Kleinvieh, der
ganze Reichtum des einst so stolzen Hir
tenvolke!.
Ich erhielt den Befehl, einen Teil die
ser Beute nach Omaruru zu bringen. So
marschierte ich denn wieder südwärts,
wahrend die Truppe die Verfolgung der
Herero gen Osten aufnahm.
Langsam trottele das Vieh dahin. Sein
Brüllen klang unaufhörlich aus der dich
ten, weißen Staubwolke, die eö aufwir
belte. Und in den Chor der Tierstimmen
mischte sich das gellende, heisere Schreien
der schwarzen Treiber.
Hinterher folgten die drei Ochsenwagen.
Auf der Borkiste deS letzten Wagens saß
der Oberleutnant von Rchberg. ch ritt
nebenher.
Oberleutnant von Rehberz hatte seit
dem letzten November im Felde gelegen.
Zuerst gegen die Bondelzwalhottentotten,
dann gegen die Herero. Seine Züge tru
gen die Spuren der monatelangen Kämpfe
und Entbehrungen des afrikanischen
Buschkrieges, seine lange, an sich hagere
Gestalt war. wie ausgemergelt. Der
Stabsarzt hatte ihm Seeluft zur Erho
lung verordnet. Er ging an die Küste
ach Swakopmund.
Wir sprachen von diesem und jenem,
von den ausgestandenen Kämpfen, von
unseren Toten, die wir im einsamen Busch
oder in der weiten, gelbe Steppe der
scharrt hatten. Er erzählte langsam, Mit
müder Stimme, die Stummelpfeife, die
der Asritakrieger nicht entbehren kann,
zwischen den Zahnen.
Ihre besten Oklogmänner hatten' die
'H?rero am 11. August gegen die schwache
Abteilung des Major v. d. Heyde ge
lauen, el Hamarar, yane ie von toon
rienzufgang bis tief in die sinkende Nacht
hiii-in im Gefecht gegen eine zwanzigfache
peb.'rmacht gelegen. Die elfte Kompagnie
'hatte sämtliche Offiziere und Unteroffi
ziere verloren und war schließlich ' von
einem Gefreiten geführt worden.'
Der Busch bei Hamakari ist so dicht,
daß wir unS nicht entwickeln konnten,'
sagte Nehberg. Die Spitze war sofort
umzingelt und wurde abgeschossen. Wein
alter, braver Lekow war der erste, der
fiel.'
Ich halte den Oberleutnant V, Lekow
nicht persönlich gekannt. Aber sein Name
hatte einen guten Klang in der Schutz
truppe. Schon vor vielen Jahren, als
einer der ersten, war er herausgekommen,
hatte in manchem Crlog" mitgefochten
und so manches verwegene Reiterstückchen
geliefert. Und Rehberg war fein bester
Freund gewesen. ,
Aus der Staubwolke vorne löste sich
ein Reiter und ritt an den Wagen, auf
dem Rehberg faß. heran. Es war ein
Hottentott in der Uniform der Schutz,
truppe. Zwei Hottentottenkompagnie
leisteten uns Heeresfolge gegen die Herero
ihren- Erbfeind. -
: Der Schwarze nahm eine stramme Hal
lang an und sagte zu Rehberg:
.Baas Oberlütnant, an die ander Kant
tl
Schwein.
ist die heele werld füll Hartebeester. Sall
un icrnei r )
.3mi3," antwortete dieser, .Du darfst
, Liegen. Aver nicht mehr als drei Po
tronen verknallen! Berstanden?"
.?u Befehl. Baas Oberlütnant!' Und
kr galoppierte davon.
R.hbe,g lächelte Ue.
Da, ist Ulli. das Schwein j'
Ich sah ihn fragend an.
.Ullt war Bambuse (schwarzer Diener)
ve, erow. Jetzt habe ich ihn übernom
men. Gleichsam als Vermächtnis, r
bat seinem toten Hmn treu gedient, viele
Jahre lang. !Ba man so bei Schwarz?
unter Treue versteht, selbstverständlich. Er
hat es stets für sein gute, Recht gehalten.
einen Baa, 1 be leblen. Tabak und
Schnaps müssen Immer unter Schloß nd
Riegel gehalten werden. Eine besondere
Borliebe hat er sllr englische Same. Mit
einem Zug leert er eine halbe Pulle und
reibt sich dann hochbefriedigt den Magen.
Diese Nigger haben wirklich eine ausg?
pichte Kehle. Manchmal geht er auf Lie.
bepfad,n. Dann ist ti für ,wei. drei
Tage spurlos verschwunden. Einmal blieb
er sogar eine ganze Woche fort. Jrgenö
ein Pontok in einer verschwiegenen Werft
ist der Schauplatz seines Liebesabenteuers.
Aber in allen anderen Dingen war er zu
verlässig. Seine Verschlagenheit, feine ge
naue Geländekenntniö, sein ausgebildeter
Spürsinn hat Lekow aus seinen viele
Kriegsfahrten manchen guten Dienst ge.
leistet. Und Furcht kennt Ulli gar nicht.
Verschiedentlich hat er, seinen allzu toll
kühnen Herrn herausgehauen und ihm das
Leben gerettet. Im Augenblick des Ueber
flli bei Hamakari war er von Lekow. der
die Spitze führte, zur Ueberbringung einer
nceioung nach hinten geschickt worden. AIs
die Schüsse vorne knatterten, jagte er in
gestrecktem Galopp vor. ohne jede Rück
ficht auf Deckung. Doch diesmal konnte
er seinen Baas nicht mehr retten, die töt
liche Kugel hatte ihr Ziel schon gefunden.
