Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 05, 1916, Image 2

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WZ di Deutschen dem berüchtigten russischen Winter seine
Schrecken nehmen. Vrganisatorische Leistungsfähigkeit in
Ueberwindung alle? Schwierigkeiten. Neues Leben blüht
ans Im Ruinen. Ein Ganz durch die Lazarette. Ztn
burg's wacht.
vsn Dr. Paul Mkchaells.
usslfch Winter! In diesem
Wort schien m früheren Zei
ten der Schrecken aller Schre
im zu liegen. Man der-
band mit ihm den Begriff
piurmig Kälte und
endlos Flächen
jvo Schnee uno di.
unter denen alles
Lebe erstürben ist 6J war die Ueber
'lieferung des napoleonischen Feldzuges,
die hier nachwirkte, und dieÄusse waren
' schlau genug, die Furchtbarmt des ,Ge
!eraI4 Winter" noch iesonderZ zu beto
'nen. Nun habe ich wieder die ruffisch
i Grenze überschritten, um unsere Tnippen
rn der Ostfront in ibrer Winterarbeit zu
' seyen, aber vom nissischen Winter ist ictjt,
' mitten im Januar, kaum eine Spur zu
finden. Das Thermometer, statt die vor-
schriftsmäßigen Kältegrade zu zeigen, ist
erheblich über den Nullpunlt hiMufgeklet
tert, ein starker Südweft sagt mit Regen-
. schauern daher, der Schnee ist an zahlrei
chen Stellen schon geschwunden und auf
den .überschwemmten Wiesen wühlt der
Wind das Tauwasser auf. Angenehm ist
dieser Vorfrühling gerade nicht. Er macht
Wege und Stege grundlos, und selbst auf
der festen Chaussee reicht der Schlamm
big über die Knöchel. Nun sieht man erst
'-das Land in feiner ganzen Trostlosigkeit,
die vergilbten Wiesen, die braunen Moore
und die schmutzigen Lehmhalden. Man
, freut sich, wenn einmal ein Stück Wald
. mit grünen Nadelbäumen und weißschim,
mernden Birken die Eintönigkeit der e
gend unterbricht.
Solche Zeiten warmen Wetters sind
auch im russischen Winker zwar nicht ge
rade die Regel, aber doch keine seltenen
Ausnahmen. Allerdings mutz man unter
scheiden zwischen dem eigentlichen Rußland
und. den Randgebieten. Je weiter man
nach Osten kommt, um so mehr nimmt die
Kälte zu. Wer die baltischen Provinzen
stehen unter dem mildernden Einfluß der
Ostsee: daS Winterklima in Schaulen und
Mitau ist do dem Königsbergs kaum
verschieden, und Libau hat sogar einen
rtwaS wärmeren Januar als Königsberg.
Trotzdem ist die augenblickliche Witterung
nicht normal. S folgte auf eine Perio
de sehr strengen Frostes, und es ist natür.
, lich ausgeschlossen, daß der jetzige Vor
frühling von Dauer sein könnte. DaS
' Wasser, daS heute über der Eisdeck; der
FWsse steht, wird wieder zufrieren und ei
tit neue Schneehülle wird sich über das
weite Land legen, es sorgsam schützend
nd seine Blößen verbergend. Unsere
Truppen sehne diesen Umschwung herbei.
Sie ziehen selbst die klirrende Kälte dem
jetzigen Matschwetter vor, das alle Bette
,' gung hemmt und den Aufenthalt ln den
Schützengräben höchst ungemütlich macht.!
Aber sie wissen sich auch gegen da? Tau
wettrr- zu schützen. Im Kriege nimmt man
eben die Dinge, wie sie sind. Der russi
fche Winter hat für die deutsche Arm
seine Schrecke längst verloren.
Am stärksten war der winterlich Ein
druck noch unmittelbar hinter Tilsit, dem.
Tlusgangspunkt meiner Fahrt. Die Me I
mel war völlig zugeftoren: der ganze
Strom bildete ein Trümmerfeld nesiger,
Lbereinonderaeschobener Schollen. Durch
das Hgchwaffer war die breite Memelnie
dnung in eine riesige Seefläche verwan
delt: auf dem spiegelglatten Eift tummel
ten sich einige Schlittschuhläufer. Aber
uf der vorzüglichen nach LaugsMgeu
führende Straße fingen Eis und Schnee
schon n, sich in Wohlgefallen aufzulösen.
