Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 19, 1916, Image 2

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    .
V
gliche Omaha Tribune
1
lY
Der Wahn von Englands Weltherrfchaft. Das versagen der
Partner. Italien fertig, Frankreich deliriert, Nußland feilscht
um Geld. Salandra als Platzhalter für Giolitti, Stürmer
als Nachfolger Goremkins legen Bahn frei für Separatfrie
den. Englands vcrhinderunzsversnch: die permanente Vot
schafterUonferenz.
von Dr. 5. Ükelamed.
''"ü" U Staaten-Bündnisse haben ihr
J L Schicksal. Tie vielen, von den
f) europäischen Staaten eingcgan
genen Bündnisse seit dem Alter
turn bis auf den heutigen Vicrvcrband, der
um die Weltherrschaft kämpft, sind an
einem inneren Zersetzungsprozeß zu
Grunde gegangen, weil die Weltherrschaft
kein politisches Programm ist und fein
kann und daher keine zusammenhaltende
Kraft bildet. Die Wclt-Monarchie sowohl
in ihrer individualistischen Brechung wie
in ihrer sogenannten demokratischen Ge
statt, d. h. in der Form eines mächtigen
Welt-Monarchen oder eines Staaten
Bundes, der feine Herrschaft über die ganze'
Menschheit ausbreiten will, war ein
Traum und wird auch einer bleiben. Wie
einst die Wclterobcrungspläne eines Ale
runder des Großen, eine Bonifacius
VI IL und eines Napoleon sich letzten En
als leerer Wahn wiest,' so müssen
sich auch naturnotmendigerweise die Welt
erobekungspläne . eines gewissen' Staaten,
Inindes als nicht zu verwirklichender
Traum erweisen, denn die Menschheit lehnt
sich immer instinktiv gegen jeden Versuch,
sie politisch zu uniformieren, auf. Und
Acltherrsckast bedeutet immer Uniformie
rung der Menschheit in der einen oder an
deren Weise. -
Tn Vierverband ist mit dem Programm
der Aufteilung der Welt in's Leben getre
ten und mit der Absicht, sein Programm
zu verwirklichen, in den Krieg gezogen.
Central-Europa sollte vernichtet und
Afrika nud Asien definitiv aufgeteilt
werden. P!e Mitbeteiligten an diesem
noblen Geschäft sollten selbstverständlich
unter englischer Aegide, d. h. unter eng
lischer Herrfchaft bleiben. Das Programm
war groß angelegt, aber die ersten Vcr
suche, es zu verwirklichen, zeigten, daß es
ein utopiftisches war. Das Utopistische
. besteht nicht nur in der Physischen Unmög
lichkeit der Realisierung des Programms,
sondern auch in dem Umstand, daß das
Programm keine Notwendigkeit, sondern
ein Luxus ist. Ein Volk ist oft bereit, sich
politischen Notwendigkeiten zu opfern, aber
für politischen Luxus wird sich kein uor
males Volk opfern. Mit anderen Worten,
jeder Versuch, das Programm einer Welt
herrschaft durchzuführen, muß an dem
Mangel an ursprünglichen und treibenden
Kräften scheitern.. Alle Kämpfe um die
Weltherrfchaft haben bis jetzt immer mit
einem großen Elan begonpeii und in einer
' kaßenjammerlichen Stimmung geendet.
Der erste Rausch, welcher durch die Größe
des Unternehmens entsteht, verfliegt schnell
und macht später einer nüchternen Slim
mung Platz, die immer nüchterner wird,
je länger der Kampf dauert.
. Diese historischen Symptome beobachten
wir auch beute im Vierverband. In all
seinen Centren herrscht heute eine gedrückte
und vielfach sogar eine verzweifelte Stirn
mung. Mögen Rudyard Kipling und
Lor'o Northcliffe heute ihr Programm von
der Vernichtung der germanischen Rasse
wieder formulieren und mögen Honotauz
auf der einen und Clemenceau aus der
anderen Seite bei der Behauptung bleiben.
daß der Franzose nicht eher das Schwert
niederlegen werde als bis Teutschland zer
malmt ist,, an der allgemein herrschenden
Stimmung in England und Frankreich.
in Rußland und Italien' ändern diese
.schönen" Worte nichts.