Da sprang Ulli vom Gaul und feuerte.
aufrechtstehend, wütend in die von allen
selten anstürmenden dichten Haufen der
Herero hinein. Wie er lebend davongckom
men ist, ist ein Rätsel.'
Rchberg schwieg einen Augenblick. Dann
fuhr er fort, von Ulli'S mancherlei Stret
chen zu erzählen.
UebrigenS ,st Ulli in der ganzen
Schutztruppe nur unter dem schönen Bei
namen Das Schwein' bekannt. So
pflegte ihn Lekow in der Derbheit seines
afrikanischen Landsknechtstums stets zu
nennen.
An den Bergen brach sich der Hall eines
Schusse. Eine halbe Stunde später
tauchte Ulli wieder auf, vor sich auf dem
Sattel den Rücken und hinter sich zu bei
den Seiten vom Pferde herabhängend, di:
Keulen einer Hartebeesi-Antilope.
Auf dem Marsche war er willig und
aufmerksam. Machten wir Halt, so hatte
er im Nu die Zeltplane unter irgend einem
geeigneten Busch als Sonnendach befestigt,
und das Wasser zum Kaffeckochen stand
auf dem Feuer. Er sorgte für die Pferde,
beaufsichtigte das Tranken des Viehs und
achtete darauf, daß kein Stück im dichten
Busch zurückblieb und verloren ging. Er
melkte die Kühe, die mit Kalbern gingen,
und brachte uns die frische Milch.
Einmal machte ich eine merkwürdige
Beobachtung. Ulli stand und sprach mit
einem Sergeanten, der meine Kolonne
gleichfalls al Rekonvaleszent begleitete.
Ich wollte zwischen ihm und dem Stamme
einer Kameldornakazie, der er den Rücke
zukehrte, vorbeigehe und gab ihm. da die
Passage etwas eng war, einen Puff in
die Seite. Er fuhr heftjg zusammen und
schlug mit den Armen wild um sich, so
daß er dem verdutzten Sergeanten eine
regelrechte kräftige Maulschelle verabfolgte.
Rehberg erklärte mir dies Benehmen als
die Folge einer Schreckhaftigkeit, vcrur
sacht durch eine übergroße Empfindsamkeit
des Nervensystems, die bei Hottentotten
häufig beobachtet wurde.
Endlich versank hinter uns da rote
Sandsteinplatecm deS Waterberges. Die
beiden Halbkugel der Omatakoberge, de
rcn Gipfel die höchste Mcereshöhe Süd
westafrikas erreichen, tauchten auf und
verschwanden wieder hinter den zerklüfte
ten Oniatibcrgen. und eines morgen
grüßte uns die blaue Kuppe von Oma
ruru, unserem Marschziel. Ich gab mei
nen Transport ab und trennte mich von
Oderleutnant von Rehberg, der die Reise
zur. Küste fortsetzte. Ulli, daö Schwein,
begleitete ihn. '
" . "
Sechs Wochen später standen auch die
Hottentotten stamme des Nonnalandes in
hellem Aufruhr gegen die deutsche Schutz
Herrschaft. Wieder' kam eine Bartolo
mäusnacht über da Land, die weit mehr
als hundert weißen Ansiedlern. Frauen
und Kindern, das Leben kostete. Dem
alten Hendrik Witboi, dem Großkapitän
der Witboileute. war Gott im Traum er
chienen und hatte ihm befohlen, alle Deut
chen in Meer zu jagen. Englische Wühl
arbeit und englisches Gold bildeten den
oliden Hintergrund dieses Traumes.
Die beiden im Verbände der Schutz
truppe stehenden Hottentottenkompagnien
waren sofort entwaffnet und außer Lan
de nach unserer Kolonie Toyo transpor
ticrt worden Ebenso verfuhr man mit
den auf den größeren Etappenorten bc
indlichen Hottentotten.
Ich kam gerade von einem scharfen
Patrouillenritt zurück nach Okahandya,
als auch dort die Eingeborenen, soweit sie
den aufständischen Stämmen angehörten,
abtransportiert wurden. Stumpf trotte
ten sie an mir vorüber zum Bahnhof.
Mein Auge suchte nach Ulli. Denn
) .(im Oberleutnant, aus het cnberm Soll
Ist bis 8 m ivSfll voll tnrtffifr!(i." (So ttn
itrn bi i'uten Die jtuturniluDcn.) .ScUpii toii
lazi'ben,'.
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ittc!U
Oberleutnant vn Rchberg befand sich ge
rade, von Swakopmund zurückgekehrt, in
Otahandya. Aber ich konnt da wohlbe
kannte Gesicht nicht herausfinden.
Mittags traf ich Rchberg im Kasino.
Ich fragte na h Ulli.
.Der ist auf merkwürdige Weise der,
schwunden,' sagte er. Heute morgen
beim Appell der Kerl hat er auf seinen
Namensaufruf noch geantwortet. Aber
beim Verladen auf dem Bahnhos habe Ich
ihn nicht mehr gefunden.'
Später stellte sich heran, daß Ulli in
einer trüben Boroh,g des Kommendeil
einen Stammesgenossen durch eine Flasche
Gin bestochen hatte, beim Appell statt sei
ner beim Aufruf zu antworten. So hatte
er sich einen großen Borsprung zur Flucht
verschafft.
Niemals, in den langenzwei Iah
ren der erbitterten, blutigen Kämpfe des
Hoitentottenaufstandes, hörte man et
was von ihm.
Ulli war spurlos verschwunden.