Ueberall standen Wasserlachen, und unter!
den Gummireifen des Wagens spritzte der'
Sckimutz hoch auf. Allmählich wurden'
Auto und Insassen mit einer dicken, kleb
rgni LehmschiA bedeckt. -Dabei sah ma'
doch, daß der Winter bereits seine Karte
abgegeben hatte. Hohe Schneewehen sian
den zu beiden Seiten des Weges; noch
jetzt wurde an ihnen von russischen Ge
fangene geschaufelt. , Um Weihnachten
herum war es jenseits der Grenze auf dem
Wege nach Schaulen noch schlimmer. : Da
rncis saßen die Fuhrwerke in tiefen
Schnkübttgen fest und mußten förmlich,
ausaegradk werdet Jetzt waren nur noch
lt spärlichen Reste der Schneedecke zu fe-h-n.
Gelegentlich klingelte noch ein Schlit
te vorüber, aber seine Kufen schleiften
immer wieder auf dem Pflaster.
TaurvMN, der erste Ort auf russischem
Gebiet, lugt noch immer wüst und de d.
Seme Ruin erzählen von harten und
erbiitaic Kämpfen Dafür sind die'
nächsten Orte um so stärker von neuem
'Leben erfüllt. Skaudevile und Kjelmiz.
zeigen nicht bloß militärisches Treiben,
sondern auch wieder ein gewisses Erwa
chen der eingesessenen Bevöltening. Im
Vergleich zu de Verhältnissen im letzten
Sommer ist auf der großen, über Schau
len und Mitml und weiter nach Riga
führenden Straße vom Militär nur wenig
zu sehen. Die Truppen sindeben weiter
rorJerückt und bedienen sich für Hin- und
7ransvt m weitem Maß der unter
dkffm in Gang gesetziea Bahnen. Recht
häufig sieht man Trupps von ruffischn,
G fJN?ee?. 'd damit beschäftigt sind,
Ük'Strakk instand zu-bringen. Steine zu
Z!k'ps.'. Schnee beiseite zu schaffen,' Fäu
vx mit kunsivollem Geflechk egmSnek.
v:'kivehun?m skiurichten- ur. Hrl,, tx
fätt-n. l?i ist in Vergnüge 4. resr'tuf
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Ujhu on bet 'iiiiüt zu feixn.
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xi ist alle eigen. Sie wbe k nrt
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ihrem Schicksal sind sie völlig ausgesöhnt;
ihretwegen kann der Krieg noch lange bau
ern. Sonst dient die Straße wieder dem
bürgerlichen Verkehr. Neben den Schlit
ien sieht man die kleinen Panjewagen, die
Stroh und Heu fahren, Herden von Vieh
werde zum nächsten größeren Ort getric
ben und Bauern und Bäuerinnen gehen
grüßend vorüber. Aus de niedrigen
Holzhütten mit den bemoosten Strohdäx
chern wirbelt blauer Rauch, zum Zeichen,
daß sich die Bewohner wieder in Sicherheit
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fühlen. Hie? ist hinler der Front viel
stille Arbeit geleistet worden. Wenn man
solch ein Gebiet einige Tage oder auch
Wochen nach der Besetzung durch die deut-
Zchen Truppen sah, dann verzpurte man
wohl gelegentlich eine leise Ungeduld da
rüber, daß es mit der Wiederherstellikng
der Ordnung nicht noch schneller ging.