DieiünasteRedeSalandräs.
die Entsendung einer engli
sHen Spezial-Misfkon zum
König der Belgier nack) Havre
und die Ernennung Stürmer!
zum russischen Premrer-Mi
nrster sprechen deutlich genug
für die Zerfall-Erschcinungen im Vierver
band. Aus der Rede Salandras ist zu er
sehen, daß die Italiener kriegsmüde sind,
und aus den finanziellen Maßnahmen der
italienischen Regierung muß mcm schließen,
daß daS italienische Volk nicht bereit ist.
für den Krieg noch weitere Opfer zu brin.
gen. Die U$U große italienische Anleihe
. ist zum Fiasko geworden. . Die Italiener
haben kaum 40 Prozent der Anleihe ge
zeichnet. Selbst eine Autokratie kann kei
ne nationalen Anleihen erzwingen, und
Italien ist keine Autokratie. Und so be.
schloß die italienische Regierung von einer
Anleihe ganz abzusehen und statt ihrer
neue direkte und. indirekte Steuern zu er.
heben, um die zur Fortführung deS Krie
aes nötigen Milliarden vom italienischen
Volk legal zu erpressen. Ob aber die Jta
liener, die im besten Fallenicht bereit sind,
aroke Ovker zu bringen, dies: örpres-
jung sich gefallen lassen werden, bleibt ab
zuwarten. Der ttalienische Finanzmini
stet wird sein zukünftiges steuerpolitischcs
Programm nicht ohne die yiiie ves isWV
Ministers und des Polizei-Ministers der,
wirklicken tonnen.' Mit dem Polizei,
Knüppel in der Hand hat man aber noch
nie ein Volk dem Siege entacgengeführt.
In London, scheint man sich keine Illu
sionen über Italien zu machen. Sehr be.
eignend tur die Italien! cy-engü cqen c
zichungen ist eine Notiz, die jüngst durch
" big sinne italienische Presse ihre Runde
tnat. Die italienischen Blät
ter sprachen die Erwartung
aal, daß die englischen Be.
kkd,n der .schlimmen Ver
höhnung". welcher Italien all
bendlick aus Londoner Büh
nen ausgesetzt sei, sis Ende
. machen werde. Italien ist nämlich
i-fef ein Widodickt jedes englischen Varit-
!.-.ffhnt. und das englische AaudeviSe,
Publikum Hat sekwn lanne n!t mchs s
und sl, bttitii etekit oll siöcr die
stup?
.'A LlLiA
Witze, die über die italienische Armee in
der .Music Hall" gerissen weiden. Ge
gen welchen Gegner kämpft General Ca
dornaZ" fragt der englische Komödiant,
und er antwortet: Gegen das Wetter". . .
Wann wird General Cadorna in Trieft
einziehen?" fragt ein Anderer. Tie Ant
wort lautet: Im Jahre 1966, denn oie
Entfernung von der italienischen Grenze
bis Trieft ist nur 30 Meilen. und Cadorna
steht noch immer 28 Meilen von Trieft"...
So machen sich die Engländer über Italien
lustig. Und schließlich: Man kann ihnen
diese Witze nicht übel nehmen, denn sie ha
den kür sie teuer genug bezahlt. Für die
Unterzeichnung des Vertrages vom 5.
September 1914, wonach keiner der hohen
Kontrahenten einen Separat-Frieden
schließen darf, hat sich Italien von Eng
land 2 Milliarden Francs bezahlen lassen.
Weitere 2 Milliarden Francs hat Italien
als Judas-Lohn jüt den Eintritt tn den
Krieg ausgezahlt bekommen und für diese
erheblichen Summen hat die italienische
Armee 12j österreichische Dörfer besetzt
und ein spezielles Ministerium für dieses
Okkupationsgebiet geschanen. Nach all
diesen, Erfolgen" warnt Salandra heute
vor inneren Krisen, spricht, von Kämpfen,
die hinter der Front sich abspielen und U
reitet die Italiener aus schlimme Dinge
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ANTCmJALANOXA
vor. Kann man es da den Engländern
übel nehmen wenn sie sich über die Jta
limer lustig machen? Was England Heu
te von der Hilsc Italiens denkt, kann man
daraus ersehen, daß die militärische Mit
arbeit der großen englischen Blätter bei
der Berechnung der mttitariicyen razie
Verhältnisse des Vierverbandes und des
Vierbundes, das iialieuische Heer garnicht
dazuzählen. Und der New Yorker Uable
boy" König Georg V.. The Sun . ver-
stand sich noch lung l zu ver emeriung.
daß das aanze italienische Heer nur einige
100,000 Oesterreicher iln Schach zu halten
de Aufgabe habe, und für andere iricge
rische Operationen nicht zu verwenden ist.