Zehn Jahre später, im Mai des Jahres
1914. kam ich zum zweiten Male nach
Deutsch'Südwestafrika. Diesmal nicht
zum männermordeiiden Kampfe, sondern
zu friedlichem Schaffen. Und wie ich
durch, Land fuhr, sahMch nicht wie da
mals rauchgeschwärzte Trümmer zerstörter
Farmhäuser und verwesende Tier und
Menschenleichen. sondern freundliche, auf
blühende, in lichtes Grün gebettete Sied
lungcn, zahllose weidende Herden von Rin
dern, Kleinvieh. Pferde und Straußen,
große Obst und Wcinpflanzungen, flei
ßige Menschen, auf , deren Gesichtern das
Glück und die Zufriedenheit über den. Er
folg ihrer Arbeit geschrieben stand. Nicht
wie damals fuhr ich hoch oben auf dem
hochbeladenen Güterwagen des kurzatmig
schnaufenden .ZUgles' in vier langen Ta
gen die kaum 400 Kilometer lange Strecke
von Swakopmund nach Windhuk, sondern
legte sie im modernen, bequemen Erpreß
zug m wenigen Stunden zurück. Ja, noch
ein größeres Wunder war mir beschieden.
Nicht im bedächtigen Trott des im tiefen
Sande mühsam mahlenden Ochsenwagens
durchquerte ich das Land ganze vier
Kilometer in der Stunde , sondern hoch
oben im Blau deS Aelhers schwebte ich mit
einer Stundengeschwindigkeit von mehr als
hundert Kilometern über rote und blaue
Bergketten, über weite gelbe, von den grll-
nen Bändern der Rivlere') kreuz und
quer durchzogenen Steppen in dem neue
sten, von dem nie rastenden Menschengeiste
erfundenen Verkehrsmittel, dem Flug
zeuge, dahin.
Die Landeshauptstadt Windhuk schwelgte
im Festestrubel. Die Schutztruppe, deren
ruhmreiche Waffcntatcn der so oft von
Aufständen der Eingeborenen durchloder
ten Kolonie eine segensreiche, siebenjährige
Friedenszcit gebracht hatten, beging die
Jubelfeier ihres 25jährigen Bestehens. Ihr
kampferprobter Kommandeur, Oberstleut
nant von Heydebreck, führte sie dem Gou
verneur in Parade vor. Und um die Er
folgt der jahrelangen Fricdensarbeit zu
zeigen, war gleichzeitig eine landwirt
schaftliche Landesausstellung veranstaltet
worden. Aus allen Teilen der Kolonie
waren sie nach Windhuk geeilt, die Far
mcr, die Kaufleute, die Händler, die Berg
leute. die Ingenieure, die Beamten und
Offiziere, soweit es der Dienst auf ihren
oft weit entlegenen Posten zuließ, um ein
paar festesfrohe Tage zu verleben und mit
alten Freunden und Bekannten wieder
einen guten deutschen Trunk zu' tun.
Zur Begrüßung ihrer Gäste hatte die
Stadt reichen Flaggenschmuck angelegt.
Hoch oben aber auf der die ganze Umge
gend beherrschenden Höhe blickte trutzig die
alte Feste ins weite Land, ihr zur Seite
das Denkmal für die dielen in den heißen
Kriegsjahren gefallenen Streiter: Auf
hohem Bronzeron em Reiter der iatjer
liehen Schutztruppe mit dem breitkrämpi
gen Hute, die Büchse schußbereit auf das
Knie gestemmt, als hielte er treue Wacht
über diese deutsche Erde im heiße Afrika.
Wer. der die Bild des tiefsten Friedens
in sich aufnahm, hätte ahnen können, daß
nur kurze drei Monate spater der euro
päische Völkerkrieq auch an diesen fried
liehen Erdenwinkel die Brandfackel legen,
daß nur ein Jahr später der Union Jack
frech auf der nie bezwungenen Feste flat
tern würde? Daß in kurzem schon ss viele
dieser Männer, die sich ihres Lebens und
ihrer friedlichen, gesegneten Arbeit freu
ten, ihre Treue zu ihrem Kaiser und ihrem
Vaterlande mit ihrem Blute besiegeln wur
den? '
Auch ich mußte viele Hände schütteln,
diele Becher leeren. Und so saß ich eines
Abends auf der Terrasse deS Hotels
Europäischer Hof' auch mit Rehberg wie
der zusammen. , Damals war er junger
Oberleutnant, jetzt älterer Hauptmann. Er
war inzwischen zur Uandespolizei ü berge
treten. Mit dem bekannten Kolonialmaler
Axel Erikson, dem Sohne des einstmals
berühmtesten Elefantenjägers Afrikas, und
seiner lustigen, blonden Frau bildeten wir
eine gemütliche Ecke.
Und wie wir uns so in die alten Zeiten
versenkten, der alten Kameraden gedachten,
die längst die heiße Erde des schwarzen
Erdteils deckt, da fragte ich plötzlich Reh
berg: , .
Haben Sie je wicder etwas von unserm
Ulli gehört?' ! .
Den habe ich gehängt!"
Und dann erzählte er:
Ich war eine Zeit lang im Gibeoner
Bezirk stationiert. Die letzten Zuckungen
des Hottentottenaufstandes waren mit der
Niederlage der Simon Kopper-Leute bei
Karakwise Kolk in der Kalahari vorüber.
Mein Amt war ein wenig vergnügliche.
Ich befaßte mich mit dem Abfangen von
Viehdieben, die in der unzugänglichen Ka
lahari ihre Schlupfwinkel hatten. Es war
ein mühsames' Geschäft. Denn man kann
eher einen Floh im Strohsack fangen als
einen Eingeborenen in dieser wasserlosen,
unendlichen Graswüste.