Aber nun, nach eines halben Jahre, sieht
man die Wirkungen zielbewußten Hau
delns mit erfreulicher Deutlichkeit. Ganz
besonders gewahrt man den Umschwung
an den Windmühlen. So lange ein Ge
biet umstritten ist. ftehen alle MÄhlen still;
ein großer Teil fällt auch den Kämpfen
zum Opfer; denn solch eine Mühle auf
einer Asdenerhebung bietet immer einen
guten Ueberblick über das Gelände und
wird deshalb zur Beobachtung benutzt,
was wieder zur Folge hat, daß sie von
den feindlichen Granaten zuerst unter
Feuer genommen wird. Drehen sich gar
ihre Flügel, dann vermutet man ohne wei-
jeres feindliche Signale. ES ist unter die
sen Umständen fast ein Wunder, daß trotz
dem noch so manche Mühle der Vernich
tung entging. Nun ist ihre Leidenszeit
vorüber, und im frische Winde rollt ihr
Rad unermüdlich. Die Einwohner könne
wieder ihr Korn mahlen lassen. Es gibt
jetzt für sie Brot genug, und auch an son
stigen Lebensbedürfnissen fehlt es wenig
ftens in diesen Gebieten Litauens nicht.
Alles, was man vom Leben und Treiben
der Bevölkerung sieht, läßt die Erwartung
berechtigt erscheinen, daß auch hier die
Wunden des Krieges allmählich völlig ver
narben werden, und daß dem so schwer
heimgesuchten Lande unter vernünftiger
und humaner Verwaltung e'me schönere
Zukunft beschicken ist.
Dieser Eindruck verlieft sich noch, wenn
man jetzt die Stadt Schaulen wiedersieht.
Ich km'zuerst im Juli in den Ort, vn
mUtelbar, nachdem er zum zweiten Mal
von unseren Truppen genommen worden
war., - Schon als, Schaulen im April vo
ricZn Jahres ou un vorübergehend 6e
setzt ' wurde,, hrrite es unter einem vcrhee
rendem Brande schwer gelitten. Die Bc
fchießung vom Juli hatte die Verwüstung
der Stadt noch erheblich verschärft. Als
ich den Ort in einer milden Sommernacht
zum ersten V!al betrat, schien er eine ein
zige Ruine zu sein. Außer einigen deut
schen Posten war kcin Mensch zu sehen,
der Hauptleik des Oetes um die Lurche
herum lag völlig iu Scbutt und Ase, die
Trümmer rsuMen noch, man stolperte
über zerrissene, Tckgraplndrähte und die
Granaten hatten im Straßenpflaster tiefe
Löcher aufgewühlt. Nie habe ich die
furchtbaren Wirkungen des Krieges stärker
als in jener Nacht empfunden. SS ist be
greiflich, daß sich nicht alles auf einmal
wieder gutmachen läßt, was in den Käm
psen um Scbaulen der Vernicktung zum
Opscr fiel. Die zerstörte Viertel spre
chen auch heute noch eine beredte Sprache
von der verheerenden Tätigkeit der rnoder
nen Geschosse. Aber hier ist wenigstens
gründlich aufguäumt worden. Man kann
wieder bequem durch die sauberen Straßen
gehen und vielfach ist von deutscher Seite
ei prwnUkber . Bürgerfteig geschaffen
worden. Viele Häuser, die uur beschädigt
waren, sind ausgebessert uns wohnbar o
macht, auch die Keller dienen teilweise als
Unterkunft. ' Ganz besonders sind in zahl
reichen Wohnungen die Feusknscheiben neu
eingesetzt worden. Das MäSGengvmna
st um, nun züm riegkls;aeett eingerichtet,
war durch den Blürü.r eimr Granate
zur Hälfte' zcrnön: es, ist wieder prssiko
risch i& iwns gesetzt erden. Man mm
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FtDAR7JUEM B&M VORMARSCH
dcrt sich nun. wie diele Teile der Stadt
der Vernichtung doch noch entgangen sind,
und mau hosft auf die weitere Wieder,
richtung zumal der Hauptstraßen.
frtAtt VAn ßiiSs fn.mK tartn
. . JLiJUC situ, . vuii wuuv.v ...v, uu
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mige Bahnhof; im Juli war er öde und
verlassen, zum Teil zerstört. Jetzt herrscht
auf ihm ein Verkehr, wie ihn sich die Ein
wohner wohl nie, hätten träumen lassen.