Mit anderen Worten: Ter südliche Flügel
der engliscken jtombinaiion: Italien, Ser-
bien und !!.'czntcnegro lomml als aiiiver
militärischer Faktor von entscheidender Be
deutung nicht, mehr in Äetracht. Mit dem
Verlust des Kampfes um die Adria und
mit der Unmöglichkeit, die österreichischen
Linien entlang der Jsrnzo-,?rent und v:ö
Kren zu durchbrechen, hat für Italien der
Kricg jeden Sinn verloren. Italien ist
aus der einen eite zu nem. aus ver an-
deren Seite zu gut organisiert, um gielcy
Nukknd in dieser kritischen PoMien Hin-
n,r hr)viTTi.n I friittifii. Dobee ist ein
C.hnrntT rntt Hn Ist! UIUXT DDCI
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spät ein Ding der Möglichkeit, es sei
denn. England wäre gewillt, oes Prenige
lvilber nock weitere Milliarden an Italien
, l m.fi'.
zu zahlen. Man vars ooer oie engii,e
Bereitwilligkeit, sich von Italien ancy sur-
derhin auspressen zu lassen, suglich oe-
zweifeln. Noch ist das liiert .jeujincB
ein englisches.
In Italien liegen heute die Dinge so.
daß der alt: Giolitti Salandra für noch
nicht ganz obgewirtschzftei gilt, um ihn
fallen zu lassen. Giolitti zwingt vielmehr
leine AnSänger. Salandra zu unterstützen.
denn er will seinen Kollegen gründlich undl
für alle Zeiten kompromittieren, vamn er
nie wieder in die Lage kommt, ihm ins
Handwerk LU pfusch?. Erst, wenn Sa
landra ganz abgewirtschaftet hat, kann
Gioiitti als der Retter der Situation er
scheinen. Die ersten VolksTumult: in
Mailand und Turin, in Florenz und Rom
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weiden für Giolitti ein Signal zum Er
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scheinen .sein. Dann ist der Friede mit
Italien gesichert. Wenn es wahr ist. daß
Viktor Emanuel, üm einer Revolution vor
zubeugen, den Krieg erklärte, dann wird er
jetzt, um eine Revolution zu verhindern,
den Frieden erklären müssen. Das weiß
man in London und in Paris sehr genau.
Nicht weniger wankend ist der östliche
Flügel der englischen Kampslinie: Nuß
land. Für den inneren Zersetzungsprozcß
der kriegerischen Kräfte in Rußland spie
chcn folgende nackte Tatsachen:
Eine von einer Anzahl konservativer
Politiker juno't ins Leben gerufene Vcr
einigung, die für einen Sonderfrieden mit
den Zentraluiächten eintritt, hat vor kur-
zem ein Manifest mit der Darlegung ihrer
Ziele veröffentlicht. Die liberale Presse
antwortet jetzt mit scharfen Anoriffen die
sen Reaktionären, denen sie Mangel an
Vaterlandsliebe und Verrat an der rufst
schcn Cache vorwirft. Das Regicrungs
vraan Praw. Westnil" warf die Frage
auf, ob die Parteien der Rechten über
Haupt noch einen Anspruch auf Vater
landskiebe haben können. Tos Hauptziel
der rückschrittlichen Politiker sei nicht die
Größe und der Sieg Rußlands, sondern
ihre oersönlicke Bereicherung. Aus diesem
Grunde fordern
sie ffreuno atl mn
I .....y.t f:.r.3 os..ri..i, w.
l JL.'CUI CUiaNO. ' ült uunuun uta
I gicrungsorgans gegen die rechte Partei in
i m..tf...w
Rußland nimmt sich um so merkwürdiger
aus, als die Regierung selbst eine reaktiv
näre ist und mit der rechten Partei zufam
menarbeitct. Es besteht also die Gewiß
heii. daß die herrschend?? Parteien in
Rußland in ihrer Stellung zum Kriege
nicht einer Meinung sind. Zwei russische
Staat-minister, die zu Veginn des Kriege!
als die Säulen d?r russischen Kricgsvartei
galten. Mallakosf und Schteglowitoff, ha
ben ülnast den Zorn der russischen Presse
durch eine Erklärung heraufbeschworen, die
besagt, daß Rußland einen Irrtum vegan
gen habe, als es mit den Zentralmächten
.; .:, ,,k! fc. tnz TntfTfü
nicreiie
Rußlands erheische ein friedliches Zufam.
nun (ii uiniuä, " T " "
menarbeiten mit Deutschland und OeNcr-
rcich-Ungarn. Die Motive dieser zwei
russischen Reaktionäre sowie anderer Mit-
gl:cd:r der n,sji!chen AcMkn mögen inne
i ' ' ' . f . , m . .