Plötzlich nahmen die Viehdiebstähle
einen größeren Ui?fang an: Hatten sich
die Kerle früher mit ein paar armseligen
Schafe oder Ziegen begnügt, so trieben,
sie jetzt ganz Rinderherden weg, ja sie
wagten es sogar. Pferde und Maultiere
mitzunehmen. In verschiedenen Fällen
) Rwikre Nfnnt hn Z,ir die kessctifn Fkh
beiifn, deren U;c eine hastige gicgeiatton auf
eilen.
fand man die schwarzen Wächter erschlagen
oder erschossen. Es lag System in der
Sache. Es mußte eine geschlossene Bande
sein, die von einem intelligenten Führer
geleitet nurde. Die einzelnen Tatorte
lagen meist weit auseinander. Die Strei
fernen dr Bande dehnte sich vom oberen
Jischfluß bis zu den Karrasbergen und
dem Oranje au.
Die Kcrle wurden Immer frecher. Eines
Nacht wurde eine 'Burenfarm regelrecht
überfallen, der Aur ermordet und das ae
samte Bich geraubt. Das Gouvernement
wollte der Sache em schnelle ifnde machen
und verstärkte meine Truppe erheblich. Ich
errichtete ein Netz von Beobachtungsposten
und lieh unaufhörlich Palrouille reiten.
Aber der Erfolg blieb aus. Zwar wurden
die Räubereien etwa seltener, doch ge
lang e der Bande immer wieder, un ein
Schnippchen zu schlagen, Ihr Führer
mußte ein InteAigenter Bursche fein, der
jede Klippe, jeden Busch, jede Falte des
Geländes genau kannte und mit allen
Schlicken seines Handwerks genau vertraut
Aber wer war dieser Unbekannte?
Schließlich gewann ich mir einige der
scheuen glaharibuschleule als Kundschas
ter. Und da klappte es.
Einer von ihnen brachte mir eine
Abends die Nachricht, er habe eine Anzahl
mit Gewehren bewaffneter Hottentotten
am Tage vorher auf einem nur Eingebore
nen bekannten Jägerpfade von Osten nach
Westen reiten sehen, sei irmen unbemerkt
gefolgt, habe sich, alS sie Rast machten, her
angeschlichen und sie den Namen einer
Farm nennen gehört. Er vermute, daß
diese Farm noch in dieser Nacht überfallen
würde.
Da war keine Zeit zu verlieren. Ich
ließ sofort satteln und ritt mit zwanzig
Mann los. Den Buschmann nahm ich
mit. Die Gäule mußten hergeben, was
sie in sich hatten.
Als wir das Hiebiet der Farm erreicht
hatten, ließ ich zunächst durch den Busch
mann den Stand de Viehs feststellen.
Dann ließ ich die Pferde unter dem Schutz
einer Wache zurück und bezog mit den
übrigen Leuten Beobachtungsposten in der
Nähe der weidenden Zerven.
Der Morgen dämmerte schon, da fiel ein
Schuß. Dann sah ich, wie einige berittene,
braungelbe Kerle -das Vieh zusammentrie
den. 'Sie liefen uns direkt in die Arme.
Es kam zu einem kurzen Feuergefecht, in
dem die Räuberbande fast völlig aufgerie
den wurde. Nur etwa drei entkamen. Drei
anders fielen uns verwundet in die Hände.
Der eine von diesen war Ulli, das
Schwein.
Ich bin an Ucberraschungen in Afrika
gewohnt. Sie wissen doch, wir sagen hier:
Denn erstens kommt eS anders, und zwei
tens als man denkt, und drittens in
Afrika!
Aber jetzt war ich doch paff.
Ulli hatte einen Schuß durch den rech
ten Oberschenkel. Er lag auf der Erde,
ohne sich zu rühren, mit dem Rücken gegen
eine Klippeelehnt, und sah mich an, ohne
eine Miene zu verziehen. Es war kein
Wort aus ihm herauszubringen.
Unser Oberarzt in Gibeon hat ihn dann
erst schön auskuriert. Darauf wurde ihm
der Prozeß gemacht., , Geleugnete nichts,
gestand seine Schandtaten, ohne Rückhalt
ein. Er war der Anführer der Bande ge
Wesen.
Das Todesurteil durch Erhängen mußte
ich vollstrecken lassen.
Als er Zum Galgen geführt wurde,
fragte ihn ' der Missionar Ulli war
Christ ob er noch eine Bitte habe.
Er antwortete, er wolle mir noch einmal
die Hand reichen.,.
Ich brachte eS nicht fertig, ihm die Bitte
zu verweigern.
Er stand vor mir, sah mich fest an und
sagte, seine Hand in der meinen, nur:
Danki. Baas Oberlütnant!' '
Dann stieg er ruhig aufs Gerüst, steckte
selber den Kopf in die Schlinge und
sprang herab, bevor ich den Wink geben
konnte, daS Fußbrett fortzuziehen.
So starb Ulli.
Teutsche Worte in der englischen
Sprache. Die englische Wochenschrift
.AnswerZ' stellt eine Anzahl deutscher
Worle zusammen, die sie aus der eng
lischen Sprache verschwunden zu sehen
wünscht. Der Kampf um das Wort
.Icursslll' und seinem englischen Ersatz
mit hatt" oder pavillon" hat schon
öfter getobt. Dann kommt das Wort
kinterliruä", für das der australische
Ausdruck Uek blwks" als echt britisch
empfohlen wird. Mit dem kinder
garten" wollen sie auch nichts mehr zu
tun haben; eS soll durch play scliool" er
setzt ' werden. Dann ist seltsamerweise
au-d-Colo?rne' an der Reihe. Aber
es geht nur um das Wort Cologne, denn
die ersten beiden französischen sollen blei
ben, das Ganze soll ea,wle-IanV hei
hen; ein Kompliment an die Verbündeten.