Man findet lange Reihen von Wagen für
Güter und Personen - und unaufhör
lich wird rangiert. . Aber die uner
müdliche Arbeit hinter der Front be
zieht sich nicht- blos auf' die Wie
derbelebung und Hebung des Ver' s,
sondern auf olle Gebiete des wirt
schaftliche? Lebens natürlich unter beson,
derer Berücksichtigung der militärischen
Verhältnisse und Bedürfnisse. So sängt
das scheinbar tote Schaulen langsam wie
der an zu leben. I den verschiedensten
Richtungen ist die Fürsorge der Behörden
zu spüren. Im Juli war Schaulen von
den Einwohner fast vollständig verlassen.
Schon sind aus den paar Bewohnern, die
damals scheu n den Häusern entlang
schlichen, etwa 5000 geworden. Das ist
immer nur ein kleiner Teil der Einwog
nerschaft, d vor dem Kriege etwa 40,000
Seelen ausmachte. Und doch ist der Fort
schritt innerhalb eines halben Jahres ge
waltig. ' :' ; ... ..
Ein Gang durch die Kiiegslazarette von
Schaulen ließ erfreulicherweise die weiige
hende Fürsorge erkennen, die unseren
kranken und denvundeten Mannschaften
zuteil wird. Unter großen Schwierigln
ten sind in einer Reihe öffentlicher Gebäu
de Einrichtungen gescbqffen Korden ,die in
keiner Richtung etwas zu wünschen übrig
lassen. Auch das einzige" Krankenhaus,
das Schaulen in der Russenzeit besaß, ist
brauchbar gemacht worden. Es war in
einem elenden Zustande. Die Aerzte fra
gen sich noch jetzt verwundert, wie sich eine
Stadt von 40,000 Einwohnern mit einem
derart jämmerlichen Hause begnügen kann
te. Heute ist auch für die sanitären Be
dürfr.isse der bürgerlichen Bevölkerung
ausreichend gesorgt.
Vorläufus überwiegt natürlich das Mi
litär. Dic'Mannscbaften erfreuen sich ei
ner weitgehenden Förderung durch die
Oberleitung und klagen nur darüber, daß
es kein Bur gibt. Auch in den Lazaret,
ten, die übrigens nicht sehr stark belegt
sind und in denen die Zeicht Kranken uns
Verwundeten weitaus überwiegen, körte
ich die gleich Klage. Sonst findet man
alles, um den Truvpen den Aufenthalt zu
erleichtern. Es gibt ein Heim für Mann
schaften und ein Offiziersheim. In "dem
ehemaliaea Theater ist ein Offiziersksino
untergebracht, während in dem eigentlichen
Theatersaal ein Kino eingerichtet wurde.
Es ist unseren Leuten sehr willkommen,
da es Abwechselung in daS täglich Einer
lei bringt, und wird fleißig besucht. Ein
musilkundiger Feldgrauer begleitet die ein
zelnen Filmbilder mit erstaunlicher Fer
tigkcit und Ausdauer, auf dem Klavier.
Nimmt man alles in allem, berücksichtigt
man die ungeheuren Schwierigkeiten, die
gerade in diesem Fall zu überwinden wa
ren. dann wird man zugeben müssen, daß
bier die deutsche Armee eine erfreuliche
Probe ihrer oroanisatorischen Leis'unas
fäbiqkeit , erbracht hat. Sie hat wirklich
aus fä'tinöar bokfaungslose Ruines nu
I Lesen tz.'rs?faekoett.' Gerade wer Schau
len in feine? nörung sab.. ?cr tifc Sie
FiiL'c d.r hiik j!lan:n arbeit zu ttürsi-n.
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rw"5i pfcrsc Kavallerie auf jeü Vormarsch
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tff POUM
Die Wacht
von vr. Paul
Mitau.12. Febr.