- l lauteren sein, aber immerhin ist et doch
' ' ' " '"
, ' j ' I l - jjmm.. ' - ; , ,'
J ' ' ' ' ,
merkwürdig, daß gerade dttienigen Ele-
menle. die man mit dem Panflawismus
zu identifizieren pflegte, jcht gerade auf
einen Separatfrieden mit Teutschland
hinarbeiten. Das einzige, politisch in Be
tracht kommende Element, aus welches die
Regierung des Zaren jetzt rechnen kann,
sind die Liberalen, denn die Liberalen ha
den vom ersten Tag des Kriegsausbruches
an den Krieg gegen Deutschland gutgehei
ßen. weil sie in dem Wahn befangen wa
icn.aß mit demZusammenbr.uch Deutsch
lands der Sitz der europäischen Reaktion
vernichtet wird, und daß mit der Vernich
hing der deutscheriReaktun auch die rufst
sche ihre Macht veilieren wird. Die russi
sehen Liberalen hatten in Rußland und
im übrigen Europa verbreitet, daß Kaiser
Wilhelm II. den Zaren in seiner reaktiv
nären Politik unterstützte und ihn direkt
aufforderte, dem Liberalismus keine Kon
Zessionen zu machen. Die Norddeutsche
Allgemeine Zeituug''ah sich deswegen vor
einigen Wochen veranlaßt, gegen diese von
den Liberalen ousgestrcut-Bcrlcuindung
aufzutreten. In der Erklärung der Nord
deutschen Allgemeinen Zeitung" heißt es,
nicht nur habender deutsche Kaiser den Za
ren nicht zu einer reaktionären Politik er
muntert, sondern er habe ihm immer wie-
der und wieder anaeratcn. sich mit dem
Aerkassunasaedanken auszusöhnen und sei
nen Untertanen Freiheit zu gewähren Die
ganze KriegSpolltik der russischen Jntelli
ganzia", d. h. der russischen Liberalen,
beruht also auf einem Wahn. Was sich
sehr komisch ausnimmt, ist. daß dieselben !
russisch? Liberalen, die für eine Fortset
zung des Krieges sind und die Kricgspolitik
der Regierung Unterstützen, in allen Fra
gen der inneren Politik gegen die Regie
rung ffiid, und die russische Regierung
ihrerseits provoziert jedm Tag die libera
len Elemente, indem sie die bescheidenen
Freiheiten, die noch ein Ueberbleibsel der
Öktobertage von 1903 sind, nach und nach
vernichtet. Daß die russischen Liberalen
auf die Dauer nicht zugleich mit der Rc-
gierung und gegen die Regierung arbeiten
tonnen, liegt auf der Hand. Also auf der
einen Seite sind die russischen Rechten ge
gen die Fortsetzung des Krieges und für
einen Separatfrieden mit den Zentral
mächten, und auf der anderen Seite be
steht eine scharfe Spannung zwischen der
Regierung und den Liberalen, die für die
Fortsetzung des Krieges sind.
Wie die führenden russischen Politiker
über die heutige russische Lage denken, ist
illnast durch Reden des Ministers des In.
nein, Chwostow, des bekannten russischen
Politikers Alezandroff und des führenden
ru fischen Geistlichen Gregor Perron ve
lannt geworden. So erklärte vor kurz'M
der Minister des Innern den Herausg
bern der Petersburger Zeitungen, die ihm
anläßlich seiner Ernennung zum Minister
einen besuch abstatteten: Wenn u
land nicht siegt, verirerr es
seine Stellung als Kultur.
Nation. Unsere innere Lage
macht mir Sorge. Die Un
menge Resolutionen von al
lerlei politischen Block und
von den Städten und Semst
woVerbanden sind für die
Regierung ZeineSwegS maß
gebend. Die Duma täte am
Besten, die Löäng der gegen,
wiirtig bestehenden Frage:,. ,.