,I.p,iHrtecr' muß um jeden Preis fort
aber nur das Wort, nicht der Stoff.
Es kommt zetzt meist aus Holland so
erzählt die englische Zeitung wenigstens
ihren Lesern und so soll es durch
beer" heißen, denn Holland ist mindestens
freundlich neutral'. Nun kommt ein
deutsches Wort, das man in Deutschland
nicht kennen wird: hock". Da! bedeutet
für den Engländer deutschen Rhein, und
Schaumwein und soll aus Hochhcimer'
entstanden sein. Also fort mit hock"
und auch mit klimmel', ebenso mit den
deiicatease shops", die sich künftig
8nndwicli 8liops' nennen sollen. Die
Hundekeniier werden aufgefordert, das
Wort dacfoslmnd" zu ersetzen, aber die
Bezeichnung gs dog" wird als
nicht gesellschaftsfähig gleich untersagt.
Seltenheiten sind im Kriege gewiß
Kugeln, zu deren Herstellung Edelsteine
benutzt wurden. Solche Geschosse kennt
mn aber auS den Kämpfen an der
Grenze von Kaschmir, wo die britischen
Truppen die ausständigen Hunzas besieg
ten. Da benutzte die Eingeborenen als
Material zu ihren Geschossen echte Gra
naten die in Blei eingeschlossen waren.
Viele der dortigen britischen Soldaten
haben solche Kugeln als Merkwürdigkeiten
aufbewahrt.
MWMVTNMiM
Die Schlacht
von Selhiilcomt.
von Cottn Uosz.
tiZ&
BorVerdun.lm April.
Zur Rechten begrenzt der Wald von
Avocourt den Blick. Eine zackige, zer
rissene Silhouette hebt sich vom Himmel
ab. Kein Grün. Zersplitterte, zersetzte
Stumpen, nur niedergetretenes Gras!
Von da zieht die Hvhenstraße Avocourt
ESnc den Horizont entlang. Scharen
weise marschieren die Chaiissecbäume hin
tereinandcr. Hier und da- ist einer aus
gefallen oder niedcrgebrochen: eine Gra
nate hat sich hicr ihren Weg gesucht. Ta
hinter der dunkle Schatten des Hessen
waldeS.
Die Straße verschwindet hinter der
Höhe 304, die sich jetzt vordrängt. Ein
mächtiger Bcrgklotz, lang gestreckt, wuchtig
nd trotzig. Aber er hat doch nicht der
hindern tonnen, daß Malancourt und
Haucourt in unsere Hände fielen und all
die Kuppen vor seinem Westteil, die er
beherrscht. Seinem steil sich senkenden
?!orosthang gegenüber liegt der Tote
Mann, ein, breiter, doppelt gebuckelter
Bcra.
Zwischen den beiden Höhen führt die
Straße nach Bthincourt, das noch im
wer inmitten unserer Stellung liegt. Nur
nach Süden ist noch ein Weg frei. Ihm
entlang sieht man bis zum Marrerllckcn,
Fort BourruS und Fort Marre wuchten,
weitläufig und massig auf feinem Kamm.
Ein weiter Kranz von Schützengräben legt
sich vor sie. Hell schimmert der frisch
herausgebrochene weiße Kalksandstein.
Das ist das Schlachtfeld. Man hat ganz
den Blick dafür verloren und muß eS sich
erst verstandesmäßig klar machen,' daß dies
ein Bild ist, wie man ti sonst nirgend!
sieht, eine Landschaft, die auf der ganzen
Welt ihresgleichen nicht hat. Die Wiesen
und Felder, die seit bald zwei Jahren
keine Pflege mehr fanden, sind verwaist
und verkarstet. Steppe, Wüste, mitten im
kultiviertesten Europa. Kein ganzes
Hans, kein unbeschädigter Baum. Trüm
mer, Ruinen. Um und um ist der Boden
aufgewühlt, kreuz und quer durchpflügt
von Gräben auf Gräben. Uebcrall aber
haben die Granaten Löcher und Trichter
gerissen. Die Hoben, um die am heftig
sten gekämpft wurde 287, der Termi
tenhügel, die Kuppen südwestlich Haucourt
sind wie umgekrempelt. Nichts steht da
mehr, gar nichts. Loch an Loch, Trich
ter an Trichter. Die weißen Trümmer
und Brocken des Kalksteins, aus dem der
Berg besteht, sind überallhin "'.streut, daß
die Höhen nun weiß gesprenkelt und ge
tupft aussehen.
Die Straßen waren einmal? jetzt sind
sie längst dem übrigen Erdboden gleich,
den Forgesbach sieht man nicht mehr.
Zwischen aufgewühlten Eidwällen fucht
er mühsam von Trichter zu Trichter ein
neues Bett.
Die Sonne scheint. Es wird ritt klarer
Taa. Ein goldbrauner, warmer Glanz
liegt auf den Höhen. Wie der Frühnebel
wich, begann die Schlacht. Die
Schlacht? Jeder Tag ist hier Schlacht,
jede Stunde Kampf. Und doch, heut
donnert es den ganzen Horizont entlang,
raucht und staubt, soweit man sieht.
Der Himmel ist blau und klar, aver
zeitweise verdunkeln ihn die ziehenden
Rauchschwaden. Um den Toten Mann
streicht es wie Nebelgespenster um den
Brocken. Aus dem ForgcSbach-Grund
steigen schwarze Fontänen. Braun und
grau kriecht es die Höhe 894 hinauf.