Ach:ii;ci) wie a der Westfront, nur
etwa ein Jahr später, ist auch im Osten
ein Beharrungszustand eingetreten. Hier
zieht sich feit den letzten Hcrbstmonaten
ein verwickeltes und lückenloses System
von Schützengräben und sonstigen Vertei
digungsstellungen wa derRigacr Bucht
bis zur rumänischen Grenze. Der Be
wegungskrieg ist dem Stellungskriege ge
wichen. Nach einer Offensive von unge
heurer Energie, durch welche die deutschen
Linien um Hundert von Kilometer vor
getragen wurden, ist ine Pause eingetre
ten. Wie lange sie währen wird, das steht
dahin. Ebenso wäre es müßig, erörtern
zu wollen, was die Zukunft bringen könnte,
S!ur insoweit ist ein Berichtigung irr
tümNcher Ansichten am Platze, als es sich
auch im jetzigen Zustande nicht etwa um
völlige Ruhe handelt. Gerade die mehr
oder weniger erfolgreiche Behauptung der
beiderseitigen Linien bedingt einen fast un
unterbrochenen Kampf. Wenigstens auf
deutsche? Seite ist die Führung nie völlig
mit sich selbst zufrieden. Es gibt, auch
wenn im großen und ganzen die Linie
nicht vorgeschoben wird, im einzeln e doch
immer etwas z ändern und zu bessern.
Das bedingt dann ganz von selbst lokale
Kämpfe, die bisweilen inen recht lebhaf
ten Charakter annehmm. Aber auch der
Feind ist nicht mühig. Gerade im Stell
ungslriege entwickelt der Russe bcacktens
wert militärische Eigenschaften. Er ist
zäh und ausdauernd, beobachtet gut und
weiß das Gelände vortrefflich auszunutzen.
Auch im Borschieben von größeren Pa
trouillen im Anlegen von Fallen und in
anderen Künsten des Kleinkriegs ist er
nicht ungeschickt. Unsere Truppe habe
auf diesem Gebiet manches von ihm ge
lernt, und da si ihm a Intelligenz und
SiegeSwillen, an Kopf und Herz doch
schließlich erheblich überlegen sind, so ma
chen sie es noch besser. TarauS ergibt
sich dann die Notwendigkeit, beständig
bereit zu sein, sei es zum Zugriff, sei eS
zur Abwehr. Das stellt an die Nerven
sowohl der Führer vu der Truppen, alles
in allem genommen, die höchsten An
spÄickie. An irgendeinem Punkt der lan
gen Front ni immer etwas los, und bis
weilen geht es recht lebhaft zu. Gnade
an den Abschnitten in Kurland ist es auch
im Lauf der letzten Monat wiederholt
gelungen, durch kühnes Vorgehen die deut
fchen Linien nicht unerheblich vorzuschie
ben. Es ist nach alledem nur begingungs
weise richtig, von wem Stillstand im
Osten zu sprechen. Aber das Gesamtbild
der Linien bübeg ur.d drüben hat sich in
den letzten Monaten nur wenig verschoben.
Wa! sich dem Beobachter unmitkdar auf
dränat das sind feste, mit allen Hilfs
Mitteln der modernen Kriegstechnik aus
gebaute Stellungen, das sind mächtige, in
doppelter, und dreifacher Reihe angelegten
Schützengräben mit eingebaute Unter
standen dahinter und vielfachen Draht
und Asiderbanen nacb dem Feinde zu. die
selbstverständlich wieder durch Artillerie
bestricken werden. Viele Tausende deutscher
Manner liegen hier unmittelbar dem
feinde gegenüber, tn in Frost und
3 n j b'im Postendientt. bei Patrouill',,'
zanz, ohne Unterdrechuz, ganz gleich,
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JDWTSCH& HASCMAMGWEMK! A.aTE(.WNG
an der Mna.
ZNichaetts.
ob die Sonne scheint oder finftett Nacht
sich über daS Land breitet, ihre schwere
PsLcht. Sie halten aus, und mehr, sie
sind entschlossen, zu siegen. ,
Nachdem ich an der Front in Kurland
die sich um Riga bis zur 'Oftsee hin
ziehenden deutschen Stellungen besuchen
konnte, wurde mir Gelegenheit gegeben,
auf die Linien der Dürta zu sehen. Ei
Woche lang blickte ich auf den breiten,
jetzt zum Teil zugefrorene Strom an
de verschiedensten Stellen, fuhr im
Schlitten durch die vereisten und ver
schneiten Wälder und Sümpfe, die sich
endlos vom Ufer aus in das. Land hin
einziehen, und hatte bei liebenswürdigstem
Entgegenkommen die willkommene Mög
lichkeit, unsere Truppen bei ihrer ebmsg
vielseitigen als mühevollen Arbeit bcob
achten z dürfen. Es ist in kaum über
sehbareS Gebiet von Wald, Sumpf nd
Wasser, das die Tüna in dieser Gegend
auf ihrem linken Ufer begleitet. Schon im
Frieden war es ur spärlich besiedelt, und
manche in de Karten verzeichnete Ort
schaften sind überhaupt nicht aufzufinden.