B. der Lolksernährung u. dgl.,
wieder dem alten bureaulra.
tischen Apparat zu Sberge
b n." In einer Rede, die von der Mlli-
tar-Zcnsur verboten wurde, erllarie vor
kurzem der Petersburger Stadtverordnete
Alezandrow: Drc Mut unseres Volkes
i oelunken. aerade zu der Zeit, wo die
größte Anspannung vonnöten ist. Die
Aegeisterung d'r eisten kurzen Zeit hat
einer tiefen Niedergeschlagenheit Platz gfr
mackt. die ieden Tkknden mit Schrecken
1 tfiiucit rniifc. VI lest! n 0.5 iir liazr 5as
i-i!'r. - " . . . . . . tr.rl
leibst an vielem Linien uno b
sehen des Geistes schuld. Scbuldig sind
tnt matffvD ?n und kmmren matte. o,e
nickt vom Willen des Vollcs abhängen
Und der vovuläre russisch? Pope Gregor
Petrosf sagte m einer vikltsnsendtopZigen
fcfll
ALBERT
Volksversammlung in Moskau: Seit
über einem Jahre vcwersen wir nunmeqr
Deutschland mit Kot. Es wird Zeit, die
wirkliche Meinung eines Volkes kennen zu
lernen, das nicht durch ven viel verrufenen
Militarismus, sondern vurch leine viei-
seitige Meisterschaft groß geworden rst,
das sich in der Philosophie bis zu Kant.
in der Musik bis Beethoven, in der Ma-
lerci bis Turer. ,n der Literalur bis
Goethe, in der Technik bis Krupp, in der
Politik bis Bismarck erhoben ha!. Tie
Militär-Zensur hat die Aeroifentiichung
dieser Rede verboten, aber Petrorf konnte
anderthalb Stunden lang derartige ane
aussprcchen, ohne vom Publikum oder von
der Polizei auch nur ein einziges Mal
unterbrochen zu werden. Auch Mentschi
koff. der größte Deutschenhasser in Ruß
land, schrieb vor kurzem in der Nomoje
Bremja: Der schwere Krieg, der
in den zweitenJahrgang ein
getreten i st, und vielleicht mit
einem dritten droht, hat die
Nerven unseres Volkes ganz
bedeutend ermüdet, und diese
Ermüdung wirkt auf unseren
Volksgeist, der unsere letzte
nationale Festung ist."
Für die letzten militärischen Anstreng
ungen Rußlands ist die anscheinend kleine
Tatsache bemerkenswert, daß das niedrigste
Längemaß für die militärisch Tauglichen
um iz cm. herabgesetzt worden ist. Für
die Beurteilung der Stimmung der russi-
schen Massen ist ein jungst erlassener llkas
des Zaren charakteristisch: Der Zar hat
nämlich veisugt. daß das in Umlauf ge-
setzte - Papiergeld künftighin mcht mehr
mit einer laufenden Nummer, gekennze'ich-
nct werden soll. Die gewaltigen Massen
von Papiergeld sollen vielmehr iuein
zelne Reiben zerlegt und diese durch Buch-
staben und besondere Zeichen von einander
uniericyieven werocn. veigezugic
Zahlen sind also nunmehr fortgeführte
Nummern innerhalb derselben Reihe.
Diese Maßnahme so.ll eS dem
Volk unmöglich machen zu über
sehen, wieviel Papiergeld
ausgegeben wordeni st. Das alles
sieht also nicht darnach aus, als würde
Rußland wie ein Mann hinter der zari
schen Kriegspolitii stehen.
Aber noch charkatcristischer als die ange
frshrten Symptome für den inneren Zer-
fall der kriegerischen Kräfte in Rußland
ist die Ernennung Sturmers zum rufst
schen Minister-Präsidenten an Stelle
Göremykins. Als bald nach Ausbruch des
Krieges die Vertreter der deutschen Balten
bei Goremykin vorsprachen und ihm die
Treue der Deutsch-Russen zu Rußland
versicherten, erklärte ihnen der alte russi-
sche Finsterling: Ihr möget wissen, daß
Rußland jetzt nicht nur einen Kampf gegen
das deutsche Reich, sondern auch einen
Kampf gegen die ganze deutsche Rasse
fuhrt." Jetzt, nach 1! Monaten Krieg
ernennt der Zar. der einen Vernichtung-
krieg gegen die deutsche Raffe fuhren
wollte, einen Deutsch-Russen zum Mini
sterpräsidentcn. Stürmer hat zwar bald
nach seiner Ernennung seine Berdeugung
gegen London und Paris gemacht und
feierlich erklärt, daß seine Ernennung keine
Aenderung in der Stellung viuianoz
zum Krug bedeute. Worin unterlcheivek
sich also Stürmer von Goremykin?