Staub stiebt steil auf auö den drei DSr
fern. Alle Kuppen und Hügel brechen
auf, und braune, sich unförmig breitende
Wolken quellen daraus.
Was das Auge sieht, kann man schil
dern. zur Not. mit schwachen Worten, die
kaum einen Begriff der Wirklichkeit geben.
Was das Ohr hört, läßt sich mit Worten
nicht verdeutlichen. Das Bellen der Feld
geschützt, der tiefe, volle Klang des Ab
fchusses der Haubitzen und Mörser, daS
schreckliche Krachen des Krcpierens der Ge
schösse, von denen, ein jedes Kaliber loi
der seine eigene Klangfarbe hat, der helle
Ton der Schrapnclle, wie springendes
Glas, das Heulen und Pfeifen der die
Luft durchschneidenden Granaten, von de
nen einzelne schwere Kaliber ein direkt
schauerliches Lied singen. Dies alles der
klingt und verschmilzt zu einer Sinfonie
von solch grandioser Macht und Stärke.
daß das menschliche Oh zu schwach ist..
sie aufzunehmen. Man wehrt iq gegen
den Klangansturm, schließt die Ohren,
daß man nur ein schweres dumpfes Rol
lcn nd Dröhnen hört. Nur wenn ein
Einschlag gar zu nahe brechenv kracht,
zuckt das Trommelfell und nimmt nur
diesen einen drohendsten Ton auf.
In Rauch und Qualm aber, unter den
nicderbrcchenden Schollen und schwirren
den Sprengstllckcn sitzen hüben und drü
ben in der Erdt"Menschen, dulden und
warten, warten auf den einen Augenblick,
wo sie selbst oder die Feinde vorbrcchcn
zum entscheidenden Kampf um einen Gra
ben, um ein paar hundert Meter Gelände
gewinn.
Gegen Mittag zeigt ich aus dem iug
Punkt westlich BSthincourt, den die Uns?
ren schon vor mehreren Tagen besetzten,
Bewegung. Die Franzosen hatten hinter
ihrer Forgesbach-Stellung auf halbem
Hang mehrere solcher geschlossener Stütz
punkte, mit starken Drahthindernissen
ringsherum. Sie sollten einer aus der
Stellung geworfenen Besatzung als Rück
halt dienen, um die Wiedereroberung deS
Verlorenen zu ermöglichen. Aber sie
wurden mit der Stellung Lberrannt und
dienen nun mit ihren Gräben und Unter
ständen unseren Sturmtruppen als Un
terkunft und Sprungbreit für den nach
sten Sturm.
Tot und leer lag der Stutzpunkt den
ganzen Tag über da; nun regt es sich
zwischen den Drahthindernissen. Leute
Mit großen Dtahtscheren sind eS. Eilig
schlüpfen sie hin und her. Fieberhaft ar
beitcn die Scheren und bahnen die Guss'n
für den Sturm.
In der Flanke, kaum 1000 Meter ent
fernt. liegt Bthinconrt. Man könnte von
da jeden einzelnen Mann abschießen. Aber
brrrt wagt wohl niemand zu beobachten ;
denn schweres Feuer liegt auf dem Dorfe,
und Schuß auf Schuß fährt in die
Ruinen.
Der Drahtscherentrupp war daS erste
Leben, das sich in dieser Landschaft zeigte,
die so wüst und leer schien und so voll
Tod, als könne kein Insekt darinnen exi
stieren. Und nun ist sie mit einem
Schlage voll Bewegung. Die Nebel wal
len noch immer um den Toten Mann.
Darinnen aber springen Gestalten. . ?i
nie laufen vor. Man erkennt nicht, sind's
die Unseren, sind's die Franzosen. Dann
verdeckt alles wieder Rauch und Qualm.
Den Hang vom Stützpunkt In den
Grund hinüber läuft ein dichtgcscharter
Sturmtrupp. Auf dem Rcduit gegenüber
liegt noch schwere Mörsenfeuer. Unge
sährdet laufen sie vor. Aber jetzt fcn!
teil ek aus neuangelegtcn Gräben zur
Rechten. Hinter den Feldsteinen der
Brustwehr schimmert es bläulich. Mann
steht da an Mann. Deutlich erkennt man
die Stahlhelme.
Im Grund stiebt eö auf von den ein
schlagenden Kugeln. Die Sturmtruppe
ist gerade an dem unteren Drahthindcr
nisse angelangt. , Sie wirst sich hin. Man
sieht sie kaum mehr; so verschwinden die
feldgrauen Uniformen und so absolut un
beweglich liegen die Leute.
Auf die noch nicht genügend sturmreif
gemachten Gräben wird neues Feuer ge
lenkt. Ueber den blauen Hclmen Platzen
Granatbrennzündcr, und schwere Ein
schlüge wölken sich vor, hinter und in den
Gräben. Die Köpfe verschwinden, aber
sobald sich bei uns einer rührt, knattert
das Feuer wicder los.
Und weiter östlich steigen jetzt kleine
Gruppen und lichte Sturmwellen den
Hang hinan. Eine schwere Granate schlägt
vor einem in. Der Vorderste bricht zu
sammen. Ein Bild, wie man es oft
auf Schlachtgemälden sieht: die oufstei
gende schwarze Rauchwolke und davor der
zusammenbrechende Mann. Die anderen
weichen aus und laufen weiter.
An einer Stelle sind die Vordersten bis
dicht an das Drahthindernis gekommen.