Jetzt ist die Gegend hinter der Front so
gut wie völlig menscbmlekr. Meilenweit
ist kaum ein Haus" anzutreffm. Die
Truppen sind auf sich selbst angewiesen.
Nicht bloß für ihre Verpflegung müssen
sie sorgen, fondern auch ihn Wohnungen
müssen sie selbst bauen. Nicht anders ist
tS mit den Wegen und Straßen. Früher
gab es hier außer schlechten Feld und
Holzwegen kaum ine Berkehrömöglich
keit. Jetzt ist das ganz Waldgebiet
von einem Netz von Straßen und Ver
bindungsmegen durchzogen. Es war keine
einfache Aufgabe, die damit gelöst werden
mußte. Der Wald ist nur teilweise forst
mäßig bewirtschaftet, zum größeren Teil
ist r verwildert. Bor allem aber ist so
gut wie nichts für di Entwässerung der
ausgedehnten Sumpfstellen getan. An sol
chen Stellen genügt es nicht, daß der
Weg freigelegt wird; n muß durch eine
Bfestigung des Untergrundes fahrbar ge
macht werden, was durch Baumstämme
geschieht. - So geht S oft kilometerweit
über Knüppeldämme hin. I den einge
schneite Tälern, die fast ausnahmslos
versumpft sind, müssen noch sorgfältigere
Borkehrungen getroffen werden. Hier hat
man Brücken gebaut und Sicherungen ge
gen die Frllhjahrsübcrslutung geschaffen.
Denn jetzt ist m diesen Gebieten an der
Tüna trotz des milden Winters dn Wald
bodea gefroren und mit Schnee bedeckt.
Nur die warmen Moorbäche sind islok.
Aber wenn die Sonne und der Regen den
Schnee rft zum Schmelzen bringe und
den Loden auftauen, dann verwandelt sich .
das ganze Gebiet aus lang Uuoche m
inen fast undurchdringlichen und unpas
sicrbaren Sumpf. Deshalb gilt eö vor
zuforzen, damit die Bewegungsfreiheit
der Truppe auch unter den schlimmsten
Berhältuissen nicht behindert wird. Und
bei der fortwährenden Inanspruchnahme
der neugeschaffenen Straßen durch mi
schirrende Truppen, lange Munitionk
kolonnen und schwere Geschütze muß W
ablci'sig an ihnen gebaut und gebessert
werd'. Man darf nicht liberfeben, daß
der'!?;? Diinaabschnitt am Unterlauf
tü &l;:fa aus dit cxj Lhnlinit
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M
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Mitau Jylobsiadt beschränkt ist. Sie
war, als Unser Truppe zur Tüna vor
drangen, völlig zerstört. Stun ist sie längst
wieder in Stand gesetzt und leistet n
schätzbare Dienste. Wie ausgezeichnet sie
arbeitet, dasür fei nur erwähnt, daß man
jetzt bereits von der Düna im D-Zug nach
Berlin fahren kann. Aber das ist eben
nur in einzige, noch dazu eingleisige Li
nie." Bon ihr geht s auf endlosen Wegen
durch Sumpfwiesen. Wald und Moor
weit zu den inzelnen Trnppenderbän
den und fast bis in die äußersten Schützen
graben. Das alleZ ist in Kennzeichen
und Unterscheidungsmerkmal der östlichen
Front. Der Weste steht unter völlig
verschiedenen Bedingungen, da r über
reiche Berkehrkinöglichkeiten verfügt. Hier
im Osten muß das Wegenetz fast auö dem
Nichts geschossen werden, wenn S such
selbstverständlich ist, daß die vorhandenen
Wege so gut als S irgend geht, benutzt
werden. Aber im ganzen hat dieses Wald
gebiet, daS teilweise fast einer Einöde glich,
ein völlig anderes Gesicht bekommen. Die
weiten Forsten, in denen nur hie und da
eine Försterei oder die Hütte kineS Wald