Sturmer ist nicht weniger reaktionär als
sein Vorgänger auf, dem russischen Pre
mier-Sessel! Diese Frage kann man nur
mit der politischen Vergangenheit Stur
merS beantworten. Goremykin war sein
ganzes Leben lang ein echt russischer
Mann", ein prinzipienfester Reaktionär.
Sturmer hingegen hat bereits nach ver
schiedenen Richtungen seine Fühler ausge
streckt. Es gab eine Zeit, wo Stürmer
bereit war, selbst mit den Liberalen zu
sammen zu gehen. Als Sturmer vor
11 Jahren eine neue Aera in Rußland
anbrechen zu sehen glaubte, war er einer
der ersten Streber, mit den Liberalen zu
paktieren, ohne sich allerdings auf defini-
tivc Verpslicktung.'n 'einzulassen. Als
aber die Reaktion wieder fest im Sattel
war, fand man den heutigen russischen
V
vonBELGBH'
Ministerpräsidenten in den Reihen der
Erz-Neaktionäre Stürmer ist also eine
.elastische" Persönlichkeit und auf Prin
zipien wenig verbissen. Bei der schwan
kenden Stimmung in Rußland glaubten
die Ratgeber rZ Zaren einen Mann an
der Spitze der Regierung haben zu müssen,
der .rechts und links" schreiben kann,
Goremylin hätte sich nie dazu verstanden,
auf einen Sevarat-Frieden mit den Zm
tralmächten einzugehen. Stürmer hin-
gegen ist ein Mann, der alles kann. Wenn
die Stimmung in Rußland gegen den
Krieg in dem Maße wie bis jetzt wachsen
sollte, und wenn die Ratgeber des Zaren
?z 'kür ricklia finden sollten, sich mit
Deutschland zu verständigen, wird Stur-
mcr keinen Augenblick zögern, einen Frie-
densverirag zu unterzeichnen.
In England ist man mit der jetzigen
Stimmung in RuWnd bekannt und man
aU sich die arößte Mühe, dies Stim-
l i. "., . : t.:i.
mirnn nnrfi i?rartC!t tniacatNJUaiBtiitii.
interessant ist folaender Fall: Noch vor
acht Monaten beklagten sich die rusnschen
Blätter über die finanzielle Engherzigkeit
Englands RuiMnd gegenüber und über
die hohen Zinsen, die England für rufst
sckeXAnleiben verlangte. Heuie hin
gegen ist England bereit, der
russischen Regierungjede An,
leihe in gewünschter Höhe und
j. . . . i.m. cf.Mfc
zuBedingungen.dieRußland anglosächsische Rasse ihre alleinige Herr
zufriedenstellen, zu gewäh. sshast ausbreiten kann.
. ' . U.. m - L 1 X. ' 11.1 V t
ren. Tie riiilqcrje yießicrung jiuö1 uuu)
diese aünktiae Koniunktur aus. te ge-
währten ' Anleihen on Rußland und die
Einsührung der Wehrpflicht in Englan?
- l ti'.t.. i.. n.,..n:;kn;r. v,i
oeiunoen oie Wkone vrr Huglsillttvin.
England seinen Verbündeten macht. Eng
land hat heute schon seine eigenen großen
finanziellen Sorgen und es hatte nimmer
' , . i rrr ( . O Jfl
mehr neue Milliarden in vas ruiiiicye ocq
gesteckt, wenn es nicht einen russischen
' .. . . , 1 - . C
Separat-Frieden besurchlek ane. a
die endliche Einsührung der Militarpstichi
in England von Frankreich gefordert
wurde, hat ein Mitglied deS englifäzen Ka
' . . ,, n . .
binctts. Runciman, zunglt im unicryau
indirekt zugegeben. . ' .