Aber die Unterstützung kommt nicht nach.
Die wenigen halten und decken sich in '.:n
Granatlöchern. Einzelne laufen wiedü
zurück. '
Vor dem Reduit liegt die Sturmkolonne
noch immer im Grund. Sie fangen vor
sichtig an, sich einzugraben. Ein Melde
gänger läuft zurüj. Kaum erhebt er
sich, pfeifen um ihn die Kugeln. Er rennt
ums Leben. Dicht neben ibm, rechts und
links stäubt es auf.
Aber jetzt bricht eine Linie südöstlich
BSthincourt vor. Etwa 200 Meter hat
sie zu laufen. Aus dem ganzen Graben
knattert es. Doch sie läßt sich nicht aus
halten, stürzt vor, kaum, daß einer sällt.
Es ist wie ein Wunder. Jetzt sind sie am
Hindernis. Ein Teil wirft sich nieder
und feuert. Drüben sind Unterstützungen
herangeeilt, feuern stehend hinter dem
Graben hervor, wie eine Welle bricht jetzt
die Masse der Stürmenden durch das
Drahtgewirr. Nun ein Gewogn Men
schenlciber im Durcheinander. Auf drei,
einen Schritt Entfernung fallen noch
Schüsse. Man erkennt nichts mehr, nur
ein Hin und Hergewoge von Menschen.
Da entwirrt sich da! ChaoS. Ein
Trupp löst sich von dem anderen, ballt
sich zusammen und setzt sich in Bewegung.
Auf unsere Seite zu. Franzosen sind es.
Gefangene! Die Sturmlinie formiert sich
wieder und stürmt weiter.
BSthincourt ist abgeschnitten? Der eine
Stützpunkt, der sich noch hält, wird heute
fallen, oder morgen. Verzweifelt schießen
sie Leuchtkugeln ab. Rechts und links in
den anschließenden Gräben sind die Un
stnn schon dicht heran.
Und Rauch und Qualm. Granaten über
Granaten. Die Franzosen setzen zum
Gegenstoß an. Auö einem Laufgraben
weit rückwärts, der auf uns zuführt, lau
fcn sie heraus. Unaeyindert kommen die
Vordersten vor. Da hat eine Batterie sie
erkannt. Drei, vier Gruppen krachen hin
tereinandcr. Die außerhalb des GrabenS
brechen nieder. Niemand kommt mehr vor.
Sonne und blauer Himmel. Flieger
über uns, gleich glitzernden Libellen. Hin
ter ihnen in langgestreckter Bahn die wei
ßen Schrapnellwolkchen der Abwehrge,
schütze. Und unter ihnen, in Rauch und
Qualm, der Tod über da ganze Feld.
Die Sonne sinkt. BiZ zum Abend ließ
daS Feuer nicht nach. Fern, weit hinter
uns. wo der Rauch ihn nicht frißt, lugt
seiner Goldstaub in der Luft.
Ein Tag so voll Eindrücken, daß einer,
den sie ungewohnt und unvorbereitet ttä
fcn, sie Wohl nie verwinden könnte. Ein
Schlachtbild. Wohl. Aber eine Schlacht?
Die. Geschichte wird sie nicht so neNnen.
Eine Einzelaktion! Ein Winzige, Unbe
deutendes im Nahmen des Ganzen. Ein
Taa m langen Lauf der Tage. Ein Tag
wie andere. Nur: Vt Sicht war besser,
die Beobachtung umfassender: daZ ist
alleZ.
So leben wir. Wer denkt morgen noch
daran? Ein wehes Wundern, daß all
dies Große das Herz nicht tiefer rührt,
nicht höher schlagen läßt. Ja, um unS
alles Große, und für uns da Alltäg
liche.
Um eine drohende Revolution m be
schwören, wollte Sultan Mahmud II.
(gest. 1839) seinen einzigen Sohn töten;
da die Dynastie Osman dann aus zwei
Augen stand, hätte kein Moslem gewagt
iyn anzutasten.
Weder mit den Museen!"
Englische Bilderstürmer.
Pearsoni Magazine, eine der billigsten
und niedrigsten, ober vicllicht ebendeshalb
auch eine der beliebtesten und verbreitet
sten Zeitschriften Englands, veröffentlicht
im prilheft einen Artikel .Scrap the
Museums!' wieder mit den Museen!) au!
der Feder von Philip Handlcy, an dem die
Talsache, daß ti überhaupt geschrieben
und veröffentlicht werden konnte, so be
zeichnend ist, daß sie auch der übrigen
Welt bekannt zu werde verdient.
Wa Philip Handley verlangt, ist nicht
mehr und nicht weniger, als daß alle Mu
scen Englands von der Nationalgalerie
bij zum Britischen Museum niedergcris
sen werde sollen, und ihr Inhalt, soweit
er nicht irgendeinem nützlichen' Zweck
dient, also vor ollem die Gemälde, die
griechische Skulpturen, die Mumien und
Königsgräberschätze, an da! Meistbietende
Amerika verkauft werden sollen. Denn, -sagt
er, was sind olle diese unschätzbaren
Kunstwerke dem Durchschnittslondoner,
de Mann von der Straße'? Man:,
fällt es ihm ein, sie zu besichtigen? Er
würde zwar, wenn die Deutschen die M'j
secn bombardierten, von Hunnen und
Barbaren reden, aber das wäre nur nach
geplappert, käme nicht von Herzen, denn
ihm wäre der Untergang aller dieser '
Kunstwerke kein Verlust. Zwar zahlt man
von seinem Geld, von feinen Steuern,
diese irrsinnige Preise, 900.000 Mark
für die BenuS mit dem Spiegel von Ve
lasqucz, anderthalb Millionen für einen
Holbein, 600,000 Mark für eine Titian,
von den Unsummen für die Erhaltung und
Bedienung dieser Museen nicht zu reden.