Wärters stand, und an deren Rändern
nur dürftige Ortschaften in spärlicher An
zahl anzutreffen waren, sind heute zu
einem einzigen großen Waldlager gewor
den. Manze Dörfer von schmucken Blocke
Häusern sind entstanden, und ein Laby-
rinth von Fahrwegen und Fußpfaden hat
daS ganz Gebiet ausgeschlossen. . Es lfl
nicht 'leicht, sich in ihm zurecht zu sin
den. obgleich an allen Kreuzungspunkten
Wegweiser angebracht sind. Und beson
ders nachts, wenn man im stockdunklen
Wald ohne Laterne fahren muß. safl mehr
noch aus den Instinkt der Pferde !S auf
den Jugel angewiesen, dann geschieht eS
leicht, daß man sich gründlich verirrt. Auch
mir ist diese Erfahrung "trotz sachkundiger
Führung nicht erspart geblieben. Wir
fanden uns plötzlich an einem ganz ande
ren Punkt, als wir erreichen wollten." und
mußten den richtigen Weg mühsam su
chen; aber mit Geduld kommt man schließ
lich doch zurecht, und von Geduld muß
man die denkbar größte Portion mit auf
den Kriegsschauplatz nehmen. Im allge
meinen ist der Orientierungssinn der
Truppen geradezu erstaunlich. Besonders
di Befehlsempfang, di Nacht für
Nackt weite Weg zurückzulegen haben, um
di Befehl vom Stäbe für ihrm Trup
Pentcil zu dringen, mußten sich allmählich
ein Spürnase anschaffen, um sich im
dunklen Walde nicht zu verirre. Sie be
diene sich kaum einmal iner Karte, die
ja auch in diefe Gebieten zu versagen
pflegt; sie kennen auch kaum die Namen
der einzelnen Ortschaften; aber wenn sie
einen Weg einmal gegangen sind, dann
finden sie ihn mit unfehlbarer Sicherheit
wieder. DaS ist überhaupt da! Erstaun'
liche an dem Frontdienst, daß er ganz
ganz neue Fähigkeiten im einzelnen Mann
entwickelt. Der Man lernt auf feine
Umgebung achten, lernt mit diel größerer
Schärfe sehe und boren als im Frieden,
lernt mit einem Wort sich selbst helfen,
auch in Fällen, wo r früher von fremder
Hilfe abhängig war.
Dieses ganze riesige Waldlaosr ist ja
schließlich auch in Kulturtat. auch wennt
seine Entstehung nur au den Notwendig
leiten deiZ Kri'ges tervorging. Gewiß
ist der Wald nicht geschont worden. Der
KrieaZzweck geht eben voran. Die schlan
km Finten und die stämminen Kiefern,
die in der Hauptsaeb! den Wald bilden.
sind in eznhlte ?)!ci!g'n gcsällt und
iJ VlxHauser und- UüterI
, " - " ' . , ,l
kunflshütten, zur Befestigung der Wege
und Schützengräben verwandt worden.
Biclt Tausende von Kubikmetern Bauholz
stecken n diesen Anlagen. Man braucht
auch nicht zu sparen, da der Wald un
erschöpflich ist. Man braucht auch nicht
zu fnrcm. Die grohm ßcrnaucrttn Okfcn,
die auch in der kleinsten Hütte nicht jeh
len, können reichlich gespeist werden. Aber
diesen unvermeidlichen Wirkungen deS
Kriege entspricht auf der anderen Seite
doch eine Ausschließung des bisher nicht,
rationell ausgenutzten Waldgebiets. Die
guten Wege und Brücken, an denen es bis
her fehlte, werden später dem friedlichen
Verkehr dienen. So manche Dorf aus
Blockhäusern, in dem es auch an Brun
nen. Badehäusern. Pferdesiällen und Bor
ratsräumen nicht fehlt, dürfte dann von
den zurückkehrenden Einwohnern mit Ve'
schlag belegt werden. Borläufig haben
die Anlagen ihren Kriegszweck zu erfüllen.