England arbeitet noch mit anveren cii-
lein, um dem Zerfall-Prozeß deS Vierver
bandes entgegen zuwirien. ko meweien
vor kurzem russische Blatter: .Da oster die
Notwendiakeit sich ergibt, innerhalb des
. . " . . ' r cr
Vierverbandes Fragen der äußeren Poli,
tik. namentlich bei unerwarteten Neu-KoN'
stellationcn auf dem Balkan, rasch gemein
inm R'sMü s. iu ta en. vaoen oie er
bündeten auf Anregung Englands beschloss
sen. ihre Pariser Botschafter zu einer
dauernd Konferenz zu veranlassen, mit
der Vollmacht, in unauMiebbarea Ange-
lcgenhciten selbständig Entscheidungen zu in einem solchen all ist von der 'cm
treffen und nur dann. wenn eine Ueber- losigkcit bis zur völligen Resignation mir
eillstirnmuiig nickt erzielt wird, ihre Regie
nini in konsultieren, nen wor i uoci
diele Botsckakter-Konferenz wird der sran
zösische Minister-Präsident und Minister
deS Aeukeren M. Briand führen.
Tie russischen Blätter führen allerdings
diesen Beschluß der Einsührung einer per
manenten Botschafter-Konferenz auf daS
Fiasko zurück, das die Vierverbandmächte
auf dem Balkan erlitten haben. In Wut
lichkeit aber ist diese von England ange
...1. m.,rri...s., ;fa nnwr
in 8 Ätknb innerlich
,7. n-Ari ,smm-n,.
vtvivIttUtt, a fl -.....a"
EslHm
" . ' - . 1 . a
Delirium Nck immer' tobt, lassen sich oft
SK,t,4 vrttiFrprm trirt nsl lTlfnfi
Stimmen vernehmen, die in England nur
urckt und Entseden auslösen können. So
icnnev vor urm oer Pllki er uv,ut
, . . . .. ' v. m :r. n.v:.i
das Etaan der franzosischen Radikalen:
. . Trotz deS Mutek unsern Armeen und
der moralischen Kraft der Ziöilbttölkerung
besitzt der Feind noch immer Belgien und
befindet sich noch W Kiiowkier von Pari,
Die süßen Weise und die rompeiew
klänae berauschen Niemand mehr. Frank,
reich weiß, daß eS den Frieden nur mit
der.' Preis der langen Geduld erringen
kann, und daß wenig offnmg auf einen
baldigen mächtiaen .militärischen Erfolg
besiekit. Die bittere Rotwendl
keit. inen AbautzungSIrieg
in führen, bedeutet aber
Trauer und Unglück in vielen
bi jetzt verschonten Hausen.
eine weitere Verteuerung ves
Lebens, das für die Armen
trotz der umsichtigen Mafznay,
men der Negierung immer
sch
sa
chwierigerwird,,mn,ermuy
mere Anstrengungen un,e-
rer Jnounrtk uno o,e,,an'
delö. um die taglich ungewtf
fer werdende Lage ,zu eryai'
t.en, eine schwache Bestellung
der Felder und Versorgung
deS Viehbestandes." Der Radi
cal" beantwortet im Hinblick auf die düstere
Zukunft die ausgeworfene Frage, ob e
nicht besser sei, einen vorzeitigen ricven
zu schließen, nicht, fondern er uvertaßi oem
Leser die Beantwortung dieser Frage.
Die französische Regierung muß zu den
verworfensten Mitteln greisen, um das
Kriegsdelirium im Volke aufrecht zu er
halten. So ist kS z. B. den mit Deutsch
land auLgetauschten invaliden Kricgsge-
fanacneu verböten, bald nach ihrem Ein-
treffen Verwandten zu begcgnendamit sie
nicht von der guten Behandlung, vie man
den französischen Gefangen in Deutsch-
land anaedeihcn läßt, berichten. Die fran
zösische Regierung läß! diese von Deutsch-
land eintrcsfcndcn invaliden Knegsgesan
genen nicht nach ihrer Heimat ziehen, son
dem es werden ihnen bestimmte Plätze,
fern von ihrer Heimat, zur Niederlssug
angewiesen. Daß die französische Regie-
rung die Vcrosfenthchung der Kriegsbe
richte der Zcnlralmächte nicht gestattet, ist
bekannt. Wenn die verantwortlichen
Staatsmänner -in Frankreich ihrer Lands
leute so sicher wären, hätten sie gewiß nicht
zu djesen grausamen und kindischen Mit
tcln gegriffen, um die Kriegsstimmung i.n
Lande zu erhalten.