Aber für dieses Geld erhält und verlangt
der Mann von der Straße' gar nichts.
Und Philip Handlet, gibt dem Mann
von der Straße vollkommen recht, er er ,
Härt,- durch keinerlei Argumente de?
Snobs' von dem veredelnden Einfluß'
der Kunst zu überzeugen zu fein. Was
ist dem durchschnittlichen Manne die vor
erwähnte Rokeby-Venus von Valcsquez?.
Ein nackics Weib auf einem Sofa, und
als solches ein widerlicher Anblick! (Die
Rokeby-Venus scheint den Engländern be
sonders verhaßt zu fein, sie wurde bekannt
lich schon einmal von einer wilden Suff
ragette mit dem Beil massakriert. Die
Redaktion tritt auch hier dem Schreiber
bei, indem sie das berühmte Bild wieder '
gibt, mit der quer darüber geschriebenen
ironischen Frage: Würden Sie für so
was 900.000 Mark zahlen?!) Was er.
scheint dem Manne von der Straße an da!
Vincis Abendmahl bemerkenswert? Hand'
ley stand einmal dabei und weiß eö ganj'
genau? Sieh nur, Bill, sie haben schon,
dunnemals Kellner gehabt!' Diese Taub'
heit und Blindheit für alle Schönheit,
scheint Handlcy das natürliche und ange,
messkne Gefühl eines gesunden'. Weg
scheu zu sein, und er verteidigt die Jnter
essen seines Freundes' von der Straße
eben mit dem Ruf: Weg mit den Museen!
Das Possierlichste ist, daß die Redaktion
diesen Wutausbruch eines Banausen wich
tig c,:nu genommen hat, um einige
Autoritäten' um ihr Gegenurteil zu be -fragen.
Da! ist symptomatisch! Lord 1
Harberton wehrt sich gegen Handleys Vor
schlag im Namen der Erziehung'. Ber
nard Shaw höchstselbst polemisiert ein
langes und breites, um die indirekte Not
wendigkcit' der Künste zu behaupten. Ein
einziger trifft den Nagel auf den Kops,-'
Sir Ronald Roß, der große Arzt und,,
Nobelpreisträger von 1902, dessen bllndi
geS Urteil nur 'unterschrieben werden kann.,
Durch solche Ansichten kann ich nur in
meiner alten Meinung bekräftigt werden
daß der Durchschnitt des englischen Vol
kes geistig weit unter Pari steht. Wenn'
unsere Nation erst einmal nur noch aus
Philip Handleys besteht, dann werden wir
für die Unterjochung durch verständiger.'
Völker reis sein!' .
Schuhe ohne Leder. Die Deutschen,
Werkstätten in Hellerau, die zu ihren
Mitarbeitern die besten deutschen Kllnst
ler zählen, haben sich, durch die Kriegszeit
auf ihrem eigentlichen Gebiete dem
Möbel und Wohnungseinrichtungsbau '
lahmgelegt, auf etwas ganz anderes
geworfen: sie stellen Schuhe ohne Leder
der, die wohl geeignet sind, an die Stelle
der teueren Lederschuhe zu treten. Seit
Monaten sind sie ausprobiert und sollen
demnächst auf den Markt kommen. Das
Oberteil ist aus grauem oder schwarzem
wasserdichten Segelleinen, wie eS die Mi
litärbehörde für die Tornister der Sol
baten vorschreibt; Brandsohlen, Sohlen
und Absätze sind aus Holz, und zwar sind
dünne Holzschichten kreuzweise wasserfest
verleimt. Dadurch werden die Sohlen
wasserdicht und fest. Sie haben auch ein
Gelenk und tragen sich daher wie feste
Lederschuhe. Da sich die Sohlen filzig
laufen, ist daS Geräusch beim Gehen nicht
dauernd klappernd; auch sind die Schuhe
wärmer als Lederschuhe. Die Schuhe sol
len nicht mehr kosten, als man heute für
ein Paar gute Ledersohlen bezahlen muß.
Sohlen und Absätze können von jeder
mann leicht ausgewechselt werden.
Hahnenkämpfe sind, nach Dr. Kurt
Flöricke, in Belgien vor der Besetzung
durch die Deutschen ein beliebter, grau ,
samer Sport gewesen. Denn man bewaff
ncte die Tiere noch mit künstlichen, stähler
nn Sporen, und deshalb lag meist einer
der Kämpfer nach kurzer Zeit verblutend .
am Boden. ES ist wohl zu hoffen, daß
jetzt die deutschen Behörden in Belgien, die
ja bereits das Blenden gefangener Sing
vögel unterdrückt haben, auch diesem grau
samen Sport ein Ende machen werden.
Allerdings hat auch die frühere belgische
Regierung ein bezügliches Verbot erlassen,
aber e half nichts. Die Hahnenkämpfe
wurden in den letzten Jahren nicht mehr
vor der breiten Oeffentlichkeit abgehalten,
fondern nmn verkroch sich in übel beleum
dete Wirtshäuser. Oder die Spieln fuh
ren von Flandern nach Nordfrankreich
hinüber: nach Noubaiz und Turcomg
kamen sogar Wettlustige von jenseits de
Kanals und trieben durch ihre Einsätze
die Wetten zu fabelhafter Höhe empor, so
daß mancher kleine Bauer dabei sein Ver
mögen einbüßte. , ; -
- SVS.iMM' T'-3