Man darf mit voller Bestimmtheit und
Genugtuung sagen, daß hier alles qetan
worden ist, waö in menschlicher Kraft
($iir9 .
sieht, um die deutsche Front nicht nur z
sichern, sondern sie auch für die Truppen
erträglich zu machen. Demgemäß ist auch
der Gesundheitszustand der Truppen eben
so günstig, wie ihre Stimmung von
StandhastigZeit getragen wird Mag die
augenblickliche UebergangSzeit kurz oder
lang fta, fo wird die Ermlidungstaktik
unserer Gegner ihnen hier wie anderswo
ganz gewiß keinen Erfolg bringen.
Aücher mit Karöennamen.
Weißbuch und Blaubuch, Rotbuch und
Gelbbuch feit dem Kriegsausbruch
wimmelt es noch mehr als früher von die
sen Büchernamen, die von Farben herzclei
tet sind. Woher die diplomatischen Veröf
fentlichungen ihren Namen haben, darf als
bekannt vorausgesetzt werden: sie sind nach
der Farbe der Umschläge genannt, die für
die einzelnen Staaten üblich geworden sind.
England ist mit seinen Blaubüchern" vor
angegangen, und die anderen Mächte ha
ben sich dann unter den übrigen Farben
ausgesucht, was ihnen gefiel. In Frank
reich, wo die Bezeichnung .Gelbbuch' feit
1352 eingeführt wurde, ist sie nicht ganz
ohne bedenklichen Nebengeschmack, indem
auch gewisse Veröffentlichungen einer un
appetitlich: Literaturgatwng dort als
.Gelbbücher" bezeichnet werden. Nun ist
aber die Benennung von Büchern nach
Farben in der Geschichte des Buches über
Haupt nichts Neues, sondern, wie die .Zeit
schrift fue Aücherfieunde" schreibt, schon
aus den Tagen des MittclalterS her be
kannt. Der älteste Fall, in dem ein Buch
auf eine Farbennanien getauft worden
ist, ist wohl der des .goldenen Buches" der
Republik Venedig, das ein Verzeichnis der
zur Teilnahme an der Regierung berech
iigten Adelsgcschlechter enthielt. 92ach die
fern Vorbilde bestehen noch bis auf den
heutige Tag solche Bücher von Städten.
Gemeinden. Körperschaften, in denen Ein "
tragungen von Ehrengästen, Ehrengaben
usw. vorgenommen werden.
Recht verbreitet ist im Mittelalter die
Bezeichnung das rote Buch' gewesen; rot
war die Farbe, de Blutbognes. und eS
wurde daher vielfach solche Bücher nach
dieser Farbe benannt, die zu de mit dem
Blutbanne zusammenhängenden Eiutra
gungen bestimmt waren. In neuerer Zeit,
da Rot die Farbe der Revolution und des
Sozialismus geworden ist, gibt es eine
ganze Reihe von roten Büchern, die durch
ihre Farbe von vornherein ihr Gesinnung
bekennen. Di Sitte, Bücher nach Far
hen zu benennen, ist aber auch in der schö
nen Literatur anzutreffen. Da liegt ihr
Ursprung im 13. Jahrhundert, und zwar
in jenen literarischen Spielereien, deren
Reihe wohl Caraccioli 1753 mit seinem
.Um Tert" eröffnet hat. Das gefiel,
und dem grünen Buch folgte ine ganze 1
Reihe von Modebüchern, die die ganze
Skala der Modefarben durchliefen. Diese
Sitte hat sich dann bis ins 19. Jahrhun
dert erkalten; es sind braune ErzLhlun
gen' erschienen, an denen sich Balzac betci
ligt hat, und von dem französifcken Vor
bild hat A. v. Steinberg den Titel seiner
1850 ! Bremen erschienen .Braunen
Märchen' entlehnt. Es versteht sich, daß
i all diesen Füllen der Umschlag die dem
Titel entsprechende Färbt auszuweisen
pflegte. Etwas anderer Natur ist der Titel
der C o n t dien von denen ti
eine ganze Literatur gibt. Unter dieses
blauen Gefchichtüi' verftehk man die
ZtäiibrrkZftorZe und Amme??, die
übrigens im 1. Jahrhundert vielfach in
bläulichem UrnsMz fcheikk !lkZkin
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