Für die Stimmung der Belgier vollends
ist nicht nur die schon oben erwähnte eng
lische Mission zu König Albert bczeich
nend, sondern auch der Ausspruch Mau
rice Maeterlinks', der lautet: Wer Belgien
Gutes will, der kann ,nicht wünschen, daß
oie Alliierten oie veuiiazen inien vurcy ,
brechen und die deutschen Armeen von Bcl-
gien vertreiben, denn das würde Belgien
,l
völlig ruinieren." Nur diese Zerfall-ymp
tome im Vierverband erklären die jiing
sten Wutausbrüche der Führer der engli-
schen Knegspartei. Lord Northcliffe er
klärte noch vor einigen Tagen, daß Eng-
land bereit sei, selbst eigenhändig gegen
Deutschland den Krieg fortzusetzen, denn
der Zweck des Krieges sei nicht ein Sieg
über Deutschland, sondern eine völlige
Vernichtung der germanischen Rasse, da
Anglo-Sachsen und Germanen nicht zn-
sammen ezistiesen können und die Ger-
manen daher ausgerottet werden müssen.
Mit anderen Worten, England kann nicht
gegen die deutsche Konkurrenz ankämpfen
und muß daher Deutschland vernichten.
rn..tr, tr c... i.r: r.rr. t....
laiu in, uuuuu ut, jmiicuu luucu um
len. damit England allein ohne Konkur
renz ökonomisch, maritim und politisch die
Welt beherrschen könne. Das ist das eng
lische Streben. Aber die obenangefllhr
ten Erscheinungen in Rußland und in
Frankreich, .in Italien und in AelMN
weisen darauf hin, daß die mitJSngland
alliierten Mächte immer weniger gesonnen
und, sich verbluten zu lassen, damit die
ueoerau, uomn man im azer oes
Vierverbandes oliat, sieht man langsamen
Zerfall und Zersetzung. Wie lange dieser J
Zerfallprozeß dauern wird, ist schwer vor-..
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I Ull-Z,illjitt. nun um. .uijcs ivitu ii- t
ganze von England ausgebaute Gebäude
zusammenbrechen müssen, dcnniie von
England angestrebte Weltherrschaft kann
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rein poiiiliazes Programm sur oiikierc
Völker sein, umsoweniger, als die Real:-
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uerung vieles Programms ncy ois ieVl ais
eine phyiische Unmöglichkeit enoiescn hat.
Im ersten Anlauf, als die von Englang
organisierten Mächte im Kcimpf gegen
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euli,cyiano giauvien oync grone Annren-
gungcn Partner an der Verteilung der
Mit zu wervcn, legren xt egciflerung
an den Zag und waren vom Kriegsge
vanien verau?chk. Avcr vie groncn min-
tauschen Ructscnlage. die sie erlitten, und
die Verwandlung des Krieges m einen Ab-
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nunungLirug yai ivre eigenen moraiiicocn
Kräfte scharf abgenutzt. Heute stehen die
Alliierten Englands erschöpft und bedrückt
da, und werden niir noch durch künstliche
finanzielle und diplomatische Mittel und
TrickS zusammengehalten. Aber die Ve
geisterung ist überall geschwunden und statt
ihrer ist die Mutlosigkeit eingezogen xmo
ein Schritt!
Kriegsspende der NeichSpoft.
Die Krikgsspenbe der Neichspost wJ
Telegraphen-Verwaliung hat im ersten
Jahre ihreS Bestehens die Summe von
1.706.W8 Mark erreicht. Daneben be-
stehen in den einzelnen Obcrpostvirekttons
bezirken noch besondere Sammlungen,
deren Ertrag der örtlichen Kciegswoyl-
sakrtsvtlege zuguie lommr,
Tieie habe
bisher 1,621 000 Mark erreicht, sodaß die
Gesamtspcnde der Po tbeamtenschaft für
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Kriegszwecke im ganzen 3,327,000 Mark
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gen muß umso höher bewertet werden, als
rund 80,000 Beamte, o. h. ungefähr e n
Drittel deS gesamten Personals tm sei
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Schweizer Neutralität.
AIS verantwortlicher Leiter der SchnSi
tt Mcmatkschrist BibliolHegiie Univer- k
elle". in welcher der Schriftsteller Stapfer
einen beleidigenden Artikel gegen den. ?
deutschen Kaiser, den Reichskanzler und
das deutsche Volk veröffentlicht halte.!
wurde in Lausanne der Professor Mau
rice Milliond vom Strafgericht!,??
Blmd'sa'richts zu C00 Frs. Geldstrafe ,
od,c 10) Tagen G'säg!,is sowie zu sämt
lichen Kosten deS Verfahrens verurteilt.